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Digimon Tamers X

Rise of the Chaostamers
von

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Der Wahnsinn geht weiter

Einige Vögel waren schon am singen und die ersten Sonnenstrahlen drangen in das Zimmer, als Mika an diesem Morgen erwachte. Bevor sie die Augen öffnete gähnte sie ausgiebig und richtete sich langsam auf. Die Augen auf Halbmast schaute sie verwirrt im Zimmer umher.

Sie hatte doch tatsächlich vergessen, dass Chitu und Youbi auch noch über Nacht hier geblieben sind. Youbi lag auf dem Feldbett, Chitu hatte sich auf dem Sofa zusammen gerollt und Keru lag direkt neben ihr auf der Matratze des Futon-Bettes, welche sie zweckmäßig in das Wohnzimmer geschleppt hatten, damit alle beisammen sein konnten und genug Platz hatten. All ihre Digimonpartner hatten versucht sich irgendwie zu ihren Tamern zu gesellen. Blackgaomon hatte sich am Fußende der Matratze zusammen gekauert und Blackguilmon lag laut schnarchend auf dem Bauch, direkt neben Keru. Blackagumon und Dorumon hingegen hatten sich sitzend gegen die Schlafgelegenheiten ihrer Tamer gestützt.

Nach einem weiteren Gähnen, knurrte Mika plötzlich der Magen. So leise wie möglich erhob sie sich von der Matratze, holte ihre Klamotten und schlich sich ins Bad. Zuerst nahm sie eine angenehme Dusche, um einigermaßen Energie zu sammeln. Während sie sich danach anzog und sie ihre Zähne putzte, dachte Mika über die Ereignisse in der Digiwelt nach. Eigentlich war es echt interessant gewesen. Vorbei war der ganze Kram noch lange nicht. Ob sie nicht vielleicht? „Mh“, murmelte sie vor sich hin, „eigentlich ist das gar keine so schlechte Idee.“ Sie verließ das Bad und schnappte sich ihren Geldbeutel und den Schlüssel als Blackgaomon in die Küche getapst kam. Er sah im Gegensatz zu seiner Tamerin wirklich fit aus. „Wo willst du hin?“, fragte er sie.

„Ich gehe Brötchen holen“, sagte Mika und öffnete die Haustür, „Ich bin zwar erst letztens mit Keru hier eingezogen, aber ich habe gehört hier um die Ecke soll irgendwo eine gute Bäckerei sein.“ Blackgaomon wollte ihr folgen, doch als Mika dies bemerkte meinte sie nur „Blackgaomon, bleib bitte hier! Deck doch schon einfach mal den Tisch für die anderen: Ein paar Brettchen und ein paar Tassen müssten reichen. Ich besorge den Rest jetzt schnell.“ Damit verließ sie die Wohnung und trat in einen wundervollen Frühlingsmorgen hinein.
 

Mika hatte nicht lange für das Einkaufen gebraucht. Ein bisschen Aufschnitt und etwas zu trinken würde wohl in irgendeiner Weise ausreichen. Den Weg zur Bäckerei hatte ihr ein kleiner Junge erklärt, nachdem sie ihn gespielt freundlich gefragt hatte. Kinder sind manchmal echt nützlich. Ihre Gedanken hingen immer noch bei den anderen, als sie vor den Glastüren der kleinen Bäckerei stand. Sie betrat die kleine, aber dennoch gemütlich, familiär aussehende Backstube. Ein Junge mit einem blauen Pulli und einer Fliegerbrille um den Hals stand hinter der Theke und lächelte Mika an. „Guten Morgen, was kann ich für sie tun?“, fragte er. Mika schaute sich durch die verschiedenen Brötchen an der Theke. „Ich nehme 15 normale Brötchen und darf ich fragen, was das da ist? Es sieht lustig aus.“ Sie zeigte auf ein Brot, welches eine für Brot nicht typische Form besaß.

