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Dei Gratia

Gottesgnadentum
von

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Ambrose und Asric

Aurora erholte sich, für Seline, überraschend schnell. So kam es, dass die gesamte Gruppe nur wenige Stunden später wieder unterwegs war. Kenneth hatte sie mit ernstem Gesicht gebeten, das Haus zu verlassen, ehe Ladon zurückkehren und seine Angestellten weiter beunruhigen könnte und keiner von ihnen hatte widersprochen. Genau genommen schien Russel sogar sehr erleichtert darüber zu sein. Seline wusste nicht, weswegen, aber sie stellte sich vor, dass er einfach nur keine Zeit zum Nachdenken haben wollte und diesen Zustand erreichte er am ehesten, indem er unterwegs war. Es musste ein schrecklicher Gedanke sein, der ihn verfolgte.

„Wenigstens war die Suppe lecker“, bemerkte Aurora plötzlich unbekümmert und brach damit das Schweigen.

Asterea legte in einer betont nachdenklichen Geste eine Hand an ihr Kinn. „Dafür, dass sie so lange gekocht hat, war sie wirklich gut.“

„Ich fand, sie schmeckte leicht angebrannt“, erwiderte Asric, aber er klang als wolle er nur aus Prinzip widersprechen.

Aurora bemerkte das offenbar ebenfalls, denn sie lief plötzlich neben ihm und legte einen Arm um seine Schulter. „Das sagt gerade der richtige. Hast du dir nicht drei Portionen genommen?“

Er knurrte leise, als er sich aus ihrer Umarmung zu befreien versuchte, was sie nur mit einem amüsierten Lachen quittierte. Es war Ambroses Einmischung, die sie wieder innehalten ließ: „Sei nicht so gemein zu ihm. Er ist noch im Wachstum, er braucht seine Nährstoffe.“

Schlagartig schwang die Atmosphäre um, sie wurde so finster, dass sogar Auroras Lächeln erlosch und sie Asric wieder losließ, ohne dass er es noch einmal von ihr verlangen musste. Ambrose schien das allerdings nicht einmal zu bemerken, er lächelte immer noch, als er wieder nach vorne sah. Nicht einmal die wieder eingetretene, angespannte Stille schien ihn zu stören – sehr im Gegensatz zu Seline.

Sie wünschte sich, Aurora würde wieder etwas sagen, Fileon würde einmal zur Unterhaltung beitragen, statt nur interessiert zu lauschen oder Russel würde etwas kommentieren, aber auf ihn musste sie im Moment nicht zählen. Sein Gesicht war immer noch verschlossen, genau wie zum Zeitpunkt ihres Aufbruchs. Dieser Ausdruck erfüllte sie mit einem eisigen Gefühl in ihrer Brust, mit Furcht und einer schlimmen Vorahnung. Sie fragte sich, ob sie ihn darauf ansprechen sollte, beschloss aber, es zumindest vorerst nicht zu tun. Es war gut möglich, dass er nicht darüber reden wollte und sie wollte ihn nicht bedrängen, schon allein weil er ihre einzige, reelle Chance war, wieder nach Hause zu kommen und diese wollte sie nicht verspielen, weil sie zu aufdringlich war.

Erst als es dunkel zu werden begann und sie noch keine Stadt ausgemacht hatten, besserte sich die Stimmung wieder ein wenig. Aurora entfachte ein Feuer für die Gruppe um das sie sich scharen konnten, um sich gegen die Kälte zu wappnen. Selbst während sie um die Flammen saßen und sich das karge Mahl teilten, das sie zubereitet hatten und lediglich aus Kartoffeln bestand, herrschte Schweigen vor.

Ambroses Lächeln, das er die ganze Zeit dabei zur Schau trug, half auch nicht dabei, dass Seline sich wohler fühlte. Es war ihr bislang nicht aufgefallen, weil sie ihn nie derart aufmerksam betrachtet hatte, aber während er ihr am Feuer gegenübersaß, erschien es ihr überdeutlich: Es war das Lächeln einer Person, die nichts anderes wusste als wie man lächelt, es war fast schon... dement.

Seline war geradezu erleichtert, als Ambrose sich als erstes entschied, sich schlafen zu legen und seine tiefen, gleichmäßigen Atemzüge bald darauf versicherten, dass er nichts mehr von eventuellen Unterhaltungen mitbekommen würde.

