Absolution
Sieh sie dir an. Die Unvollkommenheit meiner Seele. Die Schwäche meiner Gedanken. Schutzlos wird dir alles offenbart. Reglos, und doch so voller Leben. Was wirst du tun, wenn du an der Schwelle stehst, und erkennst, dass es kein Zurück mehr gibt? Mach einen Schritt nach vorne…und noch einen weiteren. Bis es nicht mehr weitergeht. Und dann fall mit mir, gemeinsam in die Absolution.
Die Wucht des Aufpralls presste die Luft aus seinen Lungen, die er hartnäckig dort festgehalten hatte. Ein leises Flüstern hallte in seinem Kopf wider.
‚Bitte verzeih mir‘.
Drei Worte. Drei kleine Worte, die er ihm zugeflüstert hatte. Sie waren für seine Ohren bestimmt. Für ihn alleine. Erst jetzt realisierte er die Schmerzen. Sie zogen sich durch seinen gesamten Körper. Wo war die Dunkelheit, die er erwartet hatte? Seine Handflächen brannten, waren wund von dem Fall, den er instinktiv versucht hatte mit seinen Händen abzufangen. Ganz langsam öffnete er die Augen. Er war nicht tot. Nein, er lag noch nicht mal in der Nähe der Stelle, an der er hätte liegen müssen. Warum? Mit einem Ruck brachte er seinen Körper in eine aufrechte Position. Er kniete. Und er lebte. Als er über seine Schulter blickte, wusste er auch warum. Seine Lippen waren leicht geöffnet. Fassungslosigkeit zeichnete sich auf seinen Zügen ab und mit einem Schlag drangen ausgeblendete Geräusche an seine Ohren. Wilde Schreie, die er nicht verstand. Das Auto. Er hatte es gesehen. Er hatte sein Ende gesehen und es begrüßt. Warum also saß er hier auf der dreckigen Straße?
„Wo bleibt der verdammte Krankenwagen?“ Ein Mann schrie in sein Handy.
Von überall hörte er die Stimmen.
„Scheiße, mir wird schlecht. So viel Blut. Oh mein Gott“.
Ein Mädchen, das er nicht kannte.
„Fuck, ist das nicht der Typ aus Ebisus Klasse?“
Einer der Jungen, die Sasuke in der Schule immer verfolgten.
Immer mehr Stimmen, die laut wurden. Er sah das Blut, das eigentlich seines hätte sein müssen. Ein weiteres Trauma. Seine Augen waren weit aufgerissen und folgten dem Rinnsal, das eine Linie bildete. Rote Flüssigkeit, die sich unaufhörlich auf dem rauen Asphalt ausweitete, keine zwei Meter von ihm entfernt.
„Geht zur Seite, wir müssen hier durch“.
Sanitäter. Zwei von ihnen. In Sasuke stieg Panik auf. Sein Gehirn verarbeitete die Situation. Eine Situation, die unmöglich real sein konnte. Das hätte Naruto niemals getan.
‚Bitte verzeih mir‘.
Er hyperventilierte. Nein. Niemals. Er hätte ihn nicht gerettet. Warum? Es entzog sich jeglicher Logik.
Er hasste ihn, also warum sollte er so etwas tun? Warum sollte gerade er ihm das Leben retten? Es war die letzte Frage die er sich stellte, als die Dunkelheit endlich an ihm zerrte und seinen ruhelosen Geist mit sich zog.
Als er erwachte, stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Wieder war es dieser Traum. Derselbe Traum, der die letzten Jahre häufig heimsuchte. Nur vage konnte er sich daran erinnern. Sein Bewusstsein versuchte zu verdrängen und ihm vorzugaukeln, dass der Schmerz schon längst vergangen war. Es war das Hier und Jetzt, dem er seine Aufmerksamkeit schenken musste. Er wusste er lag nicht in seinem Bett, denn der Stoff unter seinen Fingerkuppen fühlte sich viel zu rau an. Dennoch, er ließ seine Augen geschlossen und versuchte an Erinnerungen zu gelangen. Der Schleier der Gedanken die über ihn hinwegzogen, ließen ihn die Luft anhalten, waren der Auslöser, dass sich sein Mund zu einem stummen Schrei öffnete. Die körperlichen Schmerzen kamen abrupt. Er blinzelte, fühlte eine fremde Hand auf seiner Stirn. Es war dunkel um ihn herum, doch da war jemand. Niemand mit bösen Absichten.
