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Schillern

von

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Die letzte Strophe

Karl wachte in Augusts Armen auf. Wenn er genau darauf achtete, schmeckte er noch das Blut des anderen von der vergangenen Nacht in seinem Mund.

Die Nacht, die ihre beiden Väter vereint hatte.

August brummte etwas gegen seine nackte Brust, und er vergrub sein Gesicht in dessen Haaren.

„Es ist so hell draußen…“, flüsterte Karl. „Ist das ein Feuerwerk?“

August hob gemächlich seinen Kopf und sah an die Zeltdecke, wo tatsächlich rotes Licht flackerte.

Gerade wollte er Karl zustimmen, da krallte sich dieser plötzlich in seinen Oberarm.

„Ah, Karl! Du tust mir– !“

August verstummte, als er Karls entsetzten Gesichtsausdruck sah. „Was…?“

„Vater!“

Hektisch zog sich Karl seine Hose an und stürmte aus dem Zelt, August strauchelte hinterher.

Dem Älteren stockte der Atem, der dunkle Rauch trieb ihm Tränen in die Augen.

Karl ging es nicht besser.

Entsetzt blieben sie beide vor der Hütte stehen, die lichterloh brannte. Die Hütte, in der ihre Väter lagen.

„Karl, dort drüben…!“

August brauchte nicht mehr sagen, da erkannte Karl seinen Großvater, der mit einem großen Tonkrug zu seinen Füßen vor der Hütte stand und regungslos den lodernden Flammen zusah.

Mit einem Mal war Karl bei ihm und packte ihn wutentbrannt am Kragen seines Hemdes.

„Du vermaledeiter…! Mörder!“

Caspar Schiller sah Karl nicht an, hielt seinem harschen Griff und seinen Schlägen stand.

„Ich bring dich um, du…! Ich bring dich um!“

August konnte dieser Szene nur von der andern Seite der Hütte zusehen. Seine Augen waren leer, das Feuer warf unruhige Schatten auf sein Gesicht.

„August, er hat sie auf dem Gewissen! Er hat unsere Väter umgebracht…! Dieser verdammte– “

Da packte Caspar Schiller plötzlich seinen rechten Arm und hielt ihm mit der Linken einen Zettel entgegen.

Karl starrte den alten Mann außer Atem an. Er zitterte.

Plötzlich weiteten sich seine Augen.

War das da etwa eine Träne? War das wirklich eine Träne, die seinem Großvater die Wange hinablief?!?

Karl schluckte.

Er nahm den Zettel entgegen, als August langsam auf sie beide zukam.

Und er sank auf die Knie.

„K-Karl, was…“, fing der Ältere unbeholfen an, setzte sich zögerlich zu ihm. „Was ist geschehen?“

Karl antwortete nicht, er reichte August nur das Stück Papier, das wohl von einem längeren abgerissen worden war.

Es war Goethes Handschrift.
 

Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:

Einen Scheiterhaufen schichte du;

Öffne meine bange kleine Hütte,

Bring in Flammen Liebende zu Ruh;

Wenn der Funke sprüht,

Wenn die Asche glüht,

Eilen wir den alten Göttern zu.
 

Caspar Schiller wühlte den trockenen Sand ein wenig auf, als er sich herumdrehte.

„Ich hab es nicht gerne getan.“, sagte er leise, als er ging.

August zog Karl in seine Arme, und sie fielen zusammen auf die Erde, wussten nicht wohin mit ihrem Schmerz.

Es dauerte eine Weile, bis der Himmel wieder heller wurde; immer noch waberten Rauchwolken durch die Luft und verdeckten die Sonne.

„Dabei…“ August wischte sich über die Augen. „Dabei wollte Vater doch immer unsterblich sein. Wieso…wieso sollte er sich umbringen, wenn er es nun geschafft hat?“

Karl fuhr dem anderen durch die Haare, sah auf zum Himmel, wo der Rauch allmählich verschwand. „Vielleicht…“

Er überraschte August, als er aufstand.

„Wo…willst du hin?“, fragte der Ältere verwirrt.

Karl versuchte sich an einem Lächeln und reichte ihm die Hand. „Komm mit.“

Der Dunkelhaarige führte ihn hinüber zu den Bretterverschlägen, die er öffnete, und trat ein.

August schloss zu ihm auf, verstand nicht ganz, was das für Wesen waren, die hier in den Käfigen saßen.

„Das Dorf wird morgenfrüh unsere Väter im Meer bestatten. Wir sollten auch hingehen.“, meinte Karl.

August sah ihn fragend an. Er schluckte die erneut aufwallenden Tränen hinunter. „Wieso klingst du so fröhlich, wenn du so etwas Trauriges sagst?“

„Weil ich genau weiß, dass die Eitelkeit deines Vaters größer ist als alles andere.“, antwortete Karl und musste nun schon fast lachen. „Er würde sich niemals umbringen. Und Vater würde das nie von ihm verlangen.“

Der Dunkelhaarige nahm seinen Freund in den Arm. Und erklärte ihm, was es hieß, dass zwei Gruls fehlten.

„Die Asche, die wir ins Meer streuen werden, ist also nicht die unserer Väter, sondern die ihrer Gruls.“

August betrachtete die Wesen hinter den Gitterstangen noch ein wenig skeptisch.

Karl zog ihn mit sich wieder hinaus in die Freiheit.

„Die Liebe.“, begann der Ältere da, als sie eine Brise Meeresluft erreichte, die unten vom Hafen zu ihnen hinaufgeweht kam.

„Hm?“ Karl sah August fragend an.

„Größer als Vaters Eitelkeit ist wohl seine Liebe, die er Schiller entgegenbringt.“

Der Jüngere gab seinem Freund einen zärtlichen Kuss.

„Reisen wir morgen nach der Bestattung ab?“, fragte er, „Diese Welt hat noch so vieles zu bieten.“

August nickte langsam.

„Meinst du…“, begann er, „Meinst du, wir sehen sie irgendwo, irgendwann wieder?“

Karl lächelte ihn an und nahm seine Hand, um sie fest zu drücken.

„Ganz bestimmt.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich bedanke mich bei allen, die Schillern gelesen und kommentiert haben!X33 Ich hoffe, ihr hattet Spaß dabei :3

Es wird wohl noch einen Epilog geben...schließlich hatte ich ja noch was versprochen... ;3 Dann ist aber endgültig Schluss XD (Wobei sich mit diesem Ende ja eine Fortsetzung 100 Jahre später anbieten würde :P) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  DasIch
2014-05-02T13:34:50+00:00 02.05.2014 15:34
Sehr spannend! Auch wenn die Maßnahme sehr extrem ist so ist sie auch verständlich! Aber ich freu mich für beide sowohl Paar Jung und alt! Manchmal braucht man extreme Maßnahmen für ein noch extremeres lebenXD


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