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Fight Me, Kiss Me!

von

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Mistrust Me!

Mit einer zuckenden Bewegung mit dem Lauf seiner Magnum wies Kai Rei an, sich auf den Beifahrersitz zu setzen. So konnte er ihn im Auge behalten, während er fuhr und brauchte nicht damit zu rechnen, dass ihm von hinten ein Messer an die Gurgel gehalten wurde. Unter gegebenen Umständen hätte er dieses Risiko nicht eingehen wollen. Auch wenn er wusste, dass Rei das nicht getan hätte.

Wobei, rief er sich ins Gedächtnis, so sicher konnte er sich darüber auch nicht mehr sein.

Rei setzte sich mit steifen Bewegungen in den tief liegenden Sitz. Er konnte den missmutigen Blick auf sich spüren, den Kai ihm aus den Augenwinkeln zuwarf. Trotzig funkelte er zurück. Ihre Blicke trafen sich in einer Mischung aus Missmut, Ärger, Verwunderung, Unsicherheit. Es erschwerte die Luft zwischen ihnen. So etwas hatte noch nie zwischen ihnen gelegen. Es war deutlich, dass sich ihr Verhältnis geändert hatte. Radikal.

Kai steckte die Pistole weg und trat auf das Gas. Stillschweigend fuhren sie über die noch leblosen Straßen. Rei starrte geradeaus. Einfach so dazusitzen und nichts zu tun, machte ihn fertig. Es lenkte seine Aufmerksamkeit unweigerlich auf seinen pochenden Oberschenkel. Die Wunde schmerzte mittlerweile höllisch und die Schmerzen dehnten sich bis in den Magen aus. Ihm war schlecht. Und schwindelig. Immer wieder verschwammen Straßen und Häuser in ein dunkles, undefinierbares Farbgeflecht. Er spürte sein Herz rasen, seine Lunge sich zusammenziehen. Er musste sich stark zusammenreißen, um nicht atemlos vor sich hin zu keuchen.

Ohne zu fragen ließ Rei das Fenster auf seiner Seite runter. Er brauchte frische Luft, die ihm kühl und wohltuend um die Nase blies. Anscheinend hatte er geschwitzt, denn vereinzelte Schweißtröpfchen trockneten auf seinen Schläfen. Er setzte den Ellbogen an das Fenster und stützte den Kopf auf die Hand. Seine Finger krallten sich sofort verkrampft in sein Haar. Auch seine andere Hand war zu einer Faust geballt. Es half ihm, gegen das aufkommende Ohnmachtsgefühl anzukämpfen. Es war wohl wirklich eine selten dumme Idee gewesen, sich nicht einmal Schmerzmittel geben, geschweige dann sich lokal betäuben zu lassen. Aber wer hätte auch damit gerechnet, dass keine Stunde später Kai auftauchen würde? Und dann auch noch dieses Theater aufführte.

Rei hatte eine dunkle Ahnung, weswegen er und Kai hier waren. Otori. Das war die einzige Erklärung. Kein anderer Grund wäre strak genug gewesen, dass Kai ein solches Risiko eingegangen und in ihr Territorium eingedrungen wäre. Er war wütend. Und Rei konnte das absolut nachvollziehen. Hätte er etwa anders reagiert, wäre einer seiner Freunde an Otoris Stelle gewesen? Sein Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. Er konnte es noch so deutlich vor sich sehen, wie Otori plötzlich zur Seite kippte. Aus seiner Wunde spritzte Blut.

Er versuchte zwanghaft, an etwas anderes zu denken. Doch es fiel ihm schwer, hatten die pochenden Schmerzen mittlerweile ohnehin Überhand gewonnen.

Rei war so konzentriert, dass er nicht bemerkte, dass Kai angehalten hatte. Erst der heftige Knall der Wagentür auf der Fahrerseite, die kraftvoll zugeschlagen wurde, riss ihn zurück in die Realität. Benommen beobachtete er, wie Kai sich stapfend vom Auto entfernte. Er blickte sich um. Grün. Kai war aus der Stadt hinausgefahren. Das Auto stand auf einem flachen Hügel, zu dessen Füssen sich die dunkelgraue Stadt erstreckte. Einige Lichter brannten in den Häusern, verblassten aber langsam im heller werdenden Tageslicht. Weit hinter der großflächigen Stadt glitzerte sanft die glatte Oberfläche des schwarzen Meeres. Und dahinter, weit hinten am Horizont, kroch die Sonne gemächlich aus ihrer nächtlichen Ruhe. Kais Silhouette zeichnete sich schwarz und hart dagegen ab.

