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Und er lächelte

von

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Abscheulichkeit

Der verbrannte Leib des magisch begabten Qunaris gab noch immer leise, widerlich zischende Laute von sich und stank auf bestialische Art und Weise verbrannt. Lyrium mischte sich unter diesen stechend süßlichen Geruch nach Feuertod und wäre Cullen's Magen nicht schon lange an solche Zustände gewohnt, so hätte er sich in diesem Moment wohl übergeben müssen. Doch natürlich tat er dies nicht, er würgte nicht einmal, sondern starrte dem so sonderlichen Mann in der Tür der Klinik entgegen.

Anders?“ entkam es dem entrüsteten Templer ohne, dass er es überhaupt so wirklich bemerkte, denn sein verplankter Kopf hing seinem Mundwerk hinterher. Vollkommen unschlüssig stand er nun da, sein Schild zu seinen Füßen und das blutverschmierte Schwert in seiner rechten Hand. Letzteres ließ der Mann in diesem Augenblick sogar zögernd sinken – doch der Blonde in der Tür tat es ihm nicht gleich. In offensiver Haltung stand der neblig umwaberte Magier da, hatte seinen mannshohen Stab angespannt hinter sich gerissen und seine linke Hand vor sich gestreckt, als plane er einen weiteren, verheerenden Angriff.

Blut bildete vermischt mit Schweiß kleine Rinnsale, die sich sichtbar durch den dunklen Dreck in Anders' Gesicht und über seinen Hals nach unten zogen, um in seiner fleckigen Kleidung zu versickern. Zähflüssig färbte es auch einen Teil seiner hellen Haare rot und lief über seine Schläfen hinab, um am Ende leichte Fäden ziehend an seinem schmalen Kinn nach unten zu tropfen.

Anders – oder der, der annähernd so aussah wie er - war verletzt.

Warum heilte er sich nicht?

Warum verzogen sich seine schmalen Lippen stattdessen gerade zu einem so deplaziert verschmitzten Grinsen?

Abermals verließ der Name des Blonden die Kehle des verwirrten Knight-Captains, doch anstatt zu antworten reagierte der Veränderte mit einem abrupten, magischen Schlag gegen den Templer, der jenen nur um eine Haaresbreite verfehlte. Als wäre dieses Danebentreffen pure Absicht gewesen, fing Anders nun an gehässig vor sich hinzulachen – mit einer viel zu tiefen Stimme, die Cullen nicht kannte – und er warf seinen blutenden Kopf dabei in den Nacken, entblößte seine, von dieser Flüssigkeit rötlich gefärbten, Zähne.
 

„Ihr solltet gehen, wenn ihr nicht sterben wollt, Templer!“ blaffte der Magier hervor und spie das letzte Wort aus, als bereite es ihm Übelkeit, während er schließlich auf den irritierten Cullen zuhielt und dabei merkbar Mana über seinen langen Stab bündelte. Nur flüchtig wendete der Blonde seinen angeschlagenen Kopf ab, um rot auszuspucken, richtete seine glimmenden Augen daraufhin hastig wieder in die Richtung des perplexen Kriegers. Anders holte merkbar tief Luft, als das magisch geladene Holz in seiner Hand leise zu sirren begann und atmete dabei den dunklen Dunst, der über seine Haut empor kroch.

Der sonst so sanftmütige Heiler, von dem der Knight-Captain gedacht hatte, er kenne ihn mittlerweile wie kein Anderer, wirkte in diesem Moment derart bedrohlich und ungewohnt aggressiv, dass es den argwöhnischen Krieger dazu brachte seinen Einhänder wieder zu erheben.

Nur nach und nach fiel es dem fassungslosen Mann wie Schuppen von den Augen, nur nach und nach drängte sich eine ungute, befremdliche Vorahnung über Anders' verzerrten Zustand in seinen verfahrenen Geist. Und das flaue Gefühl, dass Cullen's Magengegend überwältigte, klatschte diesem düsteren Gedankenzug laut Beifall.
 

Abscheulichkeit.

