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If i die young

Mit dir zusammen ans Ende der Welt
von

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I'll be wearing white

„And I'll be wearing white when I come into your kingdom

I'm as green as the ring on my little cold finger

I've never fell in love with no one

But it sure felt nice when I held you in the sun „
 

Nachdem er das gefragt hatte, habe ich ihn von meinem Bett gestoßen und mir die Decke über den Kopf gezogen. Nun liege ich noch immer hier. Dion war wieder aufgestanden und hatte sich vor mein Bett gehockt. Seit dem hat er sich auch keinen Millimeter davon bewegt. Wie lange wir nun schon hier liegen, beziehungsweise sitzen? Das ist eine gute Frage. Eine Stunde? Vielleicht zwei? Dion hat bisher nichts anderes mehr gesagt. Er lächelt nur und sieht mich abwartend an. Erwartet er jetzt allen ernstes eine Antwort? Kann ich mir kaum vorstellen. Wenn doch, dann schätzt er mich ziemlich falsch ein. Wird ihm das da unten nicht auch irgendwann mal zu langweilig? Er soll doch nur weg, mehr nicht! Ich seufze leise in mein Kissen hinein. Unter der Decke wird es stickig, aber ich möchte sie noch nicht zurückschlagen. Nicht, solange Dion noch immer da sitzt.

Ich drehe mich auf die andere Seite und liege nun mit dem Gesicht zu ihm. Leise und klang heimlich schmule ich unter der Decke hervor, ziehe sie dann aber sofort wieder über meinen Kopf, als Dion mich anlächelt. Unsere Blicke haben sich getroffen und genau das wollte ich doch vermeiden! Gott hasst mich und das Schicksal gleich mit dazu!

„Sag mal, willst du eigentlich gar nicht mehr aus deinem Versteck kommen, mi corazón?“, fragt er mich, doch ich murre nur auf. „Verschwinde!“, meine ich und knurre leicht, als Drohung.

„Aber wie denn? Ich wohne auch hier im Zimmer. Du kannst mir nicht verbieten, hier zu hocken.“, meint Dion nur und lacht leicht.

„Ich kann dir aber verbieten, dich mir auf mehr als drei Meter Entfernung zu nähern!“, murre ich. Dion seufzt leise auf.

„Du bist prüde, mi corazón.“, stellt er fest. Ich knurre leise.

„Bin ich nicht! Und hör verdammt nochmal aus Spanisch zu reden! Ich verstehe keine Wort!“, meine ich und werfe die Decke nun sauer zurück. Ich sehe auf Dion herunter, nachdem ich mich aufgesetzt habe, aber dieser grinst mich nur an.

„Lass das blöde Grinsen! Und tu nicht so auf nett! Du kannst mich doch genauso wenig leiden, wie alle anderen!“, meine ich und beiße mir auf die Lippe. Ich verziehe mein Gesicht und sehe Dion genervt an.

„Ich hab dir schon gesagt, dass ich dich gerne habe. Also schließe von dir nicht auf andere. Nur, weil du dich nicht leiden kannst, heißt es nicht, dass alle Welt dich auch hasst.“

Ich muss schlucken. Irgendwie klang das gerade ziemlich barsch in meinen Ohren. Ich zucke leicht mit den Schultern und weiche seinem Blick aus. Er weiß doch gar nichts! Er hat nicht das Recht, sich ein Urteil über mich zu erlauben! Der kann mich mal!

„Was ist passiert, dass du so schlecht über dich selber denkst, Timo?“, fragt er nach. Ich schüttelte den Kopf.

„Das geht dich einen Scheiß an!“, meine ich und nestle nervös an der Decke herum. Ich will nicht darüber reden. Er ist ein Fremder. Es geht ihn doch überhaupt nichts an, wie mein Leben verläuft. Das ist meine Sache! Mein Leben! Da sollen die anderen sich raushalten!

„Willst du denn gar nicht darüber reden? Es ist besser, wenn man über seine Probleme redet, als wenn man alles in sich hineinfrisst.“, meint Dion.