Während sie also noch überlegte, wie sie am besten anfangen sollte, um Asric nicht vor den Kopf zu stoßen, beschloss Russel einfach, den kürzesten Weg zu gehen: „Was ist das eigentlich mit dir und Ambrose? Ihr reist doch nicht freiwillig zusammen umher.“

Asric fragte nicht einmal, ob es wirklich so offensichtlich war, er konnte es sich anscheinend bereits denken. „Ich begleite ihn, weil ich für ihn verantwortlich bin – und mir keine andere Wahl bleibt.“

„Das verstehe ich nicht“, bemerkte Asterea, die neben ihm saß. „Warum solltest du für ihn verantwortlich sein. Du bist doch viel jünger als er.“

Um sicherzugehen, dass Ambrose auch wirklich schlief, warf er noch einmal einen Blick hinter sich. Der andere schlief immer noch friedlich, den Rücken zum Feuer gewandt, als kümmerte ihn nicht, dass gerade über ihn gesprochen wurde als sei er ein kleines Kind. Erst nachdem Asric das sichergestellt hatte, wandte er sich wieder den anderen zu. „Ambrose war nicht immer so unbedarft und herzensgut, wie er euch jetzt erscheint. Es gab sogar eine Zeit, in der er regelrecht gefürchtet wurde – und es ist meine Schuld, dass er regelrecht wieder in den Geisteszustand eines Kindes versetzt wurde.“

„Inwiefern?“, hakte Seline nach, die das noch nicht so wirklich verstehen konnte.

Mit ernstem Blick starrte Asric in die Flammen und begann dann zu erzählen. „Es ist geschehen, als ich sechzehn war.“
 

Damals lebte ich noch ein vollkommen normales Leben in einem kleinen Dorf, das sich fast vollständig auf Landwirtschaft spezialisiert hatte und darum bemüht war, sich möglichst autonom zu unterhalten. Es war kein leichtes Leben, vielleicht nicht einmal sonderlich gut, aber wenn ich jetzt daran zurückdenke, war es einfach perfekt.

An jenem Morgen, an dem mein normales Dasein endete, stand ich früh auf, um Wasser holen zu gehen. Um diese Uhrzeit war am Brunnen noch nichts los, deswegen zog ich es immer vor, dann dort zu sein, statt später, wenn dieser Platz zum allgemeinen Treffpunkt aller Bewohner wurde.

Normalerweise war ich während des Morgenrauen allein – aber an diesem Tag kam ein streng aussehender Mann direkt auf mich zu, ein Fremder, den ich noch nie zuvor im Dorf gesehen hatte. Mein Blick blieb auf die Armbrust gerichtet, die er auf seinem Rücken trug, während ich in meinen Bewegungen innehielt als könnte er mich dann einfach nicht mehr sehen.

Allerdings tat er das natürlich doch.

„Bist du ganz allein hier?“

Kein Morgengruß, keine Vorstellung, nur diese Frage, die mich verärgert die Stirn runzeln ließ.

„Sieht man doch, oder?“, gab ich zurück.

Sein Blick verfinsterte sich. „Ist das die Art, wie man hier mit Erwachsenen spricht?“

„Nein, nur die Art, wie man mit dir spricht. Ein wenig Höflichkeit wäre nicht zu viel verlangt, oder?“

Ich sah, wie er mit den Zähnen knirschte, seine Finger zuckten nervös, aber er tat nichts, vor dem ich mich in Acht nehmen müsste. „Fein, wenn du darauf bestehst. Mein Name ist Ambrose Lane.“

In diesem Moment war ich froh, nichts in der Hand zu halten, denn bei der Erwähnung seines Namens wäre es mir sicherlich entglitten. Jeder im Dorf kannte ihn und jeder fürchtete ihn mindestens genauso. Nicht, weil er böse war, im Gegenteil, jeder wusste, dass er Gutes tat – aber jeder wusste auch, dass er dies ohne Rücksicht tat, weswegen er eine Spur der Verwüstung hinter sich herzog, die fast genauso schlimm war wie die von den Dämonen verursachte, die er immerhin bekämpfte. Angeblich, so hieß es, hatte er sogar einmal ein kleines Dorf, so wie unseres, einfach ausgelöscht, nur wegen des Verdachts, dass sie einen Dämon beherbergten.

Mir war klar, dass ich mich eigentlich hätte entschuldigen müssen, aber ich wollte nicht, dass er merkte, dass ich Angst vor ihm hatte, weswegen ich leise schnaubte. „Und? Du bist nicht so bekannt als dass man dich erkennen müsste.“

Statt einer wütenden Erwiderung darauf, seufzte er. „Hör zu, Junge, ich suche nach einem Dämon und habe nicht viel Zeit. Hast du, außer mir, irgendwelche Fremden gesehen?“

„Keinen einzigen.“ Das war die Wahrheit.

