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Der Kuss des Kobolds

von

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SIEBEN

Die Explosion war das Lauteste, was ich je gehört hatte und das Heißeste, was ich je gefühlt hatte. Ich musste kurz weggetreten sein, denn ich kam auf dem Rücken liegend zu mir, während Gesteinsbrocken auf mich herab prasselten. Ich drehte mich auf die Seite, um mein Gesicht zu schützen und entdeckte Blake, der ebenfalls gerade, auf dem Bauch liegend, zu sich kam. Er blickte zu mir.

Ich sah, dass seine Lippen sich bewegten, verstand jedoch kein Wort. In meinen Ohren hatte sich ein grausames, all übertönendes Fietschen eingestellt, welches wohl auf die Explosion zurückzuführen war.

Ich kämpfte mich auf die Beine und formte, auf Blakes fragenden Blick hin, das Taucherzeichen für »Alles in Ordnung«. Dann sah ich mich um. Dort, wo sich bis gerade eben das Eingangstor zum Campus befunden hatte, klaffte nun ein riesiges Loch im Boden. Trümmer waren im Umkreis von einhundert Metern verstreut, der Asphalt war einfach weggerissen und Menschen rannten panisch schreiend in Sicherheit. Autos waren durch die Druckwelle beschädigt, der Streifenwagen lag sogar auf der Seite.

Langsam kam auch mein Gehör wieder, als ich immer noch ein wenig benommen zwischen den Trümmern stand. Menschen schrien, ein nahe liegender Busch stand in Flammen und irgendwo muckte die Alarmanlage eines Fahrzeuges, bis sie ganz den Geist aufgab.

Was zum Teufel war hier gerade passiert? Ein Wunder, dass es keine weiteren Verletzten gab.

Wie ferngesteuert näherte ich mich dem Krater, dann war Blake mit gezogener Waffe bei mir.

»Bleiben Sie hinter mir«, sagte er über den Tumult der Szenerie hinweg und sah dabei aus wie ein Cop aus irgend so einem Hollywood-Agentenstreifen. Irgendwie fühlte ich mich sicher.

Ich gehorchte und sah über seine Schulter hinweg in das Dunkel des aufgerissenen Bodens. In der Dunkelheit bewegte sich etwas. Es krabbelte aus der Kanalisation an die Oberfläche.

»Da kommt etwas auf uns zu«, sagte ich unnötigerweise, denn Blake hatte es ebenfalls bemerkt und drängte mich bereits zurück.

Aus einiger Entfernung sahen wir dabei zu, wie sich ein riesiges... Reptil?... vor uns aufbaute. Seine Krallen bewährten Klauen schabten über den Asphalt und seine gelben Schlitzaugen huschten hastig umher. Es war riesig, und grotesk, und riesig, und absolut absurd, und total irreal und riesig.

Konnte jetzt endlich einmal jemand die Ghost Busters rufen?

Blake schien ebenso erstarrt wie ich, denn für ewig währende fünf Sekunden geschah nichts, außer dass wir das Wesen mit großen Augen und offenen Mündern ungläubig begafften. Dann erblickte es uns und der Bann schien gebrochen.

»Laufen Sie«, sagte Blake und deutete mit einer Hand immer wieder Richtung Bibliothek. »Laufen Sie! Los, los, los, los, los!«

Als das Ding mit seinem Schwanz peitschte und dabei einen Hydrant wegfegte, als bestünde er aus Pappe, setzte ich mich in Bewegung.

Ich rannte, quer über den leer gefegten Platz, direkt auf die hohen Stufen der Bibliothek, mit ihren griechischen Säulen, zu. Meine Umhängetasche knallte bei jedem Schritt gegen meinen rechten Oberschenkel. Hinter mir gab das Ungetüm einen unwirschen Laut von sich. Ich drehte mich nicht um, rannte weiter, dann fielen Schüsse. Ich erschrak so sehr, dass ich über meine eigenen Füße stolperte und zu Boden ging. Super. Wie so eine bescheuerte Blondine in irgendeinem x-beliebigen Horrorfilm.

Ich schlug mir die Knie auf, bemerkte es aber kaum. Ein lautes Fauchen ging mir durch Mark und Bein. Die Schüsse verhallten und gerade als ich mich umdrehen wollte, packte mich jemand am Oberarm und zerrte mich auch die Beine.

»Lauf!«, schrie Blake und es schien ihm egal zu sein, dass er mich im Eifer des Gefechts duzte.

Also lief ich, Blake an meiner Seite, die rettende Bibliothek klar vor Augen und ein ziemlich wütendes Reptil im Nacken. Ich war mir sicher, dass das Vieh mit uns spielte. Es musste doch schneller sein als wir.

Etwas griff nach meinen Haaren und scharfe Klauen schnitten ein Stück meiner Kapuze ab. Ich schrie. Das durfte doch nicht wahr sein. Wie war ich hier nur wieder hinein geraten?

»Ich will zurück nach Kansas«, schrie ich und zog das letzte Wort so sehr in die Länge, bis wir die Stufen der Bibliothek endlich erreicht hatten.

Ich bezweifelte, dass wir es ganz nach oben schaffen würden, doch meine Überlegung wurde unterbrochen, als das Reptil einen Riesensatz machte und plötzlich vor uns landete. Die Stufen barsten unter dem Gewicht des Monsters, ein Schlag seines Schwanzes brachte die halbe Bibliothek zum Einsturz und Geifer flog in unsere Richtung, als es seinem Unmut freien Lauf ließ.

