Nah bei Dir
Als ich aufwachte war es später Nachmittag. Ich blickte mich um. Ich lag auf einer
Wiese und vor mir floss ein kristallklarer Fluss, der Nigihayami Konaku Nushi. Er war so klar, dass man sogar auf den, mit Kieseln bedeckten, Grund schauen konnte. Ich weiß nicht wie lange ich so da saß und mir den Fluss ansah, doch irgendwann wurde ich von hinten angetippt.
In meinem Herz regte sich die Hoffnung, dass ich, wenn ich mich umdrehen würde,
in Hakus freundlich lächelndes Gesicht blicken könnte. Doch leider sah ich, als ich mich umdrehte nur das, langsam vom Alter geprägte, Gesicht meines Vaters.
"Gefällt es dir?", flüsterte er. Ich nickte und prompt stiegen mir Tränen in die Augen. Mein Vater lächelte und als ob er verstanden hätte, dass ich allein sein wollte, verschwand er und ließ mich weiterhin den Fluss betrachten.
So saß ich nun da, bis es dunkel wurde und es Zeit wurde nach Hause zu fahren.
Als ich zum Auto ging, war niemand da. Ich wurde nervös. Wo waren bloß meine
Eltern? "Otoo-San? Okaa-San? Wo seid ihr?", rief ich in die Dämmerung hinein.
Plötzlich hörte ich ein leises Kichern. Es kam von einem Busch der am Wegrand
stand. Dann hörte ich die Stimme meines Vaters:: "Vielen Dank, Shino, jetzt hast du es verdorben!" Und meine Eltern kamen aus ihrem Versteck. Ich sah wohl ziemlich
verstört aus, denn meine Eltern bekamen, als sie mich sahen, einen besorgten
Gesichtsausdruck. "Sorry Chihiro, wir wollten dich nicht erschrecken. Aber dies ist halt ein Teil der Überraschung!" Hä? Überraschung? Ich verstand gar nichts mehr.
Doch dann hielt mein Vater einen Schlüssel hoch. Ich erkannte das Logo des
Hotels, das hier etwas weiter den Fluss hinunter stand. Ich viel meinen Eltern in die Arme, wir würden hier übernachten. Meine Mutter hatte für mich Schlafsachen
eingepackt. Sie hatten das seit über 2 Wochen geplant, und ich hatte rein gar
nichts bemerkt.
"Chihiro, wach auf! Komm zu mir!", rief mich eine Stimme. "Okaa-San?", murmelte
ich, "Was ist los?" "Chihiro komm her! Ich muss dich sehen!" Was war das? Ich
öffnete die Augen, und sah mich um. Ich lag im Bett des Hotelzimmers, das meine
Eltern gebucht hatten.
Der Mond schien durchs Fenster hinein, und erleuchtete
den Bereich vor meinem Bett. Niemand war da, der meinen Namen hätte rufen
können. "Chihiro, ich gab dir ein Versprechen," die Stimme war nur ein Flüstern,
doch plötzlich bekam sie einen leicht genervten Tonfall, den ich nur als zu gut
kannte, "aber wenn du nicht kommst, ist das verdammt noch mal nicht mein
Problem!"
Haku, schoss es mir durch den Kopf. Konnte es sein, dass er mich rief?
Ein Versuch war es wert. Ich schlüpfte aus meinem Pyjama, in meine Badesachen
rein und zog mir ein Kleid darüber. Dann schlich ich an meinen schlafenden Eltern
vorbei aus dem Hotel und lief dann zum Flussufer.
Niemand war da. Vielleicht war
das alles nur wieder einer von diesen Träumen. Ich beugte mich über den Fluss.
Die Oberfläche war so glatt, dass ich mein Spiegelbild erkennen konnte. Plötzlich
fiel ein Wassertropfen auf diesen natürlichen Spiegel und zerstörte ihn. Ich weinte.
"Haku? Wo bist du?" Erst rufst du mich, und dann bist du nicht da!", ich schluchzte.
Ich sah einen Schatten unter der Wasseroberfläche entlang gleiten. Ein Fisch. Ich
zog mir mein Kleid über den Kopf und stieg in den Fluss. Er war, entgegen meiner
Vermutungen, angenehm kühl.
Auf einmal tauchte eine Gestalt am Flussufer auf. Sie sah aus wie ein Junger Mann. Ich brachte nur ein Wort hervor: "Haku?"