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Dem Kater sei Dank

von

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5.
 

„Ähnlich wie Charles.“
 

Charles, beziehungsweise Cloud ist es, als trample eine Horde Eisbären über seinen Rücken und seine verheilende Wirbelsäule.
 

In den ganzen letzten Wochen hat er seinen Namen so gut wie nie vernommen, ein Flüstern im Flur vielleicht, aber kaum mehr. Und jetzt spricht ihn ausgerechnet Erik auf so leichtfertige Weise aus.

Dass Erik überhaupt mit ihm spricht ist bereits ein Wunder, schien er die Tiere bisher eher als unnütze Objekte betrachtet zu haben.

Als Charles jedoch den Artikel über den Mutanten gesehen hat, konnte er sich nicht zurückhalten. Auf irgendeine Art und Weise wollte er eine Reaktion von Erik provozieren. Irgendetwas.

Diese Reaktion hat er nicht erwartet.
 

Den Blick, die Stimme, Eriks ganze Haltung wird ihm für immer ins Gedächtnis gebrannt sein. Genauso wie der letzte Satzanfang: „Charles ist der wohl mächtigste Mutant, den es gibt.“
 

Was soll er davon halten?

Charles wusste schon immer, dass seine Kräfte widersprüchliche Gefühle in Erik hervorgerufen haben, aber nach dem Vorfall in Kuba kommt es ihm vor, als würden sie eher gehasst und verabscheut werden.

Aber wer würde auf eine beinahe respektvolle Art und Weise über die verhassten Kräfte des Gegner sprechen?

Gut, Erik ist mit Sicherheit kein von Natur aus unhöflicher Mensch, aber dennoch ... warum?
 

Versucht unauffällig schielt er zu dem Mann, um den sich alles dreht. Als Raven ihn etwas beunruhigt anblickt, sieht er jedoch schnell wieder weg. Er sollte nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen als notwendig, was allerdings nicht so einfach ist, so als verletzter Kater. Wenn er jetzt auch noch das Schielen anfängt, dann bringen sie ihn sicher wieder zu diesem Teufelsarzt, der ihm das Thermometer in den Hintern schieben will. Natürlich weiß er, im Gegensatz zu richtigen Katzen, dass alles nur zu seinem Besten geschehen soll, aber das heißt noch lange nicht, dass es ihm gefallen muss.

Ergo: Wieder normal gucken und sich die Pfoten lecken damit nichts auffällt.
 

Es ist bereits ein paar Tage her seit ihrem irritierenden Gespräch und Erik hat keinen weiteren Versuch unternommen, dieses fortzusetzen. Ob er es vergessen hat? Nein, sicher nicht. Er mag vieles sein, aber auf keinen Fall vergesslich.

Vielleicht ist es ihm inzwischen aber auch peinlich, dass er sich einem Kater anvertrauen wollte.

Ob es wohl sein Gewissen beruhigen würde, wenn er wüsste, dass eigentlich ein Mensch vor ihm sitzt? Und dass es Charles ist? Nein, wahrscheinlich eher nicht.
 

Ein lautes Klacken ertönt und ein eindringlicher Geruch durchströmt die Räume. Darauf konditioniert, stellt Charles sich mühsam auf, angestrengt von dem ganzen Nachdenken und dem Jagen von Azazels Schwanz zwischendurch.
 

Selbst er kann sich wie eine wirkliche Katze verhalten.

Der Schwanz war aber auch zu verführerisch als Beute. Und außerdem hat er sich bewegt! Hank hat fleißig mitgemacht und ihn schlussendlich sogar erwischt, was ihnen eine Menge Ärger eingebracht hat, welcher durch eine übertrieben große Portion Kulleraugen wieder besänftigt wurde.
 

Mit einem Mal packen ihn zwei große Hände und schleppen ihn kurzerhand zu den Näpfen und Emma, welche diese gerade befüllt.
 

„Das kann ja niemand mit ansehen.“
 

Es ist tatsächlich Erik, der ihn, wenn auch nicht allzu elegant, zu seinem Futter bringt.

Erstaunt starrt Charles ihn an, kann kaum fassen, dass das gerade eben tatsächlich passiert ist. Aber der Mutant beachtet ihn nicht weiter sondern geht zurück, woher auch immer er gekommen ist bevor er ihn entführt hat.
 

Fast, fast verspürt Charles so etwas wie Sympathie für ihn, doch dann wird ihm wieder bewusst, dass alles Eriks Schuld ist. Dass er selbst verkrüppelt ist, dass sie im Krieg sind und dass alles zwischen ihnen kaputt ist.

Sein Fell stellt sich auf und ein Knurren entkommt seiner Kehle.

Sollte Erik ihm noch einmal so nahe kommen, wird er ihn seine Krallen spüren lassen, egal wie nett er sich verhalten mag. Fast hätte ihn seine Neugierde, die Gefühle und Gedanken des anderen zu erfahren, von der Vergangenheit abgelenkt.
 

