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Pokémon Hatching

Rins Egglocke-Challenge
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wer sich vom Ich-Perspektive-Tagebuch abschrecken lässt, dem sei gesagt, dass nur der Prolog so aussehen wird. Komplett anzeigen

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Tagebuch


 

25. August 2XXX

Sonnig

Liebes Tagebuch,

Morgen wird es endlich soweit sein: Ich bekomme mein erstes Pokémon! Ich habe lange überlegen müssen, aber ich habe mich letztlich für ein Endivie entschieden. Es sieht einfach so knuffig aus und kann mich bestimmt nicht beißen oder verbrennen!

Ich will gar nicht ins Bett, aber ich muss wohl. Endivie verdient eine ausgeschlafene Trainerin.

Hoffentlich kommt morgen mein Pokécom endlich aus der Reparatur zurück. Klarin muss endlich lernen, sein blödes Marill besser unter Kontrolle zu halten, so ein Wasserschaden ist eine ernste Sache.

Deine Rin

26.August 2XXX

Bewölkt

Chiikoo!

Mein Endivie Chiko ist so süß, süß süß! Oh, ich könnte es den ganzen Tag nur abknuddeln! Seine Knospen riechen wie Rosen, sein Blatt ist ganz weich und in seinen großen roten Augen könnte ich versinken. Daher werde ich wohl auch ab sofort kein Tagebuch mehr führen können, schließlich werde ich mit Chiko die Welt sehen und viele Freundschaften schließen! Mama hat auch nichts dagegen, ich bin ja schließlich schon 14. Das wird so großartig!

Rin

28.August 2XXX

Es ist etwas passiert.

Dieser Junge, Blaze... mein armer Chiko!!

Professor Lind hat mich ganz aufgeregt angerufen, nachdem ich bei Mr. Pokémon war. Natürlich wollte ich so schnell wie möglich nach Hause und sehen, was da los war. Dann bin ich diesem Kerl mit den roten Haaren begegnet, der ein Feurigel hatte. Ich hab mir erst nichts dabei gedacht, aber er war so arrogant und gemein! Er hat sein Feurigel gnadenlos auf Chiko gehetzt, dabei hab ich mit ihm doch nur ganz wenig gekämpft! Ich wusste nicht, was ich machen sollte und Chiko hat so verloren.

Der Typ hat dann seinen Ausweis fallen lassen, da konnte ich seinen Namen, Blaze, lesen, dann ist er abgehauen. So schnell wie möglich habe ich Chiko versorgen lassen und bin zurück nach Hause gegangen. Professor Lind hat gesagt, dass Blaze ein Dieb ist und Feurigel gestohlen hat. Ich erzählte dem Polizisten da alles, was ich über den Kerl wusste, aber jetzt...

Ich habe keine Lust mehr, zu reisen. Chiko muss solche Schmerzen gehabt haben... das kann ich unmöglich nochmal machen.

Wahrscheinlich werde ich einfach hier bleiben. So viel zu meinem großen Abenteuer.

15. September 2XXX

Sonnig

Mama hat gesagt, dass meine Cousine Vanni aus Sinnoh morgen zu Besuch kommt.

Es ist bestimmt 5 Jahre her, dass ich sie zum letzten Mal gesehen habe.

Chiko hat sich wohl von der Niederlage erholt und ist immer noch nett zu mir. Ich habe ihn nicht verdient.

16. September 2XXX

Bewölkt

Heute Abend ist etwas sehr Merkwürdiges passiert.

Nach dem Abendessen hat Mama wie immer einen Spaziergang gemacht. Ich habe die Küche aufgeräumt und wollte dann mit Chiko im hohen Gras spielen, da hat Vanni etwas sehr Komisches gemacht:

„Magst du mir bei einem sehr großen und sehr wichtigen Projekt helfen, Rini?“

Sie will wohl ein paar Pokémon, die es in Sinnoh nicht gibt, dort auswildern. Ich soll ihr helfen, indem ich diese Pokémon fange und anschließend mit ihr tauschen.

Das Komische dabei:

Sie hat mir für die Erledigung dieser Aufgabe 900 Meisterbälle gegeben!