„Nein! Und jetzt hör auf! Geh weg! Verschwinde einfach! Ich will nicht mit dir reden, ich will nicht mit dir gehen und ich will dich nicht sehen! Hau ab!“, werfe ich ihm an den Kopf und meine Hände krallen sich in den Stoff der Decke. Dion sieht mich leicht verletzt und zum Teil auch mitfühlend an, steht auf und geht zu seinem Bett. Danach ist es wieder still. Habe ich ihn jetzt wirklich verletzt? Irgendwie bahnt sich nun doch ein schlechtes Gewissen in mir auf. Ich kratze mich am Kopf, traue mich allerdings nicht, meinen Blick zu heben. Dion kramt etwas aus einer Tasche hervor und fängt an, auf etwas drauf zu tippen. Da ich es nicht wage, ihn anzusehen, kann ich nur erahnen, dass es wohl ein Handy sein wird. Ich habe bisher noch nie ein Handy bekommen. Ich schiele leicht zu ihm herüber, aber er hat sich inzwischen hingelegt, mir den Rücken zugewendet und konzentriert sich tatsächlich auf den kleinen Bildschirm. Und jetzt? Jetzt beginnt es, mir wieder langweilig zu werden. Einfach schrecklich. Ich lasse mich nach hinten fallen und bewege meine Beine ein wenig. Etwas Auslauf würde mir sicher nicht schaden. Aber mein Kreislauf ist im Eimer und auch sonst geht es mir nicht gerade hervorragend. Ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee wäre.

Als die Tür ohne Vorwarnung plötzlich auffliegt, schrecke ich auf. Eine Schwester kommt herein gewetzt und kommt auf mich zu. Oh nein, was ist denn nun schon wieder? Ist etwas passiert?

„Du wirst operiert.“

Ich sehe sie mit großen Augen an. Bitte was?! Und das haben Sie mal eben so entschieden, ja? Meine Meinung ist natürlich völlig unwichtig! Ich bin ja auch nur ein dummes Kind. Geht hier ja auch nicht um mich.

„Wer sagt das?!“, frage ich zischelnd nach.

„Deine Mutter hat die Erlaubnis dazu gegeben.“, erklärt die Schwester knapp. Ach so. Klar, wer auch sonst? Mein Vater bestimmt nicht.

„Und wenn ich es nicht möchte?“, frage ich weiter nach. Sie zuckt nur mit den Schultern.

„Warum wollen sie mich jetzt plötzlich operieren?“, frage ich nach und verstehe noch immer nicht ganz, was hier eigentlich vorgeht.

„Wenn wir Glück haben, dann lässt sich der Tumor noch entfernen und eine Chemotherapie ist nicht erforderlich. Für eine Chemotherapie würdest du in ein anderes Krankenhaus kommen, was Experten in Sachen Krebs hat und eine bessere Ausstattung. Deine Mutter war aber für die Operation und hat alles mit dem Arzt geklärt. Also bereite dich darauf vor. In einer Stunde holen wir dich ab.“

Sie hat währenddessen meinen Puls gemessen, mir ein Fieberthermometer in den Mund gesteckt, wobei ich ihr dankbar bin, dass sie es nicht woanders haben wollte und meine Reflexe getestet. Scheint ja alles wunderbar zu funktionieren, wenn sie jetzt einfach mal eben festlegen, dass ich auf den Operationstisch gehöre. Und ich verstehe meine Mutter noch immer nicht. Wie kann sie es einfach bestimmen?! Ohne meine Erlaubnis?! Nur, weil ich gerade erst sechzehn geworden bin, oder wieso? Ich verstehe es nicht. Ich verstehe das gesamte Handeln der Erwachsenen hier nicht. Aber vielleicht will ich es ja auch einfach nicht verstehen? Wer weiß das schon?

Die Schwester packt ihre Sachen zusammen, wirft einen kurzen Blick auf Dion, der so tut, als würde er schlafen. Scheinbar hat er auch nicht gerade besondere Lust darauf, von der Schwester noch einmal durchgecheckt zu werden. Sie verschwindet und ich sehe ihr mit offenem Mund nach. Das hat mich nun aber wirklich ziemlich überfahren. Ich versuche meine Gedanken etwas zu ordnen, damit ich weiß, was ich machen kann, oder was als nächstes vermutlich passiert. Aber es klappt nicht. Alles dreht sich in meinem Kopf und ich glaube, mir wird schlecht. Eine Operation? Darauf bin ich nicht vorbereitet! Ich hasse Operationen! Was ist, wenn ich nach der Vollnarkose nicht mehr aufwache? Oder, wenn ich gar keine Vollnarkose kriege?! Das wäre doch grausam! Nein, das dürfte nicht passieren! Weder das eine, noch das andere. Mit normalen Narkosen komme ich einfach nicht klar. Ich habe Schiss davor, dass ich irgendetwas mitbekomme und sie aufhören zu wirken, bevor alles zu Ende ist. Man hört oft genug in den Nachrichten, was da alles so passiert ist.