„Ach das. Das ist Guilmon-Brot?“

„Guilmon!?“ erwiderte Mika und riss vor Schreck die Augen weit auf. Sie bemerkte sofort ihren Fehler und versuchte die Kurve noch zu kriegen. „Wer oder was ist ein Guilmon?“

Plötzlich tippte Mika etwas auf die Schulter. Sie drehte sich um und schaute in große Knopfaugen. „Ich bin ein Guilmon!“, freute es sich. Mika war sichtlich verwirrt. Dennoch musste sie es irgendwie schaffen aus der Bäckerei zu kommen, ohne zu verraten, dass sie ebenfalls was mit Digimon zu tun hat. „Nein du bist aber ein hübscher!“, sagte Mika begeistert und tätschelte ihm die überdimensional große Nase. „Ja wenn das so ist, dann nehme ich 3 von den Broten.“

Der Junge packte die Brote in eine Tüte. „Hast du gar keine Angst vor ihm?“, fragte er sonderlich verwundert.

Diese Situation ist wirklich eine Überforderung, dachte Mika. Aber da es gleichzeitig eine Herausforderung ist, beschloss sie diese so grandios wie möglich zu meistern.

„Warum sollte ich, er ist doch freundlich oder nicht?“, antwortete Mika, nahm die Tüte entgegen und legte das Geld auf die Theke. „Stimmt so.“

„Takato, wann können wir endlich zu den anderen?“, quengelte das Guilmon, das bis auf die Farbe und die Größe, Kerus Blackguilmon komplett glich.

Mika überlegte nicht lange und packte die Gelegenheit beim Schopf.

„Welche anderen?“ fragte sie gespielt verwirrt. „Gibt es etwa noch mehr von dir Guilmon?“

Doch es war Takato, der antwortete. „ Nein, nein. Aber es gibt ja nicht nur Guilmon. Er ist nur einer von vielen Digimon. Wir treffen uns nachher mit ein paar Freunden, die ihre Digimon dann mitbringen.“

„Das ist ja interessant“, bemerkte Mika mit einem sarkastischen Ton. „Und wie viele kommen dann, haben die wirklich alle Digimon?“ Sie biss sich auf die Lippe. Das konnte doch nicht wahr sein. Nicht nur, dass sie nicht die einzigen Menschen mit Digimon sind, sondern auch, dass es wahrscheinlich richtig viele sind. Anscheinend war es auch normal, dass ihre Partner sich in der Öffentlichkeit zeigen. Warum hatten sie dann nur so aufgepasst, dass ihre Partner unentdeckt blieben?

„Also...“ begann Takato und überlegte kurz, „da haben wir Ryo, Rika, Henry, Kenta und Kazu, Suzie und Jen. Wir haben als eine Gruppe ein Abenteuer erlebt. Jedoch haben wir mittlerweile elf weitere Digiritter gefunden, Das war die Generation vor uns. Mittlerweile heißen Digiritter „Tamer“. “

Mika überlegte kurz, was sie dazu sagen sollte. Sie entschied sich für ein schlichtes „Dann gibt es ja wirklich viele von euch.“ und schaute zu Guilmon hinüber. Ein flaues Gefühl im Magen, sagte ihr an, dass sie und ihre Kollegen noch eine Menge Stress mit so vielen Gegnern haben werden.

„Möchten Sie vielleicht mit kommen?“, fragte Takato urplötzlich.

Wieder einmal überfordert von der spontanen Aktion brauchte Mika erst ein paar Sekunden, um sich eine Ausrede parat zu legen. „Nein danke, ein anderes Mal vielleicht. Ich...“, sie stockte , „habe heute Besuch. Den kann ich nicht alleine lassen. Ich muss mich jetzt auch sputen. Die kommen schon in einer halben Stunde, da muss der Frühstückstisch gedeckt sein.“ Sie wandte sich zum gehen.

„Takato! Wie lange dauert es noch?“

„Warte noch ein bisschen, Guilmon. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Auf Wiedersehen.“, war das letzte was Mika von dem Tamer noch hörte.

„Tschüss“, gab Mika von sich und sobald sie aus der Sichtweite der Bäckerei verschwunden war murmelte sie „Andere... Pff. Super Aufzählung. Wie viele von denen gibt es bitteschön noch?“
 

Die anderen waren schon wach als Mika die Tür rein kam. Es roch schon vereinzelnd nach Kaffee und Früchte-Tee. Der Tisch war zwar gedeckt, sah aber aufgrund der Masse, die an ihm sitzen sollte recht überladen aus. Es war schon beachtlich, wie viele Leute in eine so kleine Küche passten.

