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Und er lächelte

von

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Liebe

Anders stand wie zur Eissäule erstarrt da und man konnte ihn nach Cullen's bedrohlicher, doch ehrlicher Antwort unstet zitternd ausatmen hören. Er bückte sich nicht nach seiner hinuntergefallenen Lampe und ließ den brennenden, metallenen Gegenstand, aus dem das Öl auslief, einfach auf dem Boden liegen.

Was würde nun geschehen?

Im Geiste ging der angespannte Templer bereits alle möglichen Verteidigungstaktiken gegen einen plötzlichen magischen Angriff seitens des Abtrünnigen durch. Er hatte – Anders' Worten zufolge - nicht sehr lange schlafend in der Klinik der Dunkelstadt gelegen, das Lyrium in seinem Blut reichte demnach also noch aus, um auch etwas gehobenere Zauber abzuwehren und in Luft aufzulösen.

Doch was, wenn Anders heftiger zuschlagen würde, als vermutet? Er war ein außerordentlich fähiger – und wahrscheinlich auch sehr gefährlicher – Mann, den man nicht unterschätzen durfte. Das hatte er mittlerweile bewiesen indem er Cullen vor dem Verbluten gerettet... und vielleicht auch das Massaker in Amaranthine angerichtet hatte.

Hatte er das denn?
 

Außerdem war sich der Knight-Captain nach wie vor nicht so ganz sicher, ob er dem erschrockenen Blonden überhaupt in irgendeiner Weise vertrauen konnte und ob ihm dieser denn tatsächlich freundlich gesinnt war... wenn man den 'Zustand' zwischen ihnen denn so nennen konnte.

Früher, ja, früher waren sie wohl so etwas wie Freunde gewesen. Freunde, zwischen denen sich eine eigenartige, einseitige 'Spannung' seitens des aufdringlichen Magiers befunden hatte.

Es mochte sein, dass ihm der Heiler gestern noch geholfen hatte, weil er in ihm jemanden aus seiner Vergangenheit gesehen hatte; doch Cullen hatte sich verändert... sie beide hatten sich verändert.
 

Abwartend, unbewaffnet und dennoch bereit sich mit fähigen Händen und Füßen zu verteidigen, wich der Templer einen kleinen Schritt weit zurück und nahm eine defensive Körperhaltung ein, um sich im Ernstfall so effektiv als möglich schützen zu können. Cullen spürte bereits, wie das Lyrium in seinem angeschlagenen Organismus danach lechzte den starken Manafluss des anwesenden Heilers – trotz allem, was er für Cullen getan hatte - zu packen und gewaltsam abzureißen. Zusammen mit dieser soldatischen, antrainierten Vernunft eines Templers wartete der Krieger im Grunde nur selbstheuchlerisch darauf, dass der nervöse Anders den ersten Schritt in die Offensive tat und ihm damit einen klaren Grund dazu gab ihn unschädlich zu machen und sofort abzuführen. Eine greifbare Sache wie einen verzweifelten Angriff zum Beispiel, Blutmagie im schlimmsten Fall vielleicht. Viele Magier griffen auf das Maleficarum zurück, wenn man sie in die Enge trieb und sie keinen anderen Ausweg mehr sahen.

… oh, hoffentlich kam es nicht zu alldem.
 

„Es ist meine Pflicht, Anders.“ gab der Templer schließlich doch noch gedämpft von sich und hoffte den regungslosen Magier so ein wenig beschwichtigen zu können. Denn eigentlich... wollte der Mensch in Cullen Anders laufen lassen; er wollte scheuchende Handbewegungen in die Richtung seines alten Bekannten machen und ihn böse anschreien, um ihn fort zu jagen. Fort aus diesem schrecklichen, menschenfeindlichen Viertel, fort aus der Stadt der Ketten... irgendwohin wo ihn die mächtige Kirche niemals finden würde. Doch der Krieger blieb nur ebenso still und abwartend stehen wie sein Gegenüber.
 

Wie insgeheim erhofft antwortete Anders nicht gleich mit Taten sondern nur mit kühlen Worten hinter denen er seine aufbrausenden Emotionen zu verbergen versuchte.

