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Digimon Dimensions

von

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Der Kampf in Shinjuku Park

Kapitel III: Der Kampf in Shinjuku-Park
 

Takato war den ganzen Weg von zu Hause bis hier her gerannt. Völlig außer Atem stand er am Fuße der steinernen Treppe die zu dem kleinen Verschlag, den sie alle nur Guilmons Versteck nannten, hinauf führte. Mobilisierte die letzten Kräfte und hastete die Stufen nach oben.

Natürlich war er nun viel zu früh im Park angekommen.

Jenryas mysteriöse Nachricht hatte ihn nicht mehr losgelassen. Was konnte so dringend und gleichzeitig so geheim sein, dass er es vorzog sich hier draußen in der eisigen Kälte, statt zu Hause im warmen mit ihm zu treffen.

Die Telefonleitungen seit gestern tot. Und als dann, am frühen Abend auch noch der Strom ausgefallen war, hatten die Telefonfirmen keine wirkliche Chance mehr gehabt das Problem zu beseitigen.

Lag vermutlich alles an dem Wetter, und so war die kleine SMS alles was ihm geblieben war. Natürlich hatte alles nachfragen in seiner Antwort nichts genützt. Der blauhaarige hatte ihm nichts erzählen wollen und ihn nur nochmals gebeten zur vereinbarten Zeit an ihrem alten Treffpunkt auf ihn zu warten.

Der Junge mit der Fliegerbrille hasste diese Geheimniskrämerei.

Auf dem Weg hierher war ihm nicht mal eine Menschenseele begegnet.

Verständlicherweise blieben die meisten bei so einem Wetter zu Hause, hinter gut verschlossenen Fenstern und in gut beheizten Räumen.

Von Jenrya fehlte noch immer jede Spur und so beschloss der fröstelnde Junge, nachdem er des Wartens müde geworden war, allein in den aus grauen Steinen und zur Zeit unter einer dicken Schneedecke begrabenen Verschlag vorzustoßen.
 

Es dauerte einige Minuten und kostete ihn einiges an Mühe, doch letztlich hatte er es geschafft sich einen Weg durch die Schneemassen zu bahnen.

Drinnen angekommen sah er erst mal nichts.

Er blinzelte und hoffte, sich so möglichst schnell an die Dunkelheit zu gewöhnen. Doch auch nach einigen Minuten sah er nicht mehr als die eigenen Hand vor Augen. Zumindest, wenn er sie ganz dicht vor sein Gesicht hielt.

Verzweifelt auf der Suche nach einer Lichtquelle glitten seine Hände in die Jackentaschen, fanden neben einigen gebrauchten Taschentüchern aber lediglich sein – Takato stieß einen erschreckten Laut aus.

Ein dumpfes, rotes Leuchten drang durch den Stoff seiner Winterjacke.

Mit zittrigen Fingern zog er den weiß und goldenen Apparat Stück für Stück heraus.

Einmal aus der Tasche befreit schien das von ihm ausgehende, sanfte Licht stärker zu werden.

Es war sein Digivice.

Der Dreizehnjährige sah wie das kleine Display unter seinem heißen Atem beschlug und fuhr behutsam mit dem Daumen darüber. Das Licht wurde für einen kurzen Moment unerträglich hell, sodass er gezwungen war die schmerzenden Augen abzuwenden.

Einige Sekunden vergingen, eher der Junge wieder hinzusehen wagte.

Und ein Wirrwarr von Zahlen über den Bildschirm flimmern sah. Er sog scharf die Luft ein als diese sich langsam, aber zielsicher in einem Punkt zu sammeln begannen. Immer mehr und mehr hefteten sich aneinander. Formten einen rundliches, oder eher elliptisches Gebilde. Er wagte nicht zu blinzeln.

Erst, als unmittelbar vor ihm ein zweites, viel kälteres Licht aufflackerte hob Takato den Kopf. Für einen kurzen Moment beleuchtete es den ganzen Verschlag, woraufhin er allerlei Müll und Dreck in dessen Ecken entdeckte.

Andere Kinder hatten vermutlich ihr Geheimversteck hierher verlegt. Ein Anflug von Trauer überfiel ihn, immerhin war das früher ihr geheimer Treffpunkt gewesen, aber das penetrante Leuchten blies diese Gedanken beiseite wie ein starker Wind.