Rei biss sich auf die Unterlippe und kletterte umständlich aus dem Wagen. Er versuchte, sein verwundetes Bein nicht zu belasten und gleichzeitig sich nichts anmerken zu lassen. Auch wenn er sich fühlte, als ob ein hungriges Loch in seinem Bauch ihn verzehren wollte, er erlaubte es sich selber schlicht nicht, vor Kai eine Schwäche zu zeigen.

Tief atmete er durch. Die frische Morgenluft erweckte seine Lebensgeister und war zugleich getränkt von einer unruhigen Anspannung. Rei stellte sich neben Kai, die Arme verschränkt. Er spürte das Messer, wie es ihm gegen die Rippen drückte.

Unter anderen Umständen hätte es romantisch anmuten können, wie sie hier oben auf dem Hügel standen, Schulter an Schulter, und in den Sonnenaufgang starrten. Aber es war nicht romantisch. Ganz und gar nicht.

Mit zusammengezogenen Brauen wandte Rei den Blick zu Kai. Doch dieser stierte nur weiterhin stur geradeaus und strafte ihn mit Schweigen. Rei wusste nicht, ob er verärgert oder doch eher vorsichtig reagieren sollte. Er seufzte und ließ den Blick über den Horizont gleiten. Die Sonne würde jederzeit aufgehen.

„Wie geht es Tsubasa?“, fragte er, darauf vorbereitet, dass ihm Kai vermutlich sogleich die Fresse polieren würde.

Wie ging es einem denn schon, wenn einem mitten in die Brust geschossen wurde? Kai schnaubte. Etwas in ihm wollte dem Chinesen anschreien, was denkst du denn, wie’s ihm geht!? Stattdessen schluckte er die schäumende Wut hinunter.

„Er sollte sich bereits im Spital befinden.“

Rei nickte.

„Das ist gut“, sagte er vorsichtig.

Mit gleichermaßen Glück wie Durchhaltewillen, würde er vielleicht sogar tatsächlich überlegen. Vorausgesetzt natürlich, es wurden keine lebenswichtigen Organe getroffen. Rei hoffte es. Nein, er wünschte es sich. Nicht nur für den Jungen, oder für Kai. Oder für sich selbst, weil er es mit seinen Gewissen niemals hätte übereinbringen können, wenn ein Kind durch seine Hand umgebracht worden wäre. Und sein Clan war schließlich gleichbedeutend mit ihm selbst. Er war der Clan, und er musste für alles geradestehen, was der Clan anrichtete.

Kai hatte ihn noch kein einziges Mal angesehen, seit er ihn abgeholt hatte. Auch jetzt starrte er weiterhin gerade aus.

„Sie beschuldigen alle dich, Rei.“
 

Was bliebt ihnen schon anderes übrig, als rastlos auf und ab zu gehen, angespannt auf einem der Plastikstühle zu sitzen, oder in einen Becher mit wässrigem Automatenkaffee zu starren? Der kahle Flur bot nur wenig Trost oder Ablenkung. Sie konnten nichts tun. Außer warten. Warten, bis einer der Ärzte aus dem Operationssaal trat und ihnen mitteilte, dass Otori es geschafft hatte. Oder nicht.

Sie redeten nicht miteinander. Es traf sie alle gleichermaßen. Natürlich war Otori nicht der erste, der angeschossen wurde und im Spital landete, dem ewig währenden Krieg der Clans waren schon viele zum Opfer gefallen. Aber Otori gegenüber hatten sie, Sergej, Tyson, Garland und Ming-Ming, ohne es wirklich mitbekommen zu haben, einen starken Beschützerinstinkt entwickelt. Es war ihr Nesthäkchen, der es Wert war, dass man auf ihn am meisten aufpasste und ihn beschützte. Sie hatten alle versagt.

Sergej blickte den Gang hinunter, in seiner Brust tobte ein Sturm der Leere. Irgendwo stand eine Tür zu einem Zimmer offen und der Boden davor begann sich langsam zu verfärben. Vereinzelte Sonnenstrahlen reflektierten auf dem polierten Boden. Die Sonne ging auf. Ob sie Hoffnung brachte?
 

