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Breve Fabula Fumiko Magicae

Die kurze Geschichte der Fumiko Magica
von

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Capitulum IV: Puella Concidenda

Eine beklommene Stille erfüllte das triste Krankenhauszimmer, während Fumiko am Rand des Zimmers stand. Mami und Sayaki saßen auf Stühlen neben Reikas Bett, während diese sich die Stirn rieb.

„Ich kann mich einfach nicht erinnern, was passiert ist“, meinte sie leise und sah hilfesuchend zu Fumiko. „Ich weiß noch, dass ich eine Abkürzung genommen habe von der Station und dann... Ich meine gehört zu haben...“ Mit einem Kopfschütteln verstummte sie. „Ich glaub das habe ich nur geträumt...“ Ihr Blick wirkte bei diesen Worten irgendwie leer und Fumiko konnte sich denken, dass sie sich an die Gedanken erinnerte, die die Hexe ihr eingepflanzt hatte.

„Vielleicht wurdest du überfallen“, meinte Sayaki. „Ich glaube, ein Schlag auf den Kopf kann auch Amnesie auslösen...“

Reika schüttelte leicht den Kopf. „Die Ärzte sagen, ich sei von den Kratzern abgesehen unverletzt... Ich hatte keine Beule oder so.“

Daraufhin seufzte Sayaki. „Dann weiß ich auch nicht...“ Schließlich zuckte sie aber mit den Schultern. „Du kannst wahrscheinlich froh sein, dass Fumiko-chan dich gefunden hast.“

Auf einmal veränderte sich etwas in Reikas Gesichtsausdruck und sie zog ihre Augenbrauen zusammen. Wieder richtete sich ihr Blick auf Fumiko. „Wie hast du mich dort eigentlich gefunden?“

Nun drehte sich auch Mami zu Fumiko herum und diese sah in ihren Augen, dass sie sich bereits die ganze Zeit dasselbe fragte. „Wieso warst du überhaupt dort? Ich dachte, du wolltest zum Supermarkt.“

Fumiko wusste, dass sie ihren Blicken standhalten musste, doch sie konnte es nicht. Ehe sie sich beherrschen konnte, senkte sie den Blick und sah zu Boden. „Ich...“, stotterte sie. „Ich...“ Wie sollte sie es erklären? Wieder überlegte sie, ob sie ihnen von Kyubey erzählen sollte. Wieso erzählte sie ihnen nicht einfach von der Hexe, in deren Barriere Reika geraten war? „Ich...“, setzte sie erneut an und legte ihre Hand unwillkürlich auf den Seelenstein, der unter ihrer Kleidung lag.

Da erschrak sie. Der Stein, der normalerweise warm gegen ihre Haut pulsierte, fühlte sich nun kalt und klamm an. Was geschah nur?

„Ich muss einmal auf die Toilette“, sagte sie schnell und verließ, ohne eine Antwort ihrer Freundinnen abzuwarten das Zimmer.

Sich dessen bewusst, dass sie hier eigentlich nicht rennen sollte, lief sie schnellen Schrittes den Flur der Notaufnahme hinunter, bog dann in einen weiteren Flur und lief auch diesen hinab. Erst da blieb sie stehen und lehnte sich gegen die Wand. Sie stand nun in einem der Räume zwischen den Stationen.

Sie verschnaufte etwas, ehe sie unter ihr T-Shirt griff und den Seelenstein hervor holte. In ihm hatte sich eine Art dunkler Nebel ausgebreitet, der das Rot des Steins seltsam stumpf wirken ließ.

Aber wie konnte das sein? Sie hatte den Stein doch erst gestern mit dem Kummersamen der Hexe gereinigt. Seither hatte sie ihre Kräfte nicht eingesetzt. Wie konnte er sich so dunkel verfärbt haben? Was geschah hier nur?