Ich höre ein Rascheln neben mir, aber reagiere nicht. Auch auf die Schritte, die näher kommen kann ich momentan nicht eingehen. Ich muss meinen Gedanken erst einmal mehr Beachtung zukommen lassen. Was soll das?! Wieso eine Operation? Was ist los mit mir und meinem Körper? Wie groß ist der Tumor überhaupt, wenn er operativ ist? Ist er dann klein, oder groß? Kann man ihn sehen, wenn man ein Röntgenfoto machen würde? Aber wenn ja, dann würde ich das Bild sowieso nie zu Gesicht bekommen.

Ich spüre zwei starke Arme, die sich um meinen Körper legen und mich dicht an eine Wärmequelle heranziehen. Ich bin wie gelähmt und nicht fähig dazu, irgendetwas aufzufassen. Ich lasse mich einfach gegen den Körper fallen und ziehe meine Beine an. Was soll ich denn jetzt machen? Ich habe Angst! Fürchterliche angst.

„Hey..ist doch alles gut. Du schaffst das schon. Du wirst schon sehen. Du schläfst ein und wenn du wieder aufwachst, wirst du mein nerviges Gesicht vor deinen Augen haben. Ich bin doch bei dir.“, höre ich Dions Stimme, die nur dumpf in meinen Ohren wiederschallt. Ich verstehe den Sinn hinter seinen Worten nicht, viel zu sehr ist gerade alles in mir gelähmt, auch meine Gedanken. Alles scheint langsamer zu verlaufen, als normaler weise.

„Sieh mich an Timo. Vertrau mir. Ich bin bei dir, wenn das alles vorbei ist. Und danach auch. Und dabei. Ich lasse dich nicht alleine. Nicht so, wie die anderen. Und ich werde dich nicht aufgeben, so wie du dich aufgegeben hast, weil ich dich mag.“ Die Worte klingen warm und nett und lassen etwas in mir aufgehen. Es beruhigt mich ein wenig und ich schließe langsam meine Augen. Ich lasse mich einfach gehen, unbeachtet dessen, mit wem ich hier gerade meine Zeit verbringe und wer mir diese netten Worte zuflüstert. Ich genieße einfach nur und versuche mich zu entspannen.

Eine große Hand streicht mir durch die Haare, sie ist warm. So wie der Rest des Körpers. So angenehm, dass ich am liebsten nie wieder wo anders sitzen möchte. Ich möchte am liebsten für immer hier bleiben.

„Ist alles wieder ok?“, fragt Dion mich, aber ich schüttele den Kopf. Wenn ich ja sage, dann lässt er mich wieder los und geht weg, das will ich nicht. Ich will nicht, dass er mich hier sitzen lässt und das es wieder kalt wird. Ich will weiter so bleiben. Er soll mich weiter im Arm halten und aufmunternde Worte zu mir sagen. Weil ich noch nie von jemandem so gehalten wurde. Weil sich noch nie jemand so um mich gesorgt hat. Ich will diesen Moment nur noch ein bisschen länger genießen.

Ich merke gar nicht, wie ich anfange zu weinen. Erst, als ich durch mein eigenes Aufschluchzen erschrecke, wische ich mir ganz automatisch mit der Hand über die Wange. Ich reibe mir über die Augen und schniefe leicht.

„Timo, warum weinst du? Was ist los?“, fragt Dion mich perplex, aber ich schüttele nur den Kopf und vergrabe meine Gesicht in seinem Hemd.

„An was hast du gedacht? Was ist passiert? Etwas sehr schlimmes?“, fragt er nach und wischt mir ebenfalls die Tränen von den Wangen.

„Es ist..alles.“, meine ich und kralle mich an ihn, als wäre ich ein Ertrinkender, der nach etwas sucht, woran er sich festhalten könnte. Aber so fühle ich mich zur Zeit auch. Einfach nur erbärmlich und als würde ich es nicht mehr aushalten, mich über Wasser zu halten. Als bräuchte ich wirklich jemanden, der auf mich aufpasst und mir aus dem Schlamassel hilft. Aber so will ich mich nicht fühlen. Ich bin auch alleine stark. Ich bin ein Einzelgänger und das war ich schon immer. Das liegt doch in der menschlichen Natur. Warum sollte ich es jetzt ändern wollen?

„Erzähl mir etwas.“, flüstert mir Dion ins Ohr und ein leichter Schauer überkommt mich. Ich bekomme eine Gänsehaut und versuche mich wieder zu beruhigen. Er soll mir wieder aufmunternde Worte sagen und nicht nach dem Grund fragen. Das macht alles nur schlimmer.

