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Mythic Legends

von

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Der Beginn einer Reise

Yuki wusste nicht, wie oft der Wecker schon sein morgendliches Wecklied gesungen hatte. Klar war ihr nur, dass es wohl nicht das erste Mal an diesem Morgen, an dem sie realisierte wie spät es war, gewesen war.

'Verschlafen...', murmelte sie ruhig in Gedanken.

Obwohl es heute nicht der Tag war, an dem sie verschlafen durfte, blieb sie ungewohnt ruhig, denn sie fühlte sich nach diesem seltsamen Traum immer noch wie gerädert.

Schwerfällig erhob sie sich aus ihrem Bett und schlurfte ruhig ins Bad, wo sie der morgendlichen Wäsche frönte, als hätte sie nichts besseres zu tun.

Es wirkte zwar so, als ließe sie sich besonders viel Zeit, doch in Wahrheit beeilte sie sich mit der morgendlichen Dusche. Das warme Wasser auf ihrer Haut fühlte sich so gut an nach dem kalten Regen aus ihrem Traum, den sie immer noch nachhaltig in ihrem Inneren spürte.

In ihren Gedanken versunken versuchte Yuki, sich alle Ereignisse aus jenem Traum wieder in Erinnerung zu rufen, doch alles woran sie sich erinnerte waren Suicune, das sie zu ihrem Beschützer erwählt hatte, und der Regen.

'Schön wäre es...', seufzte sie in Gedanken und stieg aus der Dusche, um sich vor dem Spiegel am Waschbecken zu platzieren.

Sie sah wirklich, wie tief der Traum ihr noch in den Knochen hing. Die dicken Augenränder stahlen ihren azurblauen Augen die Show und ließen sie ungewohnt blass aussehen. Nun ja, eigentlich war sie aufgrund ihrer Lebensverhältnisse schon recht blass, doch an diesem Morgen wirkte sie besonders kränklich.

'Mal sehen, ob mein Make-Up da noch was richten kann.'

Genervt von dem Gedanken, sich wieder künstlich verschönern zu müssen, fuhr sie sich mit ihrer rechten Hand durch ihr weiß-graues Haar. Der nächste Punkt auf der Liste ihrer Schönheitsmakel. Obwohl das Weißhaargen in ihrer Familie mütterlicherseits eher rezessiv war und die Wahrscheinlichkeit für weiß-graues Haar gerade mal bei zehn Prozent gelegen hatte, war es ihr als Einzige im gesamten Stammbaum gelungen, ausgerechnet diese Haarfarbe für sich zu gewinnen. Ohne einen wirklichen Grund und ohne einen tieferen Sinn. Sie hatte einfach diese Farbe.

Oft hatte sie überlegt, sich die Haare zu färben, doch es scheiterte an ihrer nicht vorhandenen Experimentierfreudigkeit. Ihre derzeitige Haarfarbe war ihr schließlich lieber als ein missglücktes Aschblond oder Rosa.

Dieser nicht vorhandenen Experimentierfreudigkeit verdankte sie schließlich auch, dass sie noch nicht wusste, wohin sie ihr Weg von heute an führen sollte. Heute war es schließlich soweit. Heute sollten sie und ein paar andere Jugendliche Rovandias ihr erstes Pokemon für ihre zukünftige lange Reise erhalten.

Eine lange Reise, mehr sollte es für sie nicht sein, denn sie wollte nicht in Arenen kämpfen. Nur für den Fall, dass sie als Trainerin nichts taugte, vermied sie deswegen das Streben nach dem Meistertitel. Sie wollte einfach zusammen mit ihrem Partner die Welt entdecken, unbekannte Pokemon finden und fremde Kulturen erforschen. Das war ihr Wunsch, denn so konnte sie den Kämpfen bestmöglich aus dem Weg gehen und ihren Partner in spe vor Schaden bewahren.
 

Nachdem sie ihre schnelle morgendliche Wäsche abgeschlossen hatte, zog sich Yuki wieder in ihr Zimmer zurück und stapfte zu ihrem Kleiderschrank.

Zielsicher griff sie zu ihrem dunkelblauen Lieblingskleid, das lang genug war und ihr über die Knie ging. Für diese Jahreszeit war es einfach ideal, zumindest glaubte sie das.

Von der Welt da draußen wusste sie nicht viel. Sie hatte nur selten, meist in Begleitung ihres Vaters und Lilis, Rovandia verlassen. Aber nun würde sich das ändern. Sie brauchte keine Begleitung mehr.

Mit ihrem Lieblingskleid am Leib schnappte sich Yuki den Rucksack, den sie schon am Abend zuvor akribisch genau gepackt hatte. Fünf Pokebälle und Tränke befanden sich darin, neben einer Decke für die besonders kalten Nächte, einem Schlafsack für das Kampieren in freier Natur, Kochgeschirr, etwas Geld und ein paar Fertiggerichte. Bis zu ihrem ersten großen Halt würde es reichen, um über die Runden zu kommen. Doch noch war sie nicht vollkommen bereit dafür.

Ihr Blick glitt zu dem schwarzen Gürtel, den sie von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte und an den sie ihre Pokebälle heften konnte. Gerade biss sich aber ihr Modesinn mit dem Gürtel, der so gar nicht zu dem dunkelblauen Kleid passen wollte. Dennoch, sie konnte nicht abstreiten, dass dieser Gürtel noch recht praktisch sein würde, weil sie so immer ihre Pokemon griffbereit hatte.

Nur um es zu testen, holte sie einen Pokeball aus ihrem Rucksack und steckte diesen an den Gürtel, den sie sich um die Hüfte band.

Wie sie es sich gedacht hatte, sah es wirklich alles andere als schick aus, weswegen Yuki kurzerhand entschied, dass sie wohl doch besser etwas anderes anzog.
 

Nach wenigen Minuten hatte sich Yuki schließlich für einen dunkelblauen Rock mit weißem Top und einen ärmellosen Mantel entschieden, unter dem nun der Testpokeball am Gürtel verborgen lag und der auch die restlichen fünf vor neugierigen Blicken schützen würde. Es war zwar nicht die beste modische Zusammenstellung, aber das interessierte sie nun auch nicht, denn im Gegensatz zum Kleid davor war es einfach praktisch.

Jetzt bereit dazu, ihren Partner kennenzulernen, lief das Mädchen mit gepacktem Rucksack die Treppen runter, wo im Hausflur bereits ihr Vater auf sie wartete. Sie erkannte, dass er bereits ungeduldig wurde, denn schließlich war heute ihr großer Tag und sie war schon um einiges zu spät.

„Yuki, ein Glück. Prof. Citron war schon hier und hat nach dir gefragt. Du solltest dich wirklich beeilen.“

Dem Mädchen war klar, dass sie sich wirklich beeilen musste, wenn schon die Professorin persönlich vorbeikam und nach ihr fragte.

Anders als ursprünglich geplant stellte sie deswegen ihren gepackten Rucksack im Hausflur ab. Ohne diesen konnte sie viel schneller zum Labor der Professorin laufen, damit diese nicht auch noch auf die Idee kam, einen Suchtrupp zusammenzustellen.