„Keine Sorge, du musst nicht alle benutzen“, meinte Vanni, „Du wirst merken, wann du genug Pokémon gefangen hast.“

19. September 2XXX

Sonnig

Ich habe alle Pokémon gefangen. Es waren so viele, dass Chiko mir zwischendurch helfen musste, die Bälle zu schleudern – er hat sein Blatt dafür genommen – weil meine Arme so wehgetan haben, vom vielen Werfen.

Ich habe Vanni mit dem Pokécom angerufen und sie schien sehr zufrieden zu sein.

„Lass uns morgen in Dukatia City am Bahnhof treffen, ja?“, schlug sie vor.

„Ich werde deine Mühen angemessen entlohnen!“

20. September 2XXX

Regnerisch

Vanni, du bist doch wahnsinnig!!

In Dukatia hat sie mithilfe ihrer Pokémon, die große Stoffsäcke dabei hatten, alle meine gefangenen Pokémon in Empfang genommen.

Im Gegenzug hat sie mir unglaublich viele Pokémon-Eier gegeben!

„Das müssen doch mindestens 200 sein!“, habe ich gemeint, aber sie korrigierte nur völig ungerührt: „210“

Was ich jetzt damit machen soll? Vanni hat gesagt, sie erklärt mir das morgen im Detail.

Irgendwie habe ich schon jetzt ein bisschen Angst davor.
 

Vorbereitung - Chiko

Am nächsten Tag stand Rin schon früh auf, um rechtzeitig wieder in Dukatia City sein zu können. Sie hatte sämtliche Pokémon-Eier auf ihrem PC verstaut und war nur mit Chiko allein angereist, so wie es Vanni verlangt hatte. Auch mit Klarin, ihrem eigentlich besten Freund, hatte sie nicht über das Geschehen gesprochen – sie wollte erst alles Nötige mit Vanni abklären, ehe sie andere Menschen am Geschehen beteiligen würde.

„Das sind keine gewöhnlichen Pokémon-Eier“, erklärte Vanni vor Ort, die ihre langen, naturblauen Haare wie üblich zusammengebunden unter einer weißen Pudelmütze trug. „Du musst sie ganz besonders behandeln, damit Pokémon aus ihnen schlüpfen können. Ich werde dir jetzt im Detail erklären, wie das ablaufen wird, also hör gut zu, ja?“

Vanni ging mit Rin in den Nationalpark, ihr Panferno Son-Goku hinter sich, wo sie auf einer Bank Platz nehmen konnten. Son-Goku schien seine Freude daran zu haben, im Park an der Seite seiner Trainerin spazieren zu können – soweit Rin wusste, war es in Sinnoh nicht erlaubt, ein Pokémon außerhalb des Pokéballs mit sich zu führen.
 

In dieser Region war Vanni bereits vor sieben Jahren, damals war sie zwölf gewesen, aufgebrochen, um Abenteuer zu erleben und die Welt zu sehen. Sie hatte Rin und ihre Mutter bald besucht und ihr erzählt, was sie so erlebt hatte, was in Rin den Wunsch reifen ließ, ebenfalls eine Pokémon-Trainerin sein zu wollen. Sie hatte Vanni sehr bewundert und ging sogar soweit, lange bevor sie ein Pokémon bekommen sollte ins hohe Gras zu rennen, um ein wildes Rattfratz zu zähmen. Natürlich ging das nicht gut und bis heute hat Rin an ihrem linken Oberarm eine Narbe, aber von ihrem Wunsch ließ sie sich dadurch trotzdem nicht abbringen.

„Du bist einfach noch zu jung, um eine Trainerin zu werden“, sagte Vanni damals, „Warte noch, bis du 14 bist, dann solltest du aufbrechen. Sag deinem Nachbarn, Professor Lind rechtzeitig Bescheid, dann wird er ein Starter-Pokémon für dich bereit haben.“

„Aber ich will jetzt eine Trainerin sein!“, murrte die acht Jahre alte Rin, „Kannst du mir nicht einfach ein Pokémon schenken?“

„Dann hätte ich bei euch lebenslang Hausverbot!“, lachte Vanni und nahm Rin in den Arm.