Anders war eine Abscheulichkeit!
 

Der Magier stieß das beschlagene Ende seines Stabs ruckartig gen Erdgrund und ausgehend von der Waffe schien dieser bei Kontakt zu erbeben. Eine plötzliche, grollende Druckwelle warf sich dem unschlüssig abwartenden Templer wandgleich entgegen und drängte ihn einige Meter weit zurück. Anders verengte seine blau flammenden Augen und verzog sein Gesicht so, als habe er etwas absolut Widerliches gerochen; offenbar hatte sein Angriff nicht die Wirkung erzeugt, die er sich erhofft hatte. Wieder sammelte er Energie und wieder schleuderte er sie Cullen mit Windeseile und einem bogenförmigen Schwung seiner Waffe zu.

Magie packte den Krieger ungnädig und fester noch, als es der Qunari vorhin getan hatte. Sie hielt ihn fest und zerrte ihn auf die Zehenspitzen, als hebe ihn jemand wie durch Geisterhand am Kragen hoch. Eine gleißende Lichtsäule schlug wuchtig rings um ihn ein und drohte ihn sogleich zu zerquetschen.
 

Anders kicherte, als der überwältigte Cullen gepeinigt aufschrie.

Es war wie damals.

Man hielt ihn gefangen.

Innerhalb eines blendend hellen Käfigs aus manipulierender, feindlicher Magie.

Er würde hier nicht mehr herauskommen.

Er würde sterben.

Er würde-

Nein.

Nein, nicht heute.
 

II
 

Mit einem lauten Poltern schlug der runenverzierte Magierstab am harten Boden auf. Cullen hatte ihn dem Heiler, nein, der Abscheulichkeit forsch aus der Hand geschlagen, nachdem er schreiend auf diese losgestürzt war. Er hatte sein Schwert dafür nicht gebraucht, bloß reine, physische Gewalt.

Er war wie im Rausch auf den Fluche zischenden Blonden zugestürzt, hatte keine Ahnung, wie er es geschafft hatte sich aus seinem magischen Gefängnis zu befreien. Doch das zählte im Moment ohnehin nicht.
 

Anders wich, eine abwehrende Körperhaltung einnehmend zurück und im Gegensatz zu vorhin sank die ohnehin sehr kühle Temperatur in der Krankenstation rapide. Cullen bemerkte, wie der Atem des Anderen in der eisigen Kälte als fahler Dunst sichtbar wurde und er fühlte, wie die Kühle noch beißender unter seine Kleidung und in seine Lungen kroch als der Rauch der brennenden Stadt.

Der Abtrünnige mit den Lyriumrissen im Gesicht wollte augenscheinlich nicht aufgeben, doch das hatte sich der Templer so und so nicht erhofft. Er erreichte Anders schneller, als dieser ihm das magische Eis entgegen werfen konnte und völlig instinktiv und außer sich schlug Cullen zu so fest er nur konnte. Er traf den bereits Geschwächten nicht frontal, doch der Hieb mit seiner eisenbewehrten Faust reichte aus, um den Fernkämpfer zum Straucheln zu bringen. Anders wendete sich sofort etwas schwerfällig, um mit magisch flirrenden Händen nach Cullen's Kopf zu haschen, doch der Krieger war wieder schneller und warf den viel zu leichten Körper des verwundeten Magiers dem massiven Schreibtisch der Krankenstation entgegen.

Anders krachte mit dem Rücken voran gegen die hölzerne Ablagefläche; dicke Bücher fielen zu Boden, Metallbecher schepperten und Glasphiolen klirrten laut. Der Mann mit den blau leuchtenden Augenhöhlen wollte sich wieder fassen, doch er scheiterte dieses Mal und der spontan handelnde, cholerische Templer, der nun glaubte um sein Leben kämpfen zu müssen, trat sofort vor ihn.
 

Die behandschuhte Hand Cullen's packte den Anderen am Hals; sie zwang ihn daran wieder zurück auf den Tisch und mit dem Rücken voran gegen die steinerne Wand, an der das Möbelstück stand.

