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Maskenball

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Maskenball

Blassrosa Augen fuhren mit kritischem Blick über das lange, hellbraune Haar, das ihr – durch eine große Schleife zurückgebunden – elegant über die Schultern fiel. Ein weinrotes Kleid schmiegte sich perfekt um ihre schlanke Taille, lief dann in sanften Falten bis zum Boden aus und verdeckte die hohen Schuhe. Es wirkte nicht allzu schlicht, aber auch nicht besonders aufsehenerregend – genauso wie sie es am liebsten mochte. Das Paar weißer Ohrringe ihrer Mutter und eine dazu passende Kette rundeten die Erscheinung formvollendet ab. Sharon gefiel ihr Spiegelbild.
 

„Wollt Ihr noch etwas Puder auftragen?“, fragte eine der Dienerinnen vornehm und ließ sich von einer anderen bereits die Dose reichen, bevor sie sah, dass Sharon zufrieden den Kopf schüttelte.

„Mein Gesicht wird doch ohnehin keiner sehen“, meinte sie. „Außerdem finde ich es gut, wie es ist.“

Ein plötzliches Klopfen an der Zimmertür lenkte ihre Aufmerksamkeit vom Spiegel ab und sie hörte Breaks Stimme von draußen fragen: „Lady, seid Ihr schon fertig?“

Nervös strich Sharon ein letztes Mal über ihr Kleid. „Komm rein“, antwortete sie dann und beobachtete gespannt, wie Break den Raum betrat.

„Ich wollte-“ Er stockte jäh, als er Sharon erblickte und musterte sie mit überraschter Miene. Im ersten Moment meinte sie, bei ihm eine Spur von Verlegenheit zu erkennen, doch ihr Eindruck verflog nur Sekunden später, als seine Lippen sich zu einem spöttischen Grinsen kräuselten.

„Man könnte denken“, sagte er in sowohl höflichem als auch höhnischem Ton, „Ihr plant, heute Nacht nicht allein zurückzukehren.“
 

Sharon spürte die Hitze ihre Wangen aufsteigen und bedauerte, nichts Schweres in der Nähe zu haben, womit sie nach Break werfen konnte. Ganz sicher hatte sie sich eben in ihm getäuscht!

„Was geht dich das an?“, fauchte sie. „Solltest du dich nicht besser auch umziehen? Oder willst du etwa so auf einen Ball gehen?“ Sie betrachtete seine gewöhnliche Alltagskleidung mit so viel Geringschätzung, wie sie aufbringen konnte.

„Ich werde nicht gehen“, entgegnete Break schlicht. „Ich bin nur gekommen, um Euch zu sagen, dass die Kutschen bereit stehen.“

Sharons Wut war auf einen Schlag verschwunden. „Warum gehst du nicht?“

„Ich muss arbeiten“, sagte Break und lächelte ob ihrer entrüsteten Reaktion.

„Aber das hat dich sonst auch nicht abgehalten mich zu begleiten“, ereiferte sich Sharon weiter. Sie war sich sicher, dass er nur eine Ausrede benutzte und in Wirklichkeit keine Lust auf das Fest hatte.

„Lady“, seufzte Break ungeduldig, „ich habe wirklich noch viel für Pandora zu erledigen und Reim macht mir die Hölle heiß, wenn ich ihm schon wieder alles aufhalse. Außerdem wisst Ihr doch genau: Ich kann überhaupt nicht tanzen.“
 

Er kehrte ihr den Rücken zu, öffnete die Tür zum Flur und hielt sie für Sharon auf. „Nun beeilt Euch besser!“, sagte er. „Die anderen warten schon.“

Wortlos nahm Sharon ihre Maske von der Kommode – eine schöne rote, die mit weißen Federn geschmückt war und Augen und Nase bedeckte – und verließ das Zimmer. Sie folgte Break schweigend durch die Villa, bis sie in der Eingangshalle auf Oz, Gilbert, Alice und Oscar stießen, die längst zur Abfahrt bereitstanden.

