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Auf den zweiten Blick

von

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Der Kuss

Luca erstarrte. Sein Herz setzte einen Schlag aus und sein Mund wurde trocken. Meinte Julian das ernst. Auch Nicholas schien geschockt zu sein, jedenfalls weiteten seine Augen sich für einen Augenblick. Danach hatte er sich wieder gefangen, im Gegenteil zu Luca, dessen Herz inzwischen bis zum Hals schlug. Er fürchtete schon, die anderen würden es hören. Doch keiner sagte etwas.

Es war nicht so, als wollte Luca nicht, dass Nicholas ihn küsste. Es war die Situation, die ihm nicht gefiel. Er wollte seinen ersten Kuss nicht in einem dummen Spiel haben!

„Hey“, rief Rebecka, „Das ist unfair. du kannst Luca doch da nicht einfach mit reinziehen!“

Der Blondhaarige lächelte sie dankbar an. Allerdings bekam ihr Einwurf wenig Zustimmung.

„Küssen! Küssen!“, riefen die Zwillinge und klatschten in die Hände, „Küssen! Küssen! Küssen!“

Luca spürte, wie er errötete. Nervös verknotete er seine Hände ineinander.

„Jetzt küsst euch endlich!“, steuerte Benni zu den Rufen der Zwillinge bei.

Nicholas seufzte. Er beugte sich zum Blondhaarigen und sah ihm in die Augen.

Erschrocken über die plötzliche Nähe wich Luca zurück. Doch Nicholas packte ihn an den Schultern und zerrte ihn zurück in seine Ursprüngliche Position. Grob, aber nicht schmerzhaft, packte er Lucas Kinn und zwang den Blondhaarigen somit, ihn anzusehen. Dann beugte er sich nach von und legte seine Lippen auf die seines Klassenkameraden.

Lucas Herz zog sich unangenehm zusammen. Der Kuss fühlte sich falsch an, gefühlslos und kalt. Nicht ein Funken Romantik war zu spüren. Fast schon schmerzhaft presste Nicholas ihre Lippen aufeinander. Luca wollte sich losreißen, doch Nicholas‘ Griff ließ das nicht zu. Er schob ihm die Zunge in den Mund, ohne darauf zu achten, ob Luca das überhaupt wollte. Emotionslos blickten Nicholas‘ grüne Augen ihn an. Schloss man die nicht, wenn man jemanden küsste? Das war wohl nur bei Personen so, die man auch mochte. Luca schloss die Augen, um zu verhindern, dass die anderen die Tränen sahen, die kurz davor waren, ihm über das Gesicht zu rollen.

Als sie sich wieder voneinander lösten, fasste Luca sich mit der Hand an die Lippen. Er konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Warum hatte Nicholas das getan? Sie waren Freunde. So etwas tat man einem Freund nicht an!

Nicholas wischte sich über den Mund und zog eine Grimasse, als hätte er eben etwas wirklich ekelerregendes getan. Wenn es ihn so sehr ekelte, den Blondhaarigen zu küssen, warum hatte er es dann getan? Luca ballte seine Hände zu Fäusten, bemüht, seine Tränen zurückzuhalten. Er wollte nicht, dass die anderen sahen, wie sehr dieser Kuss ihn verletzt hatte.

Nicholas schnaubte hörbar genervt und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Jetzt stell dich nicht so an. Es ist schließlich nur ein Spiel. Außerdem ist es ja nicht so, als ob das dein erster Kuss gewesen wäre.“

Das war zu viel für Luca. So kräftig er konnte, holte er aus und schlug dem Schwarzhaarigen mit der Flachen Hand gegen die Wage. Ein lautes Klatschen ertönte.

Mit einem Mal war es still in dem Raum. Alle sahen erschrocken zu Luca und Nicholas.

Auch Nicholas war erschrocken. Seine grünen Augen waren geweitet und er fasste sich ungläubig an die Wange. Er schien nicht glauben zu können, dass Luca ihn gerade geohrfeigt hatte. „Was sollte das?“, wollte er erbost wissen.

„Du bist so ein taktloses Rindvieh!“, schrie Luca. Die Tränen liefen ihm ungehemmt übers Gesicht. Er hielt es nicht länger in dem Zimmer aus, zu sehr schmerzte es.

Seine Sicht war verschwommen, als er die Treppe hinunter rannte. Froh, niemandem begegnet zu sein, schnappte er sich seine Jacke und zog sich seine Schuhe an. Sein Rucksack mit seinen Schlafsachen, immerhin wollte er bei den Zwillingen übernachten, war noch oben bei den anderen im Zimmer, aber er konnte unmöglich zurückgehen. Lieber lief er nach Hause.

Immer noch wütend auf Nicholas, aber vor allem verletzt, zog er die Haustür hinter sich ins schloss und rannte vom Grundstück. Er wollte nur noch weg hier, weg von Nicholas und allem, was ihn verletzte. Ungehalten schluchzte er auf.

