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Federspiel

von

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Aus erster Hand

Man konnte sehen, wie es in den Köpfen der drei arbeitete. Bis jetzt hatten sie sich alle Mühe gegeben, um nicht aufzufallen, um niemanden in ihrer Umgebung wissen zu lassen, dass sie die drei legendären Vögel mit sich trugen und dass sie von drei mystischen Energien auserwählt worden waren. Sie hatten es getan, um die Menschen um sich herum zu schützen, um sie nicht in Panik geraten zu lassen. Aber hatten sie es nicht auch für sich getan? Um sich selbst zu schützen? Dass Ishi sie aufhalten wollte, war kein Geheimnis. Und darum war es sicher gut, wenn sie so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregten.

Andererseits – wenn diese Frau nun ganz offensichtlich etwas von der Legende wusste, konnte sie ihnen dann nicht vielleicht weiterhelfen? Aber dafür das Risiko eingehen, vielleicht geradewegs in eine von Ishis Fallen zu laufen?

„Hören Sie, Ma'am…“, begann Gary, doch er wurde augenblicklich von der Frau unterbrochen.

„Mein Name ist Mary. Und ich sehe schon, dass ihr euer Geheimnis eigentlich nicht preisgeben wollt.“ Sie blickte nachdenklich in die Ferne, schien die richtigen Worte zu suchen, um die drei überzeugen zu können. „Ich habe euch mit Arktos, Lavados und Zapdos gesehen, ich weiß, dass ihr Federn sein müsst. Ich nehme an, ihr wart draußen auf der Insel und kennt nun die Legende? Ich kann mir vorstellen, dass ihr jetzt einige Fragen habt… Fragen, die ich euch vielleicht beantworten kann. Denn ich kenne die Legende der Federn ebenfalls. Aber nicht nur von den Steinmauern – ich kenne sie aus erster Hand. Ich würde euch wirklich gern davon erzählen. Damit es dieses Mal vielleicht nicht in einer Tragödie endet.“

Noch immer waren die drei nicht sicher, ob sie Mary vertrauen konnten oder ob das hilfsbereite Auftreten der alten Dame nur ein Trick war, ob das Wort Tragödie, das sie in der Tat hatte aufhorchen lassen, sie nur neugierig machen und in eine Falle locken sollte. Aber auch ohne ein Wort zu wechseln wussten die drei, dass es ihnen allen in diesem Moment ähnlich erging – sie wollten Antworten. Sie waren bereit, das Risiko dafür in Kauf zu nehmen.

„Also schön.“ Diesmal war es Ash, der das Gespräch wieder aufnahm. „Wir haben da in der Tat ein paar Fragen. Wir begleiten Sie, Mary.“

 

Auch Marys Haus war eine Touristenunterkunft, eine kleine Pension, freundlich, schlicht aber gemütlich eingerichtet und momentan von all seinen derzeitigen Bewohnern verlassen, die sich bei dem schönen Wetter lieber am Meer tummelten.

Sie hatten den eisgekühlten Tee angenommen, den Mary ihnen angeboten hatte, weil es für Ishi keinen Sinn machen würde, sie zu vergiften.

„Seid ihr von weither gekommen?“

„Aus Kanto. Zumindest Ash“, Misty deutete auf den Jungen, „und ich. Mein Name ist übrigens Misty. Und das ist Gary.“

„Kanto? Das ist ein weiter Weg.“ Misty nickte.

„Außerdem waren Gary und ich schon einmal auf der Insel, weil uns unsere Vögel dorthin geführt hatten. Danach haben wir Ash gefunden und na ja, nun sind wir wieder hier.“

„Und nun kenne ich die Legende auch, aber blöder Weise sind wir jetzt kein bisschen klüger, was eigentlich unsere Aufgabe ist. Wir hatten gehofft, endlich ein paar Antworten zu bekommen, aber stattdessen sind wir jetzt noch ratloser als vorher.“

„Ja“, begann Mary, „die Inschrift gibt einem in der Tat nicht vor, wie man das Problem beseitigen soll.

„Mary, wo Sie doch wissen, dass dort in den Felsen eine Inschrift steht – könnte es vielleicht sein, dass Sie sie dort hineingeschrieben haben?“ Fragend sah Misty die alte Dame an, die nun den Kopf schüttelte.

„Oh nein, das war nicht ich. Ich weiß nicht, wer es war, oder seit wann die Legende dort steht. Ich weiß nur, dass sie es tut.“

Ash seufzte ungeduldig.

„Könnten Sie uns jetzt bitte endlich sagen, was Sie sonst noch so wissen? Selbst wenn nicht Sie es waren, die den Text in die Felsen geritzt hat – Sie meinten doch, Sie kennen die Legende aus erster Hand und dass wir bestimmt Fragen haben. Wir haben allerdings einige Fragen und wären wirklich froh, wenn wir jetzt zur Abwechslung mal ein paar Antworten bekommen könnten! Schlimm genug, dass die Felswand uns überhaupt nicht weitergeholfen hat, aber jetzt reden Sie auch nur um die ganze Sache herum.“ Ein schwaches Lächeln legte sich auf Marys Lippen, aber ihre Augen blieben ernst.

„Du musst dann wohl die Feuerfeder sein, Junge.“

„Ähm, nein. Ich hab Ellenki. Das mit dem Feuer ist er.“ Er deutete auf Gary und Mary richtete den Blick überrascht auf den Jungen, der das Gespräch bisher nur schweigend verfolgt hatte.