Die ersten Strahlen der frühen Morgensonne blendeten nicht. Noch tanzten sie sanft auf seinem Gesicht. Erst wenn die Sonne zu einem Drittel über den Horizont geklettert war, hätte Rei nicht mehr hinsehen können. Allerdings hatte er seine Aufmerksamkeit dem Naturspektakel gerade abgewandt. Sie galt nun vollkommen dem jungen Mann, der neben ihm stand, die Arme verschränkt und den Blick grimmig nach vorne gerichtet.

Sie beschuldigen alle dich, hatte er gesagt. Rei lächelte dünn.

„Natürlich“, sagte er kehlig.

Was hatte er denn erwartet?

„Hattest du überhaupt eine Pistole?“

„Würde das was ändern?“

Rei schnaubte. Nein, antwortete er sich selbst, es würde rein gar nichts ändern.

Abrupt drehte Kai sich zu ihm um, die Hände zu Fäusten geballt.

„Hattest du?“, brüllte er und sein Blick traf Rei wie giftige Nadeln.

„Ich hatte eine Pistole.“

Kai musste sich mit der Halbwahrheit zufrieden geben.

Rei hatte den Schlag schon kommen sehen. Doch er wich nicht aus. Die Wucht ließ seinen Kopf zur Seite fliegen. Hatte zuvor schon sein Wangenknochen von Yuriys Schlag geschmerzt, schmerzte nun auch sein Kiefer. Für einen Moment sah er Sterne, doch dann wandte er sich erneut zu Kai. Seine Fransen hingen ihm zerzaust ins Gesicht und verdeckten die dunkel verfärbte Wange. Kai starrte ihn an, sein Gesicht wutverzerrt.

„Und hast du auch geschossen?“, presste er durch die zusammengebissenen Zähne.

„Wo ist denn der Unterschied, ob ich geschossen habe oder nicht?“, fauchte Rei.

„Antworte mir!“

„Was bringt’s denn?“

„Antworte!“

„Wärst du selbst da gewesen, müsstest du jetzt nicht so dumm fragen!“

Dieser Schlag hatte Rei nicht kommen sehen. Er war so kräftig, dass er ihn von den Füssen riss. Sein Bein gab sofort nach und Rei knickte seitlich zu Boden. Als Rei hoch blickte, sah er noch etwas anderes ihn Kais Augen aufblitzen als Wut. War es Schuld? Fühlte er sich etwa schuldig? Er baute sich über Rei auf, packte ihn an der Trainerjacke und zog ihn dicht an sein Gesicht.

„Ich war unten und habe diesen Arschlöchern aufgelauert, um sie verfolgen zu können“, zischte er. „Also hast du nun geschossen oder nicht?“

Rei grinste schnaubend und wandte das Gesicht ab.

„Und wenn schon.“

Wütend stieß ihn Kai hart auf den Boden zurück. Ein heftiger Stich durchfuhr Reis Schulter und er presste die Augen zusammen. Er wartete auf den nächsten Schlag. Doch er kam nicht.

„Du sagst nicht die Wahrheit“, hörte er stattdessen knurrende Worte und verwirrt und verwundert blickte er hoch.

„Weil es nicht maßgebend ist. Wieso willst du das so unbedingt wissen? Was macht es denn schon für einen Unterschied? Wieso sollte es wichtig sein, wer geschossen hat?“

Kai schluckte. Ja, wieso eigentlich war es ihm so wichtig? Wollte er etwa, dass Rei es nicht gewesen war? Nein, soweit durfte es nicht kommen. Der Clan ist deine Familie. Traue niemandem außer den Mitgliedern deines Clans. Er biss sich auf die Zähne.

Der Schlag, den er als nächstes ausführte, war Resultat eines tief in ihm schlummernden Reflexes. Auch wenn niemand, schon am wenigsten Kai, hätten sagen können, woher es kam, hatte er instinktiv seine jahrelang verwurzelten Abwehrmechanismen in Gang gesetzt. Seit nunmehr über drei Jahren hatte er sich nie mehr mit Rei geprügelt. Vielleicht hin und wieder gerauft, aber es war nie ein ernstzunehmender Streit gewesen. Nicht so wie früher, als sie noch praktisch täglich einen Grund suchten, sich gegenseitig vermöbeln zu können. Aber jetzt, in diesem Moment, stürzte er sich mit geballter Faust auf ihn. Und auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, so geschah es doch aus tiefer Verzweiflung. Kai hatte nie gelernt, mit Verzweiflung umzugehen. Hatte ihm eine Situation nicht gepasst, hatte er einfach seine Fäuste spielen lassen.