Und er spürte das offenbar auch, denn er stieß einen genervten Laut aus, als hätte er soeben viel zu viel Zeit mit mir vergeudet. „Ich verstehe. Danke für die Auskunft.“

Ohne jede Verabschiedung ging er an mir und dem Brunnen vorbei, hielt dann aber doch noch einmal inne. „Wenn du noch einen weiteren Fremden siehst, sei vorsichtig. Der Dämon, den ich verfolge, ist sehr gefährlich und unberechenbar.“

Ich hatte noch nie davon gehört, dass Ambrose Lane gute Ratschläge verteilte, weswegen ich fast glaubte, dass er eigentlich der Dämon war und der echte Jäger erst noch auftauchen würde. Aber statt das zu sagen, versicherte ich einfach, dass ich achtsam sein würde, worauf er seinen Weg fortsetzte und rasch wieder mit den Schatten des frühen Morgens verschmolz.

Er war kaum fort, da kam jemand aus der anderen Richtung auf den Platz. „Was für ein unheimlicher Mann.“

Die Stimme gehörte, wie ich wusste, zu einer Besucherin des Dorfes, die erst vor wenigen Tagen eingetroffen und bereits bei allen beliebt war. Wenn man sich ihr offenherziges Lächeln ansah, das sogar ihre blauen Augen strahlen ließ, konnte sogar ich durchaus verstehen, weswegen. Ihr weißblondes Haar war an diesem Morgen zu einem Zopf geflochten, der über ihre Schulter hing und ein wenig mitwippte,während sie auf mich zukam.

„Guten Morgen, Malina“, grüßte ich sie. „Du bist schon früh auf.“

Für einen kurzen Moment kam mir der Gedanke, dass Ambrose möglicherweise sie gemeint hatte, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es sich bei ihr um einen Dämon handelte, deswegen verwarf ich diese Überlegung sofort wieder.

„Ich war sehr durstig“, erklärte sie, nachdem sie meinen Gruß erwidert hatte. „Und hungrig.“

„Du kannst bei uns frühstücken“, bot ich ihr sofort ohne nachzudenken an. „Meine Eltern haben bestimmt nichts dagegen.“

Ein – beunruhigend großes, wie ich heute sagen muss – Lächeln, ein Grinsen schon eher, breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Was für ein nettes Angebot, ich wer-“

Ich hörte ein Zischen, im nächsten Moment lag Malina bereits auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. In ihrem Hals steckte ein Armbrustbolzen, der ihr regelrecht das Wort abgeschnitten hatte.

Augenblicklich schnürte mein Hals sich zu, das Atmen fiel mir schwer, als ich den Kopf wandte und direkt in Ambroses Richtung sah. Er hielt die Armbrust immer noch erhoben und zielte diesmal damit auf mich.

„Findest du das lustig?!“, fauchte er wütend. „Ich sage dir, dass ich einen gefährlichen Dämon verfolge und du lädst sie auch noch in dein Haus ein!“

Ich erwiderte so wie es der Reaktion angebracht war – indem ich zurückschrie: „Und du?! Bist du wahnsinnig!? Malina ist kein Dämon und du hast sie einfach umgebracht! Das ist unmenschlich! Das... das...“

Während er vollkommen unbeeindruckt blieb, suchte ich nach Worten und fand sie schließlich auch: „Das ist typisch für einen Lane!“

Kaum hatte ich das gesagt, glaubte ich für einen Moment, hinter seine wohldurchdachte Fassade blicken zu können. Seine wütende Mimik wandelte sich für den Bruchteil einer Sekunde in eine bestürzte, nur um dann von einer gleichgültigen abgelöst zu werden. „Was sollte es mich kümmern, was irgendein Bauernjunge über mich denkt?“

„Es sollte dich vielleicht mehr kümmern, weil-“

Im nächsten Augenblick lag er bereits auf dem Boden, der Schmerzenslaut kam tatsächlich erst ein wenig danach. Verwundert drehte ich mich um und stand direkt vor Malina, die sich wieder aufgerichtet hatte, als wäre nie etwas gewesen.

Ihr Aussehen hatte sich allerdings verändert. Ihre blauen Augen glühten nun regelrecht, ihr Haar hatte sich aus dem Zopf gelöst und schien ein Eigenleben entwickelt zu haben, jedenfalls bewegte es sich ohne dass dafür Wind aufkommen musste.

