Zum Inhalt der Seite

Auf den zweiten Blick

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Vorladung

Der Rest des Tages verlief relativ unspektakulär. Im Unterricht behandelten sie nichts neues, worüber Luca recht froh war. Er hatte sich die Themen der letzten Wochen zwar erarbeitet, aber eine Wiederholung war selten falsch. Die Zwillinge machten ihre üblichen Scherze und ärgerten Rebecka, bis sie ihnen wieder eines ihrer Bücher über den Kopf zog.

Nicholas brachte ihn noch bis nach Hause. Diesmal begleitete sie auch René.

Die Sonne hatte fast ununterbrochen geschienen, weswegen der Schnee auf Straßen und Wegen fast vollständig getaut war. Nur noch dir Gärten waren von der weißen Schicht bedeckt. Luca war das ganz recht. So kam er schneller vorwärts, da er nicht ständig aufpassen musste, nicht auszurutschen, und behinderte die anderen nicht so sehr.

Nach einer Weile verabschiedete René sich und bog in eine Einfahrt ab. „Bis morgen!“, rief er den beiden noch zu, dann stellte er seinen Rucksack vor der Haustür ab und holte einen Schlüssel heraus.

Nicholas brachte den Blonden noch bis vor die Haustür, wo er ihn verabschiedete, da er noch ins Training musste. „Ich hole dich morgen früh wieder ab“, sagte er, ehe er sich zum Gehen wandte.

„Tschüss, bis morgen“, antwortete Luca ihm. Eigentlich hatte er vorgehabt, auf sein Zimmer zu gehen, aber als eine schwarze Katze an ihm vorbeilief, überlegte er es sich anders. Er schloss die Tür auf und stellte seinen Rucksack in den Flur. Den Schlüssel tat er in die Jackentasche. Dann schaute er sich nach der Katze um. Im weißen Schnee hatte er die schwarze Katze schnell gefunden.

Sie war inzwischen in den Garten gelaufen. Durch den hohen Schnee kam sie allerdings nur sehr schlecht voran. In der zum Haus seines Vaters gehörenden und zur Hälfte überdachten Sitzecke hinter der Garage blieb sie stehen. Sie leckte sich die Pfoten und sprang auf den an der Wand stehenden Plastiktisch.

Luca nutzte das, um aufzuholen. Es dauerte nicht lange, da hatte er den Garten durchquert. Langsam lief er auf den Tisch zu und streckte die Hand nach der Katze aus. Erst jetzt bemerkte er, dass es sich um ein Kätzchen handelte. Der Größe nach musste es im Oktober geboren worden sein, war also für ein Kätzchen schon älter. Neugierig kam es auf ihn zu und schnupperte an seiner Hand. Wem es wohl gehörte?

Das Kätzchen stellte sich aus sehr verschmust heraus. Kaum war Luca ihm mit der Hand über den Kopf gefahren, fing es an zu schnurren und sich an ihm zu reiben. Es war nicht ganz schwarz, wie Luca zuerst geglaubt hatte. Pfoten, Hals und Gesicht waren weiß. Außerdem hatte es einen dünnen, weißen Ring am Schwanz. Luca fuhr darüber, um sich zu vergewissern, dass er auch wirklich echt war.

Als er etwas später zurück zum Haus ging, folgte das Kätzchen ihm. Am liebsten hätte er es mit in sein Zimmer genommen, aber das wäre wohl nicht so gut gewesen. Er wusste nicht, was sein Vater oder Nina von Katzen hielten, vielleicht war einer der beiden auch allergisch. Außerdem gehörte das Kätzchen sicher jemandem und würde nur vermisst werden. Trotzdem tat es ihm leid, dem Kätzchen die Tür vor der Nase zuschlagen zu müssen, vor allem, da es draußen noch relativ kalt war.

Der Siebzahnjährige warf noch einen kurzen, bedauernden Blick zur Tür, dann schnappte er sich seinen Rucksack und ging in die Küche. Jacke, Mütze und Schal hängte er an die Garderobe. Auch die Stiefel zog er aus.

In der Küche war es ruhig. Ute schien nicht da zu sein, denn auf dem Tisch stand ein Zettel, der ihn darauf hinwies, dass er sein Mittagessen im Kühlschrank finden würde.

Luca seufzte. Es war nach Vier, für Mittagessen also zu spät. Außerdem war er von der reichlich gefüllten Brotbüchse noch immer satt. So satt, dass er heute Abend eigentlich nichts mehr brauchte. Trotzdem würde er eine Kleinigkeit essen, und wenn es nur der Höflichkeit wegen war.

Da er nichts Besseres zu tun hatte, humpelte er in dein Zimmer und klappte seinen Laptop auf. Nicholas hatte ihm die Skype-Nutzernamen von Julian und Benni gegeben, also machte er sich daran, die zwei zu suchen und zu seinen Kontakten hinzuzufügen. Das ging schneller, als er gedacht hatte. Leider war keiner der beiden online, weswegen er auf die Bestätigung warten musste.

Er spielte noch etwas mit den Funktionen des Laptops, um sich an ihn zu gewöhnen, bis er das Auto seines Vaters in die Einfahrt fahren hörte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es band Essen geben würde, weshalb er den Laptop zuklappte und langsam in Richtung Küche lief. Er schaffte es bis ins Wohnzimmer.

Dort saß sein Vater auf dem Sofa mit nachdenklichem Gesichtsausdruck und ein paar Unterlagen in der Hand. Als der Mann ihn bemerkte, winkte er ihn heran.