Der überwältigte Blonde keuchte und gab ein würgendes Geräusch von sich, als der blindwütige Templer zudrückte und ihm anklagende, verfluchende Worte entgegen blaffte. Der Krieger hatte sich vollkommen vergessen und hätte er den dünnen Magier am Tisch nun noch fester gegen das kalte Mauerwerk dahinter pressen können, so hätte er dies mit Sicherheit getan.

Zwei blutbefleckte, zittrige Hände umfassten die stahlbeschlagenen Finger Cullen's die die Abscheulichkeit gepackt hatten. Anders krallte sich somit fest, rang vergeblich röchelnd nach Atem, strampelte und trat nach dem physisch stärkeren Krieger vor sich; seine Sohlen trafen dabei aber nur harte, schützende Metallplatten.

Erneut versuchte die gefährlich geladene Aura der Abscheulichkeit mit kleinen, gierigen Fingern nach dem Templer zu fassen, schwappte über ihn herein wie reißende Meeresfluten und beinahe hätte sich Cullen von ihnen aus der Fassung bringen lassen. Aber nur beinahe, denn seine Sinne, die sich gerade vollends gegen weitere arkane Einflüsse sträubten, kamen ihm zugute.
 

Aus schmalen, hasserfüllten Augen sah Cullen dem sich windenden Magier bei seinem vergeblichen Kampf zu. Er sah die Platzwunde am Kopf des Abtrünnigen, dunkle Rußflecken an dessen blassen Wangen; er roch das Lyrium, das Nichts, den Rauch, den Tod.

Und er hörte, wie sich das Japsen des Magiers plötzlich veränderte. Fort war dieser raue, viel zu tiefe Ton und diese Eiseskälte in der Stimme des Mannes, als er zwischen vergeblichen Atemzügen einen gequälten, erstickten Laut von sich gab.

Cullen fuhr zusammen und lockerte seinen Griff am Hals des schwach gewordenen Heilers ein wenig, als dessen Ton wie sein Gesicht wieder menschlichere Züge annahmen. Diese feindselige Ausstrahlung, diese Magie, die das Potential dazu besessen hatte Cullen den Schwindel in den brummenden Schädel zu treiben ließ - wie die feinen Risse in dem Gesicht des Abtrünnigen - nach; beide verblassten beinahe schlagartig und hinterließen keinerlei Spuren.

Wieder trat Anders nach dem Templer, dieses mal jedoch kraftlos, und er öffnete seine zuvor zusammengekniffenen Augen um einen kleinen Spalt weit.

Braun.

Das Braun darin war zurück.

Aber... wie-

Als hätte er sich an dessen Haut verbrannt, ließ Cullen den atemlosen Abtrünnigen vor sich los; das, obwohl ihm sein Verstand sagte, ihn doch endlich zur Strecke zu bringen. Der Mann wich nicht von dem Blonden ab, sondern starrte ihm nun wie vor den Kopf gestoßen entgegen.

Was-

Anders – und nun war dieser Mann definitiv wieder 'Anders' - Atmung schnappte einige Male hörbar, bevor er es fertigbrachte tief einzuatmen, er stieß ein schmerzerfülltes Stöhnen und unverständliches Gejammer aus. Völlig unkoordiniert wollte sich der versehrte Magier aufrichten, sackte jedoch sofort wieder an die Wand hinter sich und blieb etwas gekrümmt auf seinem alten, maroden Tisch sitzen.
 

„Anders?“ Cullen erfasste die bibbernden Schultern des Anderen vor sich und löste die gebeugte Haltung des Blonden somit, hielt ihn fest, damit er aufrecht sitzen blieb „Anders. Sag etwas.“.

Der Krieger spürte, wie sein rasender Zorn umschlug und eine plötzliche, verstörende... Angst in seine angespannten Glieder schoss. Er versuchte diesem flatterhaften Gemütszustand Herr zu werden, indem er sich im Geiste dazu ermahnte Ruhe zu bewahren. Es funktionierte nicht.