Erik kann ihm ruhig erzählen, was er erzählen mag, aber das wird nichts bessern und kein Geschehen rückgängig machen können.
 

Alles kommt wieder hoch, was er so lange unter Verschluss gehalten hat.

Der Schmerz, die Erinnerung, das Wissen seinen besten Freund verloren zu haben und seine Schwester noch dazu. Von beiden liegen gelassen als sei er nichts wert. Weder als Mutant noch als Freund oder Bruder.
 

Und jetzt wurde er auch noch zur Katze degradiert!

Unfähig sich zu artikulieren, nicht ernst genommen, nur ein Kuscheltier für alle, die ihn verraten haben.

Aber es ist ja nicht nur das. Sie haben die Welt in einen neuen Kampf gestürzt, kopfüber und ohne Rücksicht. Sie haben niemandem die Wahl gelassen, Mutanten kennenzulernen und sie zu verstehen.
 

Charles hat es tatsächlich fast vergessen, in den Hintergrund gedrängt dank seines neuen Lebens, seiner neuen Prioritäten. Es schmerzt zu wissen, dass er seine eigenen Ideale und Ziele vergessen hat, dass sie ihm egal geworden sind. Er hat aus den Augen verloren, was ihm wichtig war und was er machen wollte. Aber das wird ihm so schnell nicht mehr passieren!

Nein, er wird dafür sorgen, dass niemand mehr vergessen wird, was geschehen ist.

Mit einem Ruck und das Fell immer noch aufgestellt, stolziert er weg. Nur weg von allen.

Hank folgt ihm besorgt.
 

Was Charles sich einmal vorgenommen hat, das zieht er auch durch.
 

Jedenfalls war das sein Motto. Einen kurzen Moment lang hat er wirklich geglaubt, er könnte sein Vorhaben jetzt durchziehen, aber vor allem dank Hank ist ihm klar geworden, dass das nicht funktioniert.

Er kann definitiv noch nicht fliehen solange er weiterhin so verletzt ist und anderweitige Racheaktionen fallen auch nocht nicht in den Bereich des Möglichen. Ganz zu schweigen davon, dass niemand wüsste, was der wahre Grund dahinter wäre.

Er ist so hilflos, dass es ihn wahnsinnig macht!
 

Aber warum nicht doch ein paar Tage einen Hungerstreik durchführen und die Mutanten um ihn herum, die ihn in seiner menschlichen Form als Idealist, Träumer und Menschenfreund beschimpfen etwas leiden lassen?

Sein Drang irgendetwas zu bewirken ist groß, zu groß um ignoriert zu werden. Verzweiflung breitet sich in ihm aus, bringt ihn dazu etwas zweifelhaftes und selbstzerstörerisches zu tun.
 

Niemand darf in seine Nähe kommen ohne angefaucht oder gekratzt zu werden, das Fressen rührt er nicht an und dunkle Ecken sind seine liebsten Freunde.

Er weiß genau, dass wenigstens Raven krank vor Sorge wird und das erste Mal in seinem Leben und ihrer Freundschaft will er genau das.
 

Wenn er wieder ein Mensch ist, kann er wieder so sozial und nächsten liebend sein, wie er muss und will, aber das hat noch Zeit. Und hat nicht er genauso ein Recht auf Frust und ein klein wenig Rache, wie all diejenigen, die ihn hier umgeben?
 

Erik bekommt das Meiste ab und wagt sich bald nicht einmal mehr in seine Nähe, während Raven es mit der Kuscheltherapie versucht. Und die hält sie auch trotz unzähliger Kratzer weiter durch.
 

Janos sitzt stundenlang schweigend neben ihm und scheint auf irgendetwas zu warten.
 

Dagegen wirft Emma ihm ihre Jacke vor die Füße. Ob als Geschenk zum Haaren oder zum Erschrecken kann er nicht entscheiden, aber er ignoriert sie, wenn auch mit Bedauern. Emmas Kleidung ist immer so schön weich und die Zufriedenheit nach dem Aufstehen, wenn dann kein Zentimeter mehr weiß ist, ist erstaunlich erfüllend.
 

Azazel scheint lediglich froh zu sein, dass sein Schwanz wenigstens nur noch von einem Kater gejagt wird und Angel verdreht die Augen angesichts des Chaos, in welches er die Bruderschaft immerhin ansatzweise gestürzt hat.
 

Aber Charles merkt auch, dass sein Körper immer schwächer wird und bald schon kann er sich kaum mehr rühren und erst recht nicht fauchen als Janos die Gunst der Stunde nutzt, ihn auf den Arm nimmt und ihn, in Emmas Jacke eingewickelt, zum Tierarzt fährt.
 

