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Castle Homicida

von

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(K)ein Engel – Hinter verschlossenen Türen ist es noch dunkler (Lyns Vergangenheit)

Kapitel 14: (K)ein Engel – Hinter verschlossenen Türen ist es noch dunkler

(Lyns Vergangenheit)
 

Im Jahre 1897 veröffentlichte ein irischer Autor einen Roman über dunkle Gestalten. revolutionär und noch Jahrhunderte später gefeiert, las man von dem dunklen Vampirgrafen. Als das Buch seine erste Erscheinung auf dem Markt tätigte, wusste Stocker nicht, dass gerade einmal 1300 Kilometer weiter im selben Moment ein Mädchen von Kreaturen überfallen worden, die er sich angeblich nur ausgedacht hatte…

Die damals fünfjährige Lyn war damals auf dem Heimweg. Sie wusste, dass sie nicht in den Wald gehen sollte, deshalb hielt sie sich am Waldrand auf. Doch auch das war ein diesem Tag nicht vorsichtig genug. Ein Wolf fiel sie an. Zuerst hatte das Kind keine Furcht vor dem Tier. Es kam ganz langsam auf sie zu. Mit einem Mal dann sprang es sie dann an und verwundete das Kind schwer. Die Kleine konnte sich nicht wehren und der Wolf riss ein Stück aus ihrer Schulter. Gerade als das Monstrum die Zähne in ihren Hals schlagen und ihre Kehle zerreißen wollte, ertönte ein Schuss. Danach ein weiterer und der Wolf sackte tot auf dem Mädchen zusammen. Lyns Vater war ihr zur Hilfe eilt. Er hievte den toten Körper von seiner Toter und trug sie so schnell wie es ging in ihr Haus. Zu früh, sonst hätte er gesehen, wie der tote Wolf sich nach seinem Abgang in einen Menschen zurückverwandelte.

Lyns Verletzung war schwer und ihre Behandlung sehr teuer. Viele Stunden musste ihr Vater dafür arbeiten und das Essen war in den folgenden Wochen knapp für die junge Familie. Aber dafür war ihre kleine Tochter gesund. Zumindest dachten sie das. Und Lyn dachte das auch. Doch es war kein normaler Wolf, dessen Angriff sie nur knapp überlebt hatte und Lyn war schon längst kein normales Mädchen mehr…

Jedoch zur Enthüllung dieses Geheimnisses sollte noch sechs Jahre ins Land ziehen, in denen Lyn bemerkte, dass sie anders war und versuchte all das zu verleugnen und zu verstecken. Das Gemüse, das ihre Mutter auf den Tisch brachte schmeckte ihr nicht mehr. Sie konnte es essen, aber es schmeckte nicht mehr zuvor. Anfangs dachte sie, es lag noch an den Geldproblemen, die die Familie seit ihrer Behandlung mit sich herumtrug. Sie redete sich ein, dass ihre Mutter ja nicht mehr hochwertiges Gemüse kaufen könnte und man nur warten müsste. Doch auch, als die Familie sich erholte, kam der Geschmack nicht zurück und der Rest schien es nicht zu bemerken. Deshalb schwieg Lyn. Sie hätte sich auch nie erlaubt ihre Frau Mutter zu kritisieren. Dagegen schmeckte das Fleisch ungewöhnlich gut. Sie war nie die große Fleischesserin gewesen und doch… Trotzdem waren ihr die Gewürze oft zu viel. Sie kratze sie eher von ihrem Fleisch um es dann zu essen. Und an einem dunklen Tag, ihre Mutter war bei einer Nachbarin, überkam das junge Mädchen der Hunger. Doch das Gemüse sprach sie nicht an. Wohl jedoch das Fleisch. Das rohe Fleisch, das ihre Mutter für das Abendessen rausgelegt hatte. Mit einem Mal roch es so gut. Und es sah so gut aus. Und im nächsten Moment wusste Lyn gar nicht, was sie getan hatte, aber das Fleisch war verschwunden…

Geschockt von sich selbst, schloss sich Lyn den ganzen Abend auf ihrem Zimmer ein. Aber sie konnte nicht leugnen, dass es ihr geschmeckt hatte. Das rohe Fleisch. Noch blutig. Unbehandelt. Sie wusste nicht, was vor sich ging. Und genauso ging es ihre Eltern, die nie herausfanden, wer das Essen gestohlen hatte, doch sie hatten ihre Vermutungen. Da ihre Tochter sich den restlichen Tag weinend in ihrem Zimmer einschloss vermuteten sie einen Einbruch. Die schreckliche Wahrheit konnten sie nicht ahnen.