„Warte einfach die Zeit ab, kleine Rini, auch du wirst mal eine Pokémon-Trainerin sein. Du brauchst mich dafür nicht. Stattdessen... ist bei euch in der Nachbarschaft nicht eine Familie mit einem Kind in deinem Alter eingezogen?“

„Ja, aber Klarin ist doof.“

„Klarin? Ist das ihr kleiner Junge?“

„Ja.“ Rin verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wieso findest du ihn doof? Hast du schon mal mit ihm geredet?“

„Nein... aber er ist ein Junge!“

„Aber Rin, das muss doch nichts heißen! Ist dir nicht immer langweilig in Neuborkia, weil du keine Kinder zum Spielen hast?“

„Jaa“, kam es nach einer kleinen Pause gedehnt von Rin zurück.

„Na dann, versuch es doch mal mit Klarin. Nachher kannst du immer noch sagen, dass du ihn nicht magst, aber im Moment kennt ihr euch doch nicht und er wünscht sich bestimmt so sehr einen Spielkameraden, wie du das tust.“

„Meinst du?“

„Ja, das denke ich!“, meinte Vanni aufmunternd und klopfte Rin auf den Rücken. „Geh' zu ihm und lern' ihn kennen, ich komme auch mit, wenn du das willst.“

Rin zögerte kurz, dann nickte sie entschlossen und zog ihre Cousine an der Hand hinter sich her.
 

Normalerweise genoss Rin es sehr, im Park zu sein, sie war auch mit Chiko schon mal da gewesen, allerdings war ihr nun unwohl dabei, sodass sie einfach an Vannis Seite saß und abwartete, bis in ihrer Umgebung keine Menschen mehr waren, die die Mädchen nicht mitanhören sollten. Sie vertraute Vanni, schließlich liebte sie ihre Cousine sehr, aber trotzdem fand sie ihr Verhalten merkwürdig.

„Du kannst diese Eier nur zum Schlüpfen bringen“, setzte Vanni an, „Indem du sie mit einem gerade gefangenen Pokémon in Kontakt bringst, verstehst du? Das Pokémon im Ei spürt die Energie, es nutzt sie, um aus seiner Schale zu brechen. Sobald das passiert ist, solltest du das Pokémon, dessen Energie du benutzt hast, freilassen, also seinen Pokéball zerbrechen, nachdem du es herausgelassen hast, du brauchst es ja für das Projekt nicht. Nur so funktioniert es, denn diese Eier brauchen ein spezielles Enzym, das nur bei wildlebenden Pokémon in Johto gefunden wird. Sobald ein Pokémon gefangen wird, baut sich das Enzym auf der Stelle ab, bereits kurz darauf ist es soweit abgebaut, dass es nicht mehr nachweisbar ist.“

„Ich muss ein gerade gefangenes Pokémon dafür benutzen?“, fragte Rin erschrocken, „Kann ich es nicht einfach von allein schlüpfen lassen?“

„Das wird nicht funktionieren“, meinte Vanni und Rin durchzog das unangenehme Gefühl, als hätte sie eine unsagbar dumme Frage gestellt.

„Das sind keine gewöhnlichen Pokémon, Rin, sie sind genetisch verändert.“

Rin blickte Vanni an, so als würde sie ein „Nur ein Witz!“, erwarten, aber das blieb aus.

„Was... bedeutet das?“, fragte Rin zögerlich.

„Nicht so ängstlich Rin, es sind immer noch Pokémon. Die meiste Zeit werden sie sich auch so verhalten. Sie sind aber zum Beispiel insofern anders, als dass sie von Geburt an das Potenzial besitzen, die menschliche Sprache zu sprechen. Natürlich müssen sie das erst richtig lernen, aber es geht schnell.“

„Das ist ja Wahnsinn!“, staunte Rin.

„Das hat allerdings einen entscheidenden Nachteil: Ihre Kampfesfähigkeiten sind nicht unbedingt schlechter als die gewöhnlicher Pokémon, allerdings sind sie dafür nicht mehr in der Lage, sich aus einer Ohnmacht zu erholen.“

„Das heißt, sie...“, Rin hatte auf einmal einen furchtbaren Kloß im Hals.