„Du bist endlich wach“. Es war die Stimme seines Vaters. Als seine Sicht sich klärte, konnte er sein Gesicht erkennen. Von Sorge gezeichnet, fragend und dennoch zurückhaltend. Seine Augen wanderten durch den Raum. Die Einrichtung ließ darauf schließen, dass man ihn ins Krankenhaus gebracht hatte.
Sasuke erwiderte nichts, sondern versuchte sich aufzusetzen, doch es blieb bei dem Versuch, da der Schmerz der sich durch seine Kehrseite zog, so stark war, dass er sich auf die Unterlippe biss. Sein Vater drückte ihn sanft, aber dennoch bestimmend zurück in die Laken.
„Du solltest besser liegenbleiben. Laut dem was die Ärzte mir gesagt haben, wurdest du…du wurdest…“. Es war ungewohnt diesen Mann so zu hören. Fugaku Uchiha stammelte nie.
„Vergewaltigt“. Sasuke schluckte. Er erinnerte sich genau an das, was Naruto und er in diesem Zimmer getan hatten. Er selbst hatte es so bezeichnet, doch nun hörte es sich falsch an. Aus dem Mund seines Vaters hörte es sich nicht richtig an.
„Ich bin nicht vergewaltigt worden“. Seine Stimme klang rau. Er wich dem Blick des älteren Mannes aus.
„Sasuke, du hast geblutet. Und da war auch…Sperma. Willst du mir wirklich weißmachen, dass das keine Vergewaltigung war? Wer war es?“ Er schüttelte den Kopf.
„Niemand. Es war niemand. Ich wurde nicht vergewaltigt“, widerholte er und setzte sich aus Trotz aufrecht hin. Es schmerzte so sehr, dass er kurz davor war ohnmächtig zu werden, aber das wollte er nicht zugeben. Schließlich war er selbst Schuld. Er hatte Naruto so weit gebracht und sich nicht gewehrt, obwohl er wusste, er hätte sich wehren können. In seinem Kopf war es die gerechte Strafe. Doch es war auch mehr. Als sich ihre Lippen zum ersten Mal berührt hatten, war es die Erfüllung seines geheimsten Wunsches. Er ekelte sich vor sich selbst, als er daran dachte, wie sehr er es genossen hatte, Narutos Haut auf seiner eigenen zu spüren.
„Sasuke. Ich weiß, dass du dich schämst wegen dem was passiert ist, aber es ist nicht deine Schuld“. Es stimmte. Er schämte sich, doch das tat er aus einem anderen Grund. Er würde seinem Vater nicht sagen, was wirklich vorgefallen war, das konnte er unmöglich tun.
„Ich habe mit Kakashi telefoniert. Er wird bald herkommen, dann kannst du mit ihm darüber reden“. Sasuke schnaubte. Es war ihm bewusst, dass der Mann, der an seinem Bett stand, sich nicht in der Lage dazu fühlte, mit ihm über so etwas zu reden. Das war noch nie der Fall, egal was bisher geschehen war. Selbst als seine Mutter die Familie vor drei Jahren zurückgelassen hatte, wurde professionelle Hilfe in Anspruch genommen.
„Auch darüber, dass du deine Medikamente wieder abgesetzt hast“. Der Schock traf ihn unerwartet. Also hatte sein Vater es herausgefunden.
„Shizune hat mich angerufen und mir erzählt, dass du dein Rezept vorgestern geholt hast. Die letzte Packung war aber schon vor einer Woche leer“, es herrschte kurze Stille, sein Vater fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, „und Sasuke, so geht das nicht. Du musst dich darum kümmern, dass du deine Medikamente rechtzeitig holst. Wenn du es nicht schaffst, dann sag es mir. Ich trage die Verantwortung für dich“.
„Ich hab es vergessen“, erwiderte er, doch sein Vater war nicht zufrieden mit dieser Antwort.