Die anderen saßen bereits am Tisch und warteten begierig auf die Brötchen. Mika holte einen Brötchenkorb von dem Schrank und schüttete so viele Brötchen wie möglich hinein. Es brachte nicht wirklich viel. Nach nicht mal einer Minute, musste sie neue Brötchen herein schütten. Jetzt waren alle erst einmal mit ihrem Brötchen zu Gange.

Mika überlegte kurz, wie sie das Gespräch anfangen sollte, um die anderen von dem Vorfall in der Bäckerei zu erzählen. Es kam ihr eine spontane Idee in den Sinn.

„Erm, Leute. Ich war ja grad in der Bäckerei, ne?“

Irritiert schauten alle zu ihr. Einige, wie Youbi kauten gebannt auf einem Stück Brötchen rum. Andere, zum Beispiel Chitu und Keru nippten genüsslich an ihrer Tasse.

Mika setzte unbeirrt fort. „Also. Ich hab ein Brot gekauft. Aber ein ganz spezielles.“ Sie griff in die Brötchentüte. „An wen erinnert euch das?“, sagte sie und zog mit einer blitzschnellen Bewegung das Brot heraus.

Es dauerte nur Bruchteile von Sekunden, bis die anderen begriffen und das Chaos ausbrach. Chitu verschluckte sich an ihrem heißen Kaffee, während Youbi sich am Brötchen verschluckte. Keru prustete seinen heißen Kakao einmal komplett über den gesamten Tisch. Blackgaomon und Blackagumon betrachteten das Brot kritisch. Blackguilmon jedoch schnappte Mika das Brot aus der Hand und sagte „Das sieht ja aus wie ich.“ , bevor er es in einem Zug verschlang.

„Wobei wir beim Thema wären.“ , sagte Mika und ließ sich nicht durch das heftige Husten ihrer Kameraden bremsen. „Wir sind nicht allein.“

Chitu fand als erstes ihre Stimme wieder. „Was meinst du mit: 'Wir sind nicht allein'?“

„Erm ja, Blackguilmon hatte schon recht, dass das Brot aussieht wie er. Der Junge, der mich an der Theke bedient hat: Er hatte ein Guilmon. Aber ein rotes und so groß wie deins ist es auch nicht Keru.“ Auf diesen Satz hin stellte Keru sich in eine Art Siegerpose, um seinen Stolz auf Blackguilmon Preis zu geben.

„Noch jemand außer uns mit einem Digimon? In der realen Welt?“, fragte Youbi perplex.

„Ach, kommt schon, den machen wir platt!“, rief Keru, der von der Kampflust befallen worden war.

Mika fing an panisch zu lachen. „Hahaha...“ Dann unterbrach sie sich selbst und fügte etwas leiser hinzu: „Wenn's nur einer wäre.“

„Wie jetzt? Gibt’s mehr als nur den einen?“, fragte Keru verwundert.

„Also wenn ich es richtig mitbekommen und auch richtig gezählt hab sind es so an die zwanzig weiteren Tamer. Aber du weißt ja: In Mathe bin ich nicht so gerade ein Genie.“

Sein Gesicht veränderte sich plötzlich. In seinen Augen war noch mehr Kampflust zu sehen.

Die anderen beiden sahen nachdenklich aus. Auch die Digimon schwiegen allesamt.

Mika durchbrach die Stille mit einem räuspern. Erneut flogen alle Blicke auf sie.

„Auf Grund der Tatsachen, das wir anscheinend mehr zu tun haben, als unser momentaner Auftrag, habe ich mir etwas überlegt.“ Ihr Blick wanderte prompt zu Chitu und Youbi. „Wollt ihr hier einziehen?“

Das kam recht überraschend für alle Beteiligten. Die beiden angesprochenen sagten nichts und schienen über die Idee nach zu denken.