Kyubey“, versuchte sie das seltsame Wesen mit ihren Gedanken zu erreichen. „Kyubey! Bitte, antworte, Kyubey! Etwas stimmt nicht. Der Seelenstein ist dunkel. Was passiert mit ihm? Hilf mir, Kyubey.

Doch das Wesen antwortete nicht.

Erst jetzt merkte sie, dass Tränen über ihr Gesicht liefen. Fast so, als könnte sie es selbst nicht glauben, legte sie sich die Hand auf die Wange.

Es war doch alles nur halb so schlimm, versuchte sie sich einzureden. Es gab sicher für das alles eine gute Erklärung. Kyubey würde ihr sagen können, was mit dem Seelenstein war. Außerdem würde sie nur eine weitere Hexe besiegen müssen, dann könnte sie den magischen Stein wieder reinigen - oder?

Doch trotz dieser Gedanken hörten die Tränen nicht auf zu fließen.

Was sollte sie denn nur den anderen sagen? Wie sollte sie es ihnen erklären? Was würden sie von ihr halten, wenn sie ihnen die Wahrheit sagte? Würden sie ihr überhaupt glauben? Und selbst wenn... Wenn sie von ihrem egoistischen Wunsch erfuhren...

Aber sie wollte sie auch nicht länger anlügen. Vor allem nicht Mami. Mami, die immer so gut zu ihr war...

Doch wenn sie ihnen die Wahrheit nicht sagte... Wie sollte sie ihnen dann erklären, wie sie Reika gefunden hatte?

„Fumiko-chan?“, hörte sie auf einmal eine Stimme neben sich.

Sie sah auf und erkannte Homura, die in einem Rollstuhl neben ihr saß. Das bleiche Mädchen sah sie besorgt an.

„Homuhomu...“, begann Fumiko und bemerkte, wie brüchig ihre Stimme war. Sie versuchte sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, doch es liefen immer weitere nach.

„Was ist mit dir los? Wieso bist du hier?“, fragte die andere.

„Ich...“ Fumiko brach ab, als ihr klar wurde, dass sie versprochen hatte Homura im Krankenhaus zu besuchen, dies jedoch bald zwischen Schule und Hexenjagd vergessen hatte. Als sie nun das besorgte Gesicht des kranken Mädchens sah, versetzte es ihr einen Stich ins Herz. „Eine Freundin hatte gestern einen Unfall“, flüsterte sie, ohne Homura anzusehen. „Es tut mir so leid, dass ich dich nicht besucht hatte“, brachte sie dann hervor. „Dabei hatte ich es versprochen.“

Homura schüttelte nur den Kopf. „Ich verstehe schon. Du hast wahrscheinlich genug in der Schule zu tun. Außerdem hast du wahrscheinlich genug von Krankenhäusern...“ Ihre Stimme war leise, klang jedoch verständnisvoll. Sie sah sie an. „Was hast du da in der Hand?“

Erst jetzt bemerkte Fumiko, dass sie noch immer den Seelenstein in ihrer Hand hielt. „Nichts“, sagte sie schnell und ließ diesen in der Tasche ihres rot karierten Rocks verschwinden. „Nur ein Geschenk von meiner Mutter...“ Sie wusste, dass die Lüge in ihrer Stimme leicht zu hören war, doch Homura fragte nicht weiter nach.

„Willst du auf mein Zimmer kommen?“, bot sie stattdessen an. „Meine Station ist direkt hier.“ Sie nickte zu einer breiten Doppeltür aus milchigem Glas, die zur nächsten Station führte. „Kardiologie“ stand darauf geschrieben.

Unsicher nickte Fumiko und folgte Homura, als diese auf einen Knopf neben der Tür drückte, so dass diese aufschwang und das Mädchen in ihrem Rollstuhl hindurch fahren konnte.

Sie gingen bis zum Ende des Stationsflures, der hell ausgeleuchtet war, bis sie die letzte Tür an der rechten Seite erreichten. Auch hier gab es eine sich automatisch öffnende Tür.