„Du siehst toll aus, Sharon“, rief Oz ihr zu, während sie die Treppe zu ihnen hinunterstieg und Sharon kam nicht umhin, sich geschmeichelt zu fühlen, obwohl sie diese Worte lieber aus dem Mund einer anderen Person gehört hätte. Beschämt dankte sie ihm und mühte sich, den missbilligenden Blick von Alice zu ignorieren, die in ihrem kurzen, schwarzen Kleid nicht minder hübsch aussah. Dann passierten sie gemeinsam das Haupttor und traten hinaus in die milde, sternenklare Frühlingsnacht.
 

Sharon fieberte dem bevorstehenden Ball bereits seit Monaten entgegen. Wie ein kleines Kind hatte sie sich gefreut, als die Einladung bei der Familie Rainsworth eingegangen war und ihre Großmutter ihr eröffnet hatte, sie an ihrer Stelle schicken zu müssen, um selbst wichtige Termine einhalten zu können. Nicht nur, dass Sharon für alle möglichen offiziellen Anlässe zu begeistern war, liebte sie vor allem jene, auf denen getanzt werden durfte. Ein Maskenball hatte noch etwas zusätzlich Reizvolles und so hatte sie kaum abwarten können, bis der Tag endlich gekommen war. Doch nun, wo sie in der Kutsche saß und mit halbem Ohr den Gesprächen von Oz und Alice lauschte, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass sie einfach zuhause geblieben wäre. Woher dieser plötzliche Gefühlsumschwung kam, konnte sie sich nicht einmal selbst genau erklären…
 

Es dauerte kaum eine Stunde – viel zu schnell für Sharons Geschmack – bis sie schließlich die Auffahrt zum riesigen Anwesen ihres Gastgebers erreicht hatten. Die Villa war schon von außen so prachtvoll wie keine zweite und die Kutschen der anderen Besucher, die auf dem Hof standen, schier unzählbar. Eine ganze Dienerschar kümmerte sich um den Empfang und geleitete die Adligen in den geräumigen Festsaal. Sharon kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie die Schönheit und Vielfalt der Masken und Kleider, die Menge und Auswahl des üppigen Buffets und die auffällige Dekoration des Saals sah. Auch dem Rest der Gruppe schien es für einen Augenblick die Sprache verschlagen zu haben, selbst wenn Sharon ihre verblüfften Gesichter hinter den Masken nicht erkennen konnte.
 

Eilig suchten sie sich einen der letzten freien Tische am Rande der Tanzfläche und kaum, dass sie sich gesetzt hatten, war Alice auch schon verschwunden und belud sich den Teller mit den verschiedensten Fleischgerichten. Oz und Gilbert stürmten hinter ihr her, um zumindest einen Teil der Etikette noch zu retten, und während Oscar sich angeregt mit einem der Aristokraten unterhielt, hatte Sharon genug Zeit den Blick durch den Festsaal schweifen zu lassen. Er bestand aus einem runden Raum mit hoher Decke und der Eingangstür auf der einen und zwei breiten Treppen auf der gegenüberliegenden Seite. Beide führten zu einem großen Balkon hoch, von dem aus man den ganzen Saal überblicken konnte. Darunter waren die Instrumente des Orchesters aufgebaut, an denen bisher noch niemand spielte.
 

Gedankenversunken beobachtete Sharon die essenden und schwatzenden Gäste, bis Oscar sie sacht an der Schulter anstieß und aus ihren Tagträumen riss. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er sich von seinem Gespräch abgewandt und neben ihr Platz genommen hatte.

„Warum so betrübt?“, fragte er.

Ratlos zuckte Sharon mit den Schultern – bat im stummen Gebet darum, er möge nicht aussprechen, was er zu ahnen schien – und war heilfroh, als genau in diesem Moment Oz und Gilbert mit der zeternden Alice im Schlepptau zurückkehrten. Schnell zwang sie sich zu einem aufgesetzten Grinsen und täuschte Belustigung darüber vor, wie Gilbert bei dem Versuch scheiterte, Alice den Gebrauch von Besteck näherzubringen. Doch in das schallende Gelächter von Oz und Oscar schaffte sie dennoch nicht einzustimmen.
 