Doch an Lyn trat eben diese immer näher heran, als noch weitere Symptome sichtbar wurden. Sie ertappte sich immer öfter wie sie kleine Tiere beobachtete und leicht zu knurren anfing. Sie rollte sich zum Schlafen zusammen und ihr Geruchssinn wurde immer besser. Manche Menschen rochen unglaublich unangenehm. Und allgemein fühlte sich mit der Zeit immer unwohler in unser den Menschen und in ihrer eigenen Haut. Sie versuchte sich einzureden, dass das das Wachstum wäre, dass es normal wäre und nichts dabei war, doch es fühlte sich komisch an. Immer merkwürdiger. Und es war nur normal, jeder Werwolf kannte das Gefühl, wenn er sich zu lange gegen seine eigene Form wehrte, dass er sich unwohl fühlte und krank wurde. Es war nicht natürlich sich gegen die Natur zu sträuben. Aber Lyn hatte Angst, vor dem, was vielleicht passieren könnte…

Es war ein Wunder, dass sie es schaffte, sich Jahre lang zu verleugnen und gegen die Verwandlung anzukämpfen. Selten, auch in späteren Zeiten sollte es einen Wolf geben, der es so lange aushielt, er selbst zu sein. Doch ihre Furcht und ihre Liebe zu ihrer Familie unterdrückten den Zauber. Es war nicht wie bei Vampiren, die vergingen, wenn sie so lange kein Blut tranken, ein Wolf konnte als Mensch überleben, solange er nichts tat, dass auch einen Menschen töten würde. Aber gesund war es nicht… Und eines Tages konnte Lyn es nicht kontrollieren. Sie wusste nicht, was es war, das in ihr zurückgehalten werden musste, doch an diesem Tag verlor sie die Kontrolle.

Mit ihrer Mutter war sie auf dem Markt unterwegs. All die Gerüche vermischten sich und verwirrten ihre Nase. Sie wusste nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte, aber die Welt drehte sich mit einem Mal viel zu schnell um sie. Hilflos klammerte sie sich an dem Arm ihrer Mutter fest, um nicht umzukippen. Die Frau sprach sie an, doch Lyn konnte es nicht hören. Alles um sie herum verschwamm und auch die Worte verklangen, bevor sie ihre Ohren erreichen konnten. Alles bestand nur noch aus den Gerüchen, der Hitze und den verwirrten Gedanken in ihrem Kopf.

Hunger… Hunger… Viel zu lange hungrig…

Lyn konnte sich nicht an den Markplatz erinnern, als sie am Abend erwachte. Sie hatte keinen Menschen verletzt. Etwas viel Schlimmeres war passiert, als ihre Mutter sie von der Menge weggezogen hatte, damit sie sich im Schatten der Gasse ausruhen konnte. Da unbemerkt von allen, hatte Lyns wahre Gestalt die Kraft besessen, ihren Körper zu kontrollieren und das Selbst, das versucht hatte die Wahrheit zu verstecken, die es nicht einmal selbst gekannt hatte, hatte aufgegeben. Der Wolf war auf den Marktplatz gerannt und hatte ein paar der ausgestellten Hühner getötet und gefressen, bevor sie verscheucht davon lief und sie vor ihrem Heim wieder in ein junges Mädchen verwandelt hatte. An all das erinnerte sie sich nicht mehr, als sie aufwachte, doch es sollte auch von einem neuen Schock verdunkelt werden.

Als sie nach Stunden der Bewusstlosigkeit wieder die Augen aufriss, war eine Waffe auf sie gerichtet. Das Gewehr ihres Vaters und dieser sah sie aus einer Art Furcht und Wut an. Langsam baute sich die Welt um Lyn wieder auf. Sie hörte ihre Mutter weinen, während die Hände ihres Vaters um den Abzug immer mehr begannen zu schwitzen.