Vorsichtig ging er einige Schritte in den vor über drei Jahren von Guilmon gegrabenen Tunnel hinein. Schon nach wenigen Metern war er gezwungen auf die Knie zu gehen. Im Gegensatz zu ihm war der Tunnel natürlich nicht gewachsen.

Trotz aller Vorsicht stieß er kurze Zeit später mit dem Kopf an der Decke an.

Sich die schmerzende Stirn noch immer reibend erblickte der Junge schließlich die Quelle des kalten und fahlen Lichtes.

Ihm stockte der Atem.
 

Direkt vor seiner Nase lag, seitdem er es zum letzten Mal gesehen hatte auf mindestens die doppelte Größe angewachsen das Tor zur Digiwelt. Es hatte sich sehr verändert.

Statt einem Haufen von Datenpaketen, merkwürdigen Formen und Symbolen und der typischen, netzförmigen Struktur im Hintergrund sah Takato sich einem stark bewachsenen Waldweg gegenüber. Ein einziger Schritt schien zu genügen um ihn in diese andere Welt hinüber zu befördern. Doch er zögerte.

Auf den ersten Blick hätte es ein ganz normaler Wald irgendwo in Japan, Europa oder Nordamerika sein können. Es gab Laub- sowie Nadelbäume, verschiedenste Büsche, Gräser und, im Gegensatz zu einem normalen Wald, eine Gruppe von Snack- und Getränkeautomaten am Wegesrand.

Der Fliegerbrillenträger ließ den Blick weiter schweifen. Dann kehrte er schlagartig zu den merkwürdigen Apparaten zurück.

War das nicht ein Digimon? Tatsächlich.

Vor einem der beiden Automaten stand, den riesigen Schädel zum Ausgabefach hinuntergebeugt eine grauenvolle Kreatur. Stieß ein deutlich hörbares Schnauben aus seinen geweiteten Nüstern.

Der Braunhaarige musste sich setzen.

Eine Hand auf die sich langsam bildende Beule gelegt, stützte er sich mit der anderen am Boden ab. Ein ungläubiges Seufzen drang aus seiner Kehle.

Just in diesem Moment drehte sich das kleine Wesen zu ihm um. Blinzelte unentwegt und rieb sich dann die Augen.

Es dauerte eine, vielleicht auch zwei Sekunden ehe Takato begriff, dass wenn er es sehen konnte – wie vom Affen gebissen fuhr der Dreizehnjährige hoch und stieß sich prompt ein weiteres Mal den Schädel.

Dann stürzte das Digimon auf ihn zu.
 

Es war wie ein Erdbeben. Plötzlich und ohne Vorwarnung begann alles um ihn herum zu wackeln. Erdstückchen rieselten von der Decke.

Es war ein Erdbeben, verbesserte Takato seine eigenen Gedanken.

Mit vor entsetzen weit aufgerissenen Augen wandte der Braunhaarige sich um und trat den Rückweg an.

Auf allen Vieren hetzend, kümmerte es ihn herzlich wenig, dass er sich nun auch noch Blessuren an den Knien und Ellenbogen zuzog. Hauptsache er kam schnell genug aus dieser Todesfalle heraus.

Schon konnte er das fahle Tageslicht am Ende des gegrabenen Tunnel erkennen. Erreichte den aus Beton gegossenen, nicht weniger zitternden Boden des kleinen Verschlags. Und hätte es fast aus der für gewöhnlich mit einem eisernen Gitter versperrten Tür geschafft.

Eine gewaltige Druckwelle erfasste den Jungen und schleuderte ihn in einen nahen Schneehaufen. Zeitgleich schien das aus soliden Backsteinen gemauerte, ehemalige Versteck zu explodieren. Die gewaltige Wolke aus Trümmern, Staub und Schnee hatte sich noch nicht gelegt, der Dreizehnjährige das Bewusstsein gerade erst wiedererlangt.

Als ein tiefes, durch Mark und Bein gehendes Brüllen erscholl.

Er öffnete die braunen Augen und alles was er sah waren messerscharfe Zähne. Sie steckten, gefährlich blitzend in einem riesigen, weit aufgerissenen Maul. Nun erschienen die mit Klauen bewährten Pranken. So groß, dass sie die kläglichen Reste des Gemäuers einfach wegfegten. Es hätten genauso gut Legosteine sein können. Der Verschlag und die von Guilmon gegrabene Höhle darunter waren völlig zerstört.