Für nichts in der Welt hätte Sharon zugegeben, dass sie sich unwohl fühlte, weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben nicht von Break begleitet wurde. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie vergebens nach ihm Ausschau hielt, bis ihr wieder einfiel, dass er ja überhaupt nicht mitgekommen war. Dann fragte sie sich, was er zuhause in der Villa wohl gerade tat und ob er es bereute, dort geblieben zu sein. Bestimmt war er längst dabei, Reim mit seiner unkonventionellen Art in den Wahnsinn zu treiben. Der Gedanke ließ ihr ein flüchtiges Lächeln um die Lippen spielen…
 

Bereits eine Viertelstunde später setzte die Musik ein und sofort wurde die Tanzfläche mit Paaren überflutet, die in ausladenden Bewegungen über das Parkett wirbelten. Sharon betrachtete das bunte Farbenmeer mit Faszination, bis Oz und Alice sich zum Tanz erhoben und der Neid ihr völlig unvermittelt einen schmerzhaften Stich versetzte. Hastig schüttelte sie den Kopf, als wolle sie das bittere Gefühl loswerden wie ein Insekt aus den Haaren. Was machte es schon, wenn die anderen sich amüsierten? Break hätte ohnehin nicht mit ihr getanzt. Seufzend fiel Sharons Blick auf Oscar, der mit seinem fünften Glas Wein auf ihren Tisch zuwankte und für eine Sekunde überlegte sie, ob der Abend vielleicht erträglicher würde, wenn sie sich ebenfalls ein paar Gläser genehmigte.
 

Nach einer Reihe fröhlicher Lieder folgte nun etwas sehr Ruhiges und die tanzende Menge passte sich dem langsamen Rhythmus der Musik an, sodass plötzlich der ganze Saal in Zeitlupe zu verfallen schien. Sharon erkannte die Melodie und hätte sich am liebsten die Hände auf die Ohren geschlagen, denn obwohl sie dieses Lied liebte, weckte es hier – an diesem Ort und in dieser Situation – eine Traurigkeit in ihr, die ihr Herz zu zerreißen drohte. Konnte denn nicht endlich Mitternacht sein, damit die Gesellschaft ihre Masken abnahm und wieder nach Hause fuhr?
 

„Junge Dame, dürfte ich Sie zum Tanz auffordern?“

Sharon brauchte einen Moment um zu realisieren, dass sie gemeint war. Perplex hob sie den Kopf und starrte auf die ausgestreckte Hand eines großen, schlanken Mannes in schwarzem Anzug, der so unerwartet neben ihr aufgetaucht war, dass sie meinte, er sei aus dem Nichts erschienen. Sein helles Haar war im Nacken zu einem einfachen Knoten geflochten, die rote Iris seines rechten Auges funkelte aufmerksam unter einer schwarzen Maske hervor, die linke war verdeckt – und Sharon glaubte, einen elektrischen Schlag zu verspüren.
 

„Break!?“, rief sie entgeistert und stand ruckartig auf. „Was machst du denn hier?“

„Break?“, wiederholte der Fremde mit argloser Stimme. „Wovon sprechen Sie, Miss?“

Irritiert ließ Sharon den Blick über die Erscheinung des Mannes gleiten. Er hatte Breaks Statur, seine Haare, sein Auge und selbst die Stimme passte zu ihm. Andererseits verdeckte die Maske einen Großteil seines Gesichts und eine solche Kleidung hatte sie bei ihm auch noch nie gesehen, obwohl sie seine Garderobe gut kannte. Es war schwer einzuschätzen, wen Sharon tatsächlich vor sich hatte, doch sie lebte bereits so lange mit Break unter einem Dach, dass sie sich fast sicher war, er müsse es sein.
 

„Warum bist du nicht gleich mit uns gekommen?“, fragte sie eine Spur reservierter und der Mann schenkte ihr ein unergründliches Lächeln.

„Ich weiß zwar nicht, was Sie meinen“, antwortete er, „aber möchten Sie nun mit mir tanzen oder soll ich jemand anderen bitten?“

Zögernd ergriff Sharon seine Hand und er zog sie so ruckartig an sich, dass sie ihn umklammern musste, um nicht zu stürzen. Dann legte er die rechte Hand behutsam an ihren Rücken, lenkte ihre linke zu seiner Schulter und schob sie beide vorsichtig in die dichte Masse aus Tänzern hinein. Sharon wunderte sich, wie sicher er die richtige Haltung beherrschte, spürte im Gegenzug aber eine Zurückhaltung bei Führung und Schrittfolge.