„'Pflicht', sagt ihr. Kennt ihr Templer denn noch andere Worte?“ fing Anders mit brüchiger Stimme an zu sprechen und sein Kopf wich für einen kurzen Moment lang zur Seite. Der Blonde schlug die Augen unter seiner weiten Kapuze nieder und schien mit sich zu ringen – oder suchte er nur nach passenden Worten und weiteren Anschuldigungen, die den Templerorden treffen sollten? Cullen wusste es nicht; er wurde nicht schlau aus dem Mann, von dem er geglaubt hatte, er kenne ihn.
 

Anders haderte viele Momente lang mit sich selbst bis er dann scheinbar zu einem Entschluss kam. Als er sich seine Kapuze vom Haupt zog und seine Augen wieder auf sein Gegenüber richtete, glaubte der Templer ein nasses Glitzern in dem sanften Braun erkennen zu können.

Wie damals.

Den Kopf schwach und ungläubig schüttelnd und mit diesem einen, seltsamen Blick im Gesicht, trat der ausgelaugte Magier ein wenig näher und presste die blassen Lippen dabei aufeinander, als habe er nun gleich vor irgendetwas Schlimmes zu sagen.

… wie damals.

War der Abtrünnige tatsächlich des Kämpfens müde und so erschöpft wie er aussah oder wollte er wirklich nur sprechen und dabei vorwurfsvoll dreinblicken, in der Hoffnung, der Knight-Captain ließe in seiner Angelegenheit Gnade walten?
 

Erneut fielen Worte, als der Blonde nur ein, zwei Schritte vor dem Templer hielt „Hast du nachgedacht?“. Dass Anders ihn plötzlich duzte, entging dem aufmerksamen Cullen keineswegs und irgendwie störte es ihn.

„Darüber... was dich morgens aus dem Bett bringt?“ der Magier fröstelte leicht – ob seiner düsteren Gedanken oder der klirrenden Kälte wegen, war schwer auszumachen – und er schlang seine Arme locker um sich selbst, als er den schmalen Augen des Anderen auswich.

Cullen glaubte das leichte Frösteln, das Anders schüttelte, im selben Moment ebenfalls fühlen zu können. Er hatte bisher daran gezweifelt, dass der blonde Heiler noch immer die Gabe besaß einem allein durch simple Worte einen eisigen Schauer über den Rücken zu jagen. Doch Cullen hatte augenscheinlich falsch gelegen; Anders wusste sehr wohl noch wie es funktionierte.

Tat er das mit Absicht?

Der Knight-Captain setzte zu einer Antwort, einer Verteidigung, an – zu welcher wusste er in diesem Moment selbst noch nicht so genau – doch der Mann vor ihm schnitt ihm das Wort plötzlich missmutigen Untertons ab „Ist es DAS, was du hier gerade tust, das dich dazu motiviert aufzustehen?“. Der Heiler nickte aufgebracht in Cullen's Richtung, als er ihm nun entgegenblaffte und verengte seine nassen Augen „Das Ausspionieren und Ausliefern Magiebegabter, auch, wenn du sie... 'kennst'?“.
 

Der betretene Templer, der sich langsam aber sicher wieder aus seiner defensiven Haltung löste, sah Anders völlig sprachlos entgegen, als dieser seine Arme enger um sich legte und schließlich mit irgendetwas in sich ringend seinen Kopf senkte, um sich ganz plötzlich stumm abzuwenden und zu gehen.

Zu gehen!
 

Cullen war sich seiner nächsten Handlungen nicht wirklich gewahr und er wusste nicht, ob das, was folgte, richtig war... doch es geschah beinahe schon reflexartig, ohne, dass sich sein rationaler Kopf zuvor einschaltete. Er wendete sich nach nur einem kurzen Zögern um, um dem Abtrünnigen, der ohne seine Lampe verschwinden wollte, schnellen Schrittes nachzugehen und ihn grob an einem Oberarm zu packen. Anders erschrak merkbar und versuchte sich sofort aus dem harten Griff des Kriegers, der ihn zurückzog, zu befreien – erfolglos.