Das Monster setzte einen der in langen Krallen endenden Füße auf. Wieder bebte die Erde und Takato konnte nicht sagen, ob es am schieren Gewicht oder dem Ohren betäubenden Lärm seines Brüllen lag.

Mit einem einzigen, gewaltigen Schritt setzte das Biest über die Treppe hinweg und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Den Jungen dabei nicht aus den Augen lassend. Die so hinterhältig und bösartig drein blickten.

Dunkle Rauchwolken stoben aus seinem Maul, als die gänzlich in schwarze Schuppen gehüllte Kreatur den schweren Kopf herab bog. Viel zu spät erkannte der Braunhaarige, was das Ding plante. Er versuchte sich mit einem beherzten Sprung in Sicherheit zu bringen, doch es war bereits zu spät. Hinter sich konnte er schon den heran nahenden Feuerstoß sehen. Seine Hitze bereits an den Beinen spüren.

Der Junge mit der Fliegerbrille kniff die Augen zusammen und schrie so laut er konnte. Ließ der Wut über seine Dummheit, der Verzweiflung und seiner Angst freien Lauf.
 

Die Hitze nahm wieder ab. Plötzlich spürte er den kalten Schnee unter seinen behandschuhten Fingern. Bemerkte, wie die Feuchtigkeit durch die Hosenbeine bis auf seine Haut drang. War er etwa – nein, er war definitiv nicht tot!

Takato riss die Augen auf. Lange Flammenzungen schlugen rechts und links von ihm vorbei. Zurückgehalten von einem für seinen Geschmack viel zu dünnen, roten Feld, dass sich in einer annähernd runden Form um ihn, und den Schnee auf dem er lag, geschlossen hatte. Fast ebenso schnell wie die Attacke begonnen hatte, ebbte der Feuersturm wieder ab.

Noch immer hielt das grässliche Monster ihn in seinem Blick gefangen. Es brüllte ein weiteres Mal, sodass der Braunhaarige zusammen zuckte, verstummte jedoch, als ein ähnlich lautes, anderes Geräusch erklang.

Es knackte einmal, zweimal, dreimal, dann brach die dünne, aber widerstandsfähige Schale in tausend kleine Teile. Und er erkannte, dass er in einem Ei gesessen war.

Aus dem grade etwas schlüpfte.

Das Wesen, einem Vogel sehr ähnlich, trug ein rubinrotes Federkleid. Lediglich an den Flügelspitzen mischte sich ein Ton, so gelb wie die Sonne darunter. Sein scharfer Schnabel saß unter zwei dunklen, ernst drein blickenden Augen hervor. Die langen und buschigen, zu einem spitzen Winkel zusammengezogenen Brauen verstärkten diesen Eindruck.

Um die mit Krallen bewehrten Füße hing je ein goldener Ring, der bei jeder Bewegung einen seltsam hellen Ton von sich gab und in den scheinbar zur Zierde eine dicke, rote Kugel eingelassen war.

Doch am meisten beeindruckte den Jungen der lange, in drei Teile gespaltene Schweif. An dessen Enden kleine Flammen leckten.

Das Digimon, denn nichts anderes konnte es sein, schlug mit den breiten Flügeln und kleine Funken stoben durch die Luft.

Eine Herausforderung an seinen es um Längen überragenden Gegner. Das schwarz geschuppte Monstrum stand noch immer mit nach vorn gebeugtem Kopf da, bereit erneut anzugreifen.

Einen Vorsatz, den es sogleich in die Tat umsetzte. Wieder stoben Flammen aus seinem Maul und rasten auf Takato und den seltsamen Vogel zu.

Dieser stieß einen lauten Schrei aus.

Kreischend warf es die Flügel nach vorne und konterte mit einem viel schmaleren, aber um einiges heißeren Feuerstrahl. Der Schnee um sie herum schien in wenigen Sekundenbruchteilen zu verdampfen. Als beide aufeinandertrafen entstand ein wahres Inferno. Es brannte so hell, dass der Dreizehnjährige gezwungen war seine Augen mit den Händen zu bedecken. Er spreizte die Finger, um wenigstens etwas von diesem atemberaubenden Kampf mitzubekommen. Und er sah, wie beide Kontrahenten aufeinander zu schnellten.