„Du bist nicht so schlecht wie du immer behauptet hast“, sagte sie und grinste verschmitzt. „Mit wem hast du heimlich geübt?“

„Sie müssen mich mit jemandem verwechseln, Miss“, sagte der Mann ausdruckslos und hob ihren Arm zu einer Drehung über ihren Kopf. Sharon beschloss, bei seinem kleinen Spielchen mitzumachen und entgegnete mit übertriebener Höflichkeit: „Oh, verzeihen Sie, mein Herr! Da habe ich mich wohl vertan.“
 

Das Orchester stimmte wieder ein schnelleres Lied an, doch Sharon nahm nur unterschwellig wahr, dass sich auch die Bewegungen der anderen Paare veränderten. Ein unglaubliches Gefühl berauschender Glückseligkeit jagte durch ihre Venen, während sie dem Takt der Musik folgte und wie im Traum über die Tanzfläche zu schweben schien. Abermals drehte sie ihr Partner im Kreis, dass ihr rotes Kleid aufbauschte und ihr Kopf schwindelig wurde. Eine angenehme Leichtigkeit, welche sie die ganze Welt um sich herum vergessen ließ, nahm von ihr Besitz und für den Augenblick existierten da nur noch sie und er, wie sie gemeinsam über das Parkett flogen. Sharon wünschte sich, es würde niemals enden.
 

Der Fremde lächelte sanft, als er ihr ausgelassenes Lachen hörte und warf sie nur noch stärker umher. Schweigend tanzten sie Lied um Lied, obwohl sie bald außer Atem waren und sich schon viele Gäste wieder gesetzt hatten. Die Feier strebte merklich ihrem Höhepunkt entgegen und kaum erklangen die Töne des letzten, langsamen Stücks, schlang ihr Partner plötzlich seine Arme um Sharon und zog sie eng zu sich heran.

„Wir müssen bald aufhören“, flüsterte er in ihr Ohr und Sharon spürte ein wohliges Kribbeln durch ihren Körper fahren. „Das war ein unvergesslicher Abend mit Ihnen.“

Langsam vergrub er eine Hand in ihrem Haar und legte ihr den Kopf in den Nacken, sodass sie ihm ins Gesicht sehen musste. Sharons Herz begann zu rasen, als würde es ihr gleich aus der Brust springen. Nie war sie einem Mann so nah gewesen wie diesem.

„Das sehe ich genauso… Break“, hauchte sie zurück und er versiegelte ihre Lippen mit seinen.
 

Vollkommen bewegungslos standen sie in der Mitte des Saals, umgeben von zahllosen Tänzern, die sich zur sinnlichen Melodie des Geigenspiels hin und her wogen wie Blätter im Wind. Der Kuss schien ewig anzudauern und kam Sharon doch viel zu kurz vor, als ihr Gegenüber sich schließlich wieder von ihr löste und sein rotes Auge sie fast belustigt musterte.

„Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen“, wisperte er.

Zaghaft fuhr Sharon mit den Fingern an seiner Wange entlang und strich über die schwarze Maske, bis er ihre Hand abrupt mit seiner umfasste und beide zusammen sinken ließ.

„Sie wollen sich jawohl nicht die Überraschung verderben, oder?“, fragte er leise, schob Sharon behutsam auf Abstand und begann ihren letzten gemeinsamen Tanz.
 

Sharons Gesicht glühte, doch sie konnte sich nicht erinnern, wann sie jemals etwas so genossen hatte. Trotz tauber Füße – die gewiss den hohen Schuhen zuzuschreiben waren – schaffte sie eine weitere Drehung und streifte dabei nur zufällig mit dem Blick den großen Balkon am anderen Ende des Raumes. Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen und meinte zu spüren, wie ihr Magen ihr bis in die Kniekehlen rutschte. Dort oben, lässig über die Brüstung gelehnt, stand eindeutig Break in seinem üblichen weißen Mantel und schaute auf Sharon und ihren Tanzpartner hinab. Ob er einen erfreuten oder enttäuschten Eindruck machte, ließ sich auf die Entfernung nicht bestimmen.
 