Keru jedoch schien vor Wut zu brodeln. „Was soll der Mist, Mika? Kommst du vielleicht mal auf die Idee mich zu fragen? Ich wohne auch hier.“

„Erstens Herzchen, die Idee war spontan, hatte es mir heute morgen überlegt. Zweitens: Ken hatte uns was verschwiegen. Jetzt wo wir wissen, dass wir noch durch circa zwanzig Gegenspieler mehr Stress haben werden, ist das gar keine so schlechte Idee, wenn wir alle zusammen bleiben. Und drittens: Ich habe den Mietvertrag unterschrieben, also liegen die Rechte bei mir“, fügte sie feixend, aber ruhig dazu bei.

Er öffnete bereits den Mund um zu widersprechen, gab aber dann grummelnd klein bei.

„Dann halt noch mal nachträglich Keru. Was hältst du von der Idee?“

„Mir gefällt sie nicht. Aber mit einem Punkt hast du schon recht. Deswegen ist es mir egal, ob die beiden einziehen oder nicht.“, murmelte er.

Um Keru von der Idee zu überzeugen fügte Mika ein paar Argumente hinzu. „Überleg doch mal Keru. Wir teilen uns ja sowieso schon ein Zimmer und das andere, was wir als Hobbyraum nutzen wollten können die beiden doch nehmen. Dann verlegen wir dann halt den Hobbyraum in den zusätzlichen Kellerraum unten. Den kann man sogar abschließen. Das Wohnzimmer bietet auch genug Platz für alle. Von mir aus stehe ich auch extra früh auf, sodass es im Badezimmer keine Überschneidungen gibt.“

„Ja, ist gut!“, gab Keru etwas lauter von sich. „Von mir aus geht es klar.“ Seine Stimme klang immer noch sichtlich genervt.

Mika grinste über ihren kleinen Triumph. Aber auch nur kurz, da sie von den anderen beiden immer noch keine Antwort bekommen hatte. Fragend blickte sie zu den beiden. „Und was ist jetzt mit euch beiden?“

Chitu hob den Kopf. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre...“.

„Wieso?“, wollte Mika wissen.

Provokativ knurrte Blackguilmon leise.

„Deswegen.“, murmelte sie und gab sich damit zufrieden den Boden zu betrachten.

„Hast du etwas gegen mich und mein Digimon?“, fuhr Keru sie an.

„Ist nebensächlich Keru.“, wandte Mika ein und fuchtelte mit der Hand um den letzten Satz wortwörtlich aus dem Raum zu wedeln. „Hier in dem Haus gelten Regeln. Ich möchte, dass alle sich in irgendeiner Weise wertschätzen und sei es, dass sie sich aus dem Weg gehen. Ein friedvolles Miteinander soll gewährleistet sein. Jeder hat sich zu benehmen, sonst trägt derjenige die Konsequenzen.“

Diesmal mischte sich Youbi mit ein. „Chitu. Eigentlich wäre es keine schlechte Idee hier ein zu ziehen. Zu viert, beziehungsweise acht ist es einfach sicherer als alleine oder zu zweit.“

„Ja natürlich. Aber du hast doch auch sicher deine Zweifel, was das Angebot hier angeht. Oder etwa nicht?“, gab sie von sich, ohne vom Boden auf zusehen.

Youbi stockte kurz. „Ja, aber nur wegen dir. Ich mach mir ein bisschen Sorgen, dass ihr beide euch nicht vertragen könnt.“ Sie blickte beide hoffnungsvoll an, während sie einmal zu Keru, einmal zu Chitu hinübernickte. „Aber wenn wir es wirklich so machen, wie Mika sagt, dann könnte es klappen. Kein Streit hier im Haus.“

Chitu schmollte. „Bist du etwa nicht auf meiner Seite?“

„Chitu, du musst gestehen, dass das Angebot echt verlockend klingt.“

Youbi starrte Chitu weiterhin hoffnungsvoll an. Sie hoffte, dass Chitu wenigstens auf sie hören würde, wenn schon nicht auf Mika. Um ihr Argument zu bekräftigen fügte sie hinzu: „Wir können dann endlich auf eigenen Beinen stehen. Das ist doch das, was du immer wolltest. Unabhängigkeit.“

Ein kurzer Augenblick der Stille verging, bevor Chitu den Kopf hob und nun ihren Blick aus dem Fenster schweifen ließ. Erneut verging eine Weile bevor sie antwortete.