Rei stöhnte, als Kai sich über ihn warf und ihn zu Boden drückte. Als ob er nicht schon genug Schmerzen hätte. Sein Kopf drehte sich auf alle Seiten und sein Bein würde demnächst wohl einfach abfallen. Er hoffte, dass Kai nicht einfach draufsitzen würde. Doch der war anscheinend dermaßen fixiert, dass er nur auf Reis Oberkörper achtete. Mit einer Hand pinnte er Reis rechten Arm ins Gras, die andere hatte er um seinen Hals gelegt.

Ein kleiner Stich durchfuhr seinen Brustkorb, als Reis schwarze Haare ihm aus dem Gesicht fielen und die dunkel verfärbte Wange entblößten. Er ignorierte es.

Rei wand sich unter Kai. Wenn er mit seiner freien Hand doch nur das Messer erreichen würde! Seine Finger berührten doch schon fast den Griff, er musste sie nur noch unter die Trainerjacke schieben und das Messer zu fassen bekommen.

Kai war nicht mehr wirklich er selbst. Er war gefangen in Hass, Wut, Verzweiflung. Er wusste, dass er seinen Clan rächen musste, aber etwas in ihm sträubte sich dagegen, Rei weh zu tun. Er zögerte zu lange. Plötzlich spürte er kalten Stahl an seiner Kehle. Verdutzt blinzelnd erblickte er Reis zu Schlitzen verengte Augen. Einen Moment wollte er zurück zucken und eben dieser Moment nutzte Rei aus, um all seine übrig gebliebene Kraft zusammenzukratzen und ihn von sich runterzustoßen. In der gleichen Bewegung drehte er sich auf ihn, das Messer noch immer an Kais nackter Kehle.

Die Aktion hatte ihn viel Kraft gekostet. Rei atmete heftig, Kais Hand noch immer an der Gurgel. Er spürte, wie seine linke Hand zitterte, die Wunde an seiner Schulter schmerzte höllisch. Das Messer kratzte minimal an Kais Haut und sie verfärbte sich an dieser Stelle leicht rot. Ein dröhnend pochender Schmerz ließ ihn wetten, dass seine Wunde im rechten Bein wieder aufgeplatzt war.

Kai zog seine Hände zurück. Er erkannte, wenn er in einer unterlegenen Situation war. Das hieß aber noch lange nicht, dass er es sich gefallen ließ. Mit emotionslosem Gesicht lag er unter Rei und wartete auf das winzige Zeitfenster, während dem er zurückschlagen konnte.

Es kam. Kai merkte nicht, dass Rei leicht taumelte, einzig nahm er seine Chance wahr, und er packte Rei mit rechts an der verletzten Schulter, warf ihn von sich runter und drehte sich erneut auf ihn. Rei biss sich auf die Unterlippe und verkniff sich ein Stöhnen. Seine Finger klammerten sich um den Griff des Messers. Er konnte nur noch versuchen, wenigstens sein Bein so zu drehen, dass Kai nur auf das Linke zu sitzen kam.

Doch es war ein Fehler. Kai war sich Reis außergewöhnlichen Kampfkünsten und dessen Flexibilität durchaus bewusst und Reis Bewegung ließ ihn im Glauben, er wolle ihm den Kopf weg kicken. Automatisch schoss seine linke Hand nach unten. Seine kräftigen Finger gruben sich fest in Muskeln und Fleisch.

Rei schrie. Seine Augäpfel drehten sich nach hinten und er fühlte eine eiserne Schwärze nach ihm greifen. Sein Körper krümmte sich unkontrolliert unter Kai.

Erschrocken über Reis heftige Reaktion, ließ er seine linke Schulter los und setzte sich etwas auf. Bestürzt betrachtete er Reis schmerzverzerrtes Gesicht. So hatte er ihn noch nie gesehen.

Mit einer kraftlosen Bewegung ließ Rei das Messer neben sich ins Gras fallen.