„Wie kannst du so etwas vergessen? Es ist wichtig. Du bist fast überfahren worden und dazu noch vergewaltigt! Was wäre als nächstes passiert? Es ist keine kleine Sache Sasuke. Ich habe dir die Freiheit gelassen, damit du langsam auf die Beine kommst, aber du hältst es anscheinend nicht für nötig. Wie soll das weitergehen? Du bist achtzehn Jahre alt. Wie denkst du wird es in Zukunft laufen? Muss ich jemanden arrangieren, der überprüft ob du deine Tabletten nimmst?“ Die Worte brachten ihn zum Schmunzeln. Als ob er je Freiheit besessen hätte. Sein Vater verfügte über eine Vollmacht, bei der er alles über ihn bestimmen konnte.
„Vielleicht will ich die Tabletten gar nicht mehr nehmen. Und vielleicht wollte ich überfahren werden, schon mal daran gedacht?“ Es war gewagt sich aufzulehnen, doch was würde schon passieren? Er würde ihm kein Haar krümmen, dazu war er viel zu passiv. Sein Vater gab sich die Schuld für die Vergangenheit und genau das wusste Sasuke. Deshalb nutzte er es aus. Ein Ausgleich für die Bevormundung.
„Nein, du hast gar keine Zeit dir darüber Gedanken zu machen. Du bist ja nie da“. Es war ein innerer Zwang zu provozieren wo es nur ging. Ein Versuch, Aufmerksamkeit zu erlangen. Törichtes, kindisches Verhalten. Die Augen seines Vaters funkelten zornig, doch anstatt seinen Unmut zum Ausdruck zu bringen, wählte er die Variante, die er immer benutzte, wenn ein Gespräch aus dem Ruder zu laufen drohte. Er drehte sich um und lief zur Tür.
„Ich werde nachsehen wo Kakashi bleibt und dem Arzt sagen, dass du wach bist“. Damit war er verschwunden und ließ sein Kind alleine zurück. Alleine mit den Gedanken an die Ereignisse der Vergangenheit, aber auch an Dinge, die vor kurzen vorgefallen waren. Seine Augen glänzten als er sich zurückfallen ließ. Er musste nicht länger zeigen, dass er unverwundbar war. Denn das war er nicht. Nicht im Geringsten. Er hatte nur gelernt sich so zu geben, nachdem seine Welt zusammengebrochen war. Es machte das Leben leichter, wenn nicht unbedingt für ihn selbst.
Als sich wenig später die Tür wieder öffnete, erkannte Sasuke, dass sein Vater nicht wiedergekommen war. Es war Kakashi, der mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck näher an ihn herantrat und ihn musterte, so wie er es immer tat, kurz bevor er eine seiner Lektionen erteilte. Sasuke grinste. Für ihn war der Doc wie ein offenes Buch.
„Spar es dir. Ich hab keine Lust darüber zu reden“. Das war Kakashi scheinbar egal, denn er fing trotzdem an zu reden.
„Dann werde ich reden und du hörst zu. Was meinst du was passiert, wenn deine Phase vorbei ist?“ Der Arzt nahm auf einem der Stühle Platz, die für Besucher vorgesehen waren.
„Deine Depressionen kommen zurück. Und weißt du was das bedeutet? Du wirst zurück in die Klinik müssen, damit man für deine Sicherheit garantieren kann“. Sasuke presste die Lippen aufeinander. Er wollte nicht einmal daran denken an diesen Ort zurückzukehren.
„Mir geht es gut. Um ehrlich zu sein, ging es mir nie besser“. Eine Lüge, die Kakashi sofort durchschaute. Auch er kannte Sasuke besser, als sich von ihm täuschen zu lassen. Er hatte die Abgründe seiner Psyche gesehen, sie dokumentiert, und verinnerlicht.
„Du bist zu schlau genug um zu verstehen, was das hier für Auswirkungen haben wird. Du wärst heute um ein Haar überfahren worden“. Die Bettdecke raschelte, als Sasuke sie von sich schob und sich aufsetzte.
„Und du bist schlau genug um zu wissen, wohin uns dieses Gespräch führen wird“. Jede Bewegung schmerzte, doch er würde sich vor Kakashi nicht die Blöße geben. Der Mann beobachtete ihn genau, er konnte es spüren.
„Was ist mit der Vergewaltigung?“ Der Doc versuchte das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Er wusste, wenn Sasuke erst einmal dicht machte, war es schwer ihn zum Reden zu bringen. Wenn nicht sogar unmöglich.
„Es gab keine Vergewaltigung“.
