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Lyle

~ Das Buch der Ewigkeit ~
von

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Kapitel 2

Das war doch zu erwarten, Marik. Warum solltest du gerade jetzt Glück haben?

Sie hatten natürlich niemanden mehr gefunden, der sie vor Einbruch der Nacht übersetzte. Marik hatte fast alle Fährenbetreiber angefragt, doch entweder hatte er zu wenig bei sich um sie bestechen zu können, oder die Preise waren von vornherein viel zu hoch. Ihm war also nichts anderes übrig geblieben, als sich mit dem Prinzen eine Unterkunft zu suchen.

Es war eine erbärmliche Absteige. Die Betten bestanden nur aus einem grobgezimmerten Holzgestell, ein Strohsack diente als Matratze. Das Kissen und die Decke waren so dünn und verdreckt, dass Marik sich gar nicht näher ausmalen wollte, wer, oder eher was, alles schon sein Haupt in den Stoffen zur Ruhe gebettet hatte. Die Fenster schlossen nicht richtig und es fehlte sogar eine Scheibe. Aber in diesem Lokal war das einzige noch frei Bett gewesen.

Der Wirt hatte ihnen, auf Nachfrage, erklärt, dass in den nächsten Tagen der 25. Jahrestag ihres Königs gefeiert würde und aus diesem Grund viele Bewunderer in den Städten einreisten. Darum waren auch alle Gasthäuser, momentan, restlos überfüllt.

25 Jahre in denen das Land unter König Maximus in Frieden lebte und wieder aufzublühen begann.

Allerdings, hatte der Wirt noch hinzugefügt, als Mariks Edelsteine in dem grobgewebten Leinenbeutel verschwanden, dass im Süden des Landes Unruhen herrschten. Hingegen war man sich, wenn man den Gerüchten glauben schenken konnte, nicht ganz sicher, welches Land dahinter steckte, ob Fragmenia, das Inselland oder doch Meridia das Seenland.

Der Wirt hatte ihnen erst den Schlüssel gegeben, als Marik ungeduldig mit dem Finger auf die Platte des Tresens geklopft und ihm finstere Blicke zugeworfen hatte.
 

Kaum waren sie durch die grobgezimmerte Tür getreten, war ihnen ein Schwall übelriechender Luft entgegen geweht, der Marik schon einen Teil seiner Selbstbeherrschung gekostet hatte, sich nicht jede Sekunde auf die Dielen zu erbrechen.

Auch merkte der Magier, dass Lyle dieses Zimmer gar nicht gefiel. Der Prinz war anderes gewohnt, so wusste es der Zauberkundige, und wenn er ehrlich war, ging es ihm nicht anders.

„Das Zimmer ist …“, begann der Prinz und suchte sichtlich nach Worten, während sein Blick durch die Kammer glitt. An einer dicken Spinne in einer der Zimmerecken blieb dieser hängen.

„… rustikal und gut bürgerlich?“, half der Magier ihm auf die Sprünge, doch selbst in seiner Stimme schwang der Sarkasmus deutlich mit.

Und für diese Bruchbude hatte ihnen der Wirt doch tatsächlich fast alles abgenommen was sie hatten?

Nur für einen kurzen Moment wünschte sich Marik ein Schwarzmagier zu sein um diesem Mann, gerechtfertigt und mit inniger Freude, einen Fluch auf den Hals zu hetzen, den er nie wieder vergessen würde. Aber er war kein Schwarzmagier und er würde nicht auch noch damit beginnen in seiner ohnehin schon aussichtslosen Situation, schwarze Magie zu praktizieren.

Nicht, dass er ihrer nicht mächtig war. Jedem Meister wurde sowohl die weise, die elementare als auch die schwarze Magie gelehrt.

Mit einem tiefen Seufzer ließ sich der junge Prinz auf das Bett nieder und starrte an die Decke.

„Hier stinkt es. Nach ungewaschenen Körpern und anderen widerlichen Sachen.“, sagte er und verzog das junge Gesicht zu einer angeekelten Grimasse. Auch der Magier hatte den Geruch bemerkt, doch verbot er sich, die unterschiedlichen Düfte genauer zu definieren. Er hatte wichtigeres zu tun, immerhin mussten sie wieder an etwas Geld kommen.

Er trat an die Fenster und zog die Motten zerfressenen Vorhänge zu. Niemand sollte sehen oder hören, was er nun vorhatte. Zur Sicherhit, nahm er auch noch den kürzlich erworbenen Mantel ab und hängte ihn zusätzlich an die morschen Gardinenstangen. Mit der löchrigen Bettwäsche verstopfte er die Spalten an der Tür.