„Bring… es doch endlich zu Ende!“, kreischte ihre Mutter weinend, während Lyn nur mit großen Augen hin und her blickte. „Sie ist ein Monster! Unsere kleine Tochter ist ein Monster!“

Und in diesem Moment wünschte sich das junge Mädchen, dass ihr Vater einfach geschossen hätte, denn dieser Stich mitten ins Herz hatte viel mehr geschmerzt, als der Tod es wohl jemals könnte. Jedoch ihr Vater zögerte. Er blickte ihr in die Augen und er zögerte sie einfach zu erschießen. Lyn war noch jung, doch Angst und Instinkt redeten ihr doch die Flucht ein. Nun, wo sie die Wahl hatte, wollte sie nicht sterben. Ihre Hände zitterten, doch dann warf sie die Decke ihrem Vater entgegen und stürmte aus dem Haus hinaus in den Garten. Sie hörte die wütenden Stimmen ihrer Eltern. Und die Schreie…

Die Panik kroch immer mehr in ihr hoch, sie musste fliehen, aber sie war so schrecklich langsam. Da passierte es das erste Mal, dass sie auch spürte, wie sie sich verwandelte. Die menschliche Form von ihr abfiel und sie zu einem Wolf wurde. Gerade als sie sich wunderte und noch erschrockener sein wollte, ertönte ein Schuss und die panische Stimme ihrer Mutter.

„Sie ist unserer Tochter! Wenn sie etwas anstellt… Wir sind dafür verantwortlich, du musst sie töten!“

Lyn zögerte noch einen Moment, sie blickte auf ihre Familie zurück. Auf ihr Zuhause. Auf all das, was sie gehabt hatte, bevor sie alles verloren hatte. Das war jetzt. Und als der zweite Schuss ertönt, rannte sie davon. Hinein in den Wald, an dem damals alles begonnen hatte. An dessen Rand der Wolf sie gebissen hatte. Und dorthin rannte sie, in der Hoffnung dort zu überleben, doch ihr Vater folgte ihr. Noch mehr Schlüsse ertönten und Lyns Angst steigerte sich. Jaulend lief sie durch den Wald, ohne zu wissen wohin sie ging, wie genau sie diesen Körper unter Kontrolle hatte. Immer weiter… Bis sie an einen Fluss kam. Sie war so erschöpft, doch als sie sich zum Wasser hinabbeugte, erblickte sie ihr Spiegelbild und schreckte zurück. Sie war wirklich ein Wolf! Ein Monster! Und hinter ihr wurden die Schüsse immer lauter…

Verzweifelt wimmerte sie, als plötzlich jemand aus den Schatten hervor trat. Ein großer, braunhaariger Mann, in feiner Kleidung. Ernst blickte er sie an und musterte sie einen Moment. „Armer, kleiner Wolf…“, flüsterte er und beugte sich kurz herunter, um sie zu streicheln. Lyn war verwirrt, aber sie konnte sich auch nicht wehren, da hatte ihr Vater sie eingeholt und trat ebenfalls zwischen den Bäumen hervor.

Aus großen Augen blickte sie zu ihm hoch und er schien nicht zu wissen, auf wen er sein Gewehr denn richten sollte. Doch dann nahm der Fremde ihm die Entscheidung ab, indem er sich vor Lyn stellte, was das junge Mädchen noch weiter verwirrte.

„Gehen… Gehen Sie aus dem Weg! Ich muss… das Monster töten!“, brüllte Lyns Vater und versuchte wohl mit der lauten Stimme, sich auch selbst zu überzeugen.

Einen Moment wartete der fremde Mann und schüttelte den Kopf. „Sie wollen sie doch gar nicht töten“, meinte er mit kalter Stimme und trat einen Schritt auf ihn zu, „Im Gegenteil. Sie möchten jetzt gerne gehen und all das vergessen“, sprach er auf ihn ein und Lyn konnte nicht genau sehen, was dann passierte, aber ihr Vater ging davon… Er ließ sie einfach allein.