Mit einem Ruck zog sie sich den Bolzen aus dem Hals und warf ihn achtlos zu Boden.

„Ein Lane hat mich also gefunden.“ Verachtung sprach aus jedem ihrer Worte, ihre Stimme hatte nichts mehr mit jener gemein, die alle Dorfbewohner hatte um den Finger wickeln können.

Ambrose richtete sich, unter Schmerzen, so wie er aussah, wieder auf und zielte erneut mit der Armbrust auf sie. „Und ein Lane wird dich jetzt auch töten.“

Ich handelte ohne nachzudenken und stellte mich mit ausgebreiteten Armen direkt zwischen die beiden. „Hört doch auf damit! Malina ist wirklich nicht böse!“

„Geh mir aus dem Weg!“, zischte Ambrose, seine Augen schienen mich geradewegs aufzuspießen, aber ich wankte dennoch nicht.

„Ich gehe erst aus dem Weg, wenn du versprichst, Malina in Ruhe zu lassen!“

„Wenn ich sie in Ruhe lasse, wird sie dein gesamtes Dorf und alle, die du kennst und liebst, auslöschen! Willst du das?!“

Ich konnte ihm nicht glauben, nicht wenn er solch furchtbare Dinge über Malina sagte, die uns allen gegenüber immer so nett und hilfsbereit gewesen war. Ich war mir sicher, dass er log und ich wollte ihm nicht diesen Triumph gönnen.

Doch dann hörte ich das Knistern.

Es klang unheilverkündend und war direkt hinter. Als ich mich Malina zuwandte, entdeckte ich auch sofort den Ursprung: eine rote Kugel, die sich vor ihr bildete, indem sich zahllose kleine Blitze ineinander zu verstricken schienen.

Schlagartig waren sämtliche Gedanken in meinem Kopf fort und ich konnte nur noch diese Kugel anstarren und mir dabei vorstellen, wie sie mich gleich umbringen würde. Der Schmerz, den ich mir dabei vorstellte, war überraschend echt und lähmte meinen Körper weiter.

Ich hörte Ambrose rufen, verstand die Worte aber nicht; ich spürte, wie mich jemand zu Boden riss, im selben Moment, in dem die Kugel auf mich zuzurasen begann.

Ambrose streckte die Hand aus, schrie etwas, das ich nicht ausmachen konnte und dann entstand ein Feld aus Licht vor uns – und es war der schönste Anblick meines ganzen Lebens. Es war ein hell schillerndes, perlweißes Schild, das aus einem milchigen Nebel zu bestehen schien und sich sacht bewegte als würde es zu fließen versuchen. Für diesen einen kurzen Moment schien alles gut.

Und dann traf die Kugel auf das Schild.

Das rote Licht schien regelrecht zu explodieren, die Blitze drangen in das weiße Licht ein, infizierten es mit ihrer Energie, bis sich das gesamte Schild blutrot färbte und zu pulsieren begann.

Ambrose fluchte und hielt seinen Körper schützend über mich, so dass ich nichts mehr sehen konnte – aber der Schmerz, der gleich darauf einsetzte war derselbe wie jener in meiner Vorstellung davor und er ließ mich das Bewusstsein verlieren.
 

Seline versuchte die ganze Erzählung über, sich Ambrose als griesgrämigen und viel zu ernsten Dämonenjäger vorzustellen und scheiterte daran kläglich. Der lebenslustige junge Mann konnte in ihren Augen einfach nicht derart skrupellos sein und Fileons geneigter Kopf und sein verwirrter Gesichtsausdruck sagte ihr, dass er es ähnlich sah.

„Als ich wieder aufwachte“, fuhr Asric fort, „schlief Ambrose noch und Malina war fort. Keiner wollte mir glauben, dass er ihr nichts angetan hätte, stattdessen warf man mir sogar noch vor, ihm dabei geholfen zu haben. Und es wurde nicht besser, als er endlich wieder aufwachte.“

Wieder warf er einen Blick über seine Schulter, diesmal wirkte es, als ob er sehen wollte, ob Ambrose es selbst demonstrieren könnte. Aber dieser schlief immer noch tief und fest. Also wandte Asric sich wieder den anderen zu. „Als er wieder erwachte, war er bereits... so. Als ob man ihm seine komplette Jugend weggenommen und ihm wieder den Geisteszustand eines Zwölfjährigen gegeben hätte. Er erinnerte sich an gar nichts mehr, weder wo er war, noch wer er war, noch was geschehen war. Um mich zu beschützen hatte er Malinas Zauber auf sich genommen und damit zwar nicht sein Leben, aber immerhin sein Gedächtnis verloren – und ich war mir zum ersten Mal bewusst, dass ich Verantwortung dafür übernehmen musste.“