Hektisch griff sie nach ihrem Haustürschlüssel und ging zur Tür.

„Bis später, Paps!“, rief sie ihrem Vater noch zu, ehe sie die Tür öffnete und die sicheren vier Wände verließ.

So schnell sie konnte lief sie über den ungepflasterten Boden, der knirschend unter ihren Füßen nachgab. Sie hasste es, denn selten bekam sie genug Härte als Untergrund, um wirklich mit voller Geschwindigkeit laufen zu können. Rovandia hatte, was das anging, so einige Nachteile. Der Boden war meist feucht, das künstliche Sonnenlicht ersetzte eben nicht das richtige, und sie mussten sich alle an die starken Sicherheitsbedingungen halten. Das Leben in Rovandia war somit nicht einfach, aber das hatten die Stadtgründer auch nicht erwartet, als sie die kleine Stadt in den Rovandia-Höhlen erbaut hatten.

Und immerhin hatte es auch seine Vorteile. Es regnete und schneite nie, immerhin hätte beides Himmel und Wolken vorausgesetzt, das Wasser, das sie aus den Brunnen gewannen, war klar und sauber, und sie waren weltweit dafür bekannt, die erste Stadt zu sein, die eine künstliche Lichtquelle hatte, welche die Sonne fast perfekt imitierte. Und als Bonus lebte auch die Verantwortliche, Prof. Mizuya Citron in der Stadt. Sie hatte vor 20 Jahren die Forschung so weit vorangetrieben, dass dieses künstliche Sonnenlicht hier erstrahlen konnte und Rovandia so viel unabhängiger wurde. Schließlich konnten sie nun auch die Feldarbeit erledigen. Kurzum, Rovandia war der lebende Beweis, dass Modernität und altertümliche Lebensverhältnisse gut miteinander vereinbar waren.

Und obwohl das Leben hier alles andere als schlecht und unwürdig war, zog es viele Jugendliche, wie eben Yuki, raus in die weite Welt. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum ein Großteil der Bewohner Rovandias weit über 40 war und man über neue Wege nachdachte, vor allem junge Menschen herzulocken.

Zumindest Yuki konnte man nicht mehr locken. Sie wollte hier raus, nach Kanto, Jotho und was die Welt nicht noch für Regionen bot. Sie wollte sie alle sehen, wollte unter einem richtigen Abendhimmel mit richtigen Wolken leben und später vielleicht, wenn sie des Reisens überdrüssig wurde, sich irgendwo niederlassen.
 

Damit stand ihr Plan fest, weswegen sie ihren Weg zielsicher fortsetzte, bis sie schließlich vor Prof. Citrons Labor stand.

Ein letztes Mal holte sie tief Luft, bevor die automatische Tür aufsurrte und ihr den direkten Weg zur Professorin offenbarte.

Schnell lief Yuki den Weg zum Büro der Professorin, die sie bereits ungeduldig erwartete.

„Da bist du ja endlich! Selbst Chiara hat es heute mal pünktlich geschafft und ausgerechnet du, die sonst immer viel zu früh da ist, kommt zu spät.“

Yuki merkte, wie gestresst und scheinbar auch entnervt die Professorin war. Eigentlich war es noch nie anders gewesen. Schließlich fand Prof. Citron immer einen Grund für ein paar graue Haare mehr in ihrer pechschwarzen Pracht. Es reichte da schon, wenn nur die Glühbirne ihrer Schreibtischlampe den Geist aufgab.

„Leider habe ich nun keinen Pokedex mehr für dich“, seufzte die Professorin und fuhr sich mit ihrer linken Hand durchs Haar, um ihren viel zu kurzen Pony zu richten.

Es war wirklich eine Schande, denn jeder junge Trainer brauchte einen Pokedex. Nur dank dieser Erfindung des berühmten Prof. Eich, hatte man in der Pokemonforschung solche phänomenalen Fortschritte machen können. Und dank der Vielzahl von jungen Trainern war es ihnen ein ums andere Mal gelungen, auch Informationen über neue Arten oder zufällig entdeckte legendäre Pokemon wie Deoxys zu erhalten.

Alleine deswegen war es wichtig, dass jeder Trainer in spe eines dieser Geräte besaß, und gerade jetzt fehlte ihr einer, um diesen Yuki zu überreichen.

„Das macht doch nichts, Prof. Citron. Ich wollte doch sowieso keine Trainerin werden. Mein Ziel ist es, die Höhle zu verlassen und die Welt zu sehen. Dafür brauche ich doch nur ein Pokemon.“

Lächelnd sah Yuki die Professorin an. Natürlich war ihr von Anfang an klar gewesen, dass Yuki dem Pokedex nicht nachtrauern würde. Im Prinzip war das auch eine mehr als nur gute Nachricht für das Mädchen. Doch die schlechte folgte auch gleich auf dem Fuß.

„Das ist das zweite Problem. Du bist so spät gekommen, dass ich auch kein Pokemon mehr für dich habe. Und du weißt ja sicher, was das bedeutet.“

Mit geweiteten Augen sah Yuki zu der Frau und hielt sich an einem nahestehenden Stuhl fest. Die Worte der Frau hatten ihr förmlich den Boden unter den Füßen weggezogen, denn sie wusste nur zu gut, was das bedeutete.

„Es sieht also so aus, als würdest du ein weiteres Jahr warten müssen. Sieh es als deine Chance, noch etwas darüber nachzudenken, was du machen wirst, wenn du dein erstes Pokemon hast. Vielleicht entscheidest du dich ja doch noch, eine Trainerin zu werden.“

Sanft sprach die Professorin auf das geschockte Mädchen ein und ging auf sie zu, um sie tröstend in die Arme zu nehmen.

Ihr tat es schon irgendwie leid, dass sie dem Mädchen nicht helfen konnte, schließlich hatte sie Jahre auf diesen Tag hingefiebert. Buch um Buch aus ihrer kleinen eigenen Bibliothek hatte Yuki in Vorbereitung auf ihre Reise gelesen. Sie hatte sogar etwas Kochen gelernt, um wenigstens ihr Pokemon gut versorgen zu können. Und nun erschien es so, als wäre all das umsonst gewesen.

Prof. Citron war sich im Klaren, wie enttäuscht Yuki war und wie schwer es ihr fallen würde, das ihrem Vater zu erklären. Schließlich war der Name ihres Vaters, Jaro Samui, in Rovandia legendär. Auch wenn Yukis Vater nicht so aussah, war er einst ein begnadeter Trainer gewesen und hatte die Stadt vor einer Gruppe aufgebrachter Kleinstein gerettet. Diese Tat hatte ihm zumindest hier einen guten Namen beschert und er hatte seit Yukis Geburt darauf gehofft, dass seine Tochter einst in seine Fußstapfen treten würde.
 

„Ich muss... nach Hause...“, flüsterte Yuki nach einiger Zeit und löste sich aus Prof. Citrons Umarmung.

Sie wollte nicht länger hier bleiben, in diesem Labor, in dem sich ihr Traum um ein Jahr verschoben hatte.