Die Leute auf der Straße warfen ihm neugierige Blicke zu, einige machten sogar einen Bogen um ihn, doch das bekam er nur hintergründig mit. Auch für ihr Gemurmel interessierte er sich nicht. Durch die Tränenflut, die ihm über das Gesicht floss, konnte er nichts mehr erkennen. Ziellos rannte er durch die Straßen, bis er in einem kleinen Park endete, den er noch nie gesehen hatte. Luca wusste weder, wie lange er durch die Stadt gerannt war, noch, welchen Weg er genommen hatte. Er brauchte nicht drum herum zu reden, er hatte sich verlaufen. Erschöpft ließ er sich auf eine der Parkbänke fallen. Inzwischen hatte es begonnen, zu dämmern. Außerdem fielen dicke, große Tropfen vom Himmel. Hatte sich denn wirklich alles gegen ihn verschworen? Dabei hatte der Tag doch so gut angefangen.

Der Regen wurde stärker. Es dauerte nicht lange, dann war Luca bis auf die Haut durchnässt. Er zog die Beine an den Oberkörper und umschlang seine Knie mit den Händen. Eine gute Sache hatte der Regen, er war allein. Und er verdeckte seine Tränen.

„Wenn du hier sitzen bleibst, wirst du dich erkälten.“ Ein Junge, etwas jünger als Luca, stand neben ihm. In der Hand hielt er einen roten Regenschirm.

Doch Luca schüttelte nur seinen Kopf. Sonja erwartete ihn vor morgen nicht zurück. Außerdem hatte er keine Ahnung, wo er war und wie er wieder nach hause kam. Leise schluchzte er auf.

„Kim!“, rief eine Stimme.

Der Junge drehte sich um, ehe er laut antwortete: „Hier bin ich.“

Ein weiterer Junge, der wohl etwas älter war als Luca, kam auf sie zugerannt. Vor dem Blondhaarigen blieb er stehen. Die beiden Jungen ähnelten sich, woraus Luca schloss, dass sie wohl Brüder waren. Er sprach sie aber nicht darauf an.

„Und wer bist du?“, fragte der ältere der beiden Luca höflich, fasste sich aber sogleich an die Stirn. „Wie unhöflich von mir. Ich bin Mirac. Das ist mein Kleiner Bruder-“

„Kim“, unterbrach der jüngere ihn, „und ja, ich bin ein Kerl.“

Der Blondhaarige musste schmunzeln. Der Kleine hatte seine Laune wieder etwas aufgeheitert. Die Aussage war einfach nur putzig. „Ich bin Luca“, sagte er.

„Und warum sitzt du hier im Regen, Luca?“, wollte Mirac wissen, „Solltest du nicht besser nach Hause gehen?“

Luca schnitt eine Grimasse. „Ich würde ja gern, aber…“

Mirac schien das Problem zu verstehen. „Du hast dich verlaufen.“

Etwas peinlich war es ihm schon, trotzdem nickte er.

„Wo wohnst du?“, fragte Mirac, „Ich kenn mich hier ziemlich gut aus. Wir bringen dich hin.“

„Ich war bei Freunden. Sie wohnen in der nähe des Wirtschaftsgymnasiums an der Bundesstraße“, antwortete Luca.

„Dann bringen wir dich da hin“, bestimmte Mirac.

Zu dritt machten sie sich auf den Weg. Es dauerte eine Weile, doch irgendwann kam ihm die Gegend bekannt vor. Wenig später konnte er das Haus der Zwillinge sehen.

„Danke“, sagte er und meinte es auch so, „Ohne euch hätte ich nicht wieder zurück gefunden.“

„Keine Ursache.“ Die Brüder grinsten und Kim hob zum Abschied die Hand, „Vielleicht sieht man sich mal wieder.“

Luca schaute den beiden hinterher, wie sie an der nächsten Kurve verschwanden, dann schaute er zum Haus der Zwillinge. Langsam ging er auf es zu. Er holte besser schnell seinen Rucksack und fuhr mit dem nächsten Bus nach Hause.

Plötzlich wurde er gepackt und an den Schultern gegen die Mauer gestoßen. Erschrocken zuckte er zusammen und kniff die Augen zusammen.

„Du kannst doch nicht einfach so verschwinden!“, erklang Nicholas‘ aufgebrachte Stimme, „Was glaubst du, was für Sorgen wir uns gemacht haben? Wir haben dich überall gesucht!“

Der Blondhaarige öffnete die Augen, wie sehr hasste er seine Reflexe, die sich oft verselbstständigten. Doch als er Nicholas ansah, kam der Schmerz, den er erfolgreich verdrängt hatte, wieder zurück. Erneut stiegen ihm Tränen in die Augen. „Lass mich los“, verlangte er leise. Er wollte hier weg, bevor er erneut in Tränen ausbrach. Sein Klassenkamerad sollte ihn nicht so sehen.

Der Schwarzhaarige reagierte nicht.

„Ich hab gesagt, du sollst mich loslassen!“, schrie Luca jetzt, verzweifelt versuchend, sich loszureißen. Er wusste nicht, was über ihn gekommen war. Er wollte nur noch weg von hier, weg von den anderen und sich in einer Ecke verkriechen, bis er sich wieder beruhigt hatte.