Er hatte es sich vor Sekunden noch gewünscht, als ihm ein Monster aus blau funkelnden, kühlen Augen entgegengesehen hatte. Doch was, wenn der gerade so zerbrechlich anmutende Mann mit der wieder so weichen, vertrauten Stimme vor ihm starb? Wegen seiner Wunden; wegen ihm? Was dann?

Was, wenn-

„Anders!“ presste der beunruhigte Mann nun herrschender hervor als noch zuvor und fühlte sich mit jedem Atemzug, den er tat, hilfloser. Der entkräftete Heiler, den er festhielt, antwortete nicht. Die fahlen Lippen des Magiers standen einen Spalt weit offen und man hörte, wie er nur schleppend wieder anfing regelmäßig durch sie ein- und auszuatmen.

Und dann, nach einer gefühlten, quälenden Ewigkeit hob sich eine der Hände des Abtrünnigen schließlich an, um suchend nach dem Ärmel des Anderen zu fassen und sich daran festzuhalten. Anders blinzelte ein paar Mal und schlug die Augenlider für einen Herzschlag lange nieder, als er an dem Stoff zwischen Cullen's Armschienen und dem Rüstleder unter dessen Schulterplatten zog.

Erleichterung machte sich mit einem Mal in dem Knight-Captain breit, als der Blonde nun wieder genug Kraft fand, um seinen wirren Kopf anzuheben. Und er sah Cullen aus verklärten, braunen Augen an – so, als sähe er durch ihn hindurch, doch immerhin sah er ihn an. Seine Pupillen wanderten kaum merkbar, musterten entweder Cullen's erblasstes Gesicht oder sahen etwas, das nicht existierte.

Der Templer glaubte im nächsten Moment zu erkennen, wie einer von Anders' Mundwinkeln kaum merklich und in einem bitteren Lächeln zur Seite zuckte, bevor sich der Mann von selbst aufrichtete, um sich unter dem Griff des Kriegers jenem entgegen zu beugen. Er reckte sein Kinn ein wenig, öffnete seine Lippen abermals und hielt so knapp vor Cullen's Gesicht inne, dass der Templer die Körperwärme des Magiers an der Haut fühlen konnte. „Lang nich-“ als der aufgelöste Abtrünnige zitternd wisperte, konnte der Knight-Captain das süßliche Blut riechen, das die Lippen des Blonden bedeckte „Lang nich' geseh'n.“.
 

Anders' Hand ließ Cullen's Ärmel nicht los, als er seine Stirn gegen dessen Wange sinken ließ und schwer und rasselnd ausatmete. Es wirkte beinahe schon so, als wollte er den Anderen daran hindern zu gehen, indem er sich in den purpurnen Stoff krallte, der sich zwischen Metallteilen und rauem Leder befand. Der schwache Magier hätte ihn dadurch keineswegs daran hindern können fortzugehen, doch dies war auch nicht nötig, denn Cullen dachte nicht daran diesen Ort so schnell zu verlassen.

Er wollte ein Auge auf den schwer atmenden Abtrünnigen haben, der offenbar viel, viel gefährlicher war, als er es befürchtet hatte.

Er wollte unbedingt eine Antwort auf das was hier gerade vor sich gegangen war, denn er wollte die Bevölkerung sicher wissen. Sicher vor diesem... diesem Ding.

Und er wollte sichergehen dass... dass Anders nicht-

Dass Anders nicht starb.

Denn im Augenblick machte es beinahe schon den Anschein, als sei der Heiler knapp davor.

„Anders.“

„... hah...?“

„Anders, du musst dich heilen.“

Stille.

„Anders?“

Der matte Blonde war wieder in sich zusammengesunken und hätte der besorgte Knight-Captain ihn nicht noch immer an den schmalen, hängenden Schultern festgehalten, dann wäre er wohl vom abgenutzten Tisch gesackt und regungslos liegengeblieben – so wie seine Hand, die einen Herzschlag zuvor wieder vom Arm des Templers geglitten war.



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