Obwohl sie merkte, dass Prof. Citron sie zurückhalten wollte, ließ sie deren Bemühungen ins Leere laufen und verließ das Labor.

Ihr Blick glitt zu den Höhlenwänden, die nun einmal mehr wie ein Gefängnis auf sie wirkten. Noch ein weiteres Jahr in diesem Gefängnis würde sie nicht durchhalten. Sie wollte raus, in die Freiheit, ins richtige Sonnenlicht.

'Ich werde gehen, egal ob mit oder ohne Pokemon. Meine Reise wird heute beginnen!'

Sich vollkommen über ihr Vorhaben sicher, lief Yuki zurück zum Haus ihrer Familie. Sie wusste schon, was sie ihrem Vater sagen würde und wie man ihr auch ohne eigenes Pokemon erlauben würde, die Stadt zu verlassen.

Sie ignorierte die wenigen Mütter, die ihre Kinder vor der eigenen Haustüre verabschiedeten und die neuen Trainer, die peinlich berührt hofften, dass niemand es, trotz der geringen Bevölkerungsdichte, sah. Doch gleichzeitig kämpften sie gegen die Tränen an, denn nun war deutlich, dass sie lange Zeit ihr sicheres Zuhause nicht wiedersehen würden.

Einige dieser Kinder kannte Yuki nur zu gut und sie wusste, dass viele von ihnen die beschwerliche Reise einfach aufgeben und aus Schmach nicht mehr nach Hause zurückkehren würden. Wenn sie ehrlich war, gab es sogar nur eine Person, von der sie glaubte, dass sie ihre Reise wirklich durchziehen würde. Und das war Chiara, ihre beste Freundin aus alten Tagen. Sie war wohl als einzige wirklich stark und entschlossen genug, diese Reise durchzustehen. Immerhin hatte sie es sich so lange gewünscht. Es war einfach Chiaras Traum, eine Trainerin zu sein, genauso wie es Yukis Traum war, in die Freiheit zu entfliehen.
 

Es war seltsam, wie lang Yuki der Weg nach Hause vorgekommen war. In der Regel brauchte sie nur wenige Minuten, doch diese waren ihr wie Stunden vorgekommen.

Doch nun stand sie vor ihrer Haustür. Sie wusste, dass mit Sicherheit ihr Vater dahinter wartete und sie voller Stolz umarmen würde, wenn sie hereinkam. Schließlich hatte nicht nur sie auf diesen Tag gewartet. Ein Grund mehr, warum sie nicht bleiben konnte. Und dennoch, es würde ihr nicht leicht fallen, ihren Vater zu belügen.

Seufzend steckte sie den Schlüssel ins Schloss, setzte ein ehrlich wirkendes Lächeln auf und öffnete die Tür. Und genauso wie sie es sich gedacht hatte hing wenige Augenblicke später ihr Vater an ihr und drückte sie stolz an sich.

„Yuki, nun ist es soweit. Wie ich vor vielen Jahren wirst auch du heute deine Reise antreten. Worte können nicht beschreiben, wie stolz ich auf dich bin.“

Yuki war klar, dass nun eigentlich der richtige Moment gewesen wäre, den Irrtum aufzuklären und zu erzählen, dass sie kein Pokemon erhalten hatte, doch sie hielt an ihrem Plan eisern fest.

„Ist okay, Paps. Wenn du mich erdrückst, hast du nicht mehr viel, auf das du stolz sein kannst. Es wäre also nett, wenn du mich am Leben lässt.“

Sanft drückte Yuki ihren Vater von sich, der sie entschuldigend anlächelte. Sie war froh, dass sie ihrem Vater Tage vorher eingetrichtert hatte, dass der Abschied im Haus stattfinden würde. Andernfalls hätte sie sich wohl wirklich in aller Öffentlichkeit blamiert.

„Also, Paps. Ich und meine Partnerin Endivie werden uns dann mal auf den Weg machen. Ich bin ohnehin schon viel zu spät, weil ein gewisser Jemand mich nicht geweckt hat. Ich hatte Glück, dass ich noch Endivie bekommen habe.“

Ohne große Umschweife ging Yuki zu ihrem Rucksack und schulterte sich diesen auf. Ihr war klar, dass ihr Vater nicht Schuld an der Situation war, dennoch musste sie ihm ein schlechtes Gewissen einreden, um ihren Plan umsetzen zu können.

„Jetzt hänge ich allen anderen weiter hinterher, und weil ich durch die Tunnel hetzen muss, werde ich mich verlaufen. Immerhin war ich noch nie alleine außerhalb Rovandias. Und Endivie ist ja auch nicht gerade gut mit der Gegend vertraut“, seufzte sie und wandte sich schon zum Gehen der Tür zu.

Und ganz wie geplant biss ihr Vater an.

„Warte, Yuki! Ich weiß, dass ich dich hätte wecken sollen. Verzeih mir bitte. Ich frage auch Lili, ob sie dir den Weg bis zum Turm der Elemente zeigt.“

Ein hauchzartes Lächeln umspielte die Lippen des Mädchens. Sie hatte erreicht, was sie wollte. Mit Lili an ihrer Seite würde sie sicher aus den Tunneln kommen, soviel war ihr klar.

„Danke, Paps.“

Obwohl Yuki sich wirklich freute, verkniff sie sich ein offensichtliches Lächeln und sah ihren Vater so ernst es ging an. Dieser hielt ihr bereits den Pokeball mit Staraptor, entgegen. Nur einen kleinen Lichtstrahl später, stand das Flugpokemon mit grimmigem Blick neben ihrem Vater.

„Lili, sei bitte so gut und begleite Yuki bis zum Turm der Elemente.“

Sanft tätschelte ihr Vater seiner Partnerin über das Gefieder. Gurrend gab Lili ihr Einverständnis und ging vor die Tür, wo es auf Yuki wartete.

„Also, Paps. Ich werde dann mal gehen. Ich melde mich vom Pokecenter am Turm der Elemente aus. Mach dir keine Sorgen, ja?“

Sanft lächelte Yuki ihren Vater an, dem nun doch die Tränen in die Augen stiegen. Zumindest sah Yuki dieses verräterische Glänzen, was ihr auch verriet, dass er versuchte, stark zu sein.

„Pass auf dich auf“, hauchte ihr Vater, immer noch mit den Tränen kämpfend.

Lächelnd nickte Yuki und ließ mit einem Schritt durch die Haustür ihren Vater und ihr Zuhause hinter sich.
 

Wie es Yuki geplant hatte, hatten die Torwächter zum Eingang des Rovandia-Tunnels sie durchgelassen. Die Tatsache, dass sie Lili bei sich hatte, war eben ausreichend, um sie passieren zu lassen.

Bis zum Turm der Elemente war sie nun also sicher, denn mit Lili waren die wilden Pokemon kein Problem. Allerdings machte sie sich Sorgen darüber, wie es danach weitergehen sollte. Natürlich konnte sie jetzt noch die Zeit nutzen, um ein Pokemon zu fangen, doch war selbst das eine Herausforderung, denn im Gegensatz zu den schwachen Wilden, war Lili einfach übermächtig. Sie bekam somit nicht einmal die Gelegenheit, auch nur einen ihrer Pokebälle einzusetzen.