„Ist etwas geschehen, junge Dame?“, fragte der Fremde bedächtig und seine Stimme riss Sharon wie ein Peitschenschlag aus ihrer Starre.

„N- Nein“, murmelte sie und legte ihren Arm rasch zurück an seine Schulter. Es war ihr nur Recht, dass er nun wieder die Führung übernahm und sie hoffte inständig, er würde nicht bemerken, wie unkonzentriert sie auf einmal war. Ohne zu blinzeln versuchte sie ihre Augen fest an den Balkon zu heften, um abzuwägen, ob Break möglicherweise nur eine Täuschung gewesen war, aber er verschwand nicht, egal wie lange Sharon auch wartete. Eine Flut aus Gefühlen brandete in ihr empor, in der sich die Wut auf sich, die Scham, dass Break sie so gesehen hatte, und die jähe Angst vor diesem unbekannten Mann vermischten und über ihr zusammenschlugen.
 

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Orchester endlich verstummte, doch als der tosende Beifall der Gäste den Festsaal zum Erbeben brachte, zog Sharon sofort die Hände von ihrem Tanzpartner, nuschelte ein knappes „vielen Dank“ und drängelte sich durch die klatschende Menge zurück zu den Sitzplätzen. Sie wagte nicht, sich noch einmal umzusehen, beschleunigte stattdessen ihren Schritt und konnte erst erleichtert durchatmen, als sie den Tisch und den Rest der Gruppe gefunden hatte.
 

„Sharon, ist alles in Ordnung? Du bist furchtbar blass“, bemerkte Oz voller Besorgnis und beobachtete, wie sie sich neben ihn auf einen Stuhl fallen ließ.

„Mir geht’s gut, danke“, antwortete sie abwesend, blickte empor zum Balkon und suchte nach einem Zeichen von Break, doch es war niemand mehr zu sehen und der Saal war so voll, dass sie auch den Mann mit der schwarzen Maske nicht wieder entdeckte.

Zweifelnd schob Oz ihr ein Glas Wasser zu und sagte: „Trink mal was.“ Es klang eher nach einem Befehl als einer Bitte und Sharon nahm das Glas kommentarlos entgegen.
 

Sie hörte, wie der Gastgeber des Balls mit einer Rede begann, konnte den Sinn seiner Worte aber nicht richtig aufnehmen, weil ein gleichmäßiges Summen ihre Ohren zu blockieren schien. Es kam ihr einfach unbegreiflich vor, wie sie sich dermaßen hatte täuschen lassen. Dieser fremde Mann war Break so ähnlich gewesen, dass sie gewettet hätte, sie seien ein und dieselbe Person. Nun bereute sie es fast ein bisschen, ihm die Maske nicht vom Gesicht gerissen zu haben. Konnte sie wirklich so blind und naiv gewesen sein? Bei der Erinnerung an den Kuss und – was noch viel schlimmer war – daran, dass Break ihr dabei zugesehen hatte, schoss Sharon die Schamesröte ins Gesicht. Diese Geschichte würde er ihr ein Leben lang vorhalten…
 

„Sharon, kannst du aufstehen?“, fragte Oz und streckte ihr die Hand entgegen. Die Rede war vorüber, das Fest beendet und die Besucher hatten ihre Masken abgenommen. Viele unterhielten sich noch mit den neuen Bekanntschaften, die sie diesen Abend gemacht hatten, andere schwärmten bereits in Richtung Ausgang davon. Sharon hatte von alledem nichts mitbekommen und es interessierte sie auch nicht. Sichtlich zerstreut ließ sie sich von Oz aufhelfen und folgte den anderen nach draußen zu den Kutschen. Die kalte Nachtluft kam unerwartet, tat aber gut, um den Kopf nach den wirren Gedanken wieder ein wenig zu kühlen. Erst als Sharon Break bei den Wagen stehen sah, wurde ihr bewusst, dass sie sich ihm jetzt wohl oder übel stellen musste.
 

„Was machst du hier, Break?“, zischte sie und wurde das Gefühl nicht los, ihm diesen Satz heute zum zweiten Mal zu sagen.