Asterea griff nach seiner Hand und drückte diese sanft, ohne dass er sich dagegen wehrte. Stattdessen fuhr er ruhig fort: „Man war immer noch überzeugt, dass wir für Malinas Verschwinden verantwortlich waren, weswegen man uns aus dem Dorf verbannte und wir zu reisen begannen. Ich hoffte, er würde sich mit der Zeit wieder an alles erinnern, wir könnten Malina finden und dann dürfte ich wieder zurückkehren, aber... das einzige, woran er sich erinnerte war, wie man Dämonen aufspürte und sie vernichtete. Er blieb weiterhin derart naiv und kindisch und wir fanden in den ersten hundert Jahren keine Spur von Malina.“

„Hundert Jahre?“, fragte Aurora überrascht. „Ich dachte, du wärst gerade mal sechzehn...“

Seline war bislang davon ausgegangen, dass es sich bei ihm um einen Drachenmenschen handelte, weswegen es sie nicht weiter verwundert hatte, aber er schüttelte bereits den Kopf. „Ich dürfte jetzt 142 oder so sein. Die Wechselwirkung der beiden Zauber hat lediglich bewirkt, dass ich nicht mehr... altere.“

Und so wie er für einen kurzen Moment schnaubte, war es deutlich, dass er darüber frustriert war. Seline konnte einerseits verstehen, weswegen es ihn nervte, aber als Drachenmensch, der an die tausend Jahre alt werden konnte, war ihr diese Dauer des Wachstums nur allzugut bekannt, deswegen fiel es ihr schwer, seine Frustration vollkommen nachzuvollziehen. Doch, so dachte sie sich, möglicherweise war es eben etwas vollkommen anderes, wenn man als Mensch aufwuchs, der eigentlich nur hundert Jahre alt werden sollte und dann diese Alterspanne bei weitem überschritt.

„Habt ihr Malina dann wiedergefunden?“, fragte Russel, um ihn von diesem Gedanken abzulenken.

Asric nickte und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. „So ähnlich. Als wir sie endlich fanden, war sie bereits von einem anderen Dämon verschlungen worden – und der ist immer noch hinter uns her, wie es aussieht.“

„Dieser Phoibos?“, fragte Russel weiter.

„Genau. Er und Melathosa machen gemeinsame Sache, um uns zu töten, auch wenn ich immer noch nicht weiß, weswegen. Ich weiß nur, dass Melathosa ebenfalls eine Lane ist und Ambrose ihr irgendetwas Schlimmes angetan haben soll – aber er erinnert sich ja nicht.“

Es klang vorwurfsvoll, aber Seline glaubte nicht, dass es auch so gemeint war. Dafür drückte sein Gesicht zu viel Sorge aus, sicher hoffte er immer noch, dass Ambrose sein Gedächtnis wiederfand und dann... dann...

Sie fragte sich, was Asric dann machen wollte. Wenn er ein Mensch war, gab es vermutlich kein Dorf mehr, in das er zurückkehren könnte, weil es in seiner Heimat niemanden mehr gab, der sich an ihn erinnerte oder mit dem er eine emotionale Verbundenheit teilte. Aber würde er wirklich mit Ambrose weiterreisen, falls dieser tatsächlich wieder so werden würde wie früher?

All das fragte sie sich im Stillen, wollte es aber nicht aussprechen. Sie glaubte nicht, dass er eine Antwort darauf wusste und wollte ihn auch nicht vor den anderen in die Situation bringen, dass er sich irgendetwas als Antwort einfallen lassen musste, das im Idealfall kein Ich habe keine Ahnung war.

Außerdem stand er auch bereits plötzlich auf. „Ich gehe ebenfalls schlafen, Geschichten aus der Vergangenheit sind total einschläfernd.“

Damit suchte er Ambroses Seite auf und legte sich neben ihn, ohne einem der andere eine Gute Nacht zu wünschen.

