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Goodbye, alte Erinnerungen

One-Shot Sammlung
von

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Am Gleis 9¾

Die große Uhr über der Ankunftstafel zeigte halb elf, als die kleine Familie mit eleganten Schritten über den Bahnsteig von Gleis neun und zehn schwebte. Leute, die ihren Weg kreuzten, reckten immer mal wieder ihre Hälse, als wäre gerade jemand Außergewöhnliches an ihnen vorbei gelaufen. Und in gewisser Weise stimmte dies auch, denn diese Familie konnte mit Recht von sich behaupten anders – besonders – zu sein.

Mit lobenswert gerader Haltung, ohne einen Blick auf die umstehenden Passanten, führte Scorpius Malfoy seinen Vater und seine Mutter über den Bahnsteig zur Absperrung, von der er wusste, dass sie ihre Tür zum Gleis neundreiviertel war. In einem unbeobachteten Moment spürte der blonde Junge die Hand seines Vaters im Rücken, was für ihn das Zeichen war, dass er die Grenze überwinden konnte. Mit Schwung schob er seinen Gepäckwagen auf den Kontrollschalter und die Absperrung zu und man sollte meinen, er würde dagegen prallen, doch stattdessen glitt er hindurch wie durch einen seidenen Schleier.

Auf der anderen Seite drang ein lautes Zischen an das Ohr des Jungen und Dampfschwaden krochen über den von der Außenwelt abgeschirmten Bahnsteig. Eine lange rote Dampflok stand wie jedes Jahr bereit, seine Insassen nach Hogwarts zu fahren und dieses Jahr zum ersten Mal auch Scorpius Malfoy.

Er war bereits schon öfter am Gleis neundreiviertel gewesen, um seinen Cousin und seine Cousine zu verabschieden oder abzuholen. Kazran und Aurora Greengrass besuchten die berühmte Zaubererschule schon seit ein paar Jahren und trotzdem, obwohl ihm das alles schon bekannt war, tobte in ihm ein Sturm. Sein Magen rebellierte, was Scorpius jedoch nur wenig Sorgen machte und gab sich alle Mühe, seine Aufregung zu überspielen.

Die Eltern des jungen Malfoys kamen hinter ihm durch den Zugang zum Gleis. Draco fing den Blick seines Sohnes auf und konnte in den kindlichen Augen, die seinen so ähnelten, die Unruhe des Jungen spüren, auch wenn er sich so gefasst gab. Wie selbstverständlich, ganz einfach legte er ihm schützend den Arm um die Schulter und führte ihn weiter über den Bahnsteig. »Komm, wir schauen, ob wir Daphne finden.«

Mit einem Nicken stimmte Scorpius den Worten seines Vaters zu und ließ seine sturmgrauen Augen aufmerksam, auch wenn betont unauffällig, über die Köpfe der Hexen und Zauberer schweifen.

Einen Augenblick länger sah er zu einem Mädchen mit flammend roten Haaren, das ihm schließlich bekannt vorkam. Sie stand bei ihrer Familie und lauschte den Worten ihres Vaters, der über die Gefahren von Rennbesen einen Monolog führte. Der junge Malfoy war sich sicher, dass sie eine Freundin seiner Cousine Aurora war. Sie waren im selben Jahrgang, aber in der Nähe schien Aurora nicht zu sein, und so ließ Scorpius den Blick weiter schweifen.

Er folgte seinem Vater stetig, ohne anzuhalten. Wenn sie ein bekanntes Gesicht sahen, nickte das Familienoberhaupt respektvoll und Astoria schenkte ein warmes Lächeln. Manchmal kamen Scorpius seine Eltern unglaublich gegensätzlich vor, aber im Moment fand er nicht die Zeit sich auch noch darüber den Kopf zu zerbrechen, denn es beschäftigte ihn so schon viel zu vieles.

Die kleine Familie war fast bis zum Ende des langen Zuges gelaufen, als sie anhielt. Daphne und ihren beiden Kindern waren sie nicht begegnet. Ein letztes Mal sah Scorpius sich suchend um, aber vermutlich war seine Tante einfach noch nicht angekommen. Er würde warten müssen und solange konnte er sich im Zug schon einmal ein Abteil suchen und die vorerst letzte Zeit mit seinen Eltern verbringen.

Der junge Malfoy hob seinen Koffer vom Wagen und verfrachtete ihn mühselig zur nächsten Waggontür. Gepäck für ein ganzes Jahr hatte ordentliches Gewicht, stellte er mit zusammengebissenen Zähnen fest und versuchte seinen Koffer die Stufen hochzuhieven.