Und mit einem Mal ohne dass sie Kontrolle hatte, verwandelte sich Lyn zurück in das Mädchen das sie war. „Da…. Danke…“, murmelte sie und sah den Fremden aus großen Augen an, „Sie… Sie haben wir das Leben gerettet, Sir. Wie soll ich das je wieder gutmachen?“

„Nichts für ungut“, meinte er Mann ruhig, „Mein Name ist James Howland. Ich habe eine Villa, einige Meilen von hier. Du kannst gerne mitkommen und für mich arbeiten, wenn du das wieder gutmachen willst. Und dabei kann ich dir beibringen, wie du die Verwandlung kontrollierst.“

Das Mädchen war verwirrt, doch sie ging auf das Angebot ein. Sie hatte keinen anderen Ort, an den sie gehen könnte, sie hatte kein Ziel und sie wusste nicht was sie war und wie sie damit leben sollte. Doch der der Mann erschien ihr wie ein Engel. Er hatte ihr Leben gerettet und er wollte ihr helfen. Er würde ihr ein Zuhause geben, Essen, eine Aufgabe und ein Bett. Das war alles, was Lyn sich zum Existieren wünschte, bis sie herausfand, was sie eigentlich war und was sie wollte.

Was sie nicht wusste war, dass das niemals wahr werden würde. Dass ihre Vorstellungen nicht wahr waren und dass es in einer Zeit voller Monster keine Engel gab…
 

Vier Jahre vergingen, in denen Lyn von Sir Howland ausgebildet wurde und lernte, was es bedeutete ein Werwolf zu sein. Sie konnte ihre Verwandlung kontrollieren und sie verstand sich recht schnell darauf schnell zu rennen und zu jagen. Und sich so lange zu verstecken, daran hatte sie schon bald kein Interesse mehr. Es hatte sie ihre Familie gekostet und es schmerzte, aber sie konnte nicht ändern, was sie war. Irgendwann erreichte sie den Punkt, an dem sie das auch nicht mehr wollte. Sie war stolz darauf, was sie war. Und sie erledigte ihre Aufgabe in der Villa von Sir Howland gewissenhaft. Immerhin stand sie in seiner Schuld und war dankbar. Die ersten vier Jahre waren hart, sie hatte viel zu lernen, aber sie war fleißig und lernte schnell.

Danach verging die Zeit einfacher. Doch einige Jahre später fragte sie sich, ob sie ihre Schuld nicht irgendwann abgearbeitet hatte. Sie wollte etwas von der Welt sehen und nicht ewig im Keller des Anwesens damit verbringen die Wäsche des Hausherrn zu waschen…

Sie war schon lange Zeit bei ihm, als sie ihn eines Nachmittags um ein Gespräch bat. Sie hätte es nicht tun sollen. Erst recht nicht, weil sie in den Jahren von einem kleinen Mädchen zu einer hübschen, jungen Frau heran gewaschen war. Höflich erkundigte sie sich, ob sie jemals gehen dürfe und wie lange er sie hier behalten wollte.

Doch statt eine Antwort zu geben, wurde der Hausherr wütend und begann zu toben. Und mit jedem wütenden Wort von ihm wurde dem Mädchen bewusst, dass sie niemals gehen sollte. Er hatte sie gerettet und ihr geholfen, aber nicht, weil er eine nette Person hatte, sondern weil er in ihr eine gute Dienerin gesehen hatte, die er besitzen wollte. Lyn wusste auch nicht, wohin sie wollte, aber sie wollte ein bisschen Freiheit haben. Dieses Schloss einfach verlassen und etwas von der Welt sehen, die sich vor dem Fenster veränderte. Sie verstand zu spät, dass das niemals vorgesehen war und sie ihn niemals hätte fragen sollen. Es war nicht einmal fordernd gewesen, hätte er gesagt, dass er ihre Hilfe noch ein paar Jahre bräuchte, wäre sie diese Jahre geblieben.