Homura hatte ein recht großes Einzelzimmer, dessen große Fenster direkt dem nur eine Etage tiefer liegendem Garten zugewandt waren. Da es draußen noch immer regnete, erhellten mehrere Naturlichtlampen den Raum, der auch farblich hell gehalten war, dabei jedoch unheimlich trist und leer wirkte, da das einzige, was sich hier auf dem Tisch fand, eine einzelne bereits welkende Blume war und auch an der Wand nur ein Kalender mit Katzenbildern hing. Es wirkte nicht minder trist, als das Zimmer Reikas, obwohl Homura den größten Teil ihrer Zeit hier verbrachte.

„Setz' dich“, meinte Homura und deutete auf einen Stuhl, der neben dem Tisch mit der Blume stand.

„Danke“, erwiderte Fumiko matt.

„Möchtest du was trinken?“

Fumiko schüttelte den Kopf, während sie sich kaum traute aufzusehen.

Sie konnte hören, wie das andere Mädchen aus ihrem Rollstuhl, den sie vorrangig hatte, um sich nicht zu sehr zu überanstrengen, aufstand und sich auf ihr Bett setzte.

„Was ist mit dir los?“, fragte sie dann vorsichtig. „Wieso weinst du? Ist deiner Freundin etwas schlimmes passiert?“

„Nein“, antwortete Fumiko leise. „Ich meine, ja. Aber ihr geht es schon wieder ganz gut.“

„Wieso weinst du dann?“, fragte Homura und sah sie durch ihre Brille hindurch an. „Irgendetwas muss doch passiert sein.“

Fumiko wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Noch weniger als den anderen konnte sie Homura die Wahrheit sagen. Niemals könnte sie ihr sagen, dass sie das Wunder, das sie geheilt hatte, selbst herbeigeführt hatte, durch einen dummen, egoistischen Wunsch. Nicht Homura, die selbst hier in diesem leeren, einsamen Zimmer gefangen war.

„Ist es etwas schlimmes?“ Homura schien sich wirkliche Sorgen um sie zu machen.

Noch immer zögerte Fumiko. „Du solltest dir keine Sorgen um mich machen“, sagte sie leise. „Ich meine du... Du...“ Sie sah zu ihr auf. „Du bist doch selbst krank... Du solltest dir wirklich keine Sorgen um mich machen, Homuhomu... Das... Bin ich nicht wert. Ich habe dich ganz vergessen.“

„Mein Herz wird auch nicht gesund werden, wenn ich mich darum sorge“, erwiderte Homura. „Aber vielleicht kann man dir bei deinem Problem helfen.“

Wieder spürte Fumiko einen Stich und neue Tränen stiegen in ihre Augen. Wieso musste sich ausgerechnet Homura so um sie sorgen? Wieso musste sie ihr ihre Hilfe anbieten? Wieso war sie so gut?

Wie hatte sie das nur verdient?

„Was ist?“, fragte Homura nun wieder.

Fumiko schluckte schwer. „Ich habe Reika-chan nach ihrem Unfall gefunden“, schluchzte sie dann. „Und jetzt... Ich habe Angst, dass die anderen glauben, dass ich etwas damit zu tun hatte...“ Ihre Stimme war schwach. Sie wollte es Homura eigentlich nicht erzählen, ihre dummen Probleme.

„Aber du hattest doch nichts damit zu tun, oder?“, erwiderte Homura.

Fumiko sah sie durch einen Schleier aus Tränen an und schüttelte den Kopf. „Nein.“ Oder?, fragte gleichzeitig eine andere Stimme in ihren Gedanken. Hatte sie wirklich nichts damit zu tun?

Doch vielleicht...

Immerhin war sie die Puella Magi. Die Puella Magi, die gegen die Hexen kämpfte. Vielleicht... Konnte die Hexe von ihr gewusst haben? Hatte sie deswegen Reika angegriffen?