 „Das ist ungewöhnlich…“ Sie wandte sich zurück an Ash. „Aber nun gut, du hast recht, ihr habt lang genug auf Antworten warten müssen. Eins vorweg – ich kann euch nicht sagen, wie ihr Ishi besiegen sollt, das wird am Ende eure Entscheidung sein. Ich kann euch nur erzählen, was beim letzten Mal passiert ist, als die drei Federn erwacht sind.“

„Waren Sie denn dabei?“

„Nicht ganz. Aber ich habe die Geschichte von meiner Großmutter gehört. Der letzte Ishi-Träger, oder zumindest der letzte, von dem ich weiß, das war mein Urgroßvater.“

Hoffnung keimte in den dreien auf. Wenn Mary die Geschichte von ihrer eigenen Familie kannte, wenn sie in ihrer eigenen Familie geschehen war, dann kannte sie doch auch den Ausgang, dann wusste sie, was die damaligen Federn getan hatten, um Ishi zu besiegen.

Ash hibbelte auf seinem Stuhl hin und her.

„Ja und? Wie ging das ganze damals aus? Wie wurde Ishi besiegt?“

Ein Hauch von Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit, als sie antwortete.

„Der letzte Ishi-Träger wurde getötet. Von der Feuerfeder.“ Gary wandte den Blick ab. „Die Federn von damals haben letztendlich keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Es war das einzige, was sie tun konnten, und derjenige, der es letztendlich fertiggebracht hat, war der von Fii Auserwählte. Ich habe von meiner Großmutter gehört – denn als sie ein Kind war, kannte man die Legende hier in der Gegend durchaus noch – dass es für gewöhnlich immer Menschen mit ähnlichem Charakter sind, die von den drei Mächten auserwählt werden. Ein ruhiger, überlegender für Wazu, ein starker, aber strategisch denkender für Ellenki. Und eben ein temperamentvoller, hitziger und kühner für Fii.“

Ash und Misty sahen sich nachdenklich an, während Gary noch immer den Blick abgewandt hatte und leise, kaum hörbar hinter vorgehaltener Hand hustete.

Sie fanden momentan keinen von ihnen in der Beschreibung dieser für die Mächte angeblich typischen Auswahlkriterien wieder und fragten sich einmal mehr, wieso ausgerechnet sie auserwählt worden waren.

Mary fuhr fort.

„Noch dazu soll es wohl oftmals die Feuerfeder sein, die den Ishi-Träger letztendlich tötet um das Gleichgewicht der Mächte wieder herzustellen.“

„Nun, aber das wird diesmal nicht so sein“, begann Ash. „Niemand von uns dreien will den Ishi-Träger töten, darum suchen wir ja so verzweifelt nach einem Hinweis dafür, was wir tun sollen.“ Abermals lächelte Mary bitter.

„Das will niemand vorher, Ash. Natürlich versuchen die Federn jedes Mal alles andere Mögliche, um Ishi zu besiegen. Aber ich habe noch nie davon gehört, dass der Mensch, der von Ishi auserwählt wurde, nicht getötet werden musste, wenn Ishi erst einmal außer Kontrolle geraten ist. Das muss natürlich nicht bedeuten, dass es nicht so sein kann… Es sind nur Geschichten, und es sind alte Geschichten… Wer weiß schon, wie oft Ishi wirklich erwacht und was dann jeweils geschieht. Katastrophen sprechen sich schneller herum als glückliche Ereignisse. Vielleicht haben sich bis heute nur die spektakulärsten dieser Geschichten erhalten. Zumindest konnte mir auch als Kind schon niemand mehr von einer Begebenheit erzählen, als Ishi erwachte und sein Träger sie beherrschen konnte, als Ishi nicht außer Kontrolle geriet. Natürlich gab es auch diese Fälle und das wusste man, aber an Details konnte sich keiner erinnern. Wem fällt so eine besondere Macht schon auf, wenn sie kein Unheil heraufbeschwört… Und heutzutage kennt praktisch niemand mehr die Legende der Federn.“

„Obwohl sie da draußen an den Felsen steht?“ Fassungslosigkeit schwang in Mistys Stimme mit. „Obwohl es anscheinend ja immer wieder passiert? Wie kann es sein, dass es solche Mächte in unserer Welt gibt und niemand sie mehr wahrnimmt?“

„Tja, es ist eben eine sehr fantastische Geschichte, aber so etwas wollen die Menschen heute nicht mehr hören und schon gar nicht daran glauben. Sie sehen die Pokémon mit ihren verschiedenen Fähigkeiten, aber sie wollen nicht begreifen, dass diese Pokémon noch so viel mächtiger, zu so viel mehr fähig sind, als sie ihnen zutrauen. Wenn sich ab und an doch mal jemand auf die Insel verirren sollte und die Legende entdeckt, dann hält er es für ein Märchen aus vergangenen Tagen. Niemand glaubt mehr an solche Mächte, und niemand will mehr die alten Geschichten hören.“

„Aber wir glauben daran, und wir möchten sehr gerne erfahren, wie das ganze beim letzten Mal war.“ Ash sah sie eindringlich an. „Erzählen Sie uns von damals?“ Mary nickte.

„Natürlich. Aber es ist keine schöne Geschichte.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: MiyaToriaka
2014-01-30T11:22:26+00:00 30.01.2014 12:22
Nya, natürlich hörst du genau da jetzt auf! XDDDD Wie fies!
Das Kapitel war wieder extrem gut und auch genau in der richtigen Länge. Finde ich toll, dass du weiterschreibst.
Am neugierigsten bin ich ja immer noch auf Gary. OTL Ich will endlich wissen, warum er immer hustet! Und ihm scheint das ja geläufig gewesen zu sein, dass die Feuerfeder öfter schon getötet hat. Hm, also darauf bin ich echt gespannt!

LG
Miya


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