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Chronicles of rebels

No.6 OS-Sammlung
von

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Einsamkeit

Mit einem leisen Seufzen drehte sich der Junge im Bett herum und starrte an die Wand. Nun war es schon fünf Jahre her. Fünf Jahre, seit alles geendet hatte. Und einmal mehr war es wieder ein Tag vor Weihnachten, doch er hatte nach wie vor sein Versprechen nicht gehalten. Es war dabei nie die Rede von Weihnachten gewesen, aber dennoch … es wäre ein schönes Geschenk gewesen.

Langsam drehte er sich wieder auf den Rücken. Wie lange es wohl noch dauern würde, bis er wieder zu ihm käme? Wo er wohl gerade war? Und was er wohl machte?

„Shion? Kommst du mir bitte helfen?“ Die Stimme seiner Mutter riss den Jungen aus seinen Gedanken und er setzte sich auf. Die Gedanken an Nezumi schob er erst einmal beiseite, im Moment gab es Wichtigeres zu tun. Zumindest redete er sich ein, dass es wichtiger war. Wenigstens fürs Erste.

„Ich komme schon!“ Mit einem aufgesetzten Lächeln stand er auf und ging die Stufen hinab ins Wohnzimmer, wo seine Mutter bereits auf ihn wartete. Nach dem Tod des Bürgermeisters und allem, was geschehen war, hatte sich viel verändert in No.6 und eine Zeit lang war alles etwas chaotisch gewesen. Doch inzwischen hatte sich die Situation beruhigt und nach einigem Überlegen und Zögern war er mit seiner Mutter in ein größeres Haus umgezogen. Gezögert hatte er natürlich wegen Nezumi. Doch er war davon überzeugt, dass dieser ihn finden würde, sollte er zurückkommen. Selbst, wenn er umgezogen war.

Unten roch es bereits nach dem Kuchen, den seine Mutter gerade gebacken hatte.

„Kannst du bitte den Tisch decken? Die anderen sollten bald kommen.“

Noch bevor er reagieren konnte, hatte er bereits das Tischtuch und das Gedeck in die Hände gedrückt bekommen. Mit einem Nicken ging Shion ins Nebenzimmer und begann zu tun, worum er gebeten wurde, während seine Mutter wieder in die Küche ging.

Einmal mehr begannen seine Gedanken abzuschweifen. Zu gerne würde er wissen, wo Nezumi gerade war und was er machte. Doch er hatte keinen Möglichkeit es herauszufinden. Wahrscheinlich befand er sich gar am anderen Ende der Welt.

Shion verzog leicht das Gesicht. Ja, das würde ihn nicht wundern. Aber irgendwann …. Irgendwann würde er ihn ganz sicher wiedersehen. Irgendwann.

„Bist du fertig?“, drang die Stimme seiner Mutter an ihn heran, die soeben den Raum betreten hatte. Er drehte sich nach ihr um und nickte, daraufhin runzelte seine Mutter die Stirn und sie sah ihn einen Moment lang schweigend an. „Ist alles in Ordnung mit dir, Shion? Geht es dir gut? Du bist so ruhig in letzter Zeit.“

Ihre Stimme klang besorgt und Shion spürte Schuldgefühle in sich aufsteigen. Eigentlich war es nicht seine Absicht gewesen, seiner Mutter Sorgen zu machen, davon hatte er ihr in der Vergangenheit genug gemacht. Noch mehr waren nicht nötig.

„Ja, mir geht es gut. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Es ist nur …“ Er schüttelte den Kopf. Nein, es war unnötig, es ihr zu erklären. Schließlich ging es ihm gut und es gab nichts, was seine Mutter an dieser Situation ändern konnte.

„Ist es wegen Nezumi?“

Überrascht zuckte Shion zusammen. Woher hatte seine Mutter das gewusste? War es ihm so offensichtlich anzusehen gewesen?

Seine Mutter lachte auf. „Ich merke so etwas eben. Mach dir mal keine Sorgen, Shion, er wird sicher zurückkommen. Ich bin mir sicher, Nezumi hält doch seine Versprechen.“

Nach wie vor sah Shion seine Mutter erstaunt an, nickte dann aber. Sie hatte ja recht und er wusste auch, dass Nezumi sein Versprechen halten würde. Nur das Wann war die Frage.