„Sie werden sterben, wenn sie ohnmächtig werden, das ist richtig.“

„Aber... wieso?“

„Ich tippe auf eine ungünstige Mischung aus rezessiven Genen, aber ich bin keine Pokémon-Professorin, ich kann nur raten. Es reicht, zu wissen, dass sie nicht ohnmächtig werden sollten.“

„Das ist ja schrecklich!“

„Rin, das ist der Grund, warum ich dich aufgesucht habe.“

„Hö?“

„Du gehst mit deinen Pokémon immer sehr gut um, und du trainierst Chiko lieber langsam, als seine Gesundheit zu gefährden. Außerdem bist du meine Lieblingscousine - Ich könnte mir keinen besseren Menschen für diese Aufgabe vorstellen!“

„Nur... Chiko ist bereits einmal ohnmächtig geworden, im Kampf gegen diesen Kerl, Bla-“

„Aber du hast daraus gelernt! Und hast deinen Fehler eingesehen!

„Warum... warum brütest du die Eier nicht selbst aus? V-Versteh' mich nicht falsch, ich meine nur, du hast viel mehr Erfahrung als Trainerin!“

„In Sinnoh würden diese Eier nicht schlüpfen. Außerdem dürfen diese Pokémon dich nur in Johto auch zu Fuß begleiten – was, wie ich denke, wichtig ist, um sie richtig an dich zu binden. Auf die Weise kannst du auch mit ihnen reden, damit sich ihre Sprachfertigkeiten entwickeln können.“

Rin starrte verlegen zu Boden und ließ ihre Beine ein wenig baumeln.

„Und... wieso muss ich ein Pokémon nun unbedingt freilassen, wenn eines dieser Eier schlüpfen soll?“

„Weil ich möchte, dass du deine Reise nur mit Pokémon, die aus den Eiern geschlüpft sind, antrittst.“

Rin sah erschrocken auf und blickte ihre Cousine an.

„D-Du meinst... ich muss mich auch von Chiko trennen? Wieso denn das?“

„Nun ja, nicht direkt trennen... es reicht schon, wenn du ihn in die Obhut deiner Mutter oder Klarin gibst. Du solltest nur dein Training nicht mit ihm antreten. Ich meine... er würde sich vielleicht einsam fühlen oder eifersüchtig werden, wenn er merkt, wie du mit den anderen Pokémon sprichst, das kann er ja nicht. Er könnte das ganze Projekt gefährden.“

Vanni stand auf und wandte sich zum Gehen, auch Son-Goku, der mit einigen Sonnkern friedlich gespielt hatte, gesellte sich wieder zu seiner Trainerin und schlüpfte dann zurück in seinen Pokéball.

„Kommst du, Rin?“

Als Rin aber sitzen blieb, ging Vanni zu ihr hin und legte ihr sanft einen Arm um die Schulter.

„Ich weiß, das ist viel auf einmal und ich weiß, wie merkwürdig das alles klingt. Ich weiß, wie verwirrt du bist und wie sehr du dir mehr Erklärungen wünschen würdest, aber für den Moment kann ich dir nicht mehr sagen. Rini... ich bin deine Cousine und habe dich sehr lieb, ich vertraue darauf, dass du das schaffen kannst. Bitte schenk' mir auch dein Vertrauen.“

Als Rin aufblickte, sah sie, wie Vanni sie sanft anlächelte. Langsam spürte sie, wie sie sich wieder beruhigen konnte. Trotzdem... der Gedanke, sich von Chiko zu trennen, brach ihr beinahe das Herz.

„Komm, ich helfe dir auch bei deinem ersten Ei, damit es nicht so schwer fällt, okay? Ich weiß, ich verlange viel, aber du musst verstehen, wie wichtig dieses Projekt für mich ist. Gehen wir zunächst nach Neuborkia zurück. Komm, du darfst auch auf Pickis Rücken mitfliegen.“

Vanni warf den Pokéball mit dem ersten Pokémon, das sie selbst gefangen hatte, darin, in die Luft und in einem gleißenden Licht flog das stolze Vogel-Pokémon heraus. Über den freien Himmel erfreut, flog es ein paar Loopings und erschreckte eine Gruppe Futter suchende Taubsis, ehe es an der Seite seiner Trainerin landete und Rin skeptisch anblickte.

„Nach Neuborkia. Den Weg findest du dich, oder?“, fragte Vanni das gefiederte Pokémon sanft und strich ihm über seine Schwingen. Picki gurrte kurz zur Bestätigung, dann nickte es Rin zu und brachte sich in Startposition.

Zögerlich betrachtete Rin das Vogel-Pokémon.