„Das stimmt Youbi. Ich würde schon gerne auf meinen eigenen Beinen stehen. In einer WG wäre man einigermaßen selbstständig. Ich würde schon gerne in eine WG ziehen, auch wenn es nicht unbedingt diese hier sein muss. Dennoch ist es besser als nichts. Aber Youbi, du vergisst da etwas ganz entscheidendes.“

Youbi zog eine Augenbraue nach oben und schwieg.

„Wo liegt das Problem?“, fragte Mika sichtlich besorgt. Keru hob herausfordernd seine Hand, ließ sie aber wieder sinken, als Mika ihm einen bösen Blick zuwarf.

Chitus Blick wanderte nun von dem Fenster hinüber zu Mika und verfinsterte sich.

„Meine Mutter...“

„Deine Mutter?“ wiederholte Mika, die wohl nicht recht verstand worauf Chitu hinaus wollte.

„Ja, genau die. Wenn ich der sage, dass ich ausziehen will reißt die mir noch vor Blackguilmon den Kopf ab.“ Sie musterte Kerus Partner neugierig und wartete auf eine Reaktion. Als sie merkte, dass er sie nur fixierte wandte sie den Blick wieder ab und schaute zwischen Mika und Youbi hin und her. Zuletzt blieb er bei ihrer besten Freundin stehen, die sich verlegen an den Haaren zupfte.

„Die habe ich ja schon total vergessen. Aber das bekommst du auch irgendwie geregelt. Du bist immerhin Chitu!“ wollte sie Chitu bestärken. Als Dorumon seine Tamerin anstupste und selbst Keru ein „Jetzt zeig deiner Alten gefälligst wo der Hammer hängt, das Gejammer ist ja nicht auszuhalten.“ hervorbrachte und Chitu regelrecht zur Tür raus schob, entschied sie sich tatsächlich nach Hause zu gehen und ihre Mutter vor vollendete Tatsachen zu stellen.
 

Die Sonne hatte sich bereits ein Stück weiter Richtung Zenit bewegt. Es war nicht mehr so kühl wie beim Frühstück und der Wind hatte auch abgenommen. Dafür sah man zunehmend mehr Menschen auf den Straßen. Darum entschied sich Chitu auch, nicht wie gewöhnlich die vier Stationen mit der Bahn zu fahren, sondern ging einen Umweg durch den Stadtwald, wo man auch am schönsten Tag des Jahres wenig Menschen begegnete. Dadurch konnte sie mit Dorumon ungehindert weiter gehen, ohne den neugierigen und skeptischen Blicken ausgesetzt zu sein. Auch die Stunde Fußmarsch störte sie nicht. Im Gegenteil, so ein sonniger Spaziergang war genau das, was sie nach solch ereignisreichen Tagen brauchte. So ging sie die Ereignisse noch einmal durch und versuchte sich dem klar zu werden, was ihr bis jetzt noch verborgen blieb. Ihr Partner stumm neben ihr.

Als sie schon fast das Ende des Waldes erreicht hatten, schaute Chitu ihr Digimon das erste mal richtig an, ohne einen Funken Verachtung in ihren Augen. Dorumon stutzte. Chitu lächelte den Hauch eines Momentes ein „Entschuldigung für alles. Wir fangen wohl besser von vorne an.“ und schritt danach aus dem Wald erneut in die Großstadt. Ihr Digimon nickte nur und war froh, dass der Wind sich wohl langsam drehte. Wer weiß was in ihrem Kopf wohl vor ging. Aber eins stand fest, eine Entscheidung musste sie für sich getroffen haben. Sie ging zielstrebig und selbstbewusst, statt wie gewöhnlich missmutig und gelangweilt.

An der Tür angekommen, bat sie Dorumon erst einmal draußen zu warten und ging alleine in die Höhle des Löwen.