„Aber dann ist doch alles in Ordnung“, meinte Homura und sah sie an. „Du kannst ihnen sagen, was passiert ist und wenn sie deine Freunde sind, werden sie dir glauben. Du musst ihnen nur die Wahrheit sagen.“

Die Wahrheit. Unwillkürlich wanderte Fumikos Hand zu der Tasche ihres Rocks, um die Form des Seelensteins zu spüren. Die so unwirkliche Wahrheit... Was war sie überhaupt? Was war überhaupt die Wahrheit?

„Das kann ich nicht“, flüsterte sie mit heiserer Stimme. „Ich kann ihnen die Wahrheit nicht sagen.“

„Aber wieso denn nicht?“ Homuras Stimme klang mitleidig, aber verständnislos. „Es sind doch deine Freunde.“

„Aber die Wahrheit...“, begann Fumiko und schüttelte dann vehement den Kopf. „Die Wahrheit kann ich ihnen nicht sagen. Niemals...“ Weitere Tränen liefen über ihre Wangen und ein ersticktes Schluchzen drang aus ihrer Kehle hervor. Sie versuchte es zu unterdrücken, doch mit jedem Moment verlor sie ein weiteres Stück ihrer Selbstbeherrschung.

Homura sah sie schweigend an. „Du wirst es auch mir nicht sagen, oder?“, fragte sie schließlich leise und wieder schüttelte Fumiko den Kopf.

„Ich kann nicht“, schluchzte sie, ohne das andere Mädchen anzusehen.

Zögerlich streckte Homura ihre Hand aus und strich Fumiko über das Haar. Sie sagte nichts, sondern sah das Mädchen nur lange an.
 

Nachdem Fumiko Homura verlassen hatte, ging sie nicht zu Reika und suchte auch nicht nach Mami oder Sayaki. Trotz aller Versuche Homuras sie zu erreichen, war ihr Herz nur noch schwerer als vorher.

Immer wieder kreisten ihre Gedanken.

Sie hatte es nicht verdient geheilt zu werden. Sie hatte Homuras Mitleid nicht verdient. Sie verdiente es nicht Freunde zu haben. Wieso war sie nur so egoistisch? Wieso war sie so dumm? Wieso hatte sie nur an sich gedacht, als sie den Pakt mit Kyubey einging.

Wie in Trance lief sie zur U-Bahnstation und von der Haltestelle des Wohngebiets aus zu sich nach Hause. Sie bemerkte nicht einmal wirklich, wie der Regen ihre Kleidung durchnässte, da sie vergessen hatte einen Schirm mitzunehmen.

Nach und nach begann ihre Kleidung an ihrem Körper zu kleben und ihre Zöpfe hingen feucht von ihrem Kopf hinab. Dabei lief sie nicht einmal bewusst. Es war vielmehr so, als würden ihre Füße den Weg irgendwie von ganz alleine finden.

Erst die Stimme ihrer Mutter riss sie aus ihrer Trance. „Fumiko-chan!“, rief diese, als sie die Tür öffnete, und zog sie grob in das Haus hinein. „Was hast du denn gemacht, Fumiko-chan? Wo ist denn dein Schirm?“ Sofort begann sie ihre Tochter auszuziehen, die dies einfach geschehen ließ, dabei nur die Hälfte wahrnahm.

Als sie das Mädchen bis auf die Unterwäsche entkleidet hatte, fühlte sie nach ihrer Stirn. „Du hast ja Fieber“, flüsterte sie entsetzt. „Was hast du nur gemacht?“

Fumiko antwortete ihr nicht, sondern bückte sich nur nach ihrem Rock, um den Seelenstein aus diesem hervor zu holen.

„Was hast du da?“, verlangte ihre Mutter zu wissen.