Und so resignierte sie irgendwann, bis sie die Tunnel verließ und zum ersten Mal seit Monaten wieder die echte Sonne sah und den Wind in ihrem Haar spürte.
 

Obwohl Yuki schon häufiger mit ihrem Vater außerhalb Rovandias gewesen war, empfand sie diesen Augenblick als etwas Besonderes und Großartiges. Immerhin war das heute ihr erstes Mal, wo sie fast vollkommen allein auf sich gestellt auf eine Reise ging. Und dieses Mal würde sie nicht nur wenige Tage ihrer Heimat fernbleiben. Ihre Reise würde Monate dauern, vielleicht sogar Jahre.

„Dann zeig mir mal den Weg zum Turm der Elemente, Lili!“

Gurrend erhob sich Staraptor gen Himmel und flog langsam in die Richtung, in der das erste Ziel ihrer Reise lag.

Ein letztes Mal sah Yuki zum Eingang des Tunnels und verabschiedete sich in Gedanken von allem Vertrauten, das sie 16 Jahre lang umgeben hatte.

Vor ihr lag nun die aufregende Welt der Pokemon. Doch das war nicht alles, sie konnte endlich all das lernen, was sie schon so lange wissen wollte. Zumindest, wenn sie bis dahin ein Pokemon fing, das ihre Sicherheit während der Reise gewähren konnte. Um dieses Problem konnte sie sich aber später kümmern.
 


 

Unter seinen Pfoten spürte es, wie das Gras nachgab. Der Nordwind wies ihm die Richtung, in die es laufen musste, in der seine Bestimmung lag. Und obwohl es wusste, dass die Zeit drängte, konnte es nicht anders, als sich ruhig in seiner Umgebung umzusehen. Überall sah es diese munteren, freien Pokemon, die ausgelassen tobten und sich an diesem von Menschen unbefleckten Stück Natur ergötzten.

Wie gerne hätte es selbst diese Freiheit genossen, doch das war nicht sein Schicksal. Es war als eine der legendären Raubkatzen wiedergeboren und hatte damit eine feste Aufgabe in dieser Welt. Noch dazu musste es auch zu seinem selbstgewählten Guardian.

„Suicune hat also auch einen Guardian gewählt. Weiß man etwas über diese Person?“

Es hielt in seinen Schritten inne, als es Stimmen nicht unweit von sich hörte. Vorsichtig näherte es sich durch die Büsche den Menschen in einer weißen, seltsamen Uniform. Geduckt verbarg es sich hinter dem Grün des üppigen Buschwerkes und starrte durch die Äste und Blätter zu den fremden Gestalten.

„Viel ist nicht bekannt. Es soll ein Mädchen sein. Allerdings haben wir weder ihren Namen noch ihren Heimatort. Nicht einmal Operator C weiß etwas über sie oder konnte in den paar Stunden wo er nachgeforscht hat, etwas herausfinden. Wir wissen also weder wer sie ist, noch ob Suicune schon zu ihr gefunden hat. Wenn die alte Schachtel aber dieses Mädchen aus der Stadt der Legenden gerufen hat, sind die Pläne vom Boss zum Scheitern verurteilt, noch bevor wir überhaupt angefangen haben.“

Es verstand nicht genau, worüber diese Menschen sprachen, aber ihm wurde deutlich, dass es um seinen Guardian ging.

„Wie lauten eigentlich unsere Befehle, wenn wir sie finden?“, kam schließlich die Frage des ersten, der schon um Informationen von Suicunes Guardian gebeten hatte.

Scheinbar war er noch neu und noch nicht mit der Gruppe, der er beigetreten war, vertraut. Zumindest wirkte der zweite Uniformierte doch sehr auskunftsfreudig.

„Umgehende Festnahme, bevor sie alles zerstören kann. Egal woher sie kommt, das Mädchen ist noch gefährlicher als Raikous Guardian. Du solltest dir vor unserer Abreise noch einmal alle gesammelten Aufzeichnungen durchlesen. Die Mission startet erst, wenn der Boss das Zeichen gibt. Das kann noch ein paar Wochen dauern. Sie bauen gerade das Versteck zwischen Vestria und Gemburst.“

Zum Zeichen, dass er alles verstanden hatte, nickte der Neuling und zog ein kleines Gerät aus seiner Tasche. Er war bereit, der Empfehlung seines Kollegen zu folgen, um auf alles vorbereitet zu sein.

„Komm mit, Grünschnabel. Wir haben jetzt dein erstes Pokemon und sollten nicht noch mehr Zeit verschwenden. Ich will mir keinen Ärger mit Operator R einhandeln. Merk dir eines. Operator R ist genauso ungeduldig wie aufbrausend.“

Der Neue nickte erneut zum Zeichen, dass er verstanden hatte und folgte seinem Kollegen. Sie hatten beide nicht mitbekommen, dass sie von einem Legendären belauscht worden waren. Und obwohl es nicht wirklich so wild darauf war, seine Freiheit so schnell zu opfern, setzte es sich schneller als zuvor in Bewegung. Es musste unbedingt zu seinem Guardian, um sie zu beschützen und vielleicht zu erfahren, wovon die Männer gesprochen hatten.
 


 

Staunend beobachtete Yuki, wie zwei Pokemontrainer gegeneinander kämpften. Obwohl das Nachtara einen Typvorteil gegenüber dem Traumato hatte, wirkte der Kampf doch recht ausgeglichen. Vielleicht lag es daran, dass beide Pokemon noch auf einem recht niedrigen Level waren.

„Los, Nachtara! Beende es mit Ruckzuckhieb!“

Ohne Umschweife stürmte Nachtara auf das unterlegene Pokemon zu, und obwohl die Trainerin von Traumato arg in Bedrängnis geriet, lächelte sie zufrieden.

„Setzt Fußtritt ein, Nightmare!“

Kaum dass das Pokemon den Befehl vernommen hatte, setzte es Fußtritt ein. Und obwohl Nachtaras Trainer seinem Partner zurief auszuweichen, war es zu spät.

Schwer getroffen schwankte das Unlichtpokemon und fiel schließlich zur Seite.

Damit hatten Traumato und seine Trainerin trotz Unterlegenheit gewonnen.

„Das war wirklich nicht schlecht. Ich hätte nicht gedacht, dass dein Traumato diese Attacke drauf hat.“

Lächelnd rief der Trainer sein Nachtara zurück und ging auf seine Gegnerin zu, die ihrem Pokemon ebenfalls etwas Ruhe in seinem Pokeball gönnte.

„Meine Eltern haben mir eine TM gegeben. Nur deswegen konnte Nightmare diese Attacke überhaupt lernen. Es ist immer gut, die Schwächen eines Pokemon auch über seine Attacken etwas auszugleichen.“

Freundlich hielt die Trainerin ihrem Gegner die Hand entgegen, welche dieser sofort dankbar ergriff. Yuki war erstaunt, wie freundlich die beiden miteinander umgingen. Es war irgendwie schön zu sehen, dass diese beiden trotz aller Rivalität auch so etwas wie eine Freundschaft geschlossen hatten.