Mit einem gewaltsamen Ruck beförderte der Templer den protestierenden Blonden mit dem Rücken voran an einen der Kistenstapel die vor der, in die oberen Viertel Kirkwalls führenden, Treppe standen. Leise und überrumpelt ächzte der Heiler dabei und ehe er überhaupt dazu ausholen konnte den Schleier zwischen dem Nichts und dieser Welt zu zerreißen und sich mit Hilfe von Magie zu verteidigen, strafte ihn der Knight-Captain stechend-mahnenden Blickes.

Der Zeigefinger von Cullen's freier Hand wanderte in einer drohenden Geste an den Oberkörper Anders', als er ihm aggressiv auf seine dämlichen Fragen von gerade eben antwortete – und das ebenso informell.

„Es geht hier nicht um 'Freundschaft', es geht darum was du bist!“ bellte der zornige Krieger dem etwas Kleineren entgegen und drückte ihn grober als er es eigentlich vorgehabt hatte an die schweren Holzkisten.

„Ich bin der Knight-Captain Kirkwalls! Ich spioniere nicht, ich stelle fest und handle, wie es mein Orden von mir verlangt!“ Cullen unterdrückte den plötzlichen Impuls den unverschämten Magier vor sich zu schlagen und atmete erneut durch, um seiner Wut Luft zu machen.

Niemand stellte ihn in Frage! Schon garnicht jemand wie Anders!

„Ich bin ein Vorbild hunderter Männer und Frauen unter mir! Ich lasse keinen verdammten Abtrünnigen laufen, nur, weil ich ihn 'kenne'!“ knurrte er dem Heiler vor sich zähnemahlend entgegen, so, als habe er das, was er sagte jahrelang einstudiert „Wenn du tatsächlich der dreckige Mörder aus Amaranthine bist, wirst du brennen, Anders! Und der Erbauer sei mein Zeuge, ich werde höchstpersönlich für deinen Scheiterhaufen am Vorplatz der Galgenburg sorgen! Das schwöre ich dir!“
 

Cullen atmete schwer, als er seine aufbrausende Tirade beendet hatte und realisierte erst nach vielen, schnellen Herzschlägen wie fest er den Magier vor sich am Kragen hielt und wie barsch er ihn an den hölzernen Kistenstapel in seinem schmalen Rücken presste.

Der Templer blinzelte dem Abtrünnigen kopfschüttelnd entgegen und stieß einen leisen, wüsten Fluch aus, als er mit einem Ruck wieder ratlos von dem erstarrten Blonden mit den offenstehenden Lippen abließ.

Es dauerte keine Sekunde und bedarf keines langen Blickwechsels mit Anders, bis sich Cullen nicht nur mehr über das Verhalten des Anderen ärgerte sondern auch über... sein Eigenes. Über diese aggressive Haltlosigkeit und auch ein bisschen über seine unglücklich gewählten und schlimmen Worte in dieser prekären Situation.

Er wusste nicht, ob Anders tatsächlich dieser 'Liam' war und er war sich in dieser Sekunde nicht einmal mehr so sicher, ob er den Magier, der ihm aus glasigen Augen entgegenblinzelte, tatsächlich ausliefern wollte.

Er wusste gerade garnichts mehr.
 

Als Cullen seinen kurz abgewendeten Blick nach unendlich erscheinenden Augenblicken wieder anhob, war seine Wut vollkommener Resignation gewichen. Die Müdigkeit drohte unaufhaltsam in seine Glieder zurückzuschwappen, als er gezwungen Luft holte, um zu einer halbherzigen Entschuldigung – oder zu irgendetwas dergleichen – anzusetzen.

Er wusste schon jetzt, dass ihn Anders' Worte von vorhin heute Nacht wieder wach halten würden... er wusste, dass er sich selbst und diese Lügen, die er sich so oft vorlebte, einmal wieder in Frage stellen würde, oh ja, das würde er.
 