Doch bevor er erneut weiter darüber nachdenken konnte, läutete es bereits an der Tür und nach einem kurzen Blick zu seiner Mutter ging Shion nach vorne, um aufzumachen. Auf der anderen Seite der Tür standen Rikiga und Inukashi, Letztere mit dem kleinen Shionn am Arm. Die drei waren aus dem Westblock in die Stadt gezogen, Inukashi erst nach einigem Zögern, hatte aber für das Wohlbefinden des kleinen Jungen, den man ihr damals gegen ihren Willen regelrecht angehängt hatte, eingewilligt.

„Tut mir leid, dass wir so spät sind. Der alte Mann war viel zu langsam“, entschuldigte sie sich, als sie das Haus betrat.

„Ach ja? Und wer hat ewig gebraucht, sein Kind fertigzumachen zum Weggehen?“, konterte Rikiga, doch die junge Frau zuckte nur mit den Schultern.

Bei ihrem kleinen Wortgefecht konnte Shion einfach nicht anders als leise zu lachen, was ihm verwirrte Blicke von den beiden alten Freunden einbrachte. „Ihr seid ja nicht zu spät, also kein Grund zu streiten.“

Gerade als er die Tür wieder schließen wollte, bemerkte er drei weitere Personen, die sich dem Haus näherten. Es waren Renka, eine Freundin seiner Mutter, und ihre beiden Töchter. So ließ er die Tür offen bis sie ebenfalls eingetreten waren, dann schloss er sie und folgte allen zum Esstisch, auf dem auch schon der Kuchen und das Gebäck von Karan standen.
 

Schon bald war der Großteil des Essens vertilgt und alle waren in Gesprächen vertieft. Die Kinder, Shionn, Lili und ihre kleine Schwester, hatten es sich auf dem Boden bequem gemacht und zu zeichnen begonnen, da die Gespräche der Erwachsenen sie nicht interessierten. Doch auch Shion war nicht so ganz bei der Sache. Vielleicht lag es daran, dass bald Weihnachten war, aber ihm ging Nezumi einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Nein, an Weihnachten lag es wohl nicht. Schließlich dachte er die meiste Zeit an ihn. Der Gedanke daran, dass er nicht einmal wusste, ob der andere überhaupt noch am Leben war, machte ihn nervös. Doch solche Gedanken versuchte er gar nicht erst zuzulassen. Nezumi würde nicht so einfach sterben, das wusste er.

„Hat sich Eve eigentlich schon bei dir blicken lassen, Shion?“

Rikigas Frage riss ihn einmal mehr aus seinen Gedanken und er schüttelte den Kopf. Mehr war nicht notwendig.

„Dachte ich mir. Wahrscheinlich hat er dich längst vergessen. Ehrlich, es bringt doch nichts, so lange auf ihn zu warten. Der ist sicher längst über alle Berge.“

Bei diesen Worten zuckte Shion leicht zusammen. Er wusste, dass der Ältere zumindest mit seinen letzten Worten vermutlich recht hatte. So sehr sein Herz sich auch dagegen sträubte, es zu glauben.

„Der alte Mann hat recht. Nezumi ist all das nicht wert.“ Auch Inukashi nickte nun zustimmend, zu den Worten des Reporters.

Shion ballte seine Hände zu Fäusten, als er zu den beiden aufblickte. „Ich werde nicht aufhören zu warten. Es ist egal, was ihr denkt. Nezumi kommt sicher zurück. Egal, wo er jetzt ist, irgendwann wird er zurückkommen. Er wird sein Versprechen halten“, antwortete er und versuchte dabei so überzeugend wie möglich zu klingen, obwohl es genau diese Dinge waren, an denen er selbst immer wieder in seinen schwachen Momenten zweifelte. Sie hatten mit ihren Worten bei ihm mitten ins Schwarze getroffen, doch das ließ er sich nicht anmerken.

Rikiga seufzte auf und Inkuashi zuckte mit den Schultern. „Du hast dich echt nicht verändert, Shion. Langsam bekomm‘ ich das Gefühl, du veränderst dich wohl nie.“ Ein leichtes Lächeln hatte sich auf das Gesicht des Mädchens geschlichen und Shion blinzelte überrascht.

Hatte er sich wirklich nicht verändert? Er war sich da nicht so sicher, zumindest die Zeit mit Nezumi hatte ihn auf jeden Fall verändert. Da war er sich sicher.
 