Scorpius hatte es allein schaffen wollen, doch die schmale Tür und der breite Koffer benahmen sich einfach entgegen dem, wie er es sich vorgestellt hatte und bevor er die ganze Problematik noch einmal überdenken konnte, hatte sein Vater sie ihm auch schon abgenommen.

»Verabschiede dich schon mal von deiner Mutter«, sagte Draco zu dem Jungen und nickte hinter sich. Es war abzusehen, dass Astoria der Abschied von ihrem ›kleinen‹ Jungen schwerfallen würde und so kam ihr Sohn der Aufforderung ohne Umschweife nach.

Scorpius sprang zurück auf den Bahnsteig und trat zu seiner Mutter heran. Mit wehmütigem Blick musterte Astoria ihr ›Ein und Alles‹ und strich ihm das blonde Haar zu Recht. »Wenn du etwas vergessen haben solltest, schreib sofort. Wir schicken es dir nach, ja?«

Der junge Malfoy lächelte über diese Bemerkung, denn er war sich sicher, dass nichts liegen geblieben sein konnte. Denn seit dem Vortag war alles mehrfach überprüft worden. Bis zu ihrer Abreise vom Familiensitz hatte seine Mutter die Hauselfen mit dem Gepäck auf trapp gehalten. Darauf würde Scorpius sie jedoch nie hinweisen und so antwortete er manierlich: »Natürlich, Mutter.«

Daraufhin fand sich der Elfjährige in ihren Armen wieder, die ihn fest an sie drückten. Astoria fiel es wirklich schwer ihren Sohn gehen zu lassen, aber sie musste selbstverständlich. Es warteten sieben wundervolle Schuljahre in Hogwarts und in den Ferien würde er ja Heim kommen. Weihnachten sah sie ihn schon wieder. Das musste sie sich nur immer wieder in Erinnerung rufen.

Langsam lockerte Astoria die Umarmung, dass ihr Junge sich befreien konnte, und sah ihn seine sturmgrauen Augen, die denen seines Vaters so ähnlich waren. »Melde dich bitte regelmäßig.«

»Mindestens einmal die Woche«, versprach Scorpius sogleich, immer noch mit einem korrekten Lächeln auf den Lippen.

Die Hand seines Vaters auf seiner Schulter verriet dem blonden Jungen, das er alles im Zug für ihn verstaut hatte. Als er zu dem Mann aufschaute, war dieser jedoch abgelenkt. Neugierig folgte der Elfjährige dem Blick von Draco und erkannte ohne Probleme die Gestalt des Nationalhelden, Harry Potter. In Begleitung seiner eigenen Familie.

Scorpius beobachtete zwei Jungen, die bei dem großen Harry Potter standen und zu diskutieren schienen. Der Kleinere der Beiden schien dabei zu unterliegen und zudem sehr angespannt. Wenn der junge Malfoy raten müsste, würde er meinen, dass es auch sein erstes Jahr in Hogwarts sein würde und diese Vorstellung hatte etwas unerwartet Beruhigendes.

Seine Mutter bestätigte seine Vermutung, als sie sprach: »Ihr zweiter Sohn geht dieses Jahr auch zum ersten Mal nach Hogwarts.«

Dann sind die wohl Brüder, vermutete Scorpius und sah den Jungs weiter bei ihrer Diskussion zu. Der Ältere schien keine Ruhe geben zu wollen, doch achtete sein jüngerer Bruder bald kaum noch darauf und sprach stattdessen mit einem Mädchen, das sich dazu gestellt hatte. Ihr Haar war gewellt und rostrot und Scorpius vermutete, dass sie im gleichen Alter war.

Bevor sich der junge Malfoy Gedanken über die Beziehung der Beiden machen konnte, spürte er die Hand seines Vaters wieder deutlich auf seiner Schulter. Die Aufmerksamkeit des Sprösslings galt vollends seinem Vorbild und er fragte sich, was dieser wohl gedacht haben könnte, als er die Familie Potter gesehen hatte.

»Versprich mir, dass du dein Bestes geben wirst.« Sein Vater sah ihn mit festem Blick an. Jemand Fremdes würde ihn vielleicht als mürrisch blickend beschreiben, aber Scorpius wusste das leichte Zucken der Mundwinkel besser zu deuten.

»Sicher, Vater.«

Bevor Draco dazu kam, noch ein paar Worte an seinen Sohn zu richten, zog seine Frau, die Aufmerksamkeit auf sich, als sie sich einige Schritte entfernte, um ihre ältere Schwester zu begrüßen. Zu ihren Seiten standen ihre beiden Kinder, Kazran und Aurora, schon in ihren Schuluniformen gekleidet.