Der Magier vor Cullen lehnte noch immer völlig fassungslos an den alten Kisten, die sich hart in seinen Rücken graben mussten. Aus geweiteten Augen sah er dem Knight-Captain starr entgegen – sie waren nicht erfüllt von Wut oder von diesem typischen Widerwillen, sondern von einer Spur Ungläubigkeit, gepaart mit unterdrückter Furcht und irgendetwas Anderem, Mehrsinnigem, das Cullen nicht zu deuten vermochte.

Was ging gerade im Kopf des blonden Mannes vor?
 

Nur langsam löste sich Anders nun wieder aus seiner Starre und handelte kurz daraufhin völlig unerwartet indem er seine beiden Hände entschlossen vorschnellen ließ und nun auf einmal derjenige war, der sein Gegenüber forsch an den Oberarmen packte. Die ganze Situation artete in ein ungeplantes, groteskes Machtspiel aus, als der Magier den irritierten Templer - ehe sich dieser versah - an seiner Stelle dermaßen grob und mit dem Rücken voran an den Kistenstapel stieß, dass eine der Lagerkisten polternd zu Boden fiel.

Im Gegenzug zu Cullen sprach der Heiler nun ruhig, doch mit überaus bedrohlichem Unterton in seiner kratzigen Stimme und verengte seine zuvor noch so großen Augen zu Schlitzen „Du hast dich nicht verändert.“ der unruhig atmende Mann rang kurz und recht offensichtlich nach Fassung, blinzelte ein paar Mal an dem konfrontierten Templer vorbei ins Leere, ehe er seinen Blick wieder zurück auf ihn richtete und sein Kinn wütend reckte. „Du bist noch immer so... naiv wie damals.“ zischte Anders beinahe schon verächtlich hervor.
 

Cullen wollte dem Anderen hinsichtlich seiner verqueren Ansichten etwas entgegnen, doch Anders bellte ihm ein plötzlich lautes „Sei still!“ entgegen. Bildete es sich der Knight-Captain nur ein, oder schwang in diesen beiden befehlenden Worten Verzweiflung, ja, sogar Enttäuschung mit?

Der Krieger sah auf diese unsichere Erkenntnis hin nur noch tief durchatmend zur Seite und entschloss sich dazu zu schweigen, um das aufgebrachte Gemüt des Abtrünnigen - der sich soeben abwendete und sich eine seiner zittrigen Hände an die Augen hob - nicht noch weiter zu erhitzen. Das hier musste nicht eskalieren.

Es war genug; er sollte gehen. Sie sollten gehen.
 

Der Knight-Captain wartete ein paar unangenehme Augenblicke ab bevor er sich vorsichtig und langsam von den Kisten hinter sich entfernte. Seinen forschenden, wieder überaus wachen Blick hielt er dabei nach wie vor argwöhnisch auf den Rücken des aufgelösten, unberechenbaren Magiers gerichtet. Dieser ließ die Schultern und den Kopf hängen und Cullen war in diesem Moment wahrlich froh, dass er das Gesicht Anders' nicht sah. Es reichte ihm bereits, dass dieses vielsagende Zittern den schmalen Körper des Heilers beutelte.

Weinte er?

Der Templer verengte seine Augen ein wenig, als helfe ihm das dabei durch die augenscheinlich zerrüttete Seele des Anderen zu sehen.

Natürlich half es nicht. Doch warum machte er sich überhaupt Gedanken?
 

Ohne den zerstreuten Anders noch einmal anzusprechen wand Cullen sich schließlich zögernd zum Gehen. Und als hätte der Heiler dies bemerkt, begann er zu allem Überfluss wieder zu sprechen und zwang den Templer damit dazu noch einmal über seine Schulter zu dem Blonden zurückzulinsen.

„Ich hatte gehofft-“ begann er brüchig wispernd, doch brach diesen Satz sogleich wieder ab, um etwas vermeintlich Deplatziertes zu offenbaren, von dem Cullen in dieser seltsamen Situation nicht genau wusste, was der davon halten sollte. Noch nicht.

„Damals... - ich war dabei mich in dich zu verlieben, Cullen...“ ein verheerender Satz, der dem verwirrten Magier so leise über die Lippen kam, dass der Templer zuerst dachte, er habe sich verhört. Doch das hatte er nicht.