„Dein Vater und die Ärzte haben gesagt-„
Sasuke fuhr ihm kalt dazwischen:
„Es gab keine Vergewaltigung, egal was sie sagen. Ich werde es wohl am besten wissen“.
„So wie mit der Einnahme deiner Medikamente?“ Sasuke entwich ein grollendes Geräusch. Kakashi hatte sich festgebissen. Er war hartnäckig und das zerrte an seinen Nerven. Er hatte seine Kraft schon dafür verbraucht, nicht an Naruto zu denken. An Fragen, die versuchte zu verdrängen.
„Ich hatte Sex. Das ist alles“. Seine Beine hingen mittlerweile über dem Bettrand. Zentimeter für Zentimeter bewegte er sich.
„Sex also. Ich verstehe“. Er sah deutlich, wie sehr Sasuke sich quälte aufzustehen. Doch er half ihm nicht. Der Junge hätte es ohnehin abgelehnt.
„Ja, so etwas passiert ab und an. Vielleicht kannst du dich noch daran erinnern. Damals, als du noch ein Leben hattest“. Wieder wählte er den Weg der Provokation. Sein Leitmotiv. Doch bei Kakashi konnte er mit diesem Verhalten nichts bewirken. Es war eher ein jämmerlicher Versuch Konfrontationen zu vermeiden.
„Darf ich fragen, mit wem du den Akt der Liebe vollzogen hast?“ Sasuke rollte seine Augen und verzog die Lippen.
„Nein, darfst du nicht“, antwortete er, angewidert davon, dass der Arzt die Frage so verpackt hatte. Liebe stand nicht zur Auswahl. In seiner Realität war es das genaue Gegenteil.
„Da es im Moment nichts bringt mit dir zu reden, werde ich alles in die Wege leiten. Spätestens morgen wird dein Zimmer bereitstehen. Ich kläre dann alles weitere mit deinem Vater“. Und damit stand der Mann auf. Er würde gehen, das wusste Sasuke und doch konnte er sich nicht dazu überwinden, etwas darauf zu erwidern. Sie würden ihn immer wieder wegsperren, wenn er nicht so funktionierte, wie sie es wollten. Selbst der letzte Ausweg vor drei Jahren war gescheitert.
„Warte“. Es war leise, doch Kakashi blieb trotzdem stehen. Er hatte Sasuke den Rücken zugewandt, fast so, als wollte er sichergehen, dass der Junge sagte, was auch immer er sagen wollte.
„Lebt er?“ Er verstand nicht, worauf Sasuke sich bezog und drehte sich zu ihm herum. Er hatte den Blick gesenkt und seine Hände waren um die Seitenstangen des Betts verkrampft.
„Wen meinst du?“ Er befürchtete das Schlimmste. Wenn Sasuke bereits jetzt anfing, Fragen über die Vergangenheit zu stellen, musste er schnell handeln.
„Naruto“. Kakashi runzelte die Stirn. Was hatte Naruto damit zu tun?
„Wieso sollte er nicht leben?“ Zum ersten Mal seit seinem Aufenthalt in diesem Zimmer sah Sasuke ihm direkt in die Augen. Es war noch immer dunkel, doch das Licht, das von außerhalb in den Raum drang reichte aus, um zu erkennen, dass die Augen des Jungens schimmerten.
„Er hat mich gerettet. Er hat mich von der Straße geschubst. Das Auto. Es hätte mich treffen sollen“. Es fiel ihm schwer es auszusprechen, doch er musste es wissen. Kurz erinnerte er sich an die feste Umarmung. Wie er ihn festhielt, ehe er ihn von sich gestoßen hatte, um ihm das Leben zu retten.
Kakashi war schwer erschüttert. Er hatte nicht die leiseste Ahnung von dem was vorgefallen war. Zwar hatte Fugaku ihm erzählt, dass Sasuke in einen Autounfall verwickelt wurde, doch die genauen Einzelheiten kannte er nicht.
„Wieso?“ Er sprach es unbewusst laut aus, so verwirrt war er. Was verbarg Sasuke vor ihm?
„Was ist passiert Sasuke?“, fragte er besorgt, bereits dabei wieder zurück zum Bett zu laufen, doch Sasukes Stimme hielt ihn davon ab.