Und doch war er so wütend gewesen, dass er sie für die Frechheit ohrfeigte, dass sie gehen wollten. Er schrie sie an, dass sie nicht gehen würde. So wie keiner seiner Bediensteten. Und Lyn verzweifelte leicht. In ihrer Verzweiflung kamen ihr die Tränen und das reizte ihn noch weiter. Sir Howland schlug noch einmal zu, aber in dieser ersten Nacht, in der sie sein wahres Gesicht sah, blieb es nicht dabei. Je panischer Lyn wurde, desto mehr sendete ihr Körper Fluchtsignale aus und das gefiel dem Hausherrn gar nicht. Er verlor in der Wut die Besinnung und schlug mehrfach auf sie ein.

Das junge Mädchen bekam von ihrer Umwelt kaum noch etwas damit, da kam er wieder zu Bewusstsein. Sie dachte, es würde sich dann bessern, aber es wurde nur noch schlimmer. Die folgenden Worte brannten sich in ihre Haut und sollten sie nie wieder verlassen. „Dafür, dass du mich so wütend gemacht hast, sollte ich dich bestrafen.“ Und das tat er auch. Er schleifte die junge Frau zu seinem Bett und warf sie darauf.

In diesem Moment wünschte sie sich, er hätte noch ein weiteres Mal zu geschlagen und ihr damit das Bewusstsein genommen. Aber das hatte er nicht getan. Vielleicht absichtlich, vielleicht nicht, aber es war nicht passiert. Blut tropfte aus ihrer Nase und von ihrer Unterlippen, wie er sie aufs Bett drückte und grob entkleidete. Der Stoff zerriss. Die Tränen liefen ihr das Gesicht hinunter, doch sie wusste genau, dass sie keine Chance hatte. Sie konnte sich nicht wehren, sie könnte nicht gewinnen, sie musste es einfach geschehen lassen. Ihre Strafe…

Ihr wurde bewusst, warum all die anderen Angst vor ihm hatten. Warum sie sie schief ansahen, wenn Lyn ihn als einen Helden und Engel beschrieb. Das war er nicht. Er war ein Monster. Ein Monster, das sie gerettet hatte, um sie zu missbrauchen. Die Berührungen brannten auf ihrer Haut, seine Geräusche stachen in ihren Ohren, aber irgendwann waren auch ihre Schreie verklungen. Es war einfach vorbei. Sie gab auf. Was sollte sie tun, was sollte sie sich wehren, wenn es doch nur noch mehr schmerzte… Das war ihre Strafe, dafür, dass sie vorlaut gewesen war. Aber das war noch lange nicht das Ende. Nachdem Howland mit ihr fertig war, verbrachte Lyn den Rest der Nacht in ihren zerrissenen Kleidern im Kerker. Schlaf fand sie nicht. Ihr gesamter Körper schmerzte und es war bitterlich kalt. Ihr Gesicht bettete sie irgendwann in einem kleinen See aus ihren Tränen und blickte aus dem Kellerfenster nach draußen. Sie sah die Sterne vorbeiziehen und fragte sich, was sie alles geben würde, um nur einmal frei zu sein…
 

Jahre später tat es noch mehr weh, aber Lyn hatte sich mit dem Schicksal abgefunden. Wenn sie einen Fehler machte, wurde sie von ihrem Herrn geschlagen, wenn es ein größerer Fehler war oder auch wenn er einfach nur Lust dazu hatte, wurde sie vergewaltigt. Und die meisten Nächte verbrachte sie in der kleinen Zelle des Kerkers, denn sonderlich geschickt war Lyn nicht mehr. Die Angst davor Fehler zu machen, ließ ihre Hände immer mehr zittern und ihre Fehler häuften sich. Sie wollte es nicht, sie wollte Sir Howland auch nicht verärgern, aber sie konnte nichts machen. Und mit der Zeit wurde das ungeschickte, junge Mädchen zum Lieblingsspielzeug des Hausherrn… Ihre Stimme verstummte immer mehr und unterdrückt und gedemütigt lebte sie von Tag zu Tag weiter und hoffte doch nur, einmal das Schloss verlassen zu können und sich wieder frei zu fühlen, doch mit der Zeit verschwand die Hoffnung auf diesen Traum immer mehr…

Über 100 Jahre war sie in dem Schloss dieses Herrn, als sich ein Gast angekündigt hatte, der Lyns Leben für immer verändern sollte. Und der Hausherr war aufgebracht.

