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Auf den zweiten Blick

von

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Der Mathetest

Zeit verging. Luca verbrachte seine Pausen bei Nicholas und dessen Freunden, inzwischen hatten sie ihn vollständig in ihre Gruppe integriert. Zwar ärgerten die Zwillinge ihn nach wie vor gerne, aber er hatte sich daran gewöhnt. Außerdem meinten sie es ja nicht böse und Rebecka wies sie jedes Mal zurecht, wenn sie es zu weit trieben.

Ob der Schulleiter wirklich bei ihm zuhause angerufen hatte, wusste er nicht. Weder Jochen noch seine Mutter hatten etwas erwähnt, aber das taten sie ja nie, solange er nirgendwo negativ auffiel. Außerdem ging er ihnen, so gut er konnte, aus dem Weg.

Im Großen und Ganzen war es eine gute Zeit für Luca. Zwar wurde er noch regelmäßig von Jochen verprügelt, aber zumindest in der Schule hatte er seine Ruhe. Thomas, Leonie, Jan und Martin machten einen großen Bogen um ihn, worüber er mehr als froh war. Langsam hatte er auch keine Angst mehr, in die Schule zu gehen.

Gerade hatte Luca Mathe und Neumann hatte beschlossen, einen Überraschungstest zu schreiben, weil einige von ihnen in den letzten Stunden nicht aufgepasst hatten. Luca hatte keine Probleme mit dem Test, bis jetzt hatten sie nur wiederholt, was er aus der Mittelschule eh noch wusste.

Nicholas dagegen schien seine Schwierigkeiten damit zu haben. Er war nicht der Beste in Mathe, das hatte Luca schon in der Gruppenarbeit festgestellt. Er warf einen unauffälligen Blick auf das Blatt seines Banknachbarn, nur um festzustellen, dass es noch sehr leer aussah. Einige Aufgaben hatte Nicholas gelöst, davon aber viele falsch. Gerade fuhr er sich mit der Hand durch sein Schulterlanges, schwarzes Haar. Zu Beginn der Unterrichtsstunde war es noch sauber im Nacken zusammengebunden gewesen, jetzt hingen einige Strähnen hinaus. Nicht mehr lange und Nicholas würde das Haarband verlieren.

Eine Viertelstunde hatten sie noch, das wusste Luca, immerhin hing schräg über der Tafel eine große Uhr. Allein würde Nicholas diesen Test niemals auf die Reihe bekommen, weshalb Luca, sobald er fertig war, seinen Test unauffällig in die Mitte schon, damit sein Banknachbar einen Blick darauf werfen konnte.

Als Nicholas das nicht bemerkte, er war wohl zu sehr damit beschäftigt, noch eine Aufgabe zu finden, die er lösen konnte, stieß Luca ihn vorsichtig mit dem Ellenbogen an. Nicholas Blick fiel zuerst auf ihn, dann auf dessen gut lesbar geschriebenen Test. Er lächelte kurz dankbar, bevor er sich daran machte, eine Aufgabe nach der anderen abzuschreiben.

Neumann bemerkte es glücklicherweise nicht und als er am Stundenende die Tests einsammelte, hatte Nicholas es geschafft, fast alles abzuschreiben. Einige seiner Fehlerhaften Aufgaben standen noch auf seinem Zettel, weil die Zeit nicht gereicht hatte, aber er würde jetzt viel besser abschneiden. Er wartete noch, bis Neumann das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte, ehe er sich an Luca wandte. „Danke, das war meine Rettung.“

Luca lächelte. „Keine Ursache.“

Florian betrachtete die beiden mit nachdenklicher Miene, ehe er zu verstehen schien, worüber die beiden sprachen. „Das ist Betrug!“, beschwerte er sich, „Du kannst doch nicht einfach so bei unserem Luca abschreiben!“

Luca tat, als sei er beleidigt. „Ich gehöre niemandem!“, stellte er klar.

Auch René warf Nicholas einen eher sauren Blick zu. „Soso, du meinst also, bei Luca abschreiben zu müssen? Meinst du nicht, dass ist den anderen, die nicht neben ihm sitzen, gegenüber etwas unfair?“

Nicholas hob die Schultern. „Er hat euch ja schon eine Eins in der Projektarbeit erarbeitet, was wollt ihr denn noch?“

„Jetzt hört aber auf!“, schimpfte Rebecka, „Ihr benehmt euch, als wäre Luca ein Arbeitstier, dass nur dazu da ist, euch gute Noten zu beschaffen.“

Fabian betrachtete sie nachdenklich. „Wenn ich mich recht erinnere, warst du diejenige, die ihm um den Hals gefallen ist und gemeint, hat, sie wolle ihn behalten.“

Das Mädchen griff nach ihrem Mathebuch.“ Sofort hob Fabian die Hände, um sich zu beruhigen, was allerdings nichts brachte, das Buch wurde ihm trotzdem über den Kopf gezogen.

Florian lachte, ehe er Luca auf die Schulter klopfte. „Keine Angst, wir machen bloß Spaß…“

Als Neumann das Zimmer wieder betrat, lachte die Gruppe, alle außer Nicholas, gerade über einen Scherz, den die Zwillinge gemacht hatten. Neumann betrachtete sie skeptisch, sagte aber nichts und fuhr mit seinem Unterricht fort. „Wir werden jetzt den Test vergleichen.“

Die Klasse stöhnte.

„Dazu bitte ich Luca nach vorn an die Tafel. Ich habe in der Pause Ihren Test überflogen und keine Fehler gefunden. Wären Sie so freundlich, für mich anzuschreiben, während ich einen Test aus der Klasse bewerte?“

Verwirrt nickte der Blonde. So etwas hatte noch keiner der Lehrer gemacht, aber ihm war es recht, solange er nicht erklären musste, wie er auf die Lösung kam. Auch wenn er nicht mehr so große Angst vor der Klasse hatte, war es ihm immer noch unangenehm, von allen so gemustert zu werden.