Seline hoffte, dass er trotz der aufwühlenden Erzählung würde schlafen können und blickte zu Russel. Dieser starrte konzentriert in die Flamme und nur ihr war es in diesem Moment möglich zu hören, was er leise vor sich hermurmelte: „Er erinnert sich also auch nicht mehr an seine Vergangenheit... genau wie ich.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Platan
2014-06-03T00:25:53+00:00 03.06.2014 02:25
So, nach einer kurzen Zwischenpause, geht's auch weiter mit dem epischen Dei Gratia~ ♥
Und ich freue mich da schon riesig drauf, weil es laut Titel offensichtlich um Ambrose und Asric gehen wird (hab ich gut rausgefunden, was? XD). *___*
Hab mal wieder rasch meinen alten Kommi überflogen, wurde daran erinnert, dass Cronus mein Held der Stunde war, die arme Aurea weg ist und Diana ... ja ... Q___Q
Von daher bin ich gespannt, wie es jetzt weitergeht und ob die Suppe übergekocht ist. XD
(ja, an die gottverdammte Suppe konnte ich mich erinnern XDDD)

> Aurora erholte sich, für Seline, überraschend schnell.
Rora ist eine starke Frau ... und ein Naturgeist. :3

> Kenneth hatte sie mit ernstem Gesicht gebeten, das Haus zu verlassen, ehe Ladon zurückkehren
Na ja, ist schon verständlich. :(
Er muss ja auch sehen, wo er bleibt.

> dass er einfach nur keine Zeit zum Nachdenken haben wollte und diesen Zustand erreichte er am ehesten, indem er unterwegs war
Du musst dich deinen Gedanken stellen, Russel, sonst werden sie dich nie in Ruhe lassen. D;

> „Wenigstens war die Suppe lecker“, bemerkte Aurora plötzlich unbekümmert und brach damit das Schweigen.
JAAA, die Suppe! XDDDDDDDDDDDDDDDDDD
Das Kapitel fängt ja klasse an, meine geliebte Suppe wurde erwähnt! Ich bin so gerührt ... verstehste? Wegen ... Suppe ... XD
Luan: *facepalm*

> „Dafür, dass sie so lange gekocht hat, war sie wirklich gut.“
„Ich fand, sie schmeckte leicht angebrannt“

Ich kann gerade wirklich nicht mehr, jetzt unterhalten die sich da tatsächlich über diese Suppe. XDDDDDDDDDDDDD
Himmlisch, ich bin so froh, dass die Suppe noch essbar war, wie es scheint, auch wenn sie angebrannt war. Ihr hättet die Suppe eben nicht .... zu sehr zum kochen bringen sollen. :D
Luan: Mein Gehirn schmilzt ...

> erwiderte Asric, aber er klang als wolle er nur aus Prinzip widersprechen.
Och, Asric. :,D

> „Das sagt gerade der richtige. Hast du dir nicht drei Portionen genommen?“
Aha! So ist das also. >:D
Wie die Suppe jetzt voll Thema bleibt. XDDD

> Er knurrte leise, als er sich aus ihrer Umarmung zu befreien versuchte, was sie nur mit einem amüsierten Lachen quittierte.
Ich liebe diesen Satz. :)

> Schlagartig schwang die Atmosphäre um, sie wurde so finster, dass sogar Auroras Lächeln erlosch
Oh je ... Ambrose hat auf seine ... Größe angespielt ... jetzt werden alle sterben!!! Q_______Q

> Nicht einmal die wieder eingetretene, angespannte Stille schien ihn zu stören
Naivität in diesem Ausmaß muss so schön unkompliziert sein. :,D

> „Ambrose war nicht immer so unbedarft und herzensgut, wie er euch jetzt erscheint. Es gab sogar eine Zeit, in der er regelrecht gefürchtet wurde
WAAAAAAS?! o___Ô

> und es ist meine Schuld, dass er regelrecht wieder in den Geisteszustand eines Kindes versetzt wurde.“
Doppel-WAAAAAAS?! o___Ô;
Das musst du uns jetzt aber erklären. D:

Sprung in die Ich-Perspektive, yay!
Das liebe ich an dir~ Und seitdem ich das von dir kenne, mache ich das auch gerne. :D

> Kein Morgengruß, keine Vorstellung, nur diese Frage, die mich verärgert die Stirn runzeln ließ.
„Sieht man doch, oder?“, gab ich zurück.