Das riesige Biest hieb mit seinen Klauen nach dem rot gefiederten Vogelwesen. Verfehlte aber aufgrund dessen Ausweichmanöver aber den Gegner, sodass sich die gefährlichen Pranken in den gefrorenen Boden bohrten.

Hoch über ihm schien das zweite Digimon in der Luft zu stehen. Startete den Angriff noch während die riesige Kreatur ihren Ärger mit schauriger Stimme herausschrie. Im Sturzflug, schnell wie der Blitz, schoss es auf sein Ziel hinab. Eine viel zu offensichtliche Attacke. Ein leichtes für das dunkle, reptilienartige Wesen seinen Konter vorzubereiten.

Nur wenige Sekunden, bevor der kleine Feuervogel seinen Angriff ins Ziel brachte, setzte sein Gegner zu einer Drehung an. Ließ den langen Schwanz wie eine Peitsche durch die Luft sausen und erwischte Takatos Retter mit ganzer Wucht.

Das kleinere Monster krachte donnernd ins nahe Unterholz.

Der weiter umherwirbelnde, schwarz geschuppte Schwanz schnellte auf den Braunhaarigen zu.
 

Jenrya hatte die Erschütterungen bereits gut einen Kilometer entfernt gespürt. Mittlerweile konnte er auch die Geräusche des schrecklichen Kampfes hören.

Er begann zu rennen. Kleinere Erdbeben waren in Tokio keine Seltenheit, aber derartiges Getöse hatte der Junge vor drei Jahren zum letzten Mal gehört. Als dann noch das kleine Wesen, dass er im Rucksack versteckt auf dem Rücken trug plötzlich wie wild geworden um sich trat schwante ihm böses. Sein Verdachte bestätigte sich sofort, als er aus dem dichten Baumbestand hinaus auf die große, im Sommer gern als Liegewiese genutzte Lichtung trat.

Dort stand, brüllend und fauchend, ein riesiger, schwarzer Dinosaurier. Zu seinen Füssen lag Takato, drauf und dran von einem wild umher peitschenden Schwanz zermalmt, oder vielleicht auch in der Hälfte geteilt zu werden.

Der blauhaarige stieß einen verzweifelten Schrei aus. Just in dem Moment riss, zusammen mit einem großen Stück Stoff der Reißverschluss aus seinem Rucksack.

Heraus sprang die kleine, grüne Schildkröte, welche sich am Vorabend noch im Zimmer seiner Schwester vor ihm versteckt hatte. Mit einem entschlossenen Ausdruck in den Augen lief, nein flog sie auf den vielfach größeren Gegner zu.

Und hüllte sich dabei in goldenes Licht.

So grell, dass Jenrya sich geblendet abwenden musste. Während die bunten Lichter vor seinen Augen langsam wieder abnahmen, erkannte er, dass es das gleiche Licht wie gestern Abend gewesen war. Kurz bevor er das Digimon im Mülleimer entdeckt hatte.

Besagtes Digimon knallte nun mit einem Affenzahn in den Körper der riesigen, schwarzen Kreatur. Deren Körper schien sich erst in Zeitlupe durchzubiegen, um im nächsten Moment mit atemberaubender Geschwindigkeit in einen der nahen Baumbestände zu krachen.

Die kurze Atempause genügte, sodass der Junge sein Digivice hervorholen und das, sich unter gepeinigtem Brüllen auf die Beine zurückkämpfende Biest als Darktyrannomon, ein auf dem Seijukuki-Level befindliches, bösartiges Digimon zu identifizieren.

Und ein sehr zähes war es noch dazu. Mit weit geblähten Nüstern stand es bereits wieder in Angriffsposition und fixierte die kleine, grüne – die Augen des blauhaarigen weiteten sich.

Dort vorne, direkt neben Takato stand, auf vier mit Krallen bestückten, kräftigen Beinen eine große Schildkröte. Aus deren mit gewaltigen grünen Platten geschützen Panzer ein kleiner, knospen tragender Baum wuchs. Jenrya zählte zwei große und glitzernde Perlen, die zwischen seinen Wurzeln festgewachsen waren. Ihr kurzer Schwanz, sowie ihr langer Hals mit dem großen, scharfschnabligen Kopf an der Spitze schien unter einem dornenbewachsenen Holzpanzer verborgen.
 