„Ja, vielleicht war ich noch nicht mal mehr dabei, sondern es war schon längst zu spät.“ setzte Anders seiner vorigen Äußerung etwas lauter und mit fassungslosem Unterton in seiner bebenden Stimme nach.
 

Stille breitete sich zwischen den beiden Männern aus; zäh, drückend und unangenehm. Und während der Templer noch dabei war zu realisieren, was Anders hier gerade von sich gegeben hatte - oder es bestenfalls zu versuchen - wischte jener mit dem Ärmel über sein bleiches Gesicht und blickte zögerlich über seine Schulter zurück zu dem Krieger. Abwartend und auf betretene Art und Weise völlig unsicher musterte er den Anderen, wunderte sich womöglich darüber, dass Cullen nicht einfach ging sondern wie festgewurzelt und mit verschlagener Sprache im Zwielicht des kleinen Feuers vor sich auf dem Boden dastand.
 

Das hier musste ein Traum sein. Ja, am ehesten ein Alptraum.

Bestimmt würde Cullen gleich daraus hochschrecken; er würde in seinem Bett in der Galgenburg liegen und mit Erleichterung bemerken, dass die äußerst fragwürdigen Ereignisse hier in der Dunkelstadt nie passiert wären.

Es würde keinen ominösen Heiler in diesem verkommenen Elendsviertel geben, Anders wäre tot. So tot, wie er es vor Tagen noch im Kopf des geschäftigen Knight-Captains gewesen war. Der blonde Magier wäre nichts weiter als ein... beinahe vergessener - oder schlecht verdrängter - Kerl aus vergangenen Tagen in Ferelden. Nichts weiter.

Genau.
 

Liebe. Was wusste jemand wie Anders, als Weiberheld Kinloch Holds und ehemaliger Herzensbrecher aller Magielehrlinge, davon? Garnichts.

Stets hatte er jemand anderes um sich gehabt, seine Partner und Partnerinnen wöchentlich gewechselt, so schien es. Es war kein Monat vergangen in dem man den blonden Wahnsinnigen nicht am Schopf von irgendjemandem herunterzerren musste, die Plätze dieses Schauspiels hatten natürlich auch immer variiert. Dem jungen Magier waren Betten wohl zu langweilig gewesen. Damals. Er hatte genommen was und wen er konnte und seine Beute relativ schnell wieder losgelassen. Allerspätestens jedoch, wenn er einmal wieder für ein paar Tage lang von der Bildfläche des Zirkels verschwand.

Ganze fünf Mal hatte der Heiler damals versucht zu fliehen, dessen hatte sich Cullen nach dem sechsten – und einzig erfolgreichen; auch, wenn Anders dies bestritt – Fluchtversuch versichert. Knight-Commander Greagoir hatte sich eines Nachts fürchterlich aufgeregt, darüber, dass nicht nur er in der Sache 'Anders' zu milde vorgegangen wäre, sondern auch der erste Verzauberer Irving.

Man hatte den Blonden unterschätzt. So wie es auch seine vielen Bettgesellschaften getan hatten.
 

Anders hatte keine Ahnung.
 

„Mach dich nicht über mich lustig!“ brach es aus Cullen hervor, als er sich wieder von seinen Gedanken losriss. Die etwas ältere Version des blonden Heilers, der gerade noch lachend durch die Korridore seiner Erinnerungen gesprungen war, stand noch immer nicht weit entfernt da; abwartend.

„Ich mache mich nicht lustig.“ gab er etwas ruhiger als noch zuvor, doch noch immer recht aufgewühlt zurück, als er sich eine letzte kleine Träne aus dem Augenwinkel blinzelte. Diese Antwort entlockte Cullen jedoch nur ein abfälliges Schnauben und drängte ihn zu einem verächtlich-skeptischen Blick.

Warum ließ er sich eigentlich noch auf dieses sinnlose Gespräch ein? Weil er befürchtete, dass es das Letzte mit diesem Magier sein könnte?