„Nichts darf schief gehen! Wenn auch nur einer von euch einen Fehler macht, dann werdet ihr das für den Rest eures verdammten, wertlosen Lebens bereuen, habt ihr das verstanden?“, so endete seine lange Einweisung und Lyn bekam es mit der Angst zu tun, denn so wütend hatte sie Sir Howland noch nie gesehen. Aus irgendeinem Grund lag ihm unglaublich viel daran, dass dieser Besuch gut über die Bühne ging. Das junge Mädchen war aufgeregt, wer es wohl sein könnte und tatsächlich sollte sie die Person gut kennen lernen.

Als der Gast ankam, war noch dabei den Boden in der Eingangshalle zu schrubben. Sie waren offensichtlich zu früh da oder Howland hatte sich vertan, denn lange war sie noch nicht dabei, doch die beiden Personen nahmen kam Notiz von ihr und sprachen einfach weiter.

„Ihr habt Bedenken, Milady?“, fragte der Mann mit den grauen Haaren.

„Ich kann ihn nicht ausstehen. Er ist ein schrecklicher… Mann. Wenn man so sagen kann“, sagte die Frau mit einem kühlen Ton.

„Wie kommt das? Und warum beehren wir ihn dann mit unserer Anwesenheit?“

„Werwölfe, die Richtung dem Rudel vorziehen und ein hohes Ansehen bei Vampiren genießen, sind eigentlich immer Monster. Es bedeutet, dass sie ihren Ruhm auf Grund von Leichen ihrer eigenen Rasse aufgebaut habe. Ich verabscheue dieses Verhalten“, erklärte die Dame ruhig. Aus großen Augen starrte Lyn sie an. Ja, Sir Howland war ein Werwolf und doch kamen viele Vampire zu ihnen, um mit ihm zu Essen und über Geschäfte zu reden. Und die meisten blickte durch Lyn hindurch, selbst wenn sie schrie und wimmerte, sie wurde von ihnen ignoriert. Aber diese Frau schien anders, erstaunt blickte Lyn sie an, da drehte sie sich zu ihr um, und ihre kalten Augen sahen sie an. Sie sahen sie wirklich an, nicht durch sie hindurch. „Er hat lange Zeit Geschäfte mit Atticus geführt. Deshalb muss ich mit ihm reden“, sprach sie weiter und wandte den Blick wieder ab, „Aber ich kann ihn nicht ausstehen. Schleimiges Monster, Verräter an der eigenen Rasse…“

Lyn war sprachlos, hatte diese Dame ihn durchschaut? Aber Hoffnung gab es in ihrem Körper nicht mehr. Niedergeschlagen stand sie auf und räumte das Putzzeug weg um sich in der Küche zu melden. Das Essen war groß aufgefahren, es bestand aus mehreren Gängen und ausgerechnet Lyn war eingeteilt, das Essen auf den Tisch zu tragen. Ihre Hände zitterten und immer lag der strenge Blick ihres Herrn auf ihr. Nur die Beiden saßen, Sir Howland und Lady Necia. Auch der Bedienstete der Lady saß mit am Tisch, doch er selbst aß nichts. Lyn war mehr als nur nervös und doch überlebte sie die ersten vier Gänge, bis ihr die Hand ausrutschte. Nicht bei ihrem Herrn doch bei dem Gast, sie stieß gegen das Weinglas. Es zerbrach am Ende des Tisches und der restliche Wein tropfte auf Necias Kleid. Während die junge Werwölfin sich panisch entschuldigte und nach einer der Servierten greifen wollte – nicht ohne dabei selbst in die Scherben zu langen, begann Sir Howland sie anzuschreien.