„Nimm... deine... scheiß Hand... weg!“, presste er durch die Zähne.

Kai realisierte nicht sofort, was Rei damit meinte, zu sehr verwirrte ihn der völlig unbekannte Zustand des Chinesen. Rei sah sich gezwungen, trotz seiner entsetzlichen Schmerzen Maßnahmen zu ergreifen und ballte die Hand zu einer laschen Faust. Er schlug nach Kai. Viel zu langsam für seine Verhältnisse. Kai wich mühelos aus. Doch wenigstens löste er dabei seine Hand von Reis Oberschenkel. Ächzend ließ er sich zurück ins Gras sinken.

Reis Zustand verunsicherte Kai zunehmend. Was war nur los mit dem ansonsten immerzu fitten Anführer des Clans des silbernen Tigers? Dann fühlte er es. Klebrig haftete es an seiner linken Handinnenfläche und färbte sie rot. Sein Blick glitt zu Reis Oberschenkel. Das Schwarz der Trainerhose verbarg es perfekt, doch der Stoff war getränkt mit Blut.

„Scheiße!“, entfuhr es ihm.

Ihm war plötzlich alles andere als wohl in seiner Haut. Rei war in einem furchterregenden Zustand. Sämtliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und kalter Schweiß bedeckte seinen ganzen Körper. Kai schluckte hart. Warum war ihm das nicht eher aufgefallen?

Plötzlich wurde ihm bewusst, was er in seiner Wut zuvor alles nicht bemerkt oder schlicht ignoriert hatte. Reis linke Wange war vom Wangenknochen bis zum Kiefer violett angelaufen. Er hatte unterdrückt gehumpelt, weil er am rechten Bein verletzt war, und so wie es den Anschein machte, war die Verletzung frisch. Als er ihn an der linken Schulter gepackt hatte, hatte Rei sich verspannt und sich zusammenreißen müssen, um nicht aufzustöhnen.

Mit hastigen Bewegungen zog er den Reißverschluss von Reis Trainerjacke hinunter und riss sie auf. Das ärmellose Shirt entblößte einen Schulterverband. Er hatte sich mit Blut aufgesogen.

„Verdammt“, fluchte er, ließ die Trainerjacke los, griff nach dem Messer, das neben Rei im Gras lag, steckte es sich ein und erhob sich mit Rei auf den Armen.

Hastig lief er zu seinem Wagen, riss die Tür auf, legte Rei auf den Rücksitz. Er fühlte, wie es ihm die Brust zuschnürte. Er hasste dieses Gefühl. Warum war es ausgerechnet bei Rei so stark? Es war noch viel stärker als es bei Otori gewesen war.

Er raste fluchend über die Straßen, hinein in die Stadt. Er kannte nur einen Zufluchtsort, wo er jetzt hingehen konnte. Südstadt.
 

Es dauerte eine gute Viertelstunde, bis Kai seinen Mustang in der kleinen Sackgasse parkte. Immer wieder warf er nervöse Blicke in den Rückspiegel. Rei hin und wieder leise ächzen zu hören, machte ihn wahnsinnig.
 

Mit zusammengebissenen Zähnen trug er Rei in die kleine Wohnung und legte ihn auf das Bett im kleinen Nebenzimmer. Dann eilte er ins alte Bad und holte einen Notfallkasten, den sie vorsorglich eingerichtet hatten, und einen kalten Waschlappen. Er zog Rei die Kleider aus und entledigte ihn der blutdurchtränkten Verbände. Er biss sich auf die Zähne, sodass sein Kiefer knackte, als er die Wunden sah. Sie stammten eindeutig von Schusswaffen. Von letzter Nacht.

Seine eigenen Leute hatten ihm sie zugefügt.

Kai atmete einmal tief durch. Es brachte jetzt nichts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Er musste Reis Wunden neu verbinden. Mit sicheren Handbewegungen wusch er zuerst den Schweiß auf seiner Stirn und dann das Blut weg, legte ein dickes Bündel Gasen direkt auf die Wunden und verband sie schließlich neu. Dann ging er zurück ins Bad, warf den von Wasser und Blut durchtränkten Waschlappen ins Waschbecken und schnappte sich ein Glas, das er randvoll füllte. Er brachte es zurück zu Rei und stellte es auf den klapprigen Nachttisch. Schweigend setzte er sich neben ihm aufs Bett und langte nach dem Packen mit Medikamentenschachteln. Nach kurzem Suchen und Lesen drückte er schließlich eine 600 Milligramm Ibuprofen-Filmtablette aus der Packung.