Asric ist nicht auf den Mund gefallen. :,D

> Sein Blick verfinsterte sich. „Ist das die Art, wie man hier mit Erwachsenen spricht?“
Also Entschuldige mal, du warst ja wohl zuerst unhöflich. D:

> „Nein, nur die Art, wie man mit dir spricht. Ein wenig Höflichkeit wäre nicht zu viel verlangt, oder?“
Er ist wirklich nicht auf den Mund gefallen. :,D
Aber er hat ja auch recht. D:

> „Fein, wenn du darauf bestehst. Mein Name ist Ambrose Lane.“
Ich hab mir bei der Armbrust schon gedacht, dass es Ambrose ist (Amrbrust verbinde ich bei CV schon automatisch mit Lanes :,D), aber wollte auf Nummer sicher gehen, bis ich was sagen. Also ... ich mag diesen Ambrose nicht. Q____Q

> aber jeder wusste auch, dass er dies ohne Rücksicht tat, weswegen er eine Spur der Verwüstung hinter sich herzog, die fast genauso schlimm war wie die von den Dämonen verursachte, die er immerhin bekämpfte.
Das ist natürlich ... denkbar schlecht. D:

> hatte er sogar einmal ein kleines Dorf, so wie unseres, einfach ausgelöscht, nur wegen des Verdachts, dass sie einen Dämon beherbergten.
Wie grausam! Da kann man schon wirklich nicht mehr behaupten, er würde Gutes tun. :(

> „Ich verstehe. Danke für die Auskunft.“
Oooooh~ Immerhin verabschiedet er sich höflich. o_Ô

> Die Stimme gehörte, wie ich wusste, zu einer Besucherin des Dorfes, die erst vor wenigen Tagen eingetroffen und bereits bei allen beliebt war.
Oha ... das wird doch hoffentlich nicht der Dämon sein? D;

> Ich hörte ein Zischen, im nächsten Moment lag Malina bereits auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. In ihrem Hals steckte ein Armbrustbolzen, der ihr regelrecht das Wort abgeschnitten hatte.
Alter Schwede! o____Ô
Das ging jetzt aber ... verdammt schnell und so unerwartet. Ich hab mir zwar schon gedacht: "Wenn sie es wirklich ist, ist es aber sehr gewagt, so kurz nachdem er gegangen ist gleich mit Asric zu sprechen." Aber das hat mich jetzt doch überrascht. D;
Da dachte man gerade: Hm, ist doch ein nettes Mädchen. :) Und dann war es auch schon vorbei. D:

> Er hielt die Armbrust immer noch erhoben und zielte diesmal damit auf mich.
Verdammt, das hab ich befürchtet. >.<
Er denkt jetzt sicher, Asric habe mit ihr zusammengearbeitet, weil er ihm nichts von ihr erzählt hat. D:

> „Das ist typisch für einen Lane!“
Oha. D:

> Verwundert drehte ich mich um und stand direkt vor Malina, die sich wieder aufgerichtet hatte, als wäre nie etwas gewesen.
Öhm ... damit hätte ich eigentlich auch rechnen müssen. O___O

> Ich handelte ohne nachzudenken und stellte mich mit ausgebreiteten Armen direkt zwischen die beiden. „Hört doch auf damit! Malina ist wirklich nicht böse!“
Ciela: *liest DG*
Ciela: *kommt bei dieser Stelle an*
Ciela: *Asrics Beliebtheit stieg schlagartig in ganz nach oben*
Ciela: Owww ... wie toll von dir, Asric! Q___Q

> zischte Ambrose, seine Augen schienen mich geradewegs aufzuspießen,
Hilfe, ich hab Angst vor ihm. .___.

> Es klang unheilverkündend und war direkt hinter.
"Es klang unheilverkündend und war direkt hinter [hier beliebige Person einfügen]." :P
Ich wähle mal Asric. :D

> Ich hörte Ambrose rufen, verstand die Worte aber nicht; ich spürte, wie mich jemand zu Boden riss, im selben Moment, in dem die Kugel auf mich zuzurasen begann.
Das überrascht mich jetzt. Wäre Ambrose wirklich so rücksichtslos bei der Ausführung seiner Arbeit, hätte er wohl eher direkt Malina angegriffen, statt Asric zu schützen und somit zu riskieren, dass seine Deckung kurzzeitig nachlässt.
Aber ich bin froh, zu sehen, dass sein guter Geist auch dort schon da war. Nach der Sache mit Dorf dachte ich echt erst, wie man so grausam sein kann, aber vermutlich wird es da schon seine Geschichte hinter geben.

> Es war ein hell schillerndes, perlweißes Schild, das aus einem milchigen Nebel zu bestehen schien und sich sacht bewegte als würde es zu fließen versuchen. Für diesen einen kurzen Moment schien alles gut.
Wie schön. *____*
Das ist gerade sehr faszinierend. ♥

> Seline versuchte die ganze Erzählung über, sich Ambrose als griesgrämigen und viel zu ernsten Dämonenjäger vorzustellen und scheiterte daran kläglich.
Ja, ich konnte mir das auch nur sehr schwer vorstellen. :,D
Es ist, als wäre Ambrose ein komplett anderer Mensch gewesen vorher.

