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EX

von

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Raeha 4.0

Alles, was um mich herum geschah, wirkte wie ein Zusammenspiel aus aberwitziger Fantasie und der grausamen Realität, die sich gegenseitig die Klinke in die Hand gaben. Meine Sinne waren vollkommen überlastet, so wie ich aufgrund der Verstümmelung meiner Augen auch nichts mehr sehen konnte. Ich war quasi erblindet, konnte nicht ein Mal mehr den Unterschied von hell und dunkel aus machen. Ab und an war ich mir nicht mehr sicher, ob ich gerade bei Bewusstsein war oder ob ich träumte. Ich fühlte, wie ständig etwas meines Körper berührte, dachte, dass es vielleicht wieder nur Luranthan war, der noch immer an mir rüttelte und zerrte und mich mit Boshaftigkeit anschrie, wirres Zeug von sich gab, dass ich noch immer nicht verstand. Ich hatte irgendetwas von Regenerieren gehört, konnte daraus aber keinerlei Schlüsse ziehen. Nichts gab es an meinem Körper, was sich hätte regenerieren können - vor allem nicht meine Augen. Er musste sich etwas zusammen fantasiert haben, aus Gerüchten und Murmelei heraus, was er sich vielleicht sogar selbst ausgedacht hatte, und wollte ein kleines Experiment an mir vornehmen. Zu verlieren hatte er ohnehin nichts, da er mich ohnehin verspeisen würde - mit oder ohne Augen.

In diesem Moment wurde mir die Grausamkeit so mancher Völker wieder schmerzlich bewusst und dieses Mal erfuhr ich sie am eigenen Leibe. Vor geraumer Zeit hatte ich es, dank Lexus, geschafft, mich aus den Fängen der Liveran zu befreien, und doch landete ich erneut auf einem silbernen Tablett, bereit, um als ihr Abendmahl zu dienen. Die Hoffnung, in Frieden - mit Lexus - leben zu können, war mir wohl nicht vergönnt. Das wäre auch zu schön gewesen, als dass es zur Wirklichkeit hätte werden können. Im Endeffekt stellte Karatek also nur einen kurzzeitigen Zufluchtsort dar, der nun auch nicht mehr sicher schien.

Es wunderte mich allerdings doch, dass mein Körper noch irgendwie intakt zu sein schien. Eigentlich, dachte ich, hätte ich an meiner Verletzung verbluten müssen - unwahrscheinlich war es nämlich nicht. Entsprechend der Umstände war ich also - relativ - in Ordnung, je nachdem, wie man das auslegen konnte.
 

Noch immer wusste ich nicht, was geschehen war. Sicherlich war es so, dass Novalis einen Angriff arrangierte, als Luranthan’s rechte Hand handelte, aber ich wusste noch immer nichts über den Verbleib der anderen. Luranthan war so sehr damit beschäftigt zu wüten, darüber Ärger zu empfinden, dass mein Körper nicht so funktionierte, wie er es glaubte, dass er mir auch keinerlei Informationen gab. Ich wusste nicht ein Mal, wo sich Novalis gerade aufhielt, geschweige denn, was er wirklich vor hatte. Wenn ich so darüber nachdachte, dann ergab das alles keinen Sinn. Wenn er Lexus für sich wollte und mich damit aus dem Weg räumen mochte, wieso ließ er dann Luranthan Karatek angreifen? Was nützte es ihm, wenn Lexus dadurch eventuell gefährdet war, wo Novalis doch selbst wissen musste, dass Luranthan es ebenfalls auf ihn abgesehen hatte? Immerhin war er ein Verstoßener, der gegen den Willen des Oberhauptes gehandelt und sich gegen sein Volk entschieden hatte, da war es doch logisch, dass Luranthan einen massiven Groll gegen ihn hegte. Was, wenn Novalis’ Intention eine andere war, die ich allerdings nicht kannte und eventuell auch gar nicht nachvollziehen konnte? Immerhin kannte ich ihn nicht gut, nur oberflächlich, und wusste vor allem auch nichts über seine Vergangenheit - die auch mit Lexus verbunden war.
 

“Bewege dich, Aterun!”
 

Selbst wenn ich seinem Befehl hätte gehorchen wollen, war mir dies kaum möglich. Mein Körper rührte sich, selbst wenn ich es wollte, so gut wie gar nicht, immerhin hatte ich auch einige Mengen an Blut verloren.

Da ich mich selbst nicht bewegen konnte, zerrte mich Luranthan an einem meiner Arme herauf auf die beinahe tauben Beine, auf denen ich mich kaum bis fast gar nicht halten konnte. Erneut zerrte er an mir, zwang mich dazu, einige Schritte zu gehen, die ich nur mit Schmerzen ertragen konnte. Mein Körper schien an einigen Stellen mehr verwundet zu sein und ich konnte schon gar nicht mehr aus machen, welche Körperteile alle schmerzten und welche es nicht taten.

Immer wieder vernahm ich ein deutlich verstimmtes Knurren seinerseits.
 

“Dich giert es doch sicherlich danach zu wissen, was mit deinen kostbaren Freunden geschehen ist, oder?”
 