„Erzähl es mir.“, bittet er noch einmal.

„Ich weiß nicht. Es ist..alles.“, beginne ich langsam. Ich weiß wirklich nicht, wo ich anfangen soll. Vermutlich am besten gleich bei dem Teil, wo man überlegt hat, mich einfach abtreiben zu lassen. Ich war doch schon immer unerwünscht.

„Ich bin ein Einzelkind und eigentlich sollte man meinen, dass ich immer alles bekommen habe. Aber ich habe nie etwas bekommen. Ich sollte erst abgetrieben werden, aber mein Vater war dagegen. Also hat meine Mutter mich doch behalten. Mein Vater ist dann abgehauen, als ich drei war. Na ja, keine große Sache. Es ist zwar schwer, ohne Vater aufzuwachsen, aber da ich ihn nie wirklich kannte, war es mir auch egal. Aber meine Mutter liebte mich nicht. Sie gab mir die Schuld, hielt sie mir immer vor und hat mich verachtet. Sie hat mir für alles die Schuld gegeben, mir gesagt, ich wäre dumm und zu nichts zu gebrauchen. Also habe ich irgendwann angefangen mich zu hassen. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich es bin, der an allem Schuld hat. Ich sehe keinen Sinn darin, warum ich lebe. Und dann kam die Diagnose, dass ich Krebs habe. Meine Mutter tat so, als würde sie sich nun noch besser um mich kümmern, aber stattdessen entfernte sie sich immer weiter. Du hast unseren Umgang ja schon mitbekommen. Und nun verheimlicht sie alles vor mir, als würde es gar nicht um mich gehen. Sie will, dass ich sterbe. Das spüre ich jeden Tag. Egal wie sehr ich mich immer angestrengt habe, ich war nie gut genug für sie.“ Ich verstumme und muss schlucken. Das ist nun eine grobe Zusammenfassung, aber zu mehr bin ich gerade nicht in der Lage. Meine Gedanken schweifen wieder zu der Operation und sofort dreht mein Magen sich wieder um.

„Ich will nicht operiert werden.“, murmel ich dann leise.

Dion hat die ganze Zeit über nichts gesagt. Er hat mir zugehört, mir langsam und vorsichtig über den Rücken gestrichen und meine Haare verwuschelt. Er hat mich an sich gedrückt und nicht mehr losgelassen. Und egal wie sehr ich mir vorher gewünscht habe, dass er weg gehen sollte, genau so sehr will ich ihn jetzt bei mir haben.

„Das klingt schlimm.“ Das erste, was er sagt. „Ich mag dich.“

Das wirft mich jetzt wieder aus der Bahn. Wieso sagt er mir das jetzt? Alle anderen haben immer nur Mitleid. Dieser Kerl ist einfach komisch. „Das sagst du oft.“, murmel ich und höre Dion leise lachen. „Weil ich meine Meinung bisher nicht geändert habe und es einen glücklich macht, wenn man so etwas hört. Und du hast es eindeutig zu selten gehört.“, meint er, aber ich kann es schlecht bewerten. Also zucke ich wie üblich die Schultern.

„Du bist kein großer Redner.“ Hat er das nicht schon einmal festgestellt? Ich sage halt nicht viel, warum auch? Ich rede nicht gerne, also reduziere ich es auf das wichtigste. Ansonsten schweige ich lieber und lasse Taten sprechen. Oder einfach andere Leute. Ich kann eh viel besser zuhören. So habe ich es gelernt. Zuhören und Klappe halten. Einfache Regelung.

„Rede doch wenigstens mit mir ein wenig mehr.“, bittet Dion, aber ich schüttelte den Kopf.

„Ich mag nicht reden.“, sage ich ihm dann, ohne aufzusehen. Ist der Kerl eigentlich schon die ganze Zeit so groß gewesen? Kam mir bisher gar nicht so vor.

„Noch eine halbe Stunde.“, murmelt Dion mir zu. Tja, dann soll es mal noch eine halbe Stunde dauern. Ich weiß nur nicht, wie ich diese halbe Stunde noch rum bekommen soll. Wenn ich nervös bin und immer auf die Uhr schaue, scheint die Zeit nur sehr viel langsamer zu vergehen.

„Mach das, was du vorhin gemacht hast.“, sage ich zu Dion. Er sieht fragend auf mich herunter und scheint nicht zu verstehen, was ich meine.