„Picki ist gut trainiert, er kann uns beide tragen, Rini.“

Rin war sich noch immer nicht sicher, wie sie weitermachen sollte. Vanni erwartete ihre Mithilfe, nein, sie brauchte sie. Und Rin konnte sich nicht an einen Gefallen erinnern, den Vanni ihr abgeschlagen hätte.

Allerdings hatte Rin auch Zweifel, besonders, was die Ohnmacht dieser Pokémon anbelangte. Früher oder später würde es einfach passieren, ganz egal, wie gut sie sie trainieren würde und das machte ihr schreckliche Angst.

„Ich habe ein paar Freunde, die an einem Mittel forschen, die Auswirkungen dieser Gene unter Kontrolle zu bringen, gut möglich, dass sie damit bald erste Erfolge erzielen. Kopf hoch, Rin, du kannst das!“

Noch immer nicht völlig überzeugt, dafür aber etwas sicherer, trat Rin auf Picki zu und steig vorsichtig auf seinen Rücken. Das Vogel-Pokémon bückte sich extra, damit ihr der Aufstieg leichter fiel.

„Nun dann, Rin, lass uns anfangen. Diese Schwingen tragen dich in eine neue Herausforderung!“, sprach Vanni auf einmal sehr enthusiastisch, dann rannte Picki los und bereits nach wenigen Metern stieß er sich kräftig vom Boden ab und schwebte gleichmäßig vor sich hin.

Die Wolken schienen langsamer denn je vorbeizuziehen. Rin hielt Chiko fest umklammert, sie war sich dessen bewusst, dass es das letzte Mal sein würde, wenn sie ihre Mission annehmen würde, denn sie würde Chiko bestimmt nicht zu Hause verrotten lassen, sondern ihm die Freiheit schenken. Es war eigentlich idiotisch, so darüber nachzudenken, wie sie das tat, schließlich kannte sie Chiko kaum. Sie mochte ihn, selbstverständlich, aber das war eigentlich nichts gegen das Band, das Vanni und ihre Pokémon die sie seit sieben Jahren mit sich führte, verbinden musste.

„Rin...“, sprach Vanni leise, „Ich weiß, was gerade in dir vorgehen muss, aber glaub mir, alles wird gut. Du kannst das! Und du wirst dich mit den Pokémon aus diesen Eiern ebenso gut verstehen, wie das jetzt mit Chiko der Fall ist.“

Den restlichen Flug über schwieg Rin.
 

In Neuborkia kam Picki schließlich sanft am Boden an, ließ die beiden jungen Frauen von seinem Rücken steigen und watschelte dann brav hinter seiner Trainerin her, als diese Professor Linds Labor betrat.

„Ah, schön dich mal wieder hier zu sehen Rin, wie geht es dir?“, erkundigte sich der Professor freundlich, als er Rin sah, er schien zu ahnen, warum sie eine fremde Trainerin mitbrachte.

„Professor Lind, verzeihen Sie meine Unhöflichkeit“, meinte Vanni, die wohl meinte, sie hätte vorher an der Schiebetür anklopfen müssen, „Mein Name ist Vanni. Ich bin die Cousine von Rin und war vor vier Jahren Champion der Pokémon-Liga in Sinnoh.“

„Oh, wie schön!“, antwortete Professor Lind, der selten die Zeit fand, alte Liga-Aufzeichungen zu sehen und alle aktuellen Champions aller Regionen im Auge zu behalten. „Nun denn, was führt Sie in mein Labor?“

„Wenn Sie es gestatten, würde ich Ihnen gerne ein Forschungsprojekt vorstellen und einmal Ihr PC-Lagerungssystem benutzen.“

Vanni erklärte Professor Lind genau das, was sie Rin vorhin im Park gesagt hatte. Im Gegensatz zu Rin schien der Professor das Projekt nicht anzuzweifeln, sondern, im Gegenteil, für sehr interessant zu befinden.

„Und du erforschst das für deine Cousine, was, Rin? Man, bin ich neidisch!“ Er lachte. „Meine Trainerzeit liegt schon länger zurück, als du vielleicht denkst, ich würde gern mal wieder reisen, wenn mich nur meine Arbeit nicht so sehr in Beschlag nehmen würde.