Chitu machte sich nicht die Mühe wie sonst ihre Schuhe draußen auszuziehen, um dem Geschrei ihrer Mutter aus dem Weg zu gehen, sondern diesmal provozierte sie ganz bewusst. Sie ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und ging ins Wohnzimmer, von wo aus man den Fernseher hören konnte. Ihre Mutter war also da. Sie setzte sich auf die Couch gegenüber und starrte ihren Vormund unheilvoll an. Nebenbei schnappte sie sich die Fernbedienung und knipste den Fernseher aus, ohne den Blick abzuwenden. Als ihre Mutter sie fragte, was das zu bedeuten hätte, sagte sie nur knapp angebunden: „Wir müssen reden.“

Die Frau schien zu ahnen, dass es sich nicht um eine gute Nachricht handeln würde, also setzte sie sich aufrecht hin und spannte ihren Körper an. Es kam selten vor, dass ihre Tochter mit ihr reden wollte. Und fast immer hatte es eine schreckliche Folge. Wie auch diesmal.

„Ich will hier weg.“ sagte Chitu kurz angebunden. Ihr Blick fixierte immer noch ihre Mutter.

„Hier weg? Aber wohin denn?“ entgegnete diese.

„Das geht dich gar nichts an, ich will hier einfach nur ausziehen.“ Erst jetzt verstand ihre Mutter, was sie von ihr wollte. Aber so ein Unterfangen war undenkbar für ihre Tochter.

„Was bitte?“ fragte sie aufgebracht. Man konnte ihre Wut im Unterton hervorragend ausmachen.

„Du hast richtig gehört.“ warf Chitu ein. Ihre Hände verkrampften sich. Ihr Mut hatte sie ganz schnell verlassen. Das war das erste mal, dass sie ernsthaft gegen ihre Mutter agierte. Und das bekam ihr nicht gut. Doch sie hatte sich entschieden. Diese Entscheidung war nicht rückgängig zu machen. Auch wenn es ihren letzten Nerv kosten würde, sie würde jetzt nicht mehr umkehren.

Chitus Mutter schien das nicht in den Kram zu passen.

„Das ist also der Dank für all die Jahre? Du spinnst jawohl, du bleibst gefälligst hier! Ich werde keinen Pfennig für dich ausgeben, das ist jawohl das Letzte!“ schrie sie ihre Tochter an.

Genau die Reaktion hatte Chitu von ihr erwartet. Sie stand auf und nahm ihren letzten Mut zusammen um ihrer Mutter die Meinung zu sagen. Auch sie konnte sich nicht mehr zurück halten, und schrie aus vollem Hals, dass sogar Dorumon es hören konnte.

„Der Dank war das ich nicht schon längst aus dieser Bruchbude geflüchtet bin Mutter! Und dein verdammtes Geld will ich überhaupt nicht, ich will gar nichts von dir, nicht solange es mich an dich erinnern müsste! Ich hau hier ab, ob es dir passt oder nicht. Und du bist die Letzte die mich abhalten könnte.“ Ihre Mutter kam bedrohlich auf sie zu und erhob eine Hand. Ihre Tochter würde es nicht wagen, sie würde schon sehen was sie davon hat. Sie holte weit aus und wollte ihrer Tochter wirklich eine Ohrfeige verpassen, als plötzlich Dorumon knurrend die Terrassentür zertrümmerte und sich Zähne fletschend vor seine Partnerin stellte. Chitus Mutter erschrak. So eine Kreatur hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie stolperte zurück wieder auf das Sofa und wurde völlig aus dem Konzept gebracht. Chitu hingegen hatte ihren Mut zurück. Schon merkwürdig, wie der Zusammenhalt zwischen Tamer und Digimon ihre Zuversicht beeinflusste. Sie grinste ihre Mutter an. „Damit hast du wohl nicht gerechnet, was? Darf ich vorstellen? Dorumon. Einer der Gründe warum ich nicht hier bleiben werde.“

„Schaff das Ding hier raus!“ keuchte ihre Mutter. „Und mach du auch bloß das du deine Sachen packst und verschwinde! Ich will dich nie wieder sehen!“ fügte sie in Panik hinzu.

„Hm. Warum denn nicht gleich so.“ Chitu verschränkte die Arme und ging in ihr Zimmer. Sie brauchte nicht lang um das Nötigste zu packen. Eine Tasche lud sie Dorumon auf, die andere schwing sie sich über die Schulter. Dann verließ sie die Wohnung wieder, ohne einen Blick zurück zu werfen.