Jetzt musste er nur noch Rei wach bekommen. Es wäre um einiges einfacher gewesen, hätte er ihm eine Infusion verpassen können, aber so gut waren sie hier leider nicht eingerichtet.

Vorsichtig rüttelte er an Reis unverletzter Schulter. Ein leises Ächzen zeigte ihm wenigstens an, dass er nicht vollkommen weggetreten war.

„Verdammt, wach schon auf Rei!“, murrte er.

Es vergingen Minuten, und für Kai fühlten sie sich an wie Stunden, bis Rei endlich die Augen einen kleinen Spalt öffnete und sich etwas aufrappelte.

„Nimm die“, sagte er ohne zu zögern und hielt ihm die weiße Tablette direkt an die Lippen.

Rei wich etwas zurück, um die Tablette zu beäugen. Doch dann ließ er sich das Glas in die rechte Hand drücken. Sein linker Arm fühlte sich vor Schmerzen an wie gelähmt. Er hatte keine Chance, ihn anzuheben. Wohl oder Übel ließ er sich die Tablette von Kai in den Mund schieben. Mit einem großen Schluck spülte er sie hinunter.

Träge ausatmend blieb er sitzen.

„Danke“, brummte er.

„Hn.“

Einige Augenblicke vergingen, in denen beide ins Leere starrten. Dann wandte sich Kai erneut zu Rei. Sein Gesicht war in leichtem Ärger verzogen.

„Wieso hast du es mir nicht gesagt?“

Rei blickte ihn direkt an. Seine Augen waren etwas zusammengezogen und betrachteten ihn skeptisch hinter rabenschwarzem Haar. Diese Augen, die Kai schon immer fasziniert hatten, die stets wach und kritisch schauten. Sie erinnerten ihn an flüssigen Honig. Und an eine Szene, die mittlerweile schon über drei Jahre her war. An eine dunkle Gasse, in der eine Gestalt kauerte und mit bernsteinfarbenen Augen skeptisch zu ihm aufblickte. Dieselben Augen.

Und plötzlich wurde ihm klar, warum er Otori damals mit sich genommen hatte. Es waren diese Augen gewesen.
 

*~*~*~*~*~*~*~*
 

Es tut mir leid, Leute, aber seit ich diese Schule angefangen habe, komm ich kaum mehr zum Schreiben! ~_~

Aber ich gebe mir trotzdem weiterhin Mühe, regelmässig was hochzuladen.

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!?

Ehrlich gesagt, weiss ich nicht recht, wie die FF bei euch so ankommt... Ist nicht gerade prickelnd. nja.
 

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende. Haut rein, Leute! :*



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Erdnuckel
2012-11-11T20:35:45+00:00 11.11.2012 21:35
Wie kannst du nur Ô.Ô
Da finde ich endlich mal wieder eine FF, bei der die Kerle auch mal wieder Kerle sind und die als abgeschlossen deklariert ist und dann ist sie es gar nicht.
...
Aber.... es freut mich auch. Ich habe die FF grade in einem Rutsch gelesen und hatte bei den Letzten zwei Kapiteln solches Herzklopfen vor Spannung, dass ich wirklich froh bin, dass sie noch nicht zu Ende ist.

Ich hoffe inständigt, dass du grade nicht so viele um die Ohren hast und an der Geschichte weiterschreiben kannst :D

Liebe Grüße
Von:  Minerva_Noctua
2012-10-28T10:49:50+00:00 28.10.2012 11:49
Also ich find die FF prickelnd. Sogar so prickelnd, dass ich nach einer 24h Autofahrt von Griechenland in den Bayerischen Wald noch reingeschaut habe. Zwar schreibe ich erst jetzt einen Kommentar, aber gelesen habe ich sie um 4 Uhr morgens Freitag vor einer Woche.
Ich hatte bisher leider keine Zeit zum Kommentieren und erst jetzt, wo ich krank im Bett liege, komme ich dazu.