„Aber Professor!“, wandte Rin ein, „Ich hab doch noch gar ni-“

„Mir und anderen Forschern tust du damit bestimmt auch einen Gefallen! Und überhaupt, du hast so die Chance, Pokémon erziehen zu dürfen, die für die Gegend hier sehr ungewöhnlich sind, das wird bestimmt eine interessante Erfahrung für dich werden!“

„Das ist abe-“

„Ich wusste, das du für was Größeres bestimmt bist, Rin, als ich dir Endivie gab, hab ich das schon geahnt! Und du wirst deine Sache gut machen!“

„Das- ja, das werde ich wohl“, seufzte Rin. Der Professor schien so unglaublich aus dem Häuschen zu sein, sie brachte es nicht übers Herz, das Projekt jetzt abzusagen.

„Darf ich mitkommen und Zeuge des ersten schlüpfenden Pokémon werden?“, fragte der Professor jetzt, „Bestimmt wird das unglaublich interessant!“

„Aber natürlich“, flötete Vanni, die den Einfluss des Professors zu schätzen wusste. „Ich suche das erste Ei für dich aus, okay Rin?“

„Okay“, sagte Rin leise, den Blick auf den Boden gerichtet. Was das wohl für ein Pokémon sein würde? Hoffentlich eines, das sie kannte...

Verzögerung - Ryouga

„Bist du soweit, Rin?“, fragte Vanni, die gemeinsam mit Professor Lind auf einer Bank an der Grenze zu Route 39 Platz genommen hatte

Bereits vor einer Stunde hatte Rin Chikos Pokéball zerbrochen und ihn ein wenig im hohen Gras laufen lassen, damit sich wieder ein wenig von dem Enzym aufbauen würde, von dem Vanni vorhin gesprochen hatte. Chiko hatte seinen Spaß – er schien nicht zu verstehen, was ihm bevorstand.

Schweren Herzens winkte Rin das kleine Pokémon zu sich, hob ihn an und hielt ihn gegen das Pokémon-Ei.

„Bitte... vergib mir, Chiko!“

In dem Moment, in dem Chiko das Ei berührte, begann seine Schale zu knacken. Risse bildeten sich, bis mit einem trockenen Splittern schließlich die Schale auseinanderbrach.

Dichtes, hellbraunes Fell lag darunter, dass sich gleich bewegte und versuchte, sich umzusehen. In dem Fell zeichnete sich eine kurze, rüsselartige Nase ab und zwei kleine Augen, wie schwarze Perlen, blinzelten müde.

„Quiee~“

„Willkommen auf der Welt, Kleines! Du scheinst mir ein Quiekel zu sein, hm?“, sprach Professor Lind und lächelte das frisch geschlüpfte Pokémon an.

„Quiekel.... zu sein?“, schien das Pokémon zu fragen, gleichzeitig war ihm aber offensichtlich der Sinn seiner Worte nicht bewusst.

„Sprich du mal mit ihm, Rin, los!“, forderte Professor Lind die gebannt auf das Quiekel blickende Rin an, „Du wirst schließlich seine Trainerin sein!“

„Und gib ihm einen Namen!“, fügte Vanni hinzu, „Es ist ein Junge!“

Vorsichtig setzte Rin Chiko auf den Boden und nahm das kleine Eis-Pokémon in ihre Arme. Es war ganz warm und weich.

„Hallo... Kleines. Ich bin deine Trainerin, Rin.“

„Rinrin?“, fragte das Quiekel.

„Wie süß!“, entfuhr es Rin. „Mal sehen... wie gefällt dir der Name... Ryouga?“

In einem Comic, den Rin früher oft gelesen hatte, gab es ein kleines Schweinchen, das so hieß.

„Ryouga?“ Das Quiekel jauchzte zufrieden. „Ryouga, Ryouga!“

„Wie schön!“, dachte Rin, aber während sie mit Ryouga kuschelte, fiel ihr sofort Chiko wieder ein.

„Chiko? Was ist mit-“ Als sie sich umsah konnte sie das kleine Pflanzen-Pokémon nicht ausfindig machen. Erst bei näherem Hinsehen stellte sie fest, dass Chiko direkt an der Grenze zum hohen Gras stand. Er hatte gewusst, was die Geburt des Baby-Pokémons für ihn bedeuten würde.

Und er hatte es akzeptiert.

„Endiviee!“, schrie Chiko zum Abschied mit einem Lächeln, dann stürmte er ins Gras und war verschwunden.