„Irgendwelche freiwilligen?“, fragte Neumann.

Luca bemerkte, dass alle ihn erschrocken ansahen. Einige schüttelten sogar mit dem Kopf.

„Wie wäre es mit Ihnen, Nicholas?“, wollte der Mann wissen.

Der Schwarzhaarige seufzte. „Wenn es unbedingt sein muss…“

Neumann suchte Nicholas‘ Test heraus, während er Luca seinen reichte, unter welchem eine große, rote Eins stand. Er hatte sogar volle Punktzahl. „Den können Sie dann gleich mitnehmen. Heute sind alle da, also muss keiner nachschreiben…“ Dann machte er sich an Nicholas‘ Test.

Luca schrieb die Aufgaben, eine nach der anderen an die Tafel, während Neumann erklärte. Einmal musste der Lehrer allerdings mittendrin abbrechen, weil Luca einen anderen Lösungsweg genommen hatte. Einige aus der Klasse lachten, als Neumann sich kopfschüttelnd an Luca wandte. „Könne sie mir erklären, wie Sie auf die Idee gekommen sind, den dritten Winkel in einem rechtwinkligen Dreieck mit dem Kosinussatz zu berechnen?“

„Ist das nicht egal?“, antwortete Luca leise mit einer Gegenfrage.

Er hörte, wie René, Nicolas, Rebecka und einige andere lachten.

Neumann beäugte ihn skeptisch. „Aber den Innenwinkelsatz beherrschen Sie, oder?“

Daraufhin schaute der Blonde ihn leicht gereizt en, bevor er nickte. „α, β und γ ergeben zusammen 180°, da γ in einem rechtwinkligen Dreieck immer 90° beträgt, bleiben noch 90° für die anderen beiden Winkel übrig. β betrug in Ihrem Beispiel 55°, also bleiben für α noch 35°.“

Daraufhin fuhr Neumann mit dem restlichen Test fort, ohne Luca noch einmal zu fragen, ob er die Grundlagen beherrschte. Nach etwa vierzig Minuten war er fertig und verkündete. „Gute Arbeit, Nicholas. Es ist eine Zwei minus.“

Der Angesprochene starrte ihn für einen Augenblick fassungslos an, eher er nickte.

„Sie haben über die Ferien wohl ziemlich viel gelernt. Ihre Gruppenarbeit war auch schon so gut.“

Nicholas konnte nur nicken. Hätte er etwas anderes behauptet, wäre aufgefallen, dass er nur abgeschrieben hatte.

Als Luca wieder zu seinem Platz ging, nahm er den Test seines Banknachbars mir. Er reichte ihn Nicholas, woraufhin dieser leise sagte. „Den rahme ich ein und hänge ihn über mein Bett. So einen guten Test hatte ich noch nie. Du bist ein Schatz, weißt du das?“

Lucas Herz begann, schneller zu schlagen. Ihm wurde warm und er errötete. Schnell senkte er seinen Blick, damit keiner das bemerkte. Warum war er plötzlich so nervös? Lag es daran, dass ihm gerade ein Kompliment gemacht worden war? Oder lag es daran, dass Nicholas derjenige war, der ihm dieses Kompliment gemacht hatte? Er wusste es nicht. Er murmelte ein leises „Danke“, ehe er seinen Test verstauen wollte, damit ihn keiner sah.

Allerdings hatte er seine Rechnung ohne Nicholas gemacht, denn dieser zog ihm den Test einfach aus der Hand. Der Schwarzhaarige überflog ihn schnell, ehe er anerkennend pfiff. „Volle Punktzahl, nicht schlecht.“ Nicholas hatte so laut gesprochen, dass die gesamte Klasse es hörte.

Einige schauten ihn erstaunt, einige neidisch an. Damit hatten sie wohl nicht gerechnet. Nur Leonies Augen schienen sprichwörtlich Funken zu sprühen. Könnten Blicke töten, wäre er sicher tot vom Stuhl gefallen. Es wunderte ihn etwas, dass Thomas nicht ebenfalls wütend war, aber vielleicht war es ihm ja auch egal, was er für den Test bekam.

Luca spürte, wie seine Wangen noch roter wurden. Hoffentlich bemerkte Nicholas das nicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chrono87
2013-12-29T19:26:41+00:00 29.12.2013 20:26
Wow, das hätte ich Luca gar nicht zugetraut. Er ist ziemlich mutig einen anderen abschreiben zu lassen. Auch wenn er Nicholas nur helfen wollte, hätte das böse enden können. Zum Glück ging alles gut und Nicholas hat eine zwei bekommen. Seine Worte waren aber auch gut. Kein Wunder, dass Luca Herzklopfen bekommt. Ich bin gespannt wie lange er braucht, bis ihm klar wird, dass er verliebt ist.
Leonie hekt sicher etwas aus, warum sonst sollte sie Luca so wütend anstarren?
Wenn Luca weiter verprügelt wird, dann müsste das doch Nicholas erkennen. Bisher ist ja nicht bekannt, ob Nicholas weiter nach der Ursache sucht. Ich bin gespannt wann herauskommt wer ihn so zurichtet und ob etwas dagegen unternommen wird.
Antwort von:  Seira-sempai
02.01.2014 17:27
Ja, Leonie heckt etwas aus...
Es kommt der Herbst, wo es nicht weiter auffällt, wenn Luca im Pullover in die Schule kommt. Nicholas kann also nichts mehr sehen. Außer vor Sport in der Umkleide und Luca ist clever genug, sich nicht vor Nicholas oder René umzuziehen...


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