Mit leeren Augen sah das Mädchen sie an. „Nichts“, hauchte sie, „nur ein Geschenk.“

Ihre Mutter schüttelte heftig den Kopf und nahm sie an einer Schulter. „Du nimmst ein heißes Bad und gehst dann ins Bett, hörst du? Wir gehen morgen zum Arzt.“ Damit schob sie das Mädchen in Richtung der Treppe und diese hinauf und auch das ließ dieses geschehen.

Wortlos stand Fumiko neben ihrer Mutter, während diese Wasser in die Badewanne einlaufen ließ und dieses mit irgendeiner Kräutermischung versetzte. Sie ließ sich auch in das heiße Wasser drücken. Einzig, als ihre Mutter ihr den Seelenstein aus der Hand reißen wollte, umklammerte sie diesen nur umso fester, bis die ältere Frau es schließlich aufgab.

Der Seelenstein war noch immer kalt und Fumiko hatte das Gefühl, dass dieser immer kälter wurde. Das war das einzige, was sie fühlte.

Sie verlor jedwedes Zeitgefühl, während sie in der Wanne saß und nahm kaum wahr, wie ihre Mutter schließlich kam, um ihre Haare zu waschen, ehe sie sie abtrocknete und in einen Pyjama steckte.

Ebenso grob wie zuvor drängte sie das praktisch besinnungslose Mädchen zu ihrem Zimmer und legte sie ins Bett.

„Du musst jetzt schlafen, hörst du, Fumiko-chan?“, sagte sie gleichermaßen besorgt, wie bestimmend.

Zur Antwort ließ Fumiko nur ein leises, zustimmendes Murmeln hören.

Ihre Mutter zog daraufhin die Gardinen zu und löschte das Licht, nachdem sie sich versichert hatte, dass Fumiko zugedeckt war.

„Schlaf erst einmal, Liebes“, hörte sie noch die Stimme ihrer Mutter, ehe diese die Tür hinter sich schloss und Fumiko allein ließ.

Noch immer hielt sie den Seelenstein in ihrer Hand.

Kyubey“, versuchte sie das seltsame Geschöpf noch einmal mit ihren Gedanken zu erreichen, erhielt jedoch auch jetzt keine Antwort. Doch letzten Endes war es ihr bereits egal. Was konnte er schon machen?

Mittlerweile weinte sie nicht mehr und war sich sicher, alle Tränen verbraucht zu haben.

Egal was mit ihr passierte - da war sie sich sicher - sie hatte es verdient, denn sie hatte alle im Stich gelassen.

Alle...
 

Fumiko vermochte nicht zu sagen, ob sie in der Nacht schlief oder nicht. Als ihre Mutter sie am nächsten Tag weckte, um ihr Frühstück zu bringen und sich von ihr zu verabschieden, beschloss sie endgültig, dass es ihrer Tochter zu schlecht ging, um zur Schule zu gehen. Sie sagte irgendetwas, dass sie am Nachmittag zum Arzt gehen würden, ehe sie selbst zur Arbeit ging, und ihre Tochter in ihrem Zimmer allein ließ.

Doch Fumiko rührte das Frühstück nicht an, sondern blieb einfach in ihrem Bett liegen, den Blick starr auf den immer dunkler werdenden Seelenstein gerichtet.

Kämpfen... Ich muss kämpfen... Ich brauche einen Kummersamen... Ich muss gegen eine Hexe kämpfen...

Dieses Mantra flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, doch sie schaffte es einfach nicht auf sie zu reagieren.

Und selbst wenn, dachte sie, wenn eine Hexe erscheint, kann ich nicht kämpfen...

Und es war ihr egal.

Sie hatte das Gefühl, dass kalte Hände nach ihr griffen und sie an das Bett fesselten und ein pulsierender Schmerz schien sich in ihrer Brust auszubreiten.

Ich habe es nicht anders verdient, flüsterte eine andere Stimme in ihrem Kopf. Ich habe diesen Schmerz verdient.