Als sich der Magier sicher war, dass jede Ritze verschlossen war, setzte er sich im Schneidersitzt auf die knarzenden Dielen. Er straffte den Rücken, schloss die Augen und legte die Arme entspannt auf seine Knie. In voller Konzentration besann er sich auf seine ihm innewohnenden Fähigkeiten und lockte sie durch pure Willenskraft an die Oberfläche.

„Feuer meiner! Flamme deiner! Funke ihrer! Stein unser! Komm zu mir! Schreite auf den Brücken der Funken, reite auf den Flammenzungen und bette dich warm in mein Feuer!“, rezitierte Marik.

Das Kerzenlicht in dem Zimmer schien dunkler zu werden, als der Magier in einem leicht rötlichen Licht erstrahlte. Seine Fingerspitzen fingen Feuer und loderten wie winzige Fackeln. In beiden Händen erschienen nur wenige Sekunden später zwei Beutel.

Der eine war aus kunstvollem rotem Leder, der andere war aus grobgewebtem Leinen, doch in beiden klingelten verlockend Goldstücke. Langsam verlosch das Licht wieder. Marik öffnete ruhig die Augen. Ein leichtes Glimmen, wie heiße Glut in Asche, war noch in ihnen auszumachen, bis auch dieses verlosch.

„Bei allen Wüstenwinden.“

Lyle sprang vom Bett und kniete sich vor den Magier.

„Das war der totale Wahnsinn. Ich weiß zwar nicht, was du gerade getan hast, aber es war Wahnsinn.“ Euphorisch war die Stimme des Prinzen und mit den leuchtenden Augen eines kleinen Kindes, blickte er Marik an. Dieser aber gab nur ein halbherziges Schmunzeln von sich und stand dann auf. Ein tiefes Gähnen unterdrückte er dabei.

„Was hast du gerade gemacht? Was ist in den Beuteln drinnen?“, fragte Lyle. Er war aufgestanden und wieder an seiner Seite.

„Sind darin vielleicht Runensteine? Ich habe gelesen, dass sie sehr mächtig sind. Mit ihnen kann man sogar solch dicke Aasgeier, wie den Wirt verhexen. Oder sind es vielleicht Drachenzungen mit denen man selbst Feuer speien kann? Oder Greifenfedern mit denen man fliegen kann. Dann könnten wir in Windeseile in Forgens sein.“

Der junge Prinz war immer sehr begeistert und fasziniert, wenn Marik einmal doch vor seinen Augen Magie wirkte und erwartete in solchen Fällen immer die obskursten Wunder. Doch gab es selbst für Magier Dinge, die sie nicht konnten.

Wortlos leerte der Feuermagier die Beutel auf dem Bett aus. Zum Vorschein kam ein beachtliches Häufchen an Gold- und Silbermünzen, und zwischen diesen funkelten rot wie Blutstropfen, die Rubine und Almandine, mit denen Marik heute noch die Kleider und das Zimmer für sie bezahlt hatte.

Der Prinz wirkte fast schon enttäuscht, dass nur so etwas Banales wie Gold, der Inhalt der ominösen Beutel war und musterte den Magier skeptisch.

„Du hast mit deiner Magie gestohlen?“, fragte er. Der Magier musste zugeben, dass Lyle doch ein schlauer Kopf war. Immerhin hatte der Prinz die Beutel wiedererkannt, was man in seinen Augen sehen konnte.

„Wiederbeschafft was mir gehörte.“, berichtigte Marik. „Allerding kann ich es nicht beeinflussen, dass meine Edelsteine uns alles mitbringen was sie im Moment, ihres Herbeirufens, berühren.“ Verschmitzt grinste er den Prinzen an, welcher es erwiderte und eine Hand nach einem der großen Rubine ausstreckte.

„Ach so. Na dann habe ich nichts gesagt, Marik.“, sagte er in gespielten hochnäsig, fürstlichen Ton, der überhaupt nicht zu seinem Wesen passte. Lyle war eher ein schüchterner Junge, zumindest Fremden gegenüber. So hatte Marik ihn das erste Mal kennen gelernt. Im späteren Verlauf ihrer Bekanntschaft, hatte er aber bemerkt, dass der Junge recht naiv war, allerdings auch abenteuerlustig, neugierig und sehr frech. Alles zusammen war eine gefährliche Mischung für einen Prinzen, dem an jeder Ecke Gefahr durch Attentäter drohen konnte.