Der große, schwarze Dinosaurier, von der Ankunft eines neuen Feindes offensichtlich eher angestachelt, denn eingeschüchtert griff erneut mit einem Feuerball an.

Das glühend heiße Gebilde war dem Braunhaarigen und dem ihm zur Seite geeilten Digimon gefährlich nahe, als letzteres einen gewaltigen Wasserstrahl aus seinem Maul schoss. Die Flammen erloschen unter lautem zischen und hinterließen nichts, außer einer gewaltigen Dampfwolke.

Darktyrannomon geriet jetzt erst so richtig in Rage. Mit weit aufgerissenem Rachen und gespreizten Klauen stürmte es auf den Fliegerbrille tragenden Jungen und seinen neuen Verteidiger zu. Dieser wartete gar nicht erst ab und rannte seinerseits dem Angreifer entgegen.

Keiner der beiden Jungen konnte sich vorstellen wie das kleine Wesen das um Längen größere Digimon aufzuhalten gedachte.

Sie hatten, genau wie der Gegner, im Eifer des Gefechts Takatos alten Verteidiger völlig vergessen.

Heiß wie ein Schweißbrenner, und begleitet von einem schrillen Kreischen, schlug der schmale Feuerstrahl zwischen den Bäumen ins freie. Traf das schwarz geschuppte Biest mitten auf die Brust. Riss das riesige Monster ein weiteres Mal zu Boden.

Keinen Augenblick später flog das rote Vogeldigimon aus dem dichten Geäst empor und stieß im Sturzflug dem Kampfplatz entgegen.

Jenrya war mittlerweile an der Seite seines Freundes angekommen. Noch immer wollte keiner von ihnen glauben was hier geschah und nicht zum ersten Mal spielte der blauhaarige mit dem Gedanken alles könne nur ein Traum sein. Doch ein Blick in Takatos Gesicht genügte ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Es war Wirklichkeit.

Die Digimon waren wieder in der realen Welt. Der Kampf war echt. Und die Gefahr auch.

Er schluckte. Setzte eine ernste Miene auf. Keiner der Zwei hatte bisher auch nur einen Gedanken daran verschwendet warum nicht Guilmon oder Terriermon, sondern zwei völlig Fremde Wesen sie beschützten.

Das Geschehen hatte sie in seinen Bann gezogen und so wagte weder der eine, noch der andere auch nur zu blinzeln. Sie durften nichts verpassen. Keinen einzigen Augenblick.
 

Darktyrannomon hatte sich wieder aufgerappelt und sah sich nun zwei Feinden gleichzeitig gegenüber stehen. Während der rot gefiederte Vogel unerlässlich seine Kreise über ihm zog, versperrte die grüne Schildkröte ihm den Weg zu den beiden Kindern. Zwangen das Dinosaurierdigimon so in eine taktisch sehr ungünstige Position. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen trat ging es erneut in die Offensive über. Warf den riesigen Kopf mit den scharfen Zähnen mit großer Wucht nach vorne und schnappte nach dem gut gepanzerten Reptil. Seine Kiefer prallten mit einem lauten Krachen aufeinander, verfehlten ihr Ziel um Haaresbreite. Im letzten Moment war es dem kleineren Kontrahenten gelungen sich mit einem kräftigen Sprung in Sicherheit zu bringen.

Attackierte nun seinerseits den viel größeren Angreifer. Der Bodycheck saß, reichte aufgrund des fehlenden Anlaufs jedoch nicht aus den mit Zähnen und Krallen bewährten Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der schwarze Gigant hielt mit ganzer Kraft dagegen, was letztlich dazu führte, dass das kleine Schildkrötendigimon im hohen Bogen zur Seite geschleudert wurde.

In diesem Moment hatte der dritte Kämpfer, hoch über ihren Köpfen seinen nächsten Attacke begonnen. Mit irrwitziger Geschwindigkeit flog er, beinahe Senkrecht, einen Angriff auf den gemeinsamen Feind.

Doch auch beim zweiten Mal war es zu offensichtlich und so gelang es dem Dinosaurier das Vogeldigimon noch in der Luft mit den Klauen zu packen. Brutal schleuderte er seinen Widersacher zu Boden. Wollte einen seiner verheerenden Feuerstürme gegen es einsetzen, als ein kräftiger Wasserstrahl ihn im Rücken traf. Das Biest taumelte einige Schritte nach vorne, bevor es sich voller Zorn zu dem feigen Angreifer umdrehte.