Auf dem Rückweg schwieg sie erneut. Länger als beim Hinweg. Dorumon folgte ihr wieder stumm, es war nicht angebracht Chitu jetzt groß zu bedrängen. Sie ließ sich ohnehin nicht aus ihren Gedanken bringen.

Wieder im Wald setzte sie sich auf einen umgestürzten Baumstamm, stützte ihre Arme auf den Beinen ab und legte so ihren Kopf auf die Arme. Ihr Partner machte es sich derweil unter einer der vielen Schatten spendenden Bäume bequem. In dieser idyllischen Umgebung konnte Chitu erst einmal in Ruhe mit der neuen Situation fertig werden. Sie hatte wirklich einen Schlussstrich gezogen. Sie würde ihre Mutter nie wieder sehen, was ihr einerseits schon wieder fast Leid tat. Doch ihre Verachtung für diese Frau überwog und ließ Chitu diesen trüben Gedanken verschwinden. Sie biss sich auf die Lippe. Mitleidig war sie keinesfalls. Was sie jedoch gut konnte, war zweifeln. So kamen ihr gleich Gedanken in den Kopf, die sie bedenken ließ, ob ihre Entscheidung die richtige gewesen ist. Als kleines Kind hatte sie doch einen so ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Und nun? Nun verschloss sie sich sogar vor der Wahrheit. Ihr Blick wanderte zu Dorumon, der völlig ruhig dalag und in Träume versunken war. Seine Flanke hob und senkte sich völlig gleichmäßig. Chitu seufzte und sah zu Boden. Dass sie sich nie im Inneren einig werden konnte ging ihr auf die Nerven. Ständig kamen neue Zweifel, die wiederum von einem unerschöpflichem Maß an Hoffnung erstickt werden wollten. Ein ewiger Gewissenskonflikt. Letzten Endes war nachdenken reine Zeitverschwendung, dachte sie sich.

„Was auch immer mein Schicksal noch mit mir vor hat. In der Situation werde ich schon richtig handeln. Wenn nicht... habe ich einfach Pech gehabt, oder such einfach einen neuen Weg. Wird schon schief gehen“ sagte sie zu sich selbst, um ihr Ego ein wenig zu stärken.

„Mou man tai“ sagte eine fiepsige Stimme hinter ihr. Chitu war so mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie alles um sich herum vergessen hatte. Sie wirbelte herum und schaute wer sich in der Zwischenzeit angeschlichen hatte. Als sie in große Knopfaugen eines grünen Hundes mit übergroßen Ohren sah, war sie allerdings überrascht. Ein Digimon sollte Dorumon normalerweise wittern. Sie schaute verwirrt zu ihrem Partner, der immer noch friedlich vor sich hin schlummerte.

Statt Dorumon zu wecken, nahm sie ihr D-Power und ließ sich die Daten des fremden Digimons anzeigen.

Terriermon. Level Rookie. Tierdigimon. Typus Serum. Attacke, Wirbelsturm. Ihr kam der Wunsch von Ken erneut in den Sinn. Unter anderem hatte er auch ein Terriermon erwähnt, was sie ihm mitbringen sollten. Heute schien ihr Glückstag zu sein, dachte sie. Erst einmal wollte die junge Tamerin versuchen herauszufinden, wer Terriermons Tamer war. Und noch die eine oder andere Information. Deswegen spielte sie die Unwissende.

„Was soll das denn heißen?“ fragte sie das kleine Digimon und verzog das Gesicht.

„Alles wird gut, take it easy.“ erklärte es, völlig gleichgültig. Es wunderte Chitu, dass Terriermon so zwanglos und völlig normal mit ihr sprach, doch war es auch ein Vorteil.

„Ach so ist das. Und wer bist du? Was machst du hier so alleine?“ Sie legte den Kopf schief und versuchte ausnahmsweise einmal nicht völlig eiskalt und abwertend zu sein, um ihr Opfer nicht zu verschrecken.

„Ich bin nicht alleine, Henry, Takato und Guilmon sind auch noch da.“ Das Digimon lächelte.