Dieser kann keinen Grund für das Verhalten des Katers finden und flößt ihm auf grobe Art und Weise flüssige Nahrung ein. Nicht, dass Charles sich noch groß wehren könnte, aber so wird sichergestellt, dass er auch tatsächlich frisst.
 

„Wenn Sie nicht aufpassen, dann wird es wieder schlimmer mit seiner Verletzung. Vielleicht sind bereits jetzt irreparable Schäden entstanden. Ich gebe ihm jetzt eine Spritze, die ihn eine Zeit lang ruhig stellen wird. Kaufen Sie ihm einen schönen, dunklen Korb, sorgen Sie dafür, dass er sich nicht zu viel und nicht zu wenig bewegt und kochen Sie ihm, wenn nötig, Fleisch weich.“
 

Was?

Charles öffnet die Augen.

Natürlich wusste er, dass der Hungerstreik seinem Körper nicht gut tun würde, aber dass es so kritisch sein sollte, das hatte er nicht erwartet. Wenn er so weiter macht, dann wird er nie wieder raus kommen, sich nie Erik entgegen stellen können und erst Recht nicht für eine gerechte Gesellschaft kämpfen können.

Also nimmt er die Spritze ohne großartige Gegenwehr an und kuschelt sich in Emmas ehemals weiße Jacke. Sie riecht so gut und das sanfte Schaukeln von Janos Schritten lässt ihn allmählich einschlafen.
 

Einiges hat sich nach diesen Tagen geändert, anderes nicht.
 

Charles entschließt sich, nicht mehr zu hungern, sondern sein Bestmögliches zu tun, gesund zu werden. Alles andere macht keinen Sinn und so verschwindet auch ein wenig seine Gegenwehr. Nachdem er festgestellt hatte, dass Emma außerordentlich gut riecht, war dafür sowieso bereits der erste Schritt getan worden. Sie ist zwar etwas überrascht, dass Cloud mit einem Mal anhänglicher wird, aber sie freut sich, wie er meint an ihrer Mimik erkennen zu können.

Vielleicht kann er ja auch noch etwas nützliches über sie erfahren, wenn er ihr schon so nahe kommt.
 

Um Erik macht er, wenn es möglich ist, einen großen Bogen, auch wenn er weiterhin neugierig ist, was dieser wohl über ihn zu sagen hat. Keine große Veränderung also.
 

Das überraschendste aber ist wohl, dass Charles mit einem Mal die Gedanken der Katzen weitaus klarer lesen kann, also zuvor. Natürlich hat er ihre Stimmungen vorher erkennen können, aber jetzt ist alles etwas komplexer. Vielleicht, weil er mit seiner Rolle als Kater ein bisschen Frieden geschlossen hat?
 

Ein paar Tage später stellt sich das als sehr nützlich heraus, ist es ansonsten doch eher irritierend oder amüsierend.
 

Erst ist da wieder dieses komische Gefühl, eine Art Druck auf den Kopf wie bei schwülem Wetter. Es wird immer stärker, bis es sich wie ein Nebel auflöst und klare Gedanken erscheinen.

Es sind nicht die Gedanken eines Menschen, das ist klar. Die Strukturen, die Denkweise sind komplett verschieden und dass Charles sie erkennen kann, bedeutet nur eines: Es ist eine Katze.
 

Für ein Tier allerdings ist der Inhalt zu komplex, die Emotionen zu aufgewühlt. Nein, es ist ein anderes Wesen. Nur welches?

Vorsichtig steigt Charles über Stühle und Schultern auf das Fensterbrett. Suchend blickt er sich um, seine Kräfte das erste Mal seit Monaten wieder aktiv anwendend.

Er fühlt sich an wie eine verrostete Schraube, die nach langer Zeit wieder verwendet wird. Aber warum hätte er seine Kräfte auch über das natürlich Maß hinaus nutzen sollen, wenn doch nur Katzengedanken um sie herum waren? Hank zu verstehen ist nicht so schwer, schließlich projiziert dieser bereits, wie er es in der Ausbildung gelernt hat.
 

>Hier muss es sein. Der Peilsender ist hoffentlich noch in ihm drin. Alle Mühe umsonst ansonsten. Aber warum ein altes Fabrikgebäude? Ungemütlich. Ist Andy okay? Was werden sie tun? Ich muss das tun. Kein Ausweg. Egal was mit den Mutanten passiert. Lass sie hier sein. Den Weg will ich nicht mehr fahren. Der Angriff muss bald stattfinden ...Hilflos und schwach. Kein Gegner. Hat den Peilsender noch nicht entdeckt. Kein Problem.Du wirst uns niemals bekommen. Verräterin!Professor! Diese Frau macht mir Angst, aber die drohende Gefahr habe ich erst jetzt deutlich gespürt. Wahrscheinlich waren unsere Katzensinne noch nicht genug ausgeprägt dafür.
 

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Danke fürs Lesen =)

Bis zum nächsten Kapitel!



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