Er war also endlich bereit dazu, mir Informationen zu geben?

Mit einem Mal fühlte ich eine Art von Energie-Schub in mir, der mir neue, auch wenn nur kurz andauernde, Kräfte verlieh.
 

“Ich wollte nun erst sagen, dass du die Augen öffnen solltest, aber ach... Du hast ja keine mehr. Das vergaß ich beinahe, verzeih'.”, kicherte er mit seiner dunklen Stimme und ich erahnte, dass ein Schmunzeln seine Lippen zierte, “Aber da gäbe es eine andere Möglichkeit... Wenn dein Körper sich nicht auf diese Art und Weise regenerieren möchte, wird er es wohl mit einer anderen Methode können, dafür bräuchten wir allerdings ein wenig... wie soll ich sagen? Fremde Hilfe.”
 

Wovon sprach er bitte schon wieder? Alles, was er über die ‘Regeneration meines Körpers’ von sich gab, ergab keinerlei Sinn. So oft war ich schon schwer verletzt gewesen und konnte mich von alleine nicht regenerieren, immer nur mit Hilfe von Lexus.

Moment. Lexus!

Er meinte doch nicht etwa...-!

Mein Herz überschlug sich in wilden Sprüngen, als ich an meine Vermutung dachte. Konnte es sein, dass er Lexus dafür nutzen wollte, dieses Experiment an meinem Körper auszuprobieren? Natürlich, so musste es sein! Die Gleichgültigkeit, die mich zuvor noch ausgefüllt hatte, war der Euphorie gewichen. Der Gedanke daran, dass Lexus am Leben sein musste, ließ mich neue Hoffnung schöpfen!

Vor meinem inneren Auge malten sich unglaublich schöne Bilder, in den wildesten, ungestümsten und gleichzeitig friedlichsten Farben, die ich kannte und mir selbst zusammen mischte. Ich glaubte an diesen Traum, an diese Wirklichkeit, die ich mir so sehr wünschte, dass er wohlauf sein würde, dass ich in nur wenigen Momenten seine Stimme hören und ihn berühren könnte. All mein Leid würde sich von mir lösen, so dachte ich, wenn Lexus bei mir wäre.
 

Doch die Stimme, die ich dann hörte, war nicht die von Lexus.

Eine andere Stimme, die mir bekannt war. Und noch eine weitere.
 

“Nimm endlich deine dreckigen Klauen von mir, Liveran! Oder ich-”
 

“Oder du vergiftest mich? Ist es das, was du mir androhen möchtest, Insekt?”
 


 

Fyhas und Novalis!
 

Ich wünschte mir in diesem Moment ich hätte etwas sehen können, sehen, wie es Fyhas ging, ihn ansehen, sehen, wie sein Zustand war - doch alleine die Tatsache, dass er lebte, ließ mich schon ein Mal aufatmen. Eine Welle der Erleichterung bescherte mir kurze Gefühle von Glück, auf der anderen Seite spürte ich so etwas wie Enttäuschung, da ich noch immer nicht wusste, was mit Lexus geschehen war und ob dieser überhaupt noch unter den Lebenden weilte...
 

Die Schritte um mich herum schlugen sich in mein nun noch empfindlicheres Gehör. Seitdem ich mein Augenlicht verloren hatte, waren meine anderen Sinne umso sensibler geworden und ich konnte langsam, aber sicher, auch die Richtungen bestimmen, aus welchen die Geräusche um mich herum kamen. Ein wenig Konzentration bedurfte es allerdings doch noch, dass ich dazu fähig war, aber immerhin.

Man näherte sich mir. Ich vermutete, dass es Novalis war, der Fyhas hinter sich her schleifen musste, da ich ein nur die Schritte einer Person vernehmen konnte, zusätzlich aber etwas hörte, was über den Boden schleifte.

Ich atmete tief durch und versuchte, meinen Atem, der sich soeben beschleunigen wollte, zu beruhigen. Die Ruhe bewahren. Das war das Einzige, was ich tun musste, nichts anderes. Ich wollte keine falschen Schritte machen und es vor allem nicht wagen, Fyhas unnötig in Gefahr zu bringen.

Die Schritte fanden nur etwa einen halben Meter vor mir ihr Ende und ich roch erneut den metallischen Gestank von Blut, der in meine Nasenflügel hinauf kroch und mir Übelkeit bescherte.
 

“Freust du dich nicht darüber, deinen Freund wohlauf zu wissen, Aterun?”, hörte ich Luranthan sagen, “Eigentlich hatte ich keine Verwendung für ihn, aber jetzt...”
 

Unweigerlich dachte ich an das, was er zuvor gesagt hatte.

An die Sache mit dem Regenerieren und die Möglichkeit, dies mit fremder Hilfe zu tun. Das konnte nur bedeuten, dass...
 