Marik verbeugte sich gespielt, da er das sonst auch nie tat. Magier verbeugten sich nicht. Sie krümmten nicht den Rücken vor den Königen, sie neigten nur den Kopf.

„Zu gütig.“, gab der Magier säuselnd von sich.

Doch dann wurde er wieder ernst und strich das Gold und die Edelsteine in seinen eigenen Geldbeutel. Ihm war nicht sonderlich wohl dabei. Er verabscheute Verbrecher und hielt sich immer strickt an die Regeln. Er kannte es nicht anders. Sein Vater hatte ihn in seiner Jugend immer streng zurechtgewiesen wenn er sich als Junge erlaubt hatte, die Regeln auch nur einmal etwas zu biegen oder zu dehnen. Doch war er bisher noch nie in solch einer prekären Lage gewesen.

Der Magier schwor sich aber eines. Wenn diese Reise vorbei war, würde er sich dem König stellen. Er würde ihm alle vergangenen und künftigen Verbrechen beichten und seine gerechte Strafe empfangen, wie auch immer diese ausfiel.

„Es wird Zeit. Wir sollten schlafen, denn morgen müssen wir früh zu den Anlegestellen.“, sagte Marik. Dabei breitete er seinen Mantel auf dem verwanzten Bett aus. Lyle gab einen resignierenden Ton von sich, gehorchte und legte sich auf dem provisorischen Laken nieder. In stiller Übereinkunft beschlossen die beiden, dass sie die Nacht ohne eine Decke verbringen würden. Weder Lyle noch Marik waren besonders erpicht auf Flöhe, Läuse oder andere Parasiten, welche die Gunst der Stunde nutzen könnten und sich in Haaren und Kleidern der Reisenden häuslich einrichten könnten.

Der Magier löschte das Licht. Dunkelheit umfing sie und jenseits der Fenster waren die Geräusche der Nacht zu vernehmen. Ruhig schloss Marik die Augen um sich in die Trance zu versetzen, in die Magier anstatt des Schlafes sanken. In dieser luden sie die verbrauchten Energien wieder auf, zogen sie aus der Energie der Erde und waren gleichzeitig imstande sich vor etwaigen Gefahren schützen zu können.

Da erklang ein sachtes Flüstern im Dunkeln.

„Du sagtest, dass es ungefährlich ist.“

„Das sagte ich. Vertrau mir, kleiner Bruder.“

Augenblicklich war Marik hellwach und starrte in die Dunkelheit.

„Ich vertraue dir immer, aber dennoch ist mir nicht ganz wohl dabei. Weder du noch ich, sind in den Künsten der Magie bewandert. Was wenn etwas schief geht. Ich will nicht als Asche in alle Winde zerstreut werden, Cas.“

Was waren das für Stimmen?

„Zügel deine Angst, Kleiner Bruder. Er wird sie riechen können, wenn er erst einmal erwacht ist.“

Was wollten sie ihm sagen? Langsam drehte der Magier den Kopf und blickte Lyle an, dieser hatte die Augen geschlossen und atmete gleichmäßig. Scheinbar hörte er das Wispern nicht.

Angestrengt lauschte der Magier in die Stille, doch die Stimmen schwiegen. Seltsam…

„Ich warte auf dich.“

Schlagartig saß der Magier im Bett. Die Stimme war dunkler gewesen, eine andere. Aber der Magier hatte sie schon gehört. Sie war ihm nicht fremd gewesen.

„Marik. Der Tag naht. Die Geschichte wiederholt sich.“

Marik zitterte wie Espenlaub als seine Augen, in der tiefen Dunkelheit, ein grünes Glimmen ausmachten. Ein Glühen, das er kannte.

„Ich erwarte dich. Niemand kann seinem Schicksal entrinnen.“

Geisterhaft leuchtete ein weißes Gesicht in der Finsternis, schien von schwarzen Flammen umrahmt. Grüne Augen waren auf den Magier gerichtet. Der Hass der ganzen Welt blickte Marik entgegen und die Panik in seiner Brust drückte ihm die Luft ab.

„Ich warte Feuermagier.“

Worte wie ein Versprechen, ein unheilvolles Versprechen. Dann begann das Gesicht sich langsam wieder aufzulösen. Das Glühen verschwand. Alles was blieb war Finsternis.

Und in Marik löste sich der Druck und der Magier erbrach sich neben die Schlafstätte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lunaria-the-Hedgehog
2012-11-12T17:36:08+00:00 12.11.2012 18:36
Boah ist das spannend
Da will man sofort weiterlesen
Der arme Marik tut mir gerade etwas leid#

Super kapi macht weiter so


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