Und vom nächsten Angriff des Reptiliendigimon getroffen wurde. Dieser kurze Augenblick reichte dem Vogelwesen um sich wieder in die Lüfte zu erheben. Bereits als es zu einer weiten, zum Ende hin aber immer enger werdenden Kurve ansetzte schoss der nächste glühend heiße Feuerstrahl aus seinem Schnabel. Schmolz den Schnee und verbrannte die Pflanzen am gegenüberliegenden Hang. Dann traf er Darktyrannomons Bein.

Auch sein Verbündeter erkannte die Chance. Nahm ein weiteres, letztes Mal Anlauf. Dieses mal zog es den Kopf fast zur Gänze in den kräftigen Rückenpanzer. Vergrößerte so die Wucht seines Aufpralls. Der Plan ging auf. Kaum getroffen, geriet der schwarze Koloss ins Wanken und stürzte rücklings zu Boden.

Von der einen auf die andere Sekunde war der Spuk vorbei. Der Körper des Dinosaurierdigimons zerstob in tausend und abertausende kleine Datenteile.

Die beiden Jungen bemerkten irgendwo tief drinnen, dass keines der fremden Digimon Anstalten machte die Daten des besiegten Gegners zu laden. Ihr Unterbewusstsein tat es als unwichtiges Detail ab.

Jenrya ließ seinen Blick schweifen und musste schwer schlucken. Die Lichtung war verwüstet. Von dem Hügel, auf dem einst Guilmons Versteck gestanden hatte war nicht mehr viel übrig. Der Schnee an vielen Stellen geschmolzen, das Gras darunter versenkt. Dutzende Büsche und Bäume standen immer noch in Flammen.

Dass sich die Feuer dank der dicken Schneedecke nicht weiter ausbreiten konnten war ihm lediglich ein kleiner Trost.

Takato hingegen schien sich mehr für seine unbekannten Retter zu interessieren. Während diese noch langsam zu ihnen aufschlossen, hatte er bereits sein Digivice hervorgeholt und versucht die Daten der beiden Digimon aufzurufen. Vergebens, wie der blauhaarige aus seinen eigenen Versuchen wusste.

Der Junge mit der Fliegerbrille seufzte und wäre fast zu Tode erschrocken, als das Ding in seiner Hand plötzlich zu piepen anfing. Es entglitt seinen Fingern und landete im Schnee. Es dauerte seltsamerweise viel zu lange bis es auf dem Boden lag. Der rote Vogel und die grüne Schildkröte hatten sich mittlerweile zu ihnen gesellt. Sie beobachteten das Schauspiel interessiert.

Wie aus dem Nichts erschien nun ein großer, blauer Kreis. Er schwebte gut einen halben Meter über dem Boden in der Luft und bewegte sich kaum.

In diesem erhoben sich nun nach und nach unterschiedliche braune Flecken. Es dauerte eine Weile ehe die beiden Kinder begriffen, dass sie Inseln darstellten. Da waren Hokkaido, Honshu, Shikoku und Kyushu.

Zusammen mit unzähligen kleineren Flecken, unter ihnen ein einziger der unaufhörlich rot blinkte.
 

In den letzten drei Jahren hatte es vierzehn bestätigte Sichtungen durch das Hypnos Programm gegeben. Allesamt abnormale Datenaufkommen, Veränderungen im Up- oder Downloadstream, oder sonstige im Internet auftretende Phänomene.

Kein einziges Ereignis war in der realen Welt beobachtet, oder gar aufgezeichnet. Seitdem die Organisation mit Hilfe des Wild Bunch und der Kinder die Grenze zur digitalen Welt stabilisiert hatten.

Natürlich war es ein unehrenhaftes Manöver gewesen, dass letztlich jegliche Form digitalen Lebens von hier verbannte. Aber es war notwendig. Auch Yamaki hatte als funktioneller Leiter der Operation die Rechtmäßigkeit der Mittel zu waren. Hatte er getan.

Er hatte das Schicksal einiger Kinder geopfert um – es klang überzogen, aber um fast sieben Milliarden Menschen zu retten. Vermutlich hassten diese zehn ihn noch heute dafür. Wünschten ihm Alpträume und Gewissensbisse an den Hals.