„Vielleicht sehen wir uns ja wieder. Ich würde mich sehr über einen Rückkampf freuen. Aber vorerst muss ich mich im Turm der Elemente für die Liga registrieren.“

Winkend verabschiedete sich Nachtaras Trainer und lief in die Richtung, die auch Yukis Ziel war. Als stumme Zuschauerin war sie unentdeckt von den Trainern und ihren Pokemon geblieben, was sie nicht schlecht fand, denn so musste sie nicht erklären, warum sie keine Zeit für einen Kampf hatte.

Noch immer aufgedreht wegen dem, was sie gesehen hatte, erhob sich Yuki und lief nun in Richtung Turm der Elemente, der oberhalb auf Route 1 lag. Bald würde es dunkel werden und sie brauchte noch eine Unterkunft. Da auch am Turm der Elemente ein Pokecenter war, konnte sie also hoffen, dass ihre erste Nacht auf ihrer Reise nicht im Freien sein würde.
 

„Und damit wäre deine Einschreibung für die Elementliga erledigt. Hier ist dein offizieller Trainerpass. Ich wünsche dir viel Erfolg.“

Ein Jubelschrei drang an Yukis Ohr, als sie das Pokecenter betreten hatte. Die Stimme, die sie hörte, war ihr wohl vertraut, so dass sich ein Lächeln auf ihr Gesicht schlich. Eigentlich hatte sie am wenigsten mit dieser Person gerechnet, denn Reinstadt war gerade einmal drei Stunden von hier entfernt und sie hatte geglaubt, dass ihre beste Freundin schon auf der Jagd nach ihren heißersehnten Orden war.

„Das ist typisch Chiara. Man kann dich wieder einmal aus meilenweiter Entfernung hören.“

Belustigt näherte sich Yuki ihrer besten Freundin aus Rovandia, die ertappt zusammenzuckte.

Ein roter Schimmer legte sich auf das Gesicht des schwarzhaarigen Mädchens, das sich zu Yuki umdrehte. Sie hatte ja irgendwie gehofft, ihre Sandkastenfreundin vor Reinstadt zu treffen, doch dass diese sie in so einem peinlichen Moment erwischen würde, war absolut nicht geplant gewesen.

Verlegen sah Chiara weg und zog einen leichten Schmollmund.

„Du bist also auch mal endlich da. Ich wollte schon bei dir anrufen und fragen wo du bleibst. In der Regel bin ich es doch, die immer zu spät kommt.“

Leise seufzte Yuki, als Chiara ihre Verspätung ansprach. Immerhin hatte sie ihr an diesem Tag so viele Probleme bereitet. Doch jetzt, wo sie Chiara hier sah, würde alles gut werden.

„Also, was für ein Pokemon hast du denn bekommen?“, fragte Chiara schließlich aufgeregt und zog ihren Pokeball, um Yuki ihren neuen Freund vorzustellen.

Doch schnell legte sich diese Aufregung, als sie Yukis unerfreuten Gesichtsausdruck sah.

„Ich ruf schnell Paps an. Danach erkläre ich dir alles. Wie klingt Abendessen für dich?“
 

Satt und glücklich strich sich Chiara über ihren Bauch. Während Yuki ihr alles erklärt hatte, hatte sich die Trainerin den Magen vollgeschlagen. Nur ab und zu hatte sie innegehalten und Yuki ihre Meinung gesagt.

„Du weißt schon, dass du Ärger bekommst, wenn Prof. Citron und dein Vater das herausfinden, oder?“

Yuki nickte, denn ihr war dieser Fakt nur allzu vertraut. Gerade aus diesem Grund wollte sie so schnell wie möglich viele Kilometer zwischen sich und ihre Heimat bekommen. Nur dann konnte ihr Vater sie nicht mehr zurückbeordern. Noch dazu würde niemand etwas sagen, wenn sie doch noch ein Pokemon fing, das sie schützen konnte.

„Es ist wirklich blöd, dass du wegen diesem Traum verschlafen hast. Wobei es richtig cool wäre, wenn du wirklich ein legendäres Pokemon hättest. Ich meine, wer hätte nicht gerne eines der Legendären als Partner?“

Schmunzelnd beobachtete Yuki, wie sich Chiara durchs wirre Haar fuhr und sich zurücklehnte, um an die Decke zu sehen. Es hatte fast den Anschein, dass sie dort schon eine Vision von sich und einem Legendären sah.

„Dennoch, Legendäre sollten keinem Trainer der Welt gehören oder auch nur gehorchen. Das würde ihnen jeglichen Zauber nehmen. Also sollte es bei diesem Punkt wohl beim Träumen bleiben“, erklärte die Trainerin schließlich und richtete sich wieder auf.

Es war eine Eigenschaft, die Yuki sehr an Chiara schätzte. Denn bei allen Wünschen und Träumen, die ihr Gegenüber hegte, blieb sie realistisch.

Ja, auch Chiara wollte Pokemonmeister werden, doch dieser Wunsch war wesentlich realistischer als von jeder Art in dieser Welt jeweils eines zu fangen. Schon allein, weil Legendäre einzigartig waren, war dies unmöglich.

„Wie wäre es, wenn wir jetzt schlafen gehen? Morgen wird ein langer Tag. Immerhin wollen wir doch ein Pokemon für dich fangen und nach Reinstadt.“

Yuki erschrak, als sie die Worte Chiaras realisierte. Sie hatte immerhin nicht darum gebeten, und dennoch tat die Trainerin so, als hätten sie schon länger darüber gesprochen und es beschlossen.

„Du willst...“

Weiter kam Yuki gar nicht, denn Chiara nickte und brachte sie damit zum Schweigen. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass sie jederzeit auf ihre beste Freundin vertrauen und sich im Fall der Fälle verlassen konnte.

„Danke.“

Leise, eigentlich kaum hörbar, kam ihr das Wort über die Lippen. Sie wusste aber, dass Chiara sie ganz deutlich verstanden hatte. Es war schon immer so gewesen, manchmal, selbst in Momenten, in denen keine von beiden auch nur ein Wort gesagt hatte, verstanden sie sich auf diese angenehme stille Weise.
 

Viel zu schnell war die Nacht herumgegangen und Chiara und Yuki waren zusammen aufgebrochen, um die letzten Kilometer nach Reinstadt hinter sich zu bringen. Der zweite Punkt auf ihrer Liste war es ein Pokemon für Yuki zu fangen.

Route 1 schien ideal dafür, denn neben einigen Nadel- und Laubbäumen machten sich weit abseits des Weges einige Blumenbeete breit, über denen im Sommer die Wadribis flogen und Honig sammelten. Selbst das hohe Gras, das unberührt von Menschenhand wucherte, bot ein ideales Versteck für vorsichtige Rattfratz. Und dennoch, obwohl sie bereits seit einer guten Stunde unterwegs waren, hatten die beiden Mädchen kein einziges wildes Pokemon gesehen.