„Ich kann jetzt nicht darüber reden. Bitte. Finde heraus ob er lebt“. Niemals zuvor hatte Sasukes Stimme sich in seinen Ohren so angehört. Es war, als würde er darum flehen. Ein weiterer schockierender Moment für Kakashi. Zudem war da auch noch die Sorge um Naruto. Was war zwischen ihnen passiert, dass es so weit gekommen war?
„Ich werde nachfragen. Leg dich wieder hin“. Er verließ das Zimmer kurz darauf, um etwas über Naruto in Erfahrung zu bringen.
Sasuke hingegen versuchte seine Emotionen unter Kontrolle zu bringen. So viele Fragen blieben unbeantwortet, doch sie schwirrten in seinem Kopf umher. Woher zum Beispiel wusste Naruto von seiner Vergangenheit? Gnadenlos hatte er sie ihm vorgeworfen, sogar seinen eigenen Bruder erwähnt. Dinge, die er einfach nicht wissen konnte. Nur Kakashi und sein Vater kannten die Details, also wie war er an die Informationen gekommen? Es schien fast so, als ob er seine Krankenakte gelesen hätte.
Aber das war längst nicht alles, was ruhelos durch seine Gedanken raste. Weshalb er ihn gerettet hatte, das war die Frage, die er sich jetzt auch stellte. Warum hatte er um Verzeihung gebeten? Warum hatte er sich für ihn vor ein Auto geworfen? Er verstand es nicht. Er hatte alles Erdenkliche getan, um von Naruto gehasst zu werden. Hatte ihn provoziert, ihn verletzt und sogar seine Beziehung zerstört. Weil er es nicht ertragen konnte, dass Naruto glücklich war. Weil er es nicht verkraftete, dieses Lächeln zu sehen. Die Art wie er immer gelächelt hatte, wenn Sakura in der Nähe war. Es war für ihn kaum aushaltbar. Er hasste Naruto dafür, dass er diese Gefühle in ihm hervorrief, da er schon lange damit abgeschlossen hatte. Es nicht erwartet hatte, jemals wieder so fühlen zu können. Selbst jetzt, als er auf diesem Bett saß, verleugnete er seine eigenen Gefühle.
Drei Wochen später
Trotz der Sonne die auf sein Gesicht schien, herrschte beißende Kälte. Es war Mitte November, einer der Monate, die sein dunkles Gemüt zusätzlich trübten. Sein Blick war auf den Stein vor seinen Füßen gerichtet. Heute war sein erster Tag in Freiheit und er hatte ohne Umschweife diesen Ort aufgesucht. Ein Schritt, um wieder Routine in sein Leben zu bringen. Drei Wochen lang hatten sie Sasuke in der Klinik eingesperrt, um für seine Sicherheit zu garantieren. Er wusste es war gerechtfertigt, dennoch verabscheute er ihr Handeln. Mit der neuen Schuld die auf seinen Schultern lastete, hätte er genau das getan, was sie von ihm erwartet hatten und es wurmte ihn, von ihnen durchschaut worden zu sein. Sein Zusammenbruch wurde vorhergesagt und genau so traf es auch ein. Die Depression die ihn dabei begleitete war so schlimm, dass man ihn rund um die Uhr beobachtet musste. Selbst jetzt stand jemand in der Nähe, um auf ihn aufzupassen. Maximale Sicherheit, auf all seinen Wegen. Eine Tatsache, die seine Laune nur noch verschlimmerte. Wie ein rohes Ei wurde er behandelt, weil man ihm etwas Gutes tun wollte, damit jedoch genau das Gegenteil bewirkte. Er hasste seine eigene Schwäche, die von seinem Umfeld reflektiert wurde. Sie hielten ihn für schwach, weil er es war, doch er lehnte es ab, es von ihnen zu hören.
Als er sich an die Gespräche mit Kakashi zurückerinnerte, zog er die Augenbrauen zusammen. Er wusste nun woher Naruto die Informationen über seine Vergangenheit hatte. Es war ein Schock für ihn gewesen, zu erfahren, dass Naruto ebenfalls in Therapie war, doch ein weitaus größerer Schock war es, dass Naruto in Kakashis Praxis eingebrochen war, um an seine Akten zu gelangen. Kiba hatte dem Doc unter Tränen die ganze Wahrheit gestanden und der wiederrum hatte es Sasuke in einer der Sitzungen in der Klinik erzählt.