Hatte er keine.

Vielmehr verwunderte es ihn, dass sie ihn nicht dafür schalten nicht früher eingegriffen zu haben. Besonders, wenn er an das junge Mädchen dachte, dass wegen ihrer Untätigkeit Tage-, nein Wochenlang eine Geisel des Programms gewesen war.

Er wusste nicht einmal, ob sie sich je davon erholt hatte.

Der blonde Mann bereute selten eine getroffene Entscheidung, dass sie so lange gezögert hatten den einen, nicht revidierbaren Schritt zu tun war eine davon.

Dass sie es letztlich getan hatten nicht.

Wenn, ja wenn er die Welt damit vor ihrer Zerstörung bewahrt hätte. Bis vor wenigen Tagen war er davon ausgegangen, dass dem so war. Dann hatten sie am Samstag Nachmittag ein schwaches Signal aufgefangen. Die Signatur eines wilden Digimon.

Hätte jemand anderes als Reika Ootori zu diesem Zeitpunkt die Anlage bedient, hätte er es auf eine Fehlfunktion geschoben.

Zu allem Überfluss war das Wilde nicht irgendwo, sondern direkt vor ihrer Nase aufgetaucht. Im Shinjuku Stadtpark. Doch damit nicht genug: Samstag Abend ein mysteriöses Signal aus Kyushu. Zu kurz für eine genauere Lokalisierung.

Gemeinsam mit den Hinweisen waren die Zweifel gekommen. Wo lag ihr Fehler? Die ganze Nacht hatte er grübelnd im Büro verbracht. Seine Partnerin dazu verdonnert Überstunden zu leisten und die Anlage aufs gründlichste zu kontrollieren.

Neue Erkenntnisse gewann er dadurch nicht.

Einen Streit, wenn er heute Abend nach Hause kam schon. Falls er heute Abend nach Hause kam. Seine Hände begannen den Schreibtisch an dem er lehnte abzutasten. Fanden einen Kugelschreiber, kein Feuerzeug. Es mochte wie ein nervöser Tick wirken. Es war nichts anderes als simple Beschäftigungstherapie. Es gab unzählige Studien die sagten, dass Kaugummi kauen das kognitive Denkvermögen erhöhen würde. Er ließ den Stift geschickt zwischen seinen Fingern kreisen. Das stimulierte seine Fähigkeit zu denken!

Linksherum, dann rechtsherum. Zwischen Daumen und Zeige-, Zeige- und Mittel-, Mittel- und Ringfinger. Als er es mit dem Ring- und dem kleinen Finger versuchte fiel der vermutlich teure Tintenschreiber zu Boden. Er war alles andere als leicht und würde bei seinem Aufprall eine Menge Lärm verursachen.

Merkwürdigerweise hörte Yamaki nichts, außer den schrillen Alarmton seiner Anlage. Binnen weniger Sekunden war er vor Ort, bereit den Bericht zu erhalten.

„Aktivität in Shinjuku bestätigt.“, sagte sie mit fester Stimme. „Eine, nein zwei große Datenaufkommen. Ortung in zehn Sekunden.“ Der Alarmton veränderte sich, zu den bisher zwei abwechselnden Tönen gesellte sich ein dritter dazu.

Und die Blondine an den Geräten verbesserte sich ein weiteres Mal. „Drei Datenaufkommen bestätigt.“
 

Am Mittag waren die Flocken nach und nach immer dicker und zahlreicher geworden und sie war mit Ryo ins Wohnzimmer gegangen. Im Fernsehen hatten sich fast alle Sendungen um die aktuellen Wettergeschehnisse gedreht.

Die Rothaarige hatte an einem Sonntag auf einen Spielfilm gehofft und wurde enttäuscht.

So hatten sie fast eine ganze Stunde schweigend zugesehen wie sich ein Experte nach dem anderen vor laufender Kamera um Kopf und Kragen geredet und letztlich dann zugab, keine Ahnung zu haben. Dieser Umstand war es, der schließlich auch die Stille zwischen ihnen brach.