„Das ist seltsam. Laut Pokedex sollte es hier vor Mauzis und Taubsis wimmeln.“

Nachdenklich drückte Chiara eine Taste auf ihrem Pokedex und schlug eine weitere digitale Seite auf.

„Okay, Mauzis sind nachtaktiv. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass wir um diese Uhrzeit eines sehen werden. Dennoch erklärt das nicht, wo die ganzen Taubsis sind.“

Verwundert steckte Chiara ihren Pokedex weg und zog dafür einen Pokeball hervor.

„Chelast, komm raus!“

Staunend sah Yuki auf das Pokemon, das Chiara wohl von Prof. Citron bekommen hatte. Obwohl Chelast nicht gerade stark aussah, wusste Yuki, dass man das Pflanzenpokemon nicht unterschätzen durfte. Dennoch wollte ihr nicht klar werden, wozu Chiara ihr Pokemon gerufen hatte. Immerhin war nicht einmal ein Pokemon für einen Kampf in der Nähe.

„Okay, Chelast. Zeit, dass du etwas frische Luft bekommst. Lauf nicht zu weit weg und sag Bescheid, wenn du ein wildes Pokemon siehst, immerhin müssen wir Yuki helfen.“

Um mit Chelast einigermaßen auf Augenhöhe zu sein, hatte sich Chiara zu diesem runtergebückt und strich ihrem Partner sanft über den Kopf. Freudig quietschte das Pokemon auf und lief ein wenig voraus, um seinen Auslauf genießen zu können.

„Ich bin der Meinung, dass ein Pokemon etwas mehr lernt, wenn es auch etwas von seiner Umgebung sieht. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass es ziemlich eng in so einem Pokeball wird.“

Yuki musste leicht lachen, als sie Chiaras Begründung für ihr Tun vernahm. Von so vielen Trainern wusste sie, dass diese ihre Pokemon nur aus dem Pokeball ließen, wenn sie es brauchten. Nur wenige gaben ihren Partnern den nötigen Auslauf und ließen sie etwas von dieser Welt sehen.

„Wir können uns eben vorstellen, wie es ist, gefangen in der Dunkelheit zu leben. Vielleicht würde sich an Rovandias Abwanderungsrate etwas ändern, wenn die Regeln für die Ausreise nicht so streng wären. Ich meine... Sicher es ist nicht ungefährlich, durch die Tunnel zu gehen, aber viele der wilden Pokemon dort sind uns Menschen gewohnt. Wie wahrscheinlich ist es also, dass sie uns grundlos angreifen würden?“

Schon häufiger hatten Chiara und Yuki solche Gespräche geführt, und sie wurden auch nie langweilig, egal wie oft sie auf ein und denselben Nenner kamen. Und selbst wenn Yuki keine Trainerin war, sie hätte es nie anders gehalten als Chiara.
 


 

Glücklich lief Chelast durchs Gras und schnupperte an einigen der Blumen, die verführerisch am Rande des Wanderweges gewachsen waren. Hinter sich hörte es deutlich die beiden Mädchen, die sich über ihre Heimat und ihre jetzige Reise unterhielten. Viel bekam das Pflanzenpokemon aber nicht mit, denn seine Aufmerksamkeit wurde von etwas anderem gefordert.

Etwas weiter von ihm entfernt hörte es etwas im hohen Gras rascheln. Obwohl Chiara ihm gesagt hatte, dass es sie holen sollte, wenn es etwas fand, wollte es auf Nummer sicher gehen und nachsehen, was es war.

Vorsichtig und leise näherte sich Chelast der Geräuschquelle. Es witterte kein anderes Pokemon, und doch musste es etwas Lebendiges sein, was die Ursache für das Rascheln war.

„Verdammt... Ich bin eingeschlafen...“

Tiefer duckte sich Chelast im Gras, als es eine männliche Stimme nicht unweit von sich vernahm. Sie klang müde und doch irgendwie erbost.

„Wenn Luca davon erfährt, lacht er mich wieder aus... Idiot...“

Leicht hob Chelast seinen Kopf und sah schließlich einen jungen Mann, der im Gras saß und sich müde den Schlafdreck aus den Augen rieb.

In seinem eisblau gefärbten Haar zeigten sich deutlich grüne Halme losen Grases, die sich wohl während seines Nickerchens hineingemogelt hatten.

Stöhnend erhob sich der junge Mann, woraufhin Chelast sich mehr im Gras duckte. Doch gerade diese ruckartige Bewegung verursachte genug Lärm, um den Mann auf es aufmerksam zu machen.

Sofort sah er in Chelasts Richtung, und obwohl es sich so klein wie möglich gemacht hatte, entdeckte der Fremde es und ging etwas auf das Pokemon zu.

„Ein Chelast hier in dieser Gegend? Wo kommst du denn her?“

Ruhig streckte er seine Hand zu Chelast aus, doch aus irgendeinem Grund machte der Fremde ihm Angst. Es war etwas, das es an ihm witterte und was ihm Unbehagen bereitete. Hektisch wich Chelast zurück und machte dem Fremden klar, dass es seine Nähe nicht wollte.

„Aber, aber... Ich tu dir doch nichts. Du fühlst dich hier doch sicher einsam, oder? Wenn ich dich fange, kann ich dir ein paar nette Freunde von mir vorstellen.“

Sanft lächelte der Mann das Chelast an, das sofort wusste, was seine Worte bedeuteten. Doch es wollte niemand anderem außer Chiara gehören. Noch dazu wollte es IHM nicht gehören.

Ohne zu zögern wandte sich Chelast von dem Fremden ab. Es musste sofort zurück zu seiner Partnerin, die hier irgendwo mit Yuki in der Nähe war.

„Nicht so schnell! Schneppke, fang es!“
 

Verwundert hielt Chiara plötzlich inne, als sie den angstvollen Ruf ihres Chelasts hörte. Sie wusste, dass etwas nicht stimmte, weswegen sie sich nervös umsah. Und schließlich, etwas weiter entfernt hinter sich, sah sie ihren Partner müde aus dem hohen Gras, zurück auf den Wanderweg von Route 1, springen. Sofort, ohne über die Ursache seiner Angst nachzudenken, lief die Trainerin zu ihrem Pokemon und bemerkte die Schürfwunden an seinem Körper.

„Chelast! Was ist passiert?“

Besorgt nahm Chiara ihren Partner auf die Arme. Dieses war froh, dass es endlich wieder bei ihr war und schmiegte sich an sie, ehe es das Bewusstsein verlor.

„Das Chelast hat also eine Trainerin? Wie unvorsichtig von dir. Die Pokemon von Trainern sollten in ihren Pokebällen bleiben, damit man sie nicht mit Wilden verwechselt. Vielleicht ist dir das ja eine Lektion.“

Wütend sah Chiara zu dem jungen Mann auf, der zusammen mit seinem Schneppke aus dem hohen Gras kam. Die Trainerin musste gar nicht fragen, was geschehen war, denn die Worte des Fremden sprachen Bände.