Und sie stimmte dieser Stimme zu.

Ihr Wunsch war so egoistisch gewesen, hatte all die anderen im Stich gelassen. Homura. Ihren Bruder. All die anderen kranken Kinder. All die anderen kranken Menschen. Es gab so viel Schmerz und Leid, doch sie hatte nur sich selbst geheilt. Und nun nutzte sie auch noch all diese Menschen aus.

Ihr Wunsch hatte Reika verletzt.

Ihr Wunsch hatte so viele andere verdammt... Sie hatte sie alle mit ihrem Wunsch verflucht.

Vielleicht hatte deswegen nun auch Kyubey sie im Stich gelassen. Wieso hatte er ihr diesen Wunsch überhaupt erfüllt?

Ein Klopfen an ihrer Zimmertür drang wie von weit her in ihr Bewusstsein.

„Nee-chan?“, hörte sie dumpf die Stimme ihres Bruders. „Eine Freundin von dir ist hier. Tomoe Mami-san. Sie wollte dir die Hausaufgaben vorbei bringen.“

„Bist du wach, Nagasaki-san?“, fragte Mami zurückhaltend. „Ich hoffe dir geht es etwas besser... Ich wollte dir nur deine Hausaufgaben vorbei bringen.“

Doch Fumiko antwortete nicht. Bat sie nicht herein, sondern blieb nur um ihren Seelenstein zusammengerollt in ihrem Bett liegen.

„Sie schläft wohl“, drang Tarous Stimme leise in das Zimmer vor.

„Kannst du ihr das geben, wenn sie aufwacht?“, erwiderte Mami mit gedämpfter Stimme. Etwas raschelte. „Ich hoffe es ist alles mit ihr in Ordnung... Sie schien gestern schon so komisch.“

„Wahrscheinlich ist es einfach eine Erkältung“, erwiderte Tarou.

Schritte entfernten sich und wieder liefen Tränen über Fumikos Gesicht.

War Mami tatsächlich wegen ihr hergekommen? Wieso machte sie sich solche Mühe und das nachdem all das mit Reika passiert war? Oder war sie vielleicht eigentlich hergekommen, um mit ihr zu reden und die Wahrheit aus ihr heraus zu pressen?

War es überhaupt wichtig, warum sie hergekommen war?

Sie wusste, dass sie keine Freundlichkeit verdiente. Nicht nachdem... Sie dachte den Gedanken nicht aus.

Selbst, wenn sie weitere Hexen besiegen würde, könnte das nichts ändern. Denn am Ende war es doch etwas egoistisches gegen die Hexen zu kämpfen, wie es auch ihr Wunsch gewesen war. Sie brauchte die Kummersamen der Hexen, um ihren Seelenstein zu reinigen, sonst... Sonst... Sonst was?

Sie sah auf den schwarzen Stein in ihrer Hand. Was würde passieren?

Der Schmerz in ihrer Brust wurde stärker. Es war, als hätte sich eine eiskalte Hand um ihr Herz geschlossen. Was hatte dieser Schmerz zu bedeuten?

Und da wurde es ihr langsam klar: Konnte es sein, dass dieser Schmerz vom Seelenstein kam? War es, weil er beinahe gänzlich schwarz war? Würde sie vielleicht deswegen sterben? Oder würde der Schmerz irgendwann von allein aufhören? Wäre dann vielleicht alles wieder wie vorher...

Wie früher...

Bevor sie jenen Wunsch gestellt hatte.

Doch wenn ihre Schmerzen mit dem Seelenstein zusammenhingen, so würde ihr auch kein Arzt helfen können. Ihre Mutter musste sich nicht weiter um sie kümmern, denn sie konnte eh nichts tun. Was auch immer passieren würde...