Als Chitu den Namen Guilmon hörte, sah sie sich um. Doch sie konnte weit und breit keinen erspähen. „Wo?“ fragte sie zögerlich und versuchte sich die Nervosität nicht anmerken zu lassen.

„Irgendwo dahinten.“ Der Hund zeigte auf den Weg der Richtung Stadt führte und fuhr fort. „Mein Tamer hatte noch was zu erledigen, er kommt gleich nach.“

Was für eine erfreuliche Nachricht. Es trieb sich doch wahrhaftig weit weg von seinem Tamer herum. Wie einfältig.

„Bist du auch ein Tamer? Wo ist dein Digimon?“ Fragte das Digimon, nichts ahnend.

„Ich? Ja natürlich. Dorumon ist mein Partner. Dorumon! Aufgewacht du Schlafmütze, komm her.“ Rief Chitu ihrem Partner zu und konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Nachdem sich das Digimon endlich her bewegt hatte, ging Chitu einen Schritt auf das fremde Digimon zu und hoffte, Dorumon hatte ihre Gedankengänge erfasst.

„Terriermon, hat dir eigentlich keiner gesagt, dass sich Tamerdigimon nicht weit von ihren Partnern aufhalten sollen? Das ist gefährlich.“ Sagte Chitu mit künstlich fürsorglichem Tonfall.

„Mir passiert schon nichts, mou man tai.“ freute sich das übermütige Geschöpf und hüpfte ein wenig umher.

„Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher.“ Der für Chitu typische Gesichtsausdruck kam zurück und bevor Terriermon begriff, was für ein Spiel sie gespielt hatte, feuerte Dorumon bereits ein paar Silberkugeln auf seinen Gegner und ließ es bewusstlos zu Boden sinken.

„Guter Schuss.“ lobte Chitu. Dann kramte sie den Schwarzen Ring hervor, den sie von Ken erhalten hatte, legte ihn Terriermon um und verstaute es sicher und zusammengeschnürt in ihrem Rucksack.

„Wir sollten von hier verschwinden, sonst taucht dieser Tamer doch noch auf.“ warnte Dorumon.

„Stimmt, bloß weg hier.“ Stimmte Chitu zu und beide machten sich schnellen Schrittes auf den Weg zu ihrem neuem zu Hause.
 

Kaum waren Chitu und Dorumon aus der Tür, fiel auch Youbi ein, dass auch sie vielleicht mal los sollte, um ihre Sachen zu packen und um mit ihrem Arbeitgeber über ihre eigentliche Wohnung reden sollte. Also stand sie auf und suchte ihre Tasche zusammen bevor sie und Blackagumon sich von den andern verabschiedeten. Unterwegs ging ihr so vieles durch den Kopf, dass sie nicht einmal die vielen irritierten Blicke der Passanten bemerkte. Vorrangig machte es ihr Sorgen was sie und Chitu tun sollen, wenn es mit der WG doch nicht so reibungslos und harmonisch zu gehen sollte, wie geplant. Sollte sie wirklich ihre alte Wohnung jetzt schon kündigen? Zurückfordern könnte sie sie nicht mehr, aber war es richtig ihren Chef eine leer stehende Wohnung bezahlen zu lassen? Blackagumon fing an sich Sorgen um seine Tamerin zu machen, so ernst kannte er sie gar nicht.

„Hey was ist los Youbi? Hast du Probleme oder Sorgen?“ riss er sie schließlich aus ihren Gedanken.

„Ach was, nein, alles in Ordnung“ beruhigte sie ihren Partner. „ich hab mir nur gerade überlegt das ich meine alte Wohnung vorerst noch behalte, nur zur Vorsicht.“

Doch obwohl sie nun immerhin wieder lächelte, war sich das Digimon nicht sicher, was er davon halten solle.

In der kleinen 1-Zimmerwohnung angekommen ging das packen sehr schnell. Ein Koffer und eine Sporttasche reichten aus um ihre ganzen Sachen, von Küchengeräten und ähnlichem abgesehen, unterzubringen.

Auf dem Rückweg beschloss sie mindestens einmal die Woche nach der Post zu sehen und ab und an mal etwas in die Kaffeekasse an ihrem Arbeitsplatz zu spenden um ihr Gewissen etwas zu beruhigen.



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