“Es ist kein großer Verlust. Sehen wir es doch eher so: er gibt dir etwas, was du verloren hast, da er dafür eh keine Verwendung mehr haben wird, wenn er ein totes Stück Fleisch sein wird. Nur, was mache ich dann mit seinem Körper, wenn ich ihm seine Augen genommen habe, um sie deinem Körper zu schenken? Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke nicht, dass sein Fleisch so viel Anklang auf unserem Speiseplan findet. Es ist zu zäh, nicht trocken, aber belastet mit allen möglichen Giften, die uns eventuell schaden könnten. Und so ein Risiko geht man doch nicht ein, nicht wahr? Aber... wie wäre es mit dir, Aterun? Du musst doch sicherlich einen gewaltigen Hunger haben, wenn man bedenkt, in was für einem jämmerlichen Zustand sich dein Körper befindet. Man sagt doch auch, dass das Verzehren anderer Körper einem neue Kräfte schenken soll. Dass die Fähigkeiten des Körpers und des Gehirnes der Rasse, die man verspeist, auf einen über gehen soll? Ist dem so?”
 

Was?

Er drückte sich so klar und deutlich aus, und doch verstand ich seine Worte nicht. Womöglich wollte ich sie einfach nicht begreifen, weil mir ihre Grausamkeit zu bewusst gewesen war.

Wenn ich ihn richtig verstanden hatte, war es also Fyhas, der als sogenannte ‘fremde Hilfe’ missbraucht werden sollte und er verlangte tatsächlich von mir, dass... Nein, ich wollte diese Gedankengänge gar nicht weiter führen und ihnen kein abscheuliches Theater in meinem Kopf bieten!

Luranthan gab ein leises Seufzen von sich und schien mir dann näher zu kommen. Seine Klauen hatten sich in einigen meiner Haarsträhnen verfangen und packten mich grob, sodass ich mich zwangsweise aufrichten musste. Meine Fingerspitzen berührten gerade so noch den Boden unter mir und mein gesamter Körper spannte sich an.
 

“Was ist dir lieber? Entweder zerfetze ich ihn mit meinen Zähnen... oder du kümmerst dich persönlich darum. Was ist dir lieber? Glaubst du nicht, dass es für ihn persönlich schöner wäre, wenn du es wärst, der ihn isst? Es scheint mir so, als würde er dich mögen, also wäre das doch eine süße Geste, wenn du ihn dir einverleibst. Immerhin ist das doch auch irgendwo sehr romantisch, hm?”
 

Seine Worte bescherten mir umso mehr Übelkeit. Ich wollte nicht auch nur ansatzweise über das nachdenken, was er da von sich gab, doch ich musste eine Lösung finden, mit der ich - und vorallem Fyhas - leben konnte. Weder wollte ich, dass er von den Liveran getötet wurde, doch ich wollte seinem Leben auch kein Ende setzen. Er war als Unschuldiger in diese Sache herein gezogen worden und mich plagten bereits unzählige Gewissensbisse, da ich an seinem Leid Schuld gewesen zu sein schien.

Meine Schneidezähne hatten sich tief in das weiche Fleisch meiner Unterlippe gebissen und wühlten ungeduldig darin. Was sollte ich antworten? Was sollte ich tun?
 

“Was nutzt es euch?”, wagte ich mit zittriger Stimme zu fragen, “Ich bin mir sicher, dass ihr uns so oder so töten werden, warum nur aber giert ihr so sehr danach, euren Opfern auch noch Leid zuzufügen?”
 

Wissend, dass meine Worte für nichts weiter als einer Belustigung dienten, schwieg ich wieder. Luranthan hatte mich noch immer im Gruff und zog ab und an mit unverkennbarer Grobheit an meinem Haar und gab unverständliches Gemurmel von sich, aber sonst tat sich nichts. Zumindest nichts, wovon ich etwas hätte erahnen können. Erneut wollte ich ansetzen und den Worten, die auf meiner Zunge lagen, Freiheit gewähren, da zuckte ich wegen eines mir undeutsamen Geräusches zusammen. Es klang wie ein Reißen, aber auch wie ein Schmettern, ein Laut voller Brutalität, der sich mir bis ins Mark schlug und meinen gesamten Körper zu lähmen drohte, weil er so immens gewesen war.
 

Und dann... war alles ganz still.

Erschreckend still.
 

Panisch suchten meine vor Schock und Aufregung kribbelnden Fingerspitzen den Boden ab, nicht wissend, wonach sie überhaupt suchten, bis sie endlich etwas fanden, was sie mit Sorgfalt umschlossen und näher an den Körper heran brachten, bis ich an dem, was ich gefunden hatte, riechen konnte. Es roch süßlich und gleichzeitig bitter, ein herber, aber mir bekannter Geruch. Das, was ich in meinen Händen fühlte, war weich und gleichzeitig wies es etwas wie... Schuppen auf.
 

Das, was ich in meinen Händen hielt und schluchzend an mich drückte, war ein Körperteil von Fyhas, doch welcher es war... konnte ich nicht aus machen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jackal
2014-01-27T21:18:49+00:00 27.01.2014 22:18
ich dcahte grad so OMG DKGHWOE FNEUES KAPITEL aber ich kenns ja schon hihihi :D

Lecker Augensuppe *-*
und armer Fyhas ;____________________;


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