„Nimm mich in den Arm und sag mir etwas, was mich ebruhigt.“, erkläre ich ihm dann.

„Aber du musstest weinen, also scheint es dich doch eher weniger beruhigt zu haben.“, deutet er vage an. Ich zucke mit den Schultern. Das hat er wohl falsch aufgenommen. Also pieke ich gegen seine Brust und warte. Er schlingt seine Arme um meinen schmächtigen Körper und seufzt. Ich schließe meine Augen und atme seinen Geruch ein. Warum habe ich diesen Duft eigentlich nicht schon früher wahr genommen? Es riecht nach Männerparfüm, oder ist es Deo? Schwitzen scheint der Kerl wohl nie, also ist es vermutlich doch eher Parfüm. Ich habe bisher noch nie einen Mann kennen gelernt, der Parfüm benutzt. Generell habe ich bisher ziemlich wenig Leute kenne gelernt.

Die halbe Stunde scheint dahin zu schleichen und ich werde von Minute zu Minute immer nervöser.

Ich sehe nicht einmal auf, ich bewege mich nicht, sondern warte nur.

„Du schaffst das.“, murmelt er und hebt mein Gesicht an. Ich werde leicht rot, wieso weiß ich auch nicht. Ich habe so ein komisches Gefühl im Magen. Das kann nicht gut enden. Er haucht mir einen Kuss auf die Lippen und sofort fängt mein Herz an, einen Marathon zu laufen. Ich werde knallrot und wende mein Gesicht ab. Was soll das?! Ich knabbere leicht auf meiner Lippe. Dion steht plötzlich auf und verlässt mein Bett, ich sehe ihn fragend an, als auch schon einige Schwestern das Zimmer betreten. Sofort werde ich wieder nervös. Nein, ich will nicht! Bitte! Warum fragt ihr mich nicht nach meiner Meinung?! Ich werde in ein anderes Bett gelegt und kann mich nicht wehren. Ich will das nicht. Wieso immer ich? Ich sehe Dion hilfesuchend an, er lächelt mir nur beruhigend zu und ich muss zugeben, dass es mir danach wirklich ein ganz wenig bisschen besser geht. Wenn auch nicht viel.

„Du schaffst das.“, wiederholt er noch einmal und ich nicke leicht. Ich schließe meine Augen und atme tief durch. Ich zähle leise bis zehn. Zehn Sekunden, danach habe ich mich wieder beruhigt und ich werde es überstehen. Das hat meine Oma mir immer gesagt, als ich noch klein war. Immer wenn ich Stress mit meiner Mutter hatte, bin ich zu meiner Oma gefahren mit dem Fahrrad. Bis sie eines Tages gestorben war. Das habe ich kaum verkraftet, aber ich habe es ja doch überlebt, wie man sieht. Also werde ich diese kleine Operation auch überleben, richtig? Ich werfe Dion noch einmal kurz einen Blick zu. Er lächelt mich an und ich lächele zurück. „Ich warte hier auf dich. Wenn du aufwachst, bin ich da, versprochen.“, meint er und da werde ich auch schon aus dem Zimmer geschoben. Er bleibt alleine zurück. Ich höre ihn nur noch einmal stark husten, da bin ich auch schon den Gang heruntergeschoben und auf den Weg in den Operationssaal

Es schien eine halbe Ewigkeit zu vergehen. Die Narkose wirkte recht schnell und ich bin auch nicht aufgewacht, während die Ärzte noch an mir rumschnippelten. Ich schlafe noch eine ganze Weile durch, bis ich endlich wach werde. Ich finde mich wieder in meinem Zimmer wieder. Das freut mich. Ich habe es überlebt und kann mir auf die Schulter klopfen. Ich atme einmal tief durch und mache die Augen auf. Ich sehe mich um. Ich habe wirklich erwartet, dass Dion nun neben mir hockt, ob nun schlafend oder wach und darauf wartet, dass ich aufwache. Aber er ist nicht da. Wo ist er hin? Ich sehe auf sein Bett. Es ist leer und ordentlich zusammengelegt. Ich vermute das schlimmste und werfe schnell einen Blick zum Badezimmer. Die Tür ist auf, der Raum leer. Ich werde nervös und sehe mich panisch weiter um. Er ist weg! Wo ist er ?! Er meinte doch, er würde bei mir sein, wenn ich aufwache! Wo ist er jetzt hin? Mir steigen die Tränen in die Augen. Wieso muss ich jetzt weinen? Ich kann den Kerl nicht leiden, ganz einfach! Ist doch egal, ob er jetzt weg ist, ich bin auch ohne ihn zurecht gekommen vorher. Ich bin nicht auf ihn angewiesen! Ich höre mich selber aufschluchzen und erschrecke leicht davor. Ich hebe eine Hand und merke erst jetzt, dass ich an irgendwelche Schläuche angeschlossen bin. Ich wische mir übers Gesicht und höre ein rumpeln. Die Tür fliegt heute schon zum x-ten Mal auf, doch meine Sicht ist verschwommen. Ich glaube eine Schwester kommt zu mir ans Bett und reicht mir ein Taschentuch. Sie fragt, ob ich Schmerzen habe, doch ich schüttele den Kopf. Nein, nicht solche Schmerzen. Mir geht es gut. Ich muss nur einmal tief durchatmen, mich beruhigen und alles ist vergessen.