Doch die Vampirin blickte sie nur ruhig an, während Lyn sich immer wieder entschuldigte und nur einmal zum Luft holen eine Pause machte. Ein leichtes Lächeln lag auf den roten Lippen der Herrin. „Es ist nur Stoff. Du bist verletzt. Lass das verbinden“, sagte sie ruhig und wandte sich wieder dem Essen zu. Lyn machte große Augen, doch während ihr Herr noch wütend war, nahm sie das als Entschuldigung um zu fliehen und verband sich in der Küche die Hand. Dort begann sie auch zu weinen und konnte gar nicht mehr zurück an den Tisch, so aufgelöst und verzweifelt war sie über den Vorfall. Es wurde erst besser, als sie einige Zeit später wieder die Stimme der Vampirin hörte.

„Ich sagte dir, er ist ein Verbrecher“, sprach sie ruhig, während sie mit ihrem Begleiter an der Küche vorbei schritt und Lyn blieb das Herz stehen. „Cholerischer, wahnsinniger Verbrecher.“

„Milady, mir ist es auch zuwider, wie er die junge Wölfin behandelt hat, aber wieso verleitete Euch das zu so einem Äger?“ Das war auch das, was Lyn so interessierte, denn bis jetzt hatte niemand von ihr Notiz nehmen wollen, auch wenn sie noch schlimmere Sachen als nur das Geschrei bemerkt hatten.

Die Antwort war erschreckend und verwirrend zu gleich. „Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe. Manchmal bist du mir viel zu unschuldig, Cruor. Du hast nicht gesehen, was ich in ihren Augen sah…“
 

Einige Stunden später wurde Lyn zu ihrem Herrn gerufen. Sie hatte Angst, denn sie wusste, was passieren würde. Es war mitten in der Nacht und es war ihr bewusst, dass er nur eines wollen konnte. Und sie war langsam an dem Punkt, an dem sie glaubte, er habe auch Recht dazu. Sie gehörte Bestraft. Sie hatte das Essen ruiniert. Für ihn und Sir Howland hatte sich viel davon versprochen. Mit gesenkten Kopf kam sie in sein Schlafzimmer und ließ sich von ihm zusammenschreien, was sie alles ruiniert hatte und dass nur sie Schuld war. Die Worte schmerzten noch immer. Der Teil der nach folgte war kaum noch schmerzhaft. Die Narben wurden immer tiefer, aber Lyn hatte sich daran gewöhnt. Noch immer hatte sie Angst, aber sie ertrug es. Still. Ohne Schreien. Schon seit Jahren schrie sie nicht mehr und ertrug es, wenn er sie zur Strafe vergewaltigte. Aber die Tränen hatte sie nicht ablegen können. In all den Jahren nicht. Es schmerzte körperlich vielleicht kaum noch, weil sie es kannte, aber was es mit ihrer Seele anstellte, daran konnte man sich nicht gewöhnen…

Noch gebrochener als zuvor, schlich sie aus dem Zimmer, als er fertig mit ihr war. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht, ihr Körper zitterte und sie wollte nur noch in die Sterne blicken und hoffen, dass sie bald alles vergessen und verdrängen könnte, doch als sie aus dem Zimmer in den Flur trat, kam ihr jemand entgegen. Sonst war so spät niemand mehr unterwegs, die Wachen standen an ihrem Platz. Und noch merkwürdiger war die Person. „Lady… Lady Necia“, stotterte sie und bekam große Augen.

Die Frau blickte sie ruhig an und blieb vor ihr stehen. „Du weinst. Alles in Ordnung?“, fragte sie mit ruhiger, kühlen Stimme. Eifrig nickte das Mädchen, doch die Vampirin schüttelte den Kopf. „Nein… Ist es nicht“, und damit hatte sie Recht, einen langen Moment starrte die Frau sie an, dann nickte sie als hätte sie einen Entschluss gefasst. „Kannst du mir einen Gefallen tun, Kleine?“

Sofort nickte Lyn und blickte sie an. „Jeden, Milady.“

Necia musterte sie: „Wie ist dein Name?“

„Lyn… Lyn Sola…“

„Gut“, sagte sie ernst, „Lyn, hör mir gut zu. Was auch immer deine Befehle sind, du wirst jetzt auf dein Zimmer gehen oder wo immer deine persönlichen Sachen sind, und sie zusammenpacken. Du packst alles, was du behalten willst zusammen und schläfst. Und morgen früh nimmst du deine Sachen und triffst mich vor den Toren der Villa. Ich breche mit den ersten Sonnenstrahlen auf, sei pünktlich. Verstanden?“ Unsicher nickte sie, und dann war die Herrin auch schon an ihr vorbei getreten. Sie stand vor Sir Howlands Tür und klopfte. Und nach einer kurzen Zeit trat sie ein.