Er ging in die Hocke, zog sich seine Handschuhe von den Fingern und streifte über die Inschrift des Steines. Es war der Name der ihn faszinierte. Ohne es verhindern zu können, bildeten sich Tränen in seinen Augenwinkeln.
„Warum?“, fragte er leise und drückte mit der Handfläche gegen den kalten Stein.
„Warum hast du mich gerettet? Ich verstehe es einfach nicht. Warum hast du mich nicht einfach sterben lassen, so wie ich es verdient habe?“
Er wusste er würde keine Antwort erhalten, doch es hinderte ihn nicht daran zu sprechen.
„Du hättest leben sollen, nicht ich. Ich hasse dich dafür. Ich hasse…“, er brach ab, da es zu sehr schmerzte, diese Lüge von sich zu geben. Es entsprach nicht der Wahrheit, doch für seinen Verstand war es leichter, mit der Lüge zu leben. Ein trügerischer Selbstschutz, der langsam aber sicher bröckelte.
„Es…“ Der Windstoß der über ihn hinwegfegte sorgte dafür, dass er wieder aufstand.
„Es tut mir leid“. Mittlerweile hatten sich die Tränen gelöst. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
„Das alles tut mir leid. Wenn ich könnte, würde ich alles rückgängig machen“. Es war sein größter Wunsch, doch er war sich darüber bewusst, dass es bereits zu spät war. Man konnte die Toten nicht wieder zum Leben erwecken. Und dennoch, er hätte alles dafür gegeben, wenn es eine Möglichkeit gäbe.
„Doch es geht nicht. Nicht bei dir“. Er atmete tief ein und versuchte die überwältigenden Gefühle in seinem Inneren zurückzudrängen. Es kostete ihn fast seine gesamte Kraft, an diesem Ort zu stehen. Sein Zustand war labil, es brauchte nicht viel um ihn wieder zurückzuwerfen und doch war es ihm egal. Der Moment war zu wichtig, um ihn nicht zu nutzen.
„Aber bei ihm schon“, sprach er ruhig aus, den Blick dabei in die Ferne gerichtet. Er wollte nicht mehr auf den Namen starren, der der einzige Beweis dafür war, dass er existiert hatte.
„Bei ihm ist es noch nicht zu spät“. Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Es war von Traurigkeit geprägt. Die Trauer die er empfunden hatte, als er erfuhr, wie es um ihn und sein Leben stand.
„Er lebt, auch wenn er genauso ein Idiot war und mich gerettet hat. Aber er schläft. Und deshalb werde ich jetzt gehen. Die Besuchszeit ist bald zu Ende und ich will da sein, falls er wach wird“. Es war Hoffnung die in ihm aufkeimte. Naruto war nicht verloren. Nicht so wie er. Er würde leben und gesund werden. Wenn er aus dem Koma erwachte, würde alles besser werden. Nur eine geringe Schuld, die Sasuke sich zuschreiben musste, aber dennoch genauso schmerzhaft wie ein Verlust.
Weil er Narutos Motiv nicht kannte. Und sich fest vornahm, es auch nie zu erfahren. Sobald er aufwachte, würde er aus seinem Leben verschwinden, das war er ihm schuldig. In seinen Augen hatte zu viel Schaden angerichtet. Keine Chance auf Wiederherstellung von etwas, das ohnehin niemals vorhanden war. Irreparabel.
Also blieb ihm nur die Möglichkeit, Naruto durch sein eigenes Verschwinden Frieden zu geben. Und diese Möglichkeit würde er nutzen, nachdem er sicher war, dass Naruto wach war. Ein Versprechen das er machte, weil er nicht noch mehr Wunden aufreißen wollte. Weder die von Naruto, noch von sich selbst.
Er blickte noch ein letztes Mal zu dem Grab, ehe er sich umdrehte und dem schmalen Weg nach draußen folgte. Der Wind trug seine geflüsterten Worte und er hoffte, sie würden ihr Ziel erreichen.
„Leb wohl Itachi“.
Die Aufgabe die er sich selbst auferlegt hatte, war erfüllt. Er konnte nun nichts mehr tun außer zu warten. Warten und hoffen, dass sich das Leben zu einem besseren wandelte. Für sie alle.
Du kannst nichts verlieren, was dir niemals gehört hat.