> [...] Um mich zu beschützen hatte er Malinas Zauber auf sich genommen und damit zwar nicht sein Leben, aber immerhin sein Gedächtnis verloren
Das ist schon krass. D:
Kein Wunder, dass Asric sich verantwortlich fühlt. Es war zwar, menschlich gesehen, sehr toll von ihm, dass er Malian im guten Glauben beschützen wollte, aber leider hatte Ambrose in dem Fall doch recht. Na ja, ein Dämonenjäger muss das wohl auch gut einschätzen können. :/
Frage mich nur, was das für ein Zauber war und ob es die gleiche Wirkung erzielt hätte, wenn es Asric getroffen hätte statt Ambrose. Bestimmt hat der Schild da aber auch eine gewisse Wirkung hinterlassen, als der Zauber darauf traf. Es ist auf jeden Fall interessiert, da kann man jetzt sehr viel drüber spekulieren. :O
Ich finde es zwar schade, dass Ambrose auf die Art so wurde, wie er jetzt ist, aber vielleicht sollte es auch einfach so sein. :)

> Asterea griff nach seiner Hand und drückte diese sanft, ohne dass er sich dagegen wehrte.
Awwwwwwwwwwwwwwwww~ Asti x Asric Moment. ♥

> „Hundert Jahre?“, fragte Aurora überrascht.
*schließt sich Rora an* Hundert Jahre?! O______O
Ui, da musste Asric ihn ja dann schon sehr, sehr lange "ertragen". XD

> Die Wechselwirkung der beiden Zauber hat lediglich bewirkt, dass ich nicht mehr... altere.“
Uff, also hat Asric auch einen gewissen Preis bezahlt. D:
... aaach, kein Wunder dass er sich also so aufregt, wenn man ihn auf seine Größe anspricht. Er muss zwar innerlich gereift sein (im Gegensatz zu Ambrose :,D), aber halt nicht gealtert. Das ist natürlich ätzend. :,D

> „Genau. Er und Melathosa machen gemeinsame Sache, um uns zu töten, auch wenn ich immer noch nicht weiß, weswegen.
Das ist natürlich ... schlecht. D:

> Ich weiß nur, dass Melathosa ebenfalls eine Lane ist und Ambrose ihr irgendetwas Schlimmes angetan haben soll – aber er erinnert sich ja nicht.“
Das ist ... erst recht schlecht. :,D

> „Er erinnert sich also auch nicht mehr an seine Vergangenheit... genau wie ich.“
Owwwwww ... Q______Q
Seelenbrüder! DX

Huch, schon vorbei? Komisch, Ich-Perspektive liest sich so schnell weg, unheimlich. o___Ô
Auf jeden Fall mal wieder großartiges Kapitel, vor allem der Part mit der Suppe! XDDD
Obwohl fragen geklärt wurden, kamen mal wieder neue auf. Bin gespannt (mäh, immer wieder die gleiche Leier am Ende eines Kapitels XD aber ich mein's ja so, was soll ich sonst schreiben? Wuuuudi!) wann und wie die sich aufklären werden.
Fand das Kapitel mit den beiden auch richtig gut gesetzt, nach den ganzen Ereignissen zuletzt, ein eher etwas ruhiges Vergangenheitskapitel zu bringen. Ich hoffe so sehr, dass Ambrose nie wieder so wird wie vorher (wobei es ja eigentlich sein wahres Ich ist, verdient hätte er es schon) und Asric ist unglaublich toll, dass er all das durchmacht, um seine Verantwortung ihm gegenüber zutragen. Asric hat sowieso hier sehr viele Sympathiepunkte bei mir gewonnen. :)
Ich freue mich dann darauf, wenn die Reise weitergeht ... und will, dass Russel nicht mehr so bedrückt ist. :<

Luan: Kann ich JETZT gehen?
Ciela: Nein. DX
Luan: Aber ich habe diesmal doch kaum was gesagt, wozu bin ich dann hier? >_>
Ciela: Ich hab gern Gesellschaft. :D
Luan: ...
Ciela: Schauen wir mal, was wir noch so haben. ^o^
Antwort von:  Flordelis
18.06.2014 14:11
Kommentarbeantwortungswelle rollt immer noch~.
Vielen Dank hierfür. ♥


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