Etwas verwirrt, was sein Vater von ihm wollte, kam Luca der Aufforderung nach und ließ sich neben ihm auf das Sofa nieder.

Peter reichte ihm einen Briefumschlag. „Der ist für dich eingegangen. Es wird die Vorladung wegen deiner Aussagen gegen Sonja und Jochen sein.“

Luca nahm den Umschlag entgegen. Vorsichtig öffnete er ihn und faltete den Inhalt auseinander. Er überflog ihn, bis er das Datum fand. „So schnell schon?“, murmelte er, mehr zu sich selbst, da ihm vermutlich jeder Termin zu früh gewesen wäre. Wenn es nach ihm ginge, würde er sich den beiden nicht stellen, zumindest nicht in diesem Jahr. Aber er musste gegen sie Aussagen, ob er wollte oder nicht. Die Einladung war verbindend. Mit zitternden Händen reichte er den Brief seinem Vater.

Peter las ihn gründlicher, als Luca es getan hatte. Als er fertig war, meinte er: „Ich werde dich für den Tag in der Schule freistellen lassen.“

Der Siebzehnjährige nickte. Das würde nötig sein, er konnte sich schließlich nicht zweiteilen.

Sein Vater reichte ihm einen weiteren Zettel. „Ich habe einen meiner Anwälte auf Schmerzensgeld schreiben lassen. Es ist deine Entscheidung, ob ich ihn versende. Du solltest dir nur nicht zu viel Zeit lassen. Er muss noch vor dem Gerichtstermin eingehen.“

Luca nickte, unsicher, was er erwidern sollte. Darüber hatte er bis jetzt noch nicht nachgedacht. Er war so froh gewesen, endlich von Jochen und Sonja weg zu sein, dass er fast alles, was mit ihnen zu tun hatte, verdrängt hatte. Zwar hatte er mit seinem Vater und Nicholas darüber gesprochen, hatte aber nie tiefgründig darüber nachgedacht.

„Alternativ könntest du es auch bei der Verhandlung verlangen“, fuhr Peter fort, „Aber ich glaube, so ist es besser. Du wirst dann nervös genug sein. Da brauchst du das nicht auch noch.“

Je länger Luca nachdachte, desto sicherer wurde er sich. Was hatte er schon zu verlieren? Mehr als nicht bekommen konnte er das Geld nicht. Einen Versuch war es wert. Außerdem war es nicht so, als täten ihm Sonja oder Jochen leid. „Schick es ab“, sagte er deshalb und reichte es seinem Vater zurück. Dabei fiel sein Blick auf die Unterlagen, die dieser noch in der Hand hielt. Als er die Überschrift des oben liegenden Formulars las, rutschte ihm der Zettel aus der Hand. Verblüfft starrte zuerst das Schriftstück, dann seinen Vater an.

„Also“, begann Peter, „das…“

Noch nie zuvor hatte Luca seinen Vater sprachlos gesehen. Selbst als er erfahren hatte, dass er nichts mit Mädchen anfangen konnte, nicht.

„Ich habe gedacht, du könntest das vielleicht wollen. Wenn Nina und ich heiraten, nimmt sie meinen Namen an und es wäre schön, wenn du das auch tun würdest“, erklärte der Mann sich, „Ich weiß, du willst nichts mehr mit Sonja und Jochen zu tun haben und auch nicht an sie erinnert werden. Da dachte ich, es wäre vielleicht besser, wenn dein Name es auch nicht mehr tut. Du bist natürlich nicht gezwungen, meinen Namen anzunehmen, und wenn du das nicht willst, ist es auch in Ord-“

Weiter kam er nicht, denn Luca war ihm stürmisch um den Hals gefallen. Der Antrag auf das Schmerzensgeld fiel ein weiteres Mal zu Boden, doch im Moment interessierte das den Siebzehnjährigen nicht. „Danke“, sagte er leise.

Lachend erwiderte Peter die Umarmung. „Noch ist der Antrag nicht genehmigt, aber ich bin mir sicher, dass wir das durchbekomme werden. Du hast genügend Gründe, deinen Namen zu ändern.“

„Danke“, wiederholte Luca. Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte, wie er sonst zum Ausdruck bringen konnte, wie viel es ihm bedeutete.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  tenshi_90
2014-07-12T07:03:06+00:00 12.07.2014 09:03
Oh das ist so toll, dass Peter Luca endgültig als seinen Sohn akzeptieren will. Das mit der Namensänderung ist so toll.
Antwort von:  Seira-sempai
17.07.2014 13:46
Ich habe lange überlegt, ob ich dieses Kapi reinnehme oder Luca in den Fortsetzungen einfach einen anderen Nachnamen haben lasse. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Habe mich dann entschieden, dass Kapi mit reinzunehmen.
Von:  Morphia
2014-07-12T06:37:57+00:00 12.07.2014 08:37
Omg! Peter möchte dass er seinen Nachnamen annimmt?! Das ist ja so süß von ihm. *o*
Ich bin ganz stolz auf Luca dass er seine Berührungsängste gegenüber seinem Vater überwunden hat.
Antwort von:  Seira-sempai
17.07.2014 13:44
Ich habe lange überlegt, ob ich dieses Kapitel reinnehme oder Luca in den Fortsetzungen einfach einen anderen Nachnamen haben lasse. Habe mich dann entschieden, dass Kapi mit reinzunehmen.
Es geht Bergauf mit Luca. Die Berührungsängste werden PErsonen denen er vertraut gegenüber weniger.


Zurück