Die restliche Zeit bis zum Abend verging wie im Flug. Zu seiner Erleichterung, mehr oder weniger zumindest, erwähnten weder Rikiga noch Inukashi Nezumi erneut. Als es langsam dunkel wurde, verabschiedete sich Renka mit ihren Töchtern, Inukashi mit Shionn und Rikiga, um sich auf den Heimweg zu machen, während Shion mit seiner Mutter allein zurückblieb.

„Soll ich dir noch beim Abräumen helfen?“, fragte er sie höflich und sah zu seiner Mutter, doch diese schüttelte den Kopf.

„Ich mache das schon alleine, danke.“, lächelte sie ihn an.

Er erwiderte das Lächeln und nickte. „Ich gehe dann wieder nach oben und lese etwas.“ Mit diesen Worten war er auch schon die Stufen nach oben gegangen, zurück in sein Zimmer. Doch anstatt sich ein Buch zu nehmen setzte er sich einfach auf sein Bett und starrte aus dem Fenster auf der anderen Seite der Wand.

Wenn er doch nur eine Möglichkeit gäbe, herauszufinden, wo Nezumi gerade war. Aber Tsukiyo war inzwischen an seinem hohen Alter gestorben. Und er wusste keinen anderen Weg, den Jungen zu kontaktieren. Selbst, wenn Tsukiyo noch am Leben wäre, dann wäre die Maus wohl auch nur eine geringe Chance gewesen.

Eines wusste er mit Sicherheit: Nezumi war nicht in der Nähe. Denn falls doch, so hätte er ihm sicher irgendwie eine Nachricht zukommen lassen, egal auf welche Art. Wahrscheinlich hatte er mit seinen Gedanken vorher recht gehabt und Nezumi hielt sich am anderen Ende der Welt auf – zutrauen würde er es ihm auf jeden Fall. Und es wäre eine gute Erklärung dafür, warum er noch nicht zurückgekommen war. Ja, so musste es wohl sein.

„Egal, wo du gerade bist: Ich hoffe, dir geht es gut“, murmelte Shion, obwohl er wusste, dass Nezumi ihn nicht hören konnte. Aber das kümmerte ihn nicht.

Sein Blick wanderte zu dem Päckchen auf dem Schreibtisch im Zimmer. Noch hatte er die Hoffnung, Nezumi könnte jeden Tag hier auftauchen, deshalb hatte er ein Weihnachtsgeschenk für ihn gekauft. Es war nichts Großartiges, aber er wusste, dass das egal war. Wenn er es ihm dieses Jahr bloß endlich geben könnte.

Kopfschüttelnd stand er auf und machte sich doch wieder auf den Weg nach unten, um seiner Mutter zu helfen. Er musste sich irgendwie ablenken.
 

Später, sehr viel später, schien der Mond durch das geöffnete Finster in den kleinen Raum und warf sein Licht auf den schlafenden Jungen. Dieser bewegte sich leicht, wachte aber nicht auf. Auch nicht, als der einfallende helle Mondschein plötzlich von einer Gestalt verdunkelt wurde, die durch das Fenster in das Zimmer stieg. Lautlos, ohne auf sich aufmerksam zu machen.

Silbrige Augen leuchteten kurz auf, als die Gestalt den Kopf drehte, um den schlafenden Jungen zu betrachten. Ein sanftes Lächeln trat auf ihr Gesicht. Dann wandte sie sich dem Schreibtisch zu, nahm das Geschenk und platzierte stattdessen einen Zettel an der gleichen Stelle. Sie warf noch einen weiteren Blick auf den Jungen, ging schließlich an das Bett heran und strich ihm federleicht über das weiße Haar.

„Frohe Weihnachten, Shion.“ Dann verschwand sie wieder genauso geräuschlos, wie sie gekommen war.

Doch von all dem bekam der schlafende Junge nichts mit.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kunoichi
2012-12-13T15:54:05+00:00 13.12.2012 16:54
Ach, wie traurig. ^^ Schade, dass ich das Fandom nicht kenne und nicht genau weiß, welche Beziehung Shion und Nezumi zueinander haben und was sie alles gemeinsam schon erlebt haben. Aber sie müssen wohl ziemlich gute Freunde sein, oder?
Irgendwie schön, dass Nezumi doch gekommen ist, wo Shion so sehnsüchtig auf ihn wartet, aber auch irgendwie traurig, dass Shion genau das nicht mitbekommt. Ich hätte es fast noch besser gefunden, wenn Nezumi statt einen Zettel auch ein Geschenk hingelegt hätte. x3
Lg, Kunoichi


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