Widmung
Diese Kurzgeschichte, weißt du wann sie in meinem Kopf an Gestalt gewonnen hat? An dem Abend, als wir zusammen bei mir in der Küche gesessen und uns über Projekte unterhalten haben. Naruto kann fliegen, weißt du noch? J…
Als mein Freund reinkam, hat er uns gemustert und ich wusste in dem Moment, was er gedacht hat: ‚Ihr FREAKS‘.
Aber es war okay, weil ich mich zum ersten Mal nicht mehr alleine mit diesen Gedanken gefühlt habe. Viele Menschen, die ich bisher kennengelernt habe, haben nicht verstanden, was ich mit meinem Schreiben eigentlich ausdrücken will. Stets wollten sie Erklärungen, aber du nicht. Weil du genau dasselbe fühlst, wenn du an Geschichten denkst. Gerade was dieses Genre betrifft. Dafür bin ich dir wirklich dankbar.
Als das mit uns beiden anfing, war ich skeptisch, ob ich wirklich eine tiefere Bindung zulassen sollte, weil ich teilweise ziemlich kompliziert bin. Bei unserem ersten Treffen habe ich dann aber diese Meinung in meinem Kopf wieder revidiert. Ich mochte es dich um mich herum zu haben, und ich mag es auch noch immer. Du hast mich mit all meinen Macken akzeptiert, sogar wenn ich dir manchmal nicht antworte oder zuhöre, weil ich irgendwo anders mit meinen Gedanken bin.
Wusstest du, dass ich das manchmal nur mache um dich zu ärgern? Weil du wirklich süß bist, wenn du dich aufregst. Oder so tust, als ob du nicht angepisst bist :D…Ich genieße diese Momente zwischen uns, weil du trotz allem was ich dir manchmal antue, immer an meiner Seite stehst und mich motivierst. Und das ist wirklich wertvoll für mich.
Ich glaube einen Höhepunkt haben wir erreicht, als du mir zu meinem Geburtstag eine Ausgabe zu Boundless Friendship als Buch geschenkt hast…So glücklich habe ich mich an meinem Geburtstag schon lange nicht mehr gefühlt, wirklich. Es war das schönste Geschenk, das ich jemals erhalten habe. All die Mühe die du dir wegen mir gemacht hast, ich konnte es kaum fassen. Manchmal glaube ich, ich habe das gar nicht verdient von dir so verwöhnt zu werden. Aber ich liebe es. Ich liebe es wirklich und ich liebe unsere Freundschaft Lisa. Sie bedeutet mir so viel, dass ich gar nicht daran denken will, dass das zwischen uns jemals enden wird. Eigentlich bin ich nicht gut darin meine Gefühle auszudrücken, geschweige denn sie offen zu zeigen, aber für dich tue ich es.
Seit ich dich kenne, bin ich schon über manchen Schatten gesprungen und kann sagen, dass ich froh bin, dass ich diese Sprünge gewagt habe. Weil ich sonst wirklich etwas Gutes verpasst hätte. Weil ich sonst niemals herausgefunden hätte, was für ein wunderbarer Mensch du eigentlich bist. Mit allen Höhen und Tiefen. Ich freue mich auf jedes Treffen, egal wie kurz es ist und ich genieße diese Zeit mit dir wirklich sehr. Ich hoffe wirklich, wirklich inständig, dass noch weitere Jahre folgen werden, in denen wir Zeit miteinander verbringen können. Zeit, in der wir uns ausleben können, in unserer eigenen kleinen verqueren Welt J. Jahre, in denen wir uns gegenseitig motivieren und füreinander da sein können, wenn es einem von uns schlecht gehen sollte. Dass wir viele Momente des Glücks und der Freude teilen können, gemeinsam mit unseren anderen Freunden. Ich kann gar nicht genug dazu schreiben, wie sehr es mich freut, dich als Freundin zu haben. Aber ich denke, ich sollte langsam zum Ende kommen.
Lisa, Anyi, ich liebe dich dafür, dass du existierst. Du bist mein Licht, wenn ich mich im Schatten verliere und dir gehört mein Herz, auch wenn es unregelmäßig schlägt. Du bist der Mensch, auf den ich niemals wieder verzichten möchte. Danke dir. Danke für alles.
Gez.
Aoki