Und auch Yuki, die sich den beiden genähert hatte, verstand es und war nahe dran, diesem überheblichen Trainer eine Ohrfeige zu geben.

„Selbst wenn, du bist ja scheinbar nicht gerade freundlich gewesen, wenn ich das so sehe. Ob wild oder nicht, man kann ein Pokemon nicht einfach zwingen, einem zu folgen. Mit Gewalt wirst du niemals das Vertrauen von Lebewesen gewinnen.“

Fragend, fast schon verwirrt sah der Fremde zu Yuki, die sich zu Chiara gesellt hatte. Er schwieg einige Augenblicke und ließ sich scheinbar ihre Worte durch den Kopf gehen. Und schließlich griff er in seine Gürteltasche und zog einen Trank heraus, den er Chiara entgegenhielt.

„Du hast vielleicht Recht. Verzeih, ich habe es wohl wirklich etwas übertrieben. Hier, nimm als Entschuldigung diesen Trank. Wenn du ihn auf die Verletzungen sprühst, sollte Chelast sich in Nullkomanichts erholen. Allerdings würde ich es dennoch rein zur Sicherheit ins Pokecenter von Reinstadt bringen.“

Immer noch wütend auf den jungen Mann, der ihr Chelast so zugerichtet hatte, zog sie ihm den Trank aus der Hand und begann die Schürfwunden ihres Partners zu versorgen.

„Dennoch... Es ist gefährlich, wenn sich dein Pokemon zu weit von dir entfernt. Du hast Glück, dass ich so ein netter Kerl bin. Hier draußen gibt es finstere Gestalten, die zwei wehrlose Mädchen wie euch nun bis aufs Hemd ausgezogen hätten. Außer natürlich Miss Weltverbesserer besitzt ein unglaublich starkes und furchterregendes Pokemon, das solche Typen schon mit einem Blick verjagt.“

Leicht verzog Yuki das Gesicht. Sie musste ja zugeben, dass dieser Mann Recht hatte. Schon alleine weil sie kein Pokemon hatte, war es auf ihrer Reise alles andere als sicher. Und selbst wenn sie es jetzt so unbedingt gewollt hätte, hätte sie Chiara nicht beschützen können.

„Wie dem auch sei. Erlaubt mir, euch beide bis nach Reinstadt zu begleiten. Ich möchte sichergehen, dass ihr und Chelast heil und unbeschadet im Pokemoncenter ankommt.“

Schweigend tauschten Chiara und Yuki ein paar vielsagende Blicke aus. Ihnen behagte der Gedanke, dass dieser Trainer sie begleiten wollte, nicht. Und dennoch hatten sie keine Wahl. Chelast brauchte Ruhe und sie wussten nicht, was alles auf dem letzten Stück der Strecke noch passieren würde.

„Was meinst du, Yuki? Sollen wir unsere Sicherheit einen Fremden, dessen Namen wir nicht einmal wissen, anvertrauen?“

Leise lachte der Fremde wegen den bitteren Worten Chiaras auf. Ihm gefiel, dass die beiden Mädchen als Trainer zwar unerfahren waren, aber noch lange nicht unvorsichtig oder naiv genug, um jedem zu vertrauen.

„Gut gesprochen. Mein Name ist Kain. Und ihr habt vor mir nun wirklich nichts zu befürchten. Ich bin harmlos wie ein Togepi.“

Freundlich hielt er Yuki seine Hand entgegen, um die Phase der Vorstellung abzuschließen. Kurz zögerte Yuki. Ihr war immer noch unwohl, doch gleichzeitig sagte ihr ein Gefühl, dass sie dem Fremden namens Kain vertrauen konnte, wenn es darauf ankam.

Nun doch gewillt, die Vorstellung mit einem Handschlag zu besiegeln, streckte sie ihre Hand aus, doch sie kam nicht dazu, seine zu fassen.
 

Kain verdankte es nur seinen guten Reflexen, dass er weit genug zurückgewichen war, als sich etwas Größeres zwischen ihn und Yuki geschoben und nach seiner Hand geschnappt hatte. Er brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, dass es Suicune war, das sich bedrohlich zwischen ihnen aufbaute.

'Seltsam... Was macht es ausgerechnet jetzt hier?'

Kampfbereit stellte sich Schneppke vor seinen Trainer, denn die Bedrohlichkeit Suicunes schwand keine Sekunde lang.

„Du willst einen Kampf, Suicune? Den kannst du gerne haben. Ich hoffe, du kommst auch ohne deinen Beschützer zurecht.“

Sich seiner Sache vollkommen sicher, machte sich Kain für diesen Kampf bereit.

„Schneppke, Doppelteam!“

Im Geiste hatte sich Kain schon seine Strategie zurechtgelegt. Er musste einfach strategisch vorgehen und hoffen, dass Schneppke stark genug gegen Suicune war. Schließlich war das hier nicht irgendein wildes Pokemon.

Seinem Trainer vertrauend, lief Schneppke auf Suicune zu und vervielfachte sich scheinbar noch inmitten dieser Bewegungen. Es schien auch wirklich zu funktionieren, denn ohne einen Menschen, der es anleiten konnte, schien dieses keinen Überblick über das Kampffeld zu haben. Stattdessen schoss es willkürlich mit seiner Aquaknarre auf die Trugbilder Schneppkes.

„Gut so, Schneppke! Setz Pulverschnee ein!“

Der Befehl war noch nicht einmal richtig ausgesprochen, da führte das Eispokemon auch schon den Angriff aus. Suicune war noch viel zu irritiert, um rechtzeitig ausweichen zu können, und als es wahrnahm, was geschah, waren seine Pfoten am Boden festgefroren.

„Gut gemacht Schneppke. Beenden wir das jetzt, Suicune.“

Siegessicher gab Kain seinem Partner den Befehl, erneut Pulverschnee einzusetzen und Suicune damit endgültig einzufrieren.
 

„Suicune! Schnell, setze Silberblick ein!“

Yuki wusste nicht wieso oder woher sie wusste, was für Attacken Suicune bereits beherrschte. Es war einfach ein Gefühl, dass sie nicht falsch lag und Suicune auf sie hören würde.

Und in der Tat, es schien sich ein seichtes Lächeln auf dem Gesicht des Pokemon abzuzeichnen, als es dem Befehl Yukis Folge leistete.

Just in diesem Augenblick, als Suicune sich mit Silberblick verteidigte, hielt Schneppke, erstarrt vor Angst, inne. Es hatte wohl genauso wenig wie Kain damit gerechnet, dass Suicune nun auf die Befehle eines der Mädchen hörte und genau das konnte das Blatt in diesem entscheidenden Moment wenden.

„Gut so! Richte deine Aquaknarre auf den Boden, um dich vom Eis zu befreien!“

Ohne ihre Idee zu hinterfragen senkte Suicune seinen Kopf und sprengte das Eis mit dem Druck, den seine Aquaknarre verursachte. Es gefiel ihm ganz offensichtlich, dass es jemanden hatte, der es unterstützte, zumal sein Gegner offensichtlich um einiges stärker war als es.