„Wow... Chiko...“, flüsterte Rin leise, während sie in die Richtung blickte in die ihr ehemaliger Partner verschwunden war.

Es war nicht sie, die Chiko verlassen hat, Chiko hatte sieverlassen, um ihr eine Entscheidung abnehmen wollte... bedeutete das nun, dass er sie gemocht hatte, oder eben nicht?

„Umso besser!“, freute sich Vanni, „Eine Sorge weniger! Jetzt kannst du dich voll und ganz um Ryouga und seine künftigen Geschwister kümmern!

„Wann war Vanni so schrecklich unsensibel geworden?“, fragte sich Rin, während sie überlegte, ob sie Chiko wohl jemals wiedersehen würde...

Allerdings...

Chiko hatte es ihr leicht machen wollen, indem er sie verließ. Er wollte wohl auch nicht, dass sie um ihn trauerte. Er war so ein kluges Pokémon... und bestimmt wäre er nicht eifersüchtig gewesen.

Und nur wegen Vanni war er jetzt fort.

„Entschuldigt mich“, murmelte Rin Vanni und dem Professor zu, dann stürmte sie, immer noch Ryouga im Arm haltend zurück nach Neuborkia, in ihr Haus, auf ihr Zimmer und warf sich dort aufs Bett.

Sofort begann sie ungehemmt zu weinen, dicke Tränen kullerten über ihre Wangen und benetzten Ryougas Fell. Der zuckte ein wenig, da er die Berührung des Elements nicht gewohnt war.

„Chiko... Chiko...“, brach Rin immer wieder zwischen heftigen Schluchzen hervor, „Mein Chiko, er ist... weg.... einfach weg! Wegen Vanni.... ist er weg! Ich werde ihn... nie wieder... Chikooo!“

Irgendwann blendete Rin die Zeit einfach aus. Es war unmöglich, nachher zu sagen, ob sie dort zwei Stunden gelegen hatte, oder doch nur zwanzig Minuten.

Allerdings war die Zeit, die sie mit Ryouga allein im Zimmer war, wie lange es auch gedauert haben mag, nun vorbei.

„Rin?“, konnte sie eine zögerliche Stimme hören, die gerade die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufgestiegen war. Zu ihrer großen Erleichterung handelte es sich bei dem der Stimme zugehörigen Menschen weder um Vanni, noch um den Professor.

„Klarin?“

Rin setzte sich auf, wischte sich hastig ein paar Tränen aus dem Gesicht – was gewiss nutzlos war, sie würde trotzdem fürchterlich aussehen – und versuchte, sich zu einem Lächeln zu zwingen.

„Oh, Klarin, ich hab dich gar nicht das Haus betreten hören.“

„Die Tür stand offen, so wie eigentlich immer. Äh, tut dir was weh? Du guckst so gequält.“

Rin konnte sich nicht zu einer Antwort durchringen, sie wusste, dass bereits nach wenigen Worten schon wieder alle deprimierenden Gefühle hervorbrechen würden.

Aber zum Glück kannte Klarin seine Freundin mittlerweile so gut, dass er wusste, was ihre Sprachlosigkeit für einen Grund hatte. Entweder das, oder die Spuren in ihre Gesicht zeigten es deutlich genug.

„Du weißt schon, Rin... es ist okay, traurig zu sein, das ist völlig normal. Du musst das nicht verstecken, erst recht nicht vor jemandem wie mir, ja?“

„Ja... Chiko...er ist weg... hab ihn... freigelassen“

Gekonnt ignorierte Klarin die langen Pausen, die Rin brauchte, um deutlich sprechen zu können.

„Ruhig, ganz ruhig, Rincchi. Wieso hast du ihn freigelassen?“ Erst jetzt schien der Junge das Quiekel auf Rins Schoß zu bemerken. Er ging auf das Bett zu und setzte sich langsam neben Rin.

„Vanni... du weißt schon, meine Cousine, hat mich gebeten, für sie ein Projekt zu erledigen. Im Grunde geht es darum, ein paar zufällige Pokémon aufzuziehen.“

„Klingt doch interessant.“

Einen Moment lang schwieg Rin, weil sich das für sie anhörte, als wolle Klarin Salz in ihre Wunde streuen, aber das würde er nie tun. Er wollte ihr gerade helfen und hatte es wirklich nicht verdient, dafür auch noch ihre Wutanfälle abzubekommen.