„Welch Begeisterung!“, entgegnete Break mit überspitzter Ironie. „Ich hatte gehofft, es würde Euch freuen, wenn ich Euch abhole, wo ich schon nicht dabei sein konnte.“

Er beugte sich leicht zu ihr hinab, sodass nur sie ihn hören konnte und fügte feixend hinzu: „Aber wie ich gesehen habe, habt Ihr mich nicht sonderlich vermisst, Lady.“

Sharons Hautfarbe wechselte sekundenschnell in ein tiefes Rot, das dem ihres Kleides in nichts nachstand. Wütend schob sie sich an Break vorbei, stieg stumm in die Kutsche zu Oz und Alice und versuchte, ihr aufgewühltes Herz zu beruhigen. Nie wieder würde sie auf einem Ball mit jemandem tanzen, den sie nicht kannte, selbst wenn Break sie glauben ließe, er sei nicht da!
 

Mit dem Peitschen der Zügel setzte sich das Pferdegespann in Bewegung und zog die erste Kutsche der Rainsworth ratternd vom Hof. Break sah ihr nach, bis sie das Grundstück verlassen hatte und wandte sich dann der zweiten zu, als er das Auftauchen einer ihm vertrauten Person bemerkte.

„Das wurde auch langsam Zeit, sonst wären wir noch ohne dich gefahren“, sagte er scherzhaft und beobachtete mit zufriedener Miene, wie Reim den weißen Mantel auszog, die falschen Haare absetzte und seine Brille auf der Nase zurechtrückte.

„Mir ist nicht klar, wie du auch noch gewinnen kannst, obwohl du schon so hoch pokerst“, brummte er und schüttelte ungläubig den Kopf. „Fandest du das ihr gegenüber fair?“

„Ich finde zumindest, dass es sich gelohnt hat“, murmelte Break und fuhr sich unbewusst mit dem Finger über die Lippen. Reim seufzte genervt auf.

„Das habe ich nicht gefragt“, sagte er. „Wie überredest du mich nur immer wieder zu solchen Aktionen? Jetzt habe ich wirklich was gut bei dir, Xerx! Und mal ganz unter uns: Du bist in der Tat ein miserabler Tänzer!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Kiro-san
2018-05-29T22:12:39+00:00 30.05.2018 00:12
Hallo.
Deine Geschichte ist wirklich fantastisch. Finde es zwar ziemlich gemein von Break Sharon so hinters Licht zu führen, aber nagut. Ich würde dir vergeben, wenn es einen zweiten Teil gäbe.
Mit freundlichen grüßen
Von: abgemeldet
2013-04-20T11:01:07+00:00 20.04.2013 13:01
Ich hab gerade deine Fanfiction gelesen und ich muss sagen, dass die einfach nur genial ist!
Vor allem Break ist dir gut gelungen :D
Schade nur, dass die Geschichte ein offenes Ende hat. Ich würde zu gern wissen, wie es weiter geht :3

LG
Von:  TheSixthMonth
2012-12-09T00:23:39+00:00 09.12.2012 01:23
OH MEIN GOTT!
Warum wusste ich nur zwei Sätze nachdem der andere Break auf dem Balkon auftauchte, dass es nicht Break ist? XD
Ich finde die Geschichte sehr schön! *____*
Breaks spitze und ärgernde Art und auch die von Sharon ist dir gut gelungen! >3<
Von:  Jenny-san
2012-12-02T16:05:33+00:00 02.12.2012 17:05
Eine wirklich süße Geschichte! ^^
Ich gebe zu, als es scheinbar so ausgesehen hat, als hätte Break Sharon mit ihrem Tanzpartner beobachtet, war ich zuerst ziemlich verwirrt und habe gedacht: "Wie jetzt? Ist das dann etwa doch nicht Break?!" oO
Aber das hat sich ja am Ende zum Glück doch logisch aufgeklärt und ich fand es sehr amüsant. So eine Aktion passt irgendwie zu Break. XD
Und die arme Sharon ist vollkommen ahnungslos... ^^'
Es wäre sicher interessant, sich vorzustellen, wie sie sich ab jetzt Break gegenüber verhält und ob er ihr irgendwann doch mal reinen Wein einschenkt.


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