Es passiert eigentlich ziemlich viel. Alles zwischen Kai und Rei hat sich verändert. Jetzt müssen sie sich zwangsläufig mit ihrer Situation auseinandersetzen.
Es grenzt schon fast an Ironie, wie Kai Rei im einen Moment noch verletzt und kurz darauf sorgenvoll behandelt.
Dies drückt die ganze Komplexität dieser Situation schön aus. Kai weiß einfach nicht, was er tun soll.
Sag mal, geht das bei denen jetzt schon drei Jahre lang so?
Wäre nämlich eine ziemlich lange Zeit, würde aber erklären, warum sie auch Verbandszeug haben, sich in geringem Maße eingerichtet haben.
Ansonsten kann ich mich nur BeautyRani anschließen.
Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung und hoffe es macht dir weiterhin Spaß an dieser Geschichte zu schreiben!
Ich finde sie von den Kapiteltiteln, über die Charaktere bis hin zur Handlung einfach fantastisch!
Lass dich nicht von all den faulen Lesern, die nicht einmal ein "Weiter so" rauskriegen, entmutigen.

Bye

Minerva
Von:  Sujang
2012-09-23T14:29:46+00:00 23.09.2012 16:29
Hallöchen.
Ich muss sagen bis jetzt find ich die story an sich ganz gut. Detaliert geschrieben,einfach mal was ganz anderes.mir gefällts;) mach einfach weiter so. Liebe grüsse
Von:  BeautyRani
2012-09-16T13:31:53+00:00 16.09.2012 15:31
Hi,
lasse mich auch mal wieder hier blicken *aus meinem Versteck hervorkomm*
Sorry, dass ich das letzte Kapi net kommentiert hab, hab mir ne kleine Ruhepause gegönnt und war deswegen kaum auf animexx, aber nun bin ich ja wieder da und freue mich riesig, dass so ein schönes Willkommensgeschenk von dir auf mich wartet :D

Ich fand es wie immer großartig, zu deinem Schreibstil muss ich ja nichts mehr sagen, er ist toll und du hast die Umgebung recht bildlich beschrieben und auch Kais Handeln konnte man gut nachvollziehen, obwohl ich da mit Rei richtig mitgelitten hab. Diese Schmerzen waren ja kaum auszuhalten! >_<

Und du wirst vielleicht lachen, aber zuerst hab ich mich gewundert, wer denn nun dieser Tsubasa ist XD
Da ich ja leicht unter Vergesslichkeit leide und es schon länger her ist, dass ich deine Story gelesen hab, dachte ich, ich hätte den irgendwie überlesen oder so, bis ich den gegoogelt hab und mir aufgefallen ist, dass Otori und er ein und dieselbe Person sind XD
Sorry, bin manchmal etwas schwer von Begriff^^°
Aber da ich diese neue Beyblade Staffel noch nie gesehen hab, kannte ich den ja auch nicht.
Trotzdem muss ich gestehen, dass der Rei vom Typ her recht ähnlich sieht. Gleiche Augen und auch so lange Haare, kann Kai echt verstehen, wenn er ihn an Rei bzw. an seine Augen erinnert hat, was ich nebenbei bemerkt richtig süß finde :D

Wie auch immer, nach der ganzen Geschichte, wird sich KaRe's Beziehung wohl etwas verändern, zum positiven oder negativen, muss man mal erst abwarten.
Man mekrt aber, dass die beiden anfangen sich Gedanken über ihre Affäre zu machen und was sie für den anderen überhaupt empfinden, zumindest bei Kai hab ich das in diesme Kapi besonders herauslesen können, also weiter so!
Vielleicht checken die dann endlich mal, dass die beiden mehr verbindet als nur Sex.

Und was ich noch sagen wollte, bitte zweifle nicht an dir oder dieser Story, sie ist ein Genuss für jeden KaRe Liebhaber oder auch für diejenigen die auf Action und Schusswaffen stehen XD
Mit Minerva (die ja im Urlaub ist und dir momentan leider nicht ihr Feedback dazu geben kann) und mir hast du auf jeden Fall zwei Stammleser und Kommentatoren und ich bin mir sicher, dass noch viel mehr diese Story verschlingen, aber sie nicht kommentieren, warum auch immer.

Also bitte, bleib weiterhin am Ball, denn ich will unbedingt wissen, wie es weitergeht und dazu musst du weiterschreiben!
Das war übrigens ein Befehl und keine Bitte ^.~

Wünsch dir auch noch nen schönen Sonntag!

LG



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