„Das Problem ist, dass ich mich dafür von Chiko trennen muss. 'Er gefährdet das Projekt', meinte Vanni.“

„Und das hast du wirklich getan, ich meine, nur weil deine Cousine dich darum gebeten hat?“

„Ich wollte mich nicht von Chiko trennen, ja?“, schimpfte Rin traurig, „ Er ist auf einmal einfach... weggelaufen! So als wollte er mich verlassen!“

Vorsichtig nahm Klarin die Hand von Rin.

„Rincchi... du weißt selbst, dass das nicht stimmt oder?“

Stumm lehnte sich Rin an ihren Freund an und verbarg ihr Gesicht, indem sie es an seine Jacke drückte.

„Chiko fehlt dir, oder?“

Rin nickte kaum merklich und Klarin konnte spüren, wie etwas Feuchtes an seiner Jacke herunterrann.

„Du willst ihn wirklich zurück haben, nicht wahr?“

Wieder nickte das Mädchen, diesmal aber ein wenig fester.

„Na dann“, Klarin grinste, „Dann ist es beschlossene Sache! Pack' deine Sachen zusammen, schnapp' dir dein Quiekel und morgen ziehen wir los und versuchen, Chiko zurück zu holen!“

„Ist... das dein Ernst?“ Rin richtete sich wieder auf und blickte Klarin direkt in die Augen. „Du begleitest mich?“

„Natürlich! Ich glaube, dass sich Chiko auch nicht von dir trennen wollte, er hat es nur getan, weil er es eben nicht gewollt hat, verstehst du? Ich glaube daran, dass wir ihn finden können!“

„Wir können! Finden Chiko, quiie!“, quiekte nun auch Ryouga glücklich.

„Klarin...“

„Ja?“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren fiel ihm Rin in die Arme.

„Morgen...“, sagte Klarin ruhig, „Morgen können wir losgehen. Und vergiss nicht: Du übernimmst das Projekt nicht für deine Cousine, sondern für den Professor und auch für dich. Und das höchste Ziel ist es, Chiko wieder zu finden, dafür müssen wir aber auch deine Pokémon trainieren, um weiter reisen zu können.“

„Und so schlagen wir alle Fliegen mit eine Flagge, nicht wahr?“

„Das heißt Klappe, Rincchi.“

„Wunderbar!“, rief Rin aus, der auf einen Schlag ihre Lebensgeister zurückgekommen zu sein schienen. „Ich weiß schon, warum nur du mein allerbester Freund bist, Klarin!“

Zufrieden kuschelte sich Rin an Ryouga, dabei immer noch an Klarin angelehnt. Dieser Junge schaffte es auch immer und immer wieder, dass die Welt wieder ein Stückchen besser aussah.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Finvara
2013-08-23T16:45:54+00:00 23.08.2013 18:45
Hallo :3
Ich versuch mal zu kommentieren :)
Das erste kapitel gefällt mir sehr, sehr gut. Oder eher der Prolog. Ich mag diesen entas kindlichen, naiven Schreibstil gerne. Ich hab mich sehr amüsiert, als Rin meinte, dass sie schon losziehen dürfe, weil sie schon 14 ist. Das passt perfekt zu so einem kleinen Mädchen.
Schön finde ich es, dass sie zweifelt und eben nicht nach ihrer Niederlage loszieht, sondern zu hause bleibt und mit Chiko spielt. Den Namen finde ich sehr süß *0*
ch bin gespannt, wie das mit den Eiern wird und was so noch passiert auf ihrer Reise.
Mir fehlern allerdings Charakterbeschreibungen. Ich hätte zumindest gerne eine von Rin, Vanni und Blaze, damit man sie sich besser vorstellen kann.

Liebste grüße an dich
Finvara

Antwort von:  Devi
25.08.2013 09:30
Hallo!
Ich bedanke mich hier auch nochmal, dass du meine FF kommentiert hast und natürlich finde ich es auch schön, dass dir der Prolog gefallen hat ;)
Ich habe auf deinen Tipp hin jetzt Charaktersteckbriefe ergänzt, die hoffentlich helfen, sich alle vier Charaktere (Die von dir genannten + Klarin) besser vorstellen zu können.
Hoffentlich bist du auch die nächsten Kapitel wieder mit dabei ;)


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