„Ist dein Vater nicht auch Meteorologe?“ Der ältere nickte nur. Er hatte den Ellenbogen aufgestützt und den Kopf auf seiner Hand abgelegt, was sein Gesicht auf seltsame Art und Weise zusammenstauchte. Die in weißen Sportsocken steckenden Füße auf dem kleineren der beiden Sofas ausgestreckt.

Er musste sich über die Lippen lecken, bevor er sprach. „Am meteorologischen Institut der Universität. Aber ich verstehe nicht wirklich viel von dem was er da tut.“

Was hieß, dass er gar keine Ahnung davon hatte, wusste Ruki. Aber ihr blauäugiger Freund war ja noch nie auf den Mund gefallen und wusste genau wie er diesen Makel galant zu umschreiben wusste.

Sie wechselte den Kanal, doch auch auf den privaten Sendern ließ man sich über den ungewöhnlichen Junischnee aus. Der einzige Unterschied war, dass die Computeranimationen hier aufwendiger und teurer wirkten. „Und er weiß nicht was da passiert?“, fragte sie mehr aus Höflichkeit denn aus Interesse.

Der braunhaarige Junge atmete hörbar ein. „Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen hatte war er genauso ahnungslos wie jeder andere auch.“, sagte er schließlich. Und gab dem Mädchen damit eine perfekte Steilvorlage.

„Und das obwohl er auch ein Akiyama ist?“, kam die Spitze zurück.

Ryo gab sich alle Mühe seinen Blick nicht vom Fernseher abzuwenden. Diese Genugtuung wollte er ihr dann doch nicht verschaffen.

Auch wenn der Versuch ein Lachen zu unterdrücken derart schief ging, dass Ruki sein belustigtes Zittern sogar im Halbdunkel des Wohnzimmers erkannte. Und ihren kleinen Triumph mit Genuss auskostete.

„Er hat mir gesagt, dass nicht nur Japan mit solchen Problemen zu kämpfen hat.“ Wieder breitete sich Schweigen zwischen den beiden aus. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, auch wenn diese zumindest größtenteils in die gleichen Richtungen gingen. Überraschenderweise war es ein weiteres Mal die Rothaarige die das Gespräch wieder aufnahm. „Weiß er eigentlich, dass ich hier bin?“ Sein Kopfschütteln war Antwort genug. „Er arbeitet sehr viel. Ich habe ihm auf den Anrufbeantworter gesprochen.“ Auch wenn der Braunhaarige versuchte ihn zu verstecken, konnte Ruki den bedröppelten Unterton in seiner Stimme hören. Und ein ehrliches, wissendes Lächeln stahl sich auf ihre Lippe Was das Verhandelns zu ihren Eltern anging waren sich der blauäugige und sie sehr ähnlich.

„Sollen wir noch einen Film ansehen?“, fragte Ryo im Anschluss. „Oder vielleicht Karten spielen?“

Der ältere wusste, dass er damit einen schlafenden Drachen wecken würde.

Aber wie so oft brachte das größte Risiko auch den meisten Spaß.

Dieses mal lag er mit dieser Annahme falsch, denn just in diesem Moment summte das Handy der Rothaarigen zweimal hintereinander. Eine SMS.

„Darüber reden wir noch!“, zischte Ruki, ehe sie nach dem Mobiltelefon griff.

Und ihren Zorn binnen Sekunden vergaß.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Wortfetzen
2014-06-28T14:18:37+00:00 28.06.2014 16:18
Wow, was für eine Kampf-Szene. :D

Richtig gut geworden und das liegt ja bekanntlich nicht jedem! Ich will dieses Mal nicht lange um den heißen Brei rumreden, weil ich eigentlich weiterlesen möchte. .__.
Antwort von:  Wortfetzen
28.06.2014 16:20
Ach so und jetzt habe ich gerade gemerkt, dass ich ja doch schon fürs Erste durch bin. Mensch .__.
Von:  Astre
2013-12-06T10:48:53+00:00 06.12.2013 11:48
Das war mal ein Kapitel! Trotz der Länge unheimlich schnell gelesen.
Der Kampf, du hast in gut beschrieben. Ich konnte mir durchgehend vorstellen, was gerade passiert. Auch habe ich ein gutes Bild von den unbekannten Digimon. Das alles wirft natürlich unheimlich viele Fragen auf und ich muss gestehen, ich will die Antworten unbedingt wissen. Daher halte ich diesen Kommentar recht kurz und lese einfach weiter.

lg
Astre


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