Ein Schuss aus Blakes Waffe war völlig nutzlos und machte es nur noch wütender. Wenn uns nicht bald etwas einfallen würde, wären wir ziemlich am Arsch.

Urplötzlich flogen drei Gegenstände durch die Luft, klatschten gegen die Reptilienhaut und blieben dort haften. Verwirrung machte sich breit, doch ich erkannte die Kugeln, die das Ding erfolglos zu entfernen versuchte, sofort wieder.

»Harry«, wisperte ich, als die Bomben zu Piepen begannen und suchte den Himmel ab.

Wütend boxte das Reptil gegen die Statue von Alma Mater, die in der Mitte der Treppe ihren Platz hatte. Das Wahrzeichen vieler Hochschulen flog durch die Luft und landete im nahe liegenden Brunnen, der sofort barst und eine große Fontäne in die Luft spie.

»Deckung!«, rief Blake, als auch er erkannte, was die Kugeln waren und packte mich bei der Hand.

Wir hasteten dem zerstörten Brunnen entgegen, in der Hoffnung, dass seine Trümmer Schutz bieten würden. Sprühregen prasselte hernieder und verwandelte den Boden quasi sofort in eine einzige Eisfläche. Dann detonierten hinter uns zeitgleich die drei Bomben. Eine Druckwelle ließ uns vornüber fallen, noch bevor wir den schützenden Brunnen erreicht hatten. Blake warf sich über mich und drückte mich flach auf den Boden. Die Luft wurde mir aus den Lungen gepresst und ich schnappte keuchend nach Atem.

Gemeinsam rappelten wir uns wieder auf und ich suchte schnell hinter Alma Mater Deckung. Ich sah nach links.

»Blake... Blake!«, rief ich flüsternd und winkte den Officer zu mir, als ich sah, dass er hinter einer Holzbank kauerte.

Kurz sah er nach, ob es sicher war, sich zu bewegen, dann krabbelte er zu mir und ich war erleichtert, als er neben mir hockte.

Ein Surren in der Luft ließ mich aufblicken. Der Gleiter des Kobolds schoss über uns hinweg und schwebte dann über der Stelle, wo das Reptil zu Boden gegangen war. Zu meinem Erstaunen, war es nicht in handliche Teile zerlegt. Blake wagte es, nun auf Harry zu zielen.

»Nicht!«, sagte ich schnell und drückte seinen Arm nach unten. »Das ist der Gute.«

Blake schien mir zu vertrauen, denn er wartete ab, was nun passieren würde. In der Ferne ertönten Polizeisirenen, während der Gleiter des Kobolds an Höhe verlor und das Reptil begutachtete. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Das Vieh musste doch hinüber sein, oder?

Noch während ich dies dachte, öffnete es seine kleinen hässlichen Augen und fixierte den Kobold, der sofort mit seinem Gleiter nach oben schnellte, als das Ding sich bewegte und nach ihm schlug. Fast hätte ich Harrys Namen gerufen und wäre aus meinem Versteck gestolpert, doch Blake hielt mich zurück und sprach in das Funkgerät, welches an seiner Schulter angebracht war.

Ein blau-roter Blitz huschte vom intakten Dachteil der Bibliothek und landete auf dem Reptilienrücken.

»Spiderman«, raunte Blake, während Spidey seine Netze benutze, um dem Monster die Sehkraft zu nehmen. Wenigstens so lange, bis das Reptil sich die Netze wieder von den Augen gerissen hatte. Diese Zeit nutzen Spiderman und der Kobold dazu, um in Teamarbeit das Vieh mit Netz zu fesseln. Das Monster schrie und tobte und wollte irgendjemanden zerfetzen. Der Kobold warf unbeeindruckt eine seiner Bomben in den weit aufgerissenen Rachen des Untiers. Für einen Moment blickte es fast verdutzt drein, dann explodierten seine Innereien, eine Flamme schlug aus seinem Maul und es knallte tot auf die Bibliotheksstufen.

Spiderman verschwand fast augenblicklich, doch der Kobold suchte meinen Blick, als ich langsam hinter der umgestürzten Alma Mater Figur auftauchte. Ich nickte, um zu signalisieren, dass es mir gut ging. Der Kobold nickte ebenfalls, gewann an Höhe und düste über unsere Köpfe hinweg davon. Ich blickte ihm lange hinterher, bis Blake neben mich trat und die ersten Einsatzfahrzeuge das Gelände stürmten.

»Ein Krankenwagen wird gleich da sein.«

»Oh, nein«, sagte ich und zupfte meine verrutschte Kleidung zurecht. »Das wird wirklich nicht nötig sein.«

Blake sah mich abschätzend an.

»Ich fürchte, ich muss darauf bestehen.«

Er legte sacht eine Hand an meinen Rücken und führte mich den Einsatzkräften entgegen. Ich gab mich geschlagen.

»Also gut, aber nur ganz kurz. Mir fehlt wirklich nichts.«

»In Ordnung. Danach fahr ich Sie auch wieder nach Hause«, sagte er daraufhin, obwohl er selbst eine blutende Kopfwunde hatte, die sich dringend mal jemand ansehen sollte.

Dann dachte ich an den demolierten Streifenwagen und runzelte die Stirn.

»Ich denke, ich nehme die U-Bahn.«
 

~ Ende des 7. Kapitels ~



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