Ich versuche es, aber es will einfach nicht funktionieren.

„Was ist los? Tut dir etwas weh? Kann ich dir helfen?“, fragt die Schwester nach. Sie ist nett, anders als die anderen. Ich schüttelte wieder mit dem Kopf und versuche etwas zu sagen. Aber meine Stimme ist tränenerstickt und meine Lippen zittern. Ich deute also nur auf das Bett, was neben mir leer steht.

„Der Junge?“, fragt sie nach und ich nicke. „Er musste operiert werden. Eine Notoperation. Seine Krankheit hat angefangen, seine Lunge zu zerbeißen.“, erklärt sie und ich merke, wie ich immer schwerer zu Atem komme. Sofort wird mir ein Gerät auf den Mund gesteckt. Es hilft mir, wieder an den nötigen Sauerstoff zu gelangen.

„Wo ist er?“, frage ich nach.

„Er wird derzeit noch operiert.“, meint sie. Ich deute ihr, dass sie gehen kann. Aber sie scheint sich dessen noch ziemlich unischer zu sein.

„Bitte gehen Sie.“, meine ich dann und sie kommt meiner Bitte sehr zögerlich nach. Sie steht auf und ich lasse meinen Kopf zur Seite fallen. Ich sehe auf das leere Bett und merke, dass die Tränen mir sofort wieder hochkommen.

„Du hast gesagt, dass du bei mir sein wirst! Du hast es mir versprochen!“, sage ich leise und vorwurfsvoll und stelle mir vor, wie er sich lächelnd bei mir entschuldigt. Er war doch die ganze Zeit die Ruhe selbst, wieso habe ich nicht gemerkt, dass es ihm so schlecht ging? War ich zu sehr auf mich fixiert? Ich mache mir Vorwürfe.

„Komm zurück!“, meine ich dann und weine mich langsam in den Schlaf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  HannaHanoka
2012-10-07T18:30:21+00:00 07.10.2012 20:30
Wuah, Gänsehaut. Erst erfährt Timo so ganz nebenbei, dass er operiert wird und man selbst erfährt einen kleinen Einblick in seine Vergangenheit, die nun wirklich alles andere als rosig war, und dann wacht er auch noch auf und Dion ist weg. Und das, obwohl er ihn ja scheinbar nun auch so ein klein wenig mindestens lieb gewonnen hat.
Dion ist sooo lieb *-* Ich mag ihn ♥ Und er wirkt vor Timo immer so stark ._. Und als Timo in den Operationssaal geschoben wurde und Dion noch mal gehustet hat, habe ich schon so was befürchtet x.x Armer Dion.
Wie immer, genial geschrieben!
Von:  tenshi_90
2012-10-07T16:08:51+00:00 07.10.2012 18:08
Das Kapitel ist iwie sehr traurig =(

Ich hoffe, Dion wird es schaffen...

LG
Von:  Midnight
2012-10-07T13:22:15+00:00 07.10.2012 15:22
T______TEs ist so traurig!

Du schreibst das so schön, und ohne die Krankenhausthematik zu zerstören! Das ist super !

Ich liebe diese FF Ich erwarte schon sehnsüchtig das nächste Kapitel!

LG Middy <3
Von: abgemeldet
2012-10-07T10:56:09+00:00 07.10.2012 12:56
Q~Q Jetzt bin ich traurig :C
Das Kapitel jedoch war wie immer sehr toll! *A*
Von:  Kugelmugel
2012-10-07T06:41:54+00:00 07.10.2012 08:41
Heul Gefahr hoch 10 ._. Wunderschönes Kapitel aber auch traurig ._. Das warten hatte sich gelohnt :3


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