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich DAS damals dir und der Kleinen zuliebe gemacht habe..?“ kam es etwas leiser über die Lippen des Abtrünnigen, als er seinen Kopf wieder abwendete und dabei zu überlegen schien, ob er gehen sollte. Vermutlich befand er diese Unterhaltung hier ebenso als irrsinnig.
 

Ihm und 'der Kleinen' zuliebe...

Wieder ballten sich die Hände des Templers, als er sie vor seinem geistigen Auge sah. Die zierliche Magierin mit den langen, dunklen Haaren in der Bibliothek, die Frau, die es geschafft hatte zum Rang einer Kommandantin der Grauen aufzusteigen.

Viele waren klein, doch nicht sie. Solona war nie klein gewesen sondern immer schon eine der Besten. Bestrebt, freundlich... und schön.

Wie sie heute wohl aussah? Ob der Krieg die Frau gezeichnet hatte – wie sie alle?

Cullen hatte sie zuletzt gesehen als die Katastrophe in-

Die ermattenden Augen des Knight-Captains wanderten langsam gen Boden und sein gedankenverlorenes Haupt wieder fort von dem Mann in seiner Nähe.

Solona hatte Kinloch Hold damals von den rasenden Dämonen und den wahnsinnigen Maleficaren befreit, sie hatte geschafft wozu sonst niemand in der Lage gewesen war. Nur kurz hatte Cullen sie danach gesehen, in einer heftigen Auseinandersetzung mit – oder besser: zwischen - den beiden Obersten des Zirkels... Irving und Greagoir hatten wie immer gestritten. Und die Magierin hatte geschlichtet, versichert, dass der Turm wieder sicher sei und dabei gelächelt.

Sie hatte dort für Ruhe gesorgt, wo sie sich keiner mehr hätte vorstellen können.

Und dann war Solona Cullen's Blick wieder entglitten, hatte dem Zirkel Fereldens einfach so den hübschen Rücken gekehrt – mit der Begründung er wäre nicht mehr ihr Zuhause.

Cullen hatte sich damals aus tiefstem Herzen gewünscht, dass sie blieb; wenigstens für ein paar Stunden. Vielleicht hätte er Solona, hätte er in dieser Zeit denn die Gelegenheit dazu bekommen, endlich angesprochen. Er hätte mit ihr geredet – über völlig belanglose Dinge, hätte mit ihr über dieses und jenes geplaudert, sie nach dem Wetter vor den Mauern des Zirkels gefragt oder so getan, als interessiere es ihn, was sie gefrühstückt hatte.

Solona wäre wohl die einzige gewesen, die in ihm – wie auch in dem Turm im Calenhad See – für Ruhe gesorgt und die weit ausschlagenden Wogen seines nahenden Wahnsinns geglättet hätte. Zumindest ein wenig. Vielleicht-

Ah, was dachte er da überhaupt? Er hatte geglaubt, er hätte die jetzige Kommandantin der Wächter in Amaranthine schon längst vergessen... oder besser gesagt diese verbotene Zuneigung, die er ihr damals entgegengebracht hatte.

Ganz vergessen hatte er sie nie.

… so wie er den Magier aus Anderfels nie vergessen hatte.
 

Gerade, als Cullen wieder aus seinen Gedanken aufblickte und seinen Kopf schüttelte, als könne er sie damit verscheuchen, setzte sich der blonde Abtrünnige vor ihm in Bewegung. Ohne noch ein einziges Mal zu ihm zurückzublicken oder etwas zu sagen verschwand er fast schon fluchtartig und zog sich dabei wieder seine schwarze, zerschlissene Kapuze über den Kopf. Ohne seine Lampe, die nur noch schwach glimmend am staubigen Boden vor der Treppe lag, verschmolz Anders schnell mit der undurchsichtigen Dunkelheit der dreckigen und trostlosen Grauzone Kirkwalls.

Der Knight-Captain hatte nicht einmal mehr die Zeit und die Fassung dazu dem Heiler hinterherzurufen oder gar zu -laufen.

Doch hätte er das denn überhaupt getan, hätte er sie gehabt..?



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