Scorpius Blick blieb für einen Moment an dem silbernen Abzeichen, das an der Brust seines älteren Cousins glänzte, haften. Kazran war dieses Jahr zum Vertrauenschüler ernannt worden, das hatte seine Mutter beim Abendessen einmal erwähnt gehabt. Es erfüllte den jungen Malfoy mit kindlichem Stolz, dass sein Cousin ein solches Amt in Hogwarts bekleidete.

Zu seinem Bedauern fing Aurora seinen bewundernden Blick auf und er versuchte so unauffällig wie möglich wegzuschauen, ohne, dass sie etwas von seinen erhitzten Wangen bemerkte. Vermutlich tat sie es trotzdem, sagte aber nichts und lächelte ihn nur liebevoll an, wie sie es immer tat. Er mochte das Lächeln seiner Cousine.

Ein greller Pfiff gellte über den Bahnsteig. Es war Zeit, höchste Zeit, in den Zug zu steigen. Ein letztes Mal drückte Astoria ihren Sohn fest an sich und Scorpius glaubte, ein leichtes Schluchzen zu vernehmen. Er traute sich aber nicht länger stehen zu bleiben, um zu überprüfen, ob seine Mutter wirklich weinte. Seine Tante strich ihm durch das blonde Haar, wünschte ihm viel Spaß und sein Vater klopfte ihm kräftig auf den Rücken. Es war fast wie ein leichtes Schupsen, dass er auch ja nicht zögerte, nun zu gehen.

Aurora und Kazran waren schon vorgegangen in das Abteil, welches sie sich nun zu dritt teilen würden, während Scorpius noch einmal auf den Stufen der Waggontür verharrte und sich umwandte. Sein Blick galt seinem Vater, der diesen aufmerksam erwiderte.

»Du wirst stolz auf mich sein können, Vater.« Der junge Malfoy reckte stolz das Kinn und in den sturmgrauen Augen blitze der Ehrgeiz auf, der an seinen Worten keinen Zweifel zuließ.

Draco betrachtete seinen Sohn in Ruhe, als hätten sie noch alle Zeit der Welt für ihren Abschied und kam nicht umhin über die Worte des Jungen zu lächeln. Ein ehrliches Lächeln.

»Das bin ich jetzt schon.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2012-11-15T19:40:48+00:00 15.11.2012 20:40
Hallo Rosie~.

Hier nun endlich mein versprochener Kommentar - wenn auch etwas verspätet. *hust* Trotzdem würde ich jetzt mal behaupten, besser spät als nie.

Es ist ein schöner Anschluss zu dem vorigen OS mit Rose - die zum Geburtstag ihren Zauberstab geschenkt bekommen hat -, nun mit Scorpius am ersten September fortzufahren. Natürlich hab ich sofort an die Szene im Epilog gedacht, als Draco die Hand auf Scorpius' Schulter legte und Harry Potter zugenickt hat.

Es war toll, was Scorpius alles erfasst hat; dass sowohl Rose, als auch Albus ungefähr seinem Alter entsprachen und auch die Beziehung zwischen Albus und James ... da ich ihn mir ebenfalls bereits in dem Alter schon so aufmerksam vorstelle, finde ich diese Auffassungsgabe für einen Elfjährigen wirklich gerecht. Auch, dass du deine OCs Aurora und Logan hast auftreten lassen, gefällt mir gut. :)

Und es ist genauso, wie ich es mir auch vorstelle; während Ron seiner Tochter erzählt, sie soll Scorpius bloß in jeder Prüfung schlagen, wünscht sich Draco nur, dass sich sein Sohn ordentlich anstrengt... Mr Malfoy ist erwachsen geworden allein schon sein Das bin ich jetzt schon. zum Schluss war so ... haach~. ♥

Mir ist oft aufgefallen, dass du gern die Umschreibung der junge Malfoy benutzt. Das ist natürlich nicht zu kritisieren und es klingt auch sehr "würdevoll" - du solltest nur darauf achten, es nicht zu oft zu benutzen. Außerdem glaube ich, dass hier ein Sinnfehler versteckt ist (korrigiere mich, wenn ich mich irre): Daraufhin fand sich der Elfjährige in ihren Armen wieder, die ihn fest an sich drückte. Wenn von Astorias Armen gesprochen wird, müsste noch ein "n" an "drückte", oder? Und das Wort "Schupsen" ... nicht eher "Schubsen"? Ich bin mir nicht sicher...

Ich hoffe, du freust dich.
Ganz, ganz viel Liebe, deine abgemeldet. ♥


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