Sie blinzelte zur Zimmerdecke hinauf, als zwei blutrote Augen ihr von ihrem Bücherregal aus entgegen sahen. Etwas, was sie zuerst nicht verstand, ehe sie erkannte, dass es Kyubey war, der dort saß und sie schweigend ansah.

„Kyubey...“ Es kostete Fumiko einige Kraft zu sprechen.

„Dein Seelenstein hat sich also schwarz gefärbt“, erwiderte das seltsame Wesen, dessen Augen in dem im Zimmer herrschenden Zwielicht zu leuchten schienen.

„Einen Kummersamen“, keuchte sie und hasste sich gleichzeitig dafür noch immer egoistisch zu sein. „Ich brauche... Brauche einen Kummersamen.“ Eine weitere Welle des Schmerzes fuhr durch ihren Körper und ließ sie sich winden.

Für eine Weile sah Kyubey sie schweigend an. Sein Schwanz wippte hinter ihm hin und her. „Dafür ist es zu spät“, sagte er schließlich.

„Was...“, begann das Mädchen. „Was passiert...“ Nun schienen die Schmerzen mit jedem Moment stärker zu werden und sie schaffte es nicht mehr den Satz zu beenden.

„Das, was am Ende mit jeder Puella Magi passiert“, erwiderte das seltsame Wesen ruhig und mit gleichgültiger Stimme.

Fumiko sah zu dem Seelenstein, an dessen Spitze noch ein letztes Stückchen helles Rot leuchtete, als wollte es gegen die Schwärze kämpfen, die es jedoch immer weiter zurückdrängte. Die Dunkelheit in dem Stein waberte etwas zurück, doch dann schossen dunkle Schlieren aus ihr hervor und umgaben das Rot nun völlig, löschten es aus.

Der Schmerz verschwand, wich einer scheinbar unendlichen Kälte, so als würde sie in einen eisigen See fallen.

Der Seelenstein zersprang und ließ nur das Skelett eines Kummersamens zurück.

Fassungslos sah Fumiko auf den Samen in ihrer Hand, ehe das letzte Stück ihres Bewusstseins und damit auch ihr menschlicher Körper und all ihre Erinnerung in die eisige Kälte aus Verzweiflung und Hass entschwand...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  RhapsodosGenesis
2013-11-15T15:01:04+00:00 15.11.2013 16:01
Oh nein ... Ich meine - es war klar und zu erwarten... Aber ... aber trotzdem ... Ich will, dass es verhindert worden waere! Sie war egoistisch - ja, aber ... in dem Moment denkt man nicht so weit ...! Und dass sie ihre Freunde hat anluegen muessen ... Ja, das geht aufs Gewissen, aber ... Es ist trotzdem gemein und traurig :(
Wieso ist nicht rechtzeitig noch eine Hexr aufgetaucht? Weshalb hat sie es niemandem mitgeteilt?
Alle Fragen werden toll beantwortet und ihre Gedanken sind total nachvollziehbar beschrieben - und die Typenveraenderung ist dir total toll gelungen. Alle Ereignisse erscheinen logisch - man moechte ihr einfach helfen. Du hast alles so glaubwuerdig und lebensecht beschrieben! Und das macht das ganze noch trauriger.
Ihre Gefuehle hat man so gut mitfuehlen koennen - beim Stottern vor ihren Freundinnen fuehlt man sich hilflis. Vor Homura fuehlt man sich schuldig.
Und am Ende verzweifelt man. Beim Lesen der Geschichte schnuert sich das Herz zusammen ... so tragisch :(
Ich hoffe, dass der Epilog in irgendeiner Weise Besserung schafft! Es ist so traurig :(

Ein deprimierender Verlauf, eine toll bedachte Handlung und eine super Umsetzung.
Tolle Leistung! Durch die Gefuehle, die dein Schreiben vermittelt, sodass man mit dem Charakter mitleidet, macht sich zum verdienten YUAL und tollen Autor! Sehr gut - weiter so!


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