Lyn blickte ihr nach und verstand nicht, was die Frau um diese Zeit noch dort machte, aber dann erinnerte sie sich an ihre Worte und eilte zu dem Raum, wo die Angestellten ihre Kleider und anderen Sachen aufbewahren durften. Eine wirkliche Tasche hatte sie nie von ihrem Herrn bekommen, aber nach etwas Übung schaffte sie es alles sicher in ein großes Tuch zu wickeln. Es war auch nicht viel. Dann sollte sie sich schlafen legen, aber sie konnte nicht. Ständig fragte sie sich, was da passiert war. Was Lady Necia bei ihrem Herrn tat und ob sie ihr wirklich angeboten hatte, sie hier rauszuholen…

Schlafen tat Lyn in dieser Nacht nicht. Sie hatte Angst zu verschlafen. Am nächsten Morgen war sie als erstes vor den Toren, drückte ihr Bündel an sich und wartete darauf, dass sie Sonne endlich aufging, als auch schon der Wange, der Lady vorfuhr. Mit großen Augen sah Lyn den grimmigen Fahrer an, der dort stand und sie ebenso verwirrt ansah.

„Ist in Ordnung, Siska, sie gehört jetzt zur Familie“, erwiderte ein Stimme hinter Lyn und Necia trat an sie heran. Ihr anderer Bediensteter folgte mit den Koffern und nahm dann auch Lyn ihr Bündel ab um es im Wagen zu verstauen. Irritiert starrte das junge Mädchen sie an. Es war das erste Mal, dass sie wirklich das Gelände des Schlosses verlassen würde.

„Was…“, fragte sie zögerlich und sah die Lady an, „Bedeutet… ich gehöre zur Familie?“

Necia lächelte und schritt zum Wagen. „Ich habe gestern Abend mich lange mit Sir Howland…“, sie überlegte einen Moment, aber noch immer lag ein Lächeln auf ihren Lippen, „Unterhalten. Der Geschäfte wegen und am Ende sagte er zu mir, ich könnte alles von ihm mitnehmen, als Zeichen unserer Abmachung, was ich will. Und ich habe mich entschieden, dass ich dich mitnehmen will.“

„Warum?“, auch wenn sie sich schnell die Hände vor den Mund legte, war sie doch neugierig.

„Weißt du. Manchmal habe ich ein gutes Herz, Kleine“, erklärte die Vampirin ruhig, „Und jetzt steige ein, ich will nicht länger als nötig hier sein. Ich kann diesen Verbrecher nicht lange ausstehen.“

Und Lyn folgte ihr. Sie saßen in dem großen Wagen ihrer neuen Herrin und sie verließ endlich dieses Schloss, dass sie so gequält hatte. Lange blickte sie aus dem Fenster und sah zu, wie es immer kleiner wurde und schließlich verschwand. Sie war frei und sie würde in einem neuen Schloss leben dürfen. Auch mal die Mauern verlassen, spazieren gehen ein eignes Leben haben dürfen. Necia versprach ihr das alles und auch der andere Wolf begrüßte sie freundlich und erzählte ihr von dem Schoss, zu dem sie nun fuhren. Und es klang wirklich gut. Sie hatte die Hoffnung schon aufgeben und doch kam es zurück zu ihr. Ein neues Zuhause. Ein echtes Zuhause.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Purrgatory
2013-04-18T12:37:14+00:00 18.04.2013 14:37
This Feelings Q////Q
*wein*
Oh man... Das ist so...hrm... ._. Bin jetzt traurig und tief gerührt und ja...
Du weißt. ._.
Ein tolles Kapitel. Danke schön.
Von:  Kureimeiji
2013-04-12T09:15:59+00:00 12.04.2013 11:15
Super schönes Kapitel qwq!
ach lyn-Baby!!!! So moveing!


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