„Schneppke, beiß dich an Suicune fest!“

Überrascht hob das legendäre Pokemon seinen Kopf und sah, wie Schneppke in der Luft über ihm war und mit geöffneten Mund auf es zusprang.

„Aquaknarre auf Schneppke! Schnell!“

Augenblicklich führte Suicune den Befehl aus und landete so einen direkten Treffer auf Schneppke, das zurück auf Kains Seite geschleudert wurde und schwer benommen liegen blieb.
 

Bitter lächelnd zog Kain seinen Pokeball und rief seinen Partner zurück. Es reichte einfach, mehr musste er nicht sehen oder hören, um zu wissen, dass er Suicune heute noch nicht besiegen würde. Aber das war nicht schlimm, immerhin hatte er etwas Interessantes erfahren.

„Wie mir scheint, habt ihr doch noch einen ganz passablen Bodyguard an eurer Seite. Ihr solltet es also auch ohne meine Hilfe heil nach Reinstadt schaffen.“

Kain ignorierte die fragenden Blicke der Mädchen und steckte Schneppkes Pokeball zurück an seinen Gürtel.

„Du, Yuki war doch dein Name, oder? Das war kein schlechter Kampf. Und ich denke, dass Suicune mit dir als Partner auch nicht unzufrieden sein wird. Es muss ja einen Grund geben, warum du es gewählt hast. Aber... das nächste Mal wenn wir uns wiedersehen, wirst du nicht gewinnen.“

Von einer Minute zur anderen verdunkelte sich Kains Blick, als er Yuki direkt ansprach. Doch schnell verschwand es wieder und er zog ein Säckchen aus seiner Tasche, welches er Yuki zuwarf.

„Hier, dein Preisgeld.“

Ohne darauf zu achten, ob Yuki ihren Preis gefangen hatte, wandte er sich von dem Mädchen ab und lief in Richtung Reinstadt. Er hatte genug Zeit verschwendet, aber immerhin war es nicht ganz umsonst gewesen.
 

„Seltsamer Typ...“, sagte Chiara, als Kain außer Hörweite war.

Auch wenn das plötzliche Erscheinen Suicunes sie doch mehr überrascht hatte, konnte sie sich den Kommentar bezüglich des Fremden nicht verkneifen.

„Hast du gehört, was er gesagt hat, Chiara? Er wusste von dem, was in meinem Traum passiert ist... Aber woher?“

Yuki konnte nicht anders, als Kain so lange nachzusehen, bis er nicht mehr zu sehen war. Doch kaum dass er aus ihrem Blick entschwunden war, wandte sie sich zu Suicune, das auf Chiara zugelaufen war und sie beschnupperte. Als es schließlich scheinbar wusste was es wissen wollte, wandte es sich von der Trainerin ab und ging wieder zu Yuki. Ernst fixierten seine blauen Augen das Mädchen vor ihm. Es schien fast so, als wartete es ab, was nun geschehen würde.

„Yuki, ich glaube nicht, dass es einfach nur ein Traum war. Oder wie willst du dir sonst erklären, dass Suicune jetzt hier ist?“

Leise seufzte Yuki wegen Chiaras Worten. Sie hatte ja Recht, doch so richtig glauben wollte sie es nicht. Denn wenn sie es glaubte, musste sie sich eingestehen, dass sie nicht wusste, was sie nun tun sollte.

„Du... wirst mich also begleiten, Suicune?“, fragte Yuki vorsichtig.

Sie wollte sichergehen, dass Suicune jetzt nicht einfach verschwinden würde und sie wieder zweifeln ließ, ob sie nicht doch nur alles geträumt hatte.

Zu ihrer Überraschung nickte das Legendäre und setzte sich langsam Richtung Reinstadt in Bewegung.

„Sieht so aus, als hättest du damit doch noch dein erstes Pokemon erhalten, Yuki.“

Grinsend rief Chiara, die ihr Chelast immer noch im Arm gehalten hatte, dieses zurück und folgte dem Legendären, das kurz stehen blieb, um nach den beiden Mädchen zu sehen.

Perplex sah Yuki zu ihrer Freundin. Doch als sie realisierte, dass diese Recht hatte, konnte sie nicht anders, als zu lächeln und dem Weg zu folgen, den Suicune ihnen wies.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Unnützer Autorenkommentar: Und wieder gibts etwas Hintergrundswissen.
Ursprünglich war das Kapitel leicht anders geplant. Yuki sollte Suicune erst in einem Pokeball bei sich tragen, aber ich wollte nicht das Gefühl erwecken, dass es eine Trainer-Pokemon Beziehung gibt. Deswegen musste Suicune anders zu ihr finden.
Genauso wenig war Kain als Charakter und der Kampf gegen ihn geplant. Eigentlich sollte es ein Kampf gegen Chiara werden, aber da kam alles irgendwie anders.

Nachdem dann zwei testleser meinten es fehlen Beschreibungen, habe ich noch ein paar eingefügt. und ich weiß, das die Verbindung zwischen Yuki und Chiara noch nicht ganz so klar ist, aber ich schwöre, dass es noch kommt. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2013-09-08T12:32:56+00:00 08.09.2013 14:32
Ich mag Schneppke da es aussieht wie ein Stück Pizza.

Ich wette Chiara ist verdammt angefressen wenn ihre Freundin nen Suicune hat und sie sich mit nen Chelast zufriedengeben muss.

War wie von dir gewohnt sehr gut. Alles sehr schön und detailreich beschrieben und du versuchst das beste daraus zu machen aus dem was dir Pokemon gibt.

Allerdings könntest du mir vielleicht eins noch erklären, da bin ich nicht ganz mitgekommen. Also diese Professorin wusste doch das Yuki kommt so wie man das gelesen hat. Warum hatte sie dann kein Pokemon mehr für Yuki? Sie hätte doch einfach eins für sie zurücklegen können oder so schon eines für sie bereit liegen haben müssen. Oder kann da einfach jeder der will kommen und die ersten 3 bekommen dann halt das Pokemon und der Rest der später kommt hat Pech?

Auch etwas komisch ist das außerhalb der Stadt ja Horden von wilden Pokemon lauern aber man nen Mädchen trotzdem mit nen Endivie rausgelassen hätte. Ich bin nicht so überzeugt davon das Endivie ein ausreichender Schutz gewesen wäre. Aber da es bei Pokemon ja immer so ist hattest du dementsprechend wohl keine Wahl das noch anders zu lösen.


Was wirklich schlechtes kann ich aber wie immer nicht sagen. Dafür bist du einfach zu gut ^^
Antwort von:  Erenya
08.09.2013 14:37
Naja es läuft wohl so, dass es immer nur 3 Starter Pokemon gibt. im Spiel Mythic Legends wurde selbst noch das Zitat "Der frühe Vogel fängt den Wurm" erwähnt.
Eich hatte ja auch nicht genug Pokemon und Ash hatte mit Pikachu mehr Glück.

So ganz erklären kann ich es also auch nicht. X'D ich hab einfach versucht irgendwo anzuknüpfen und hier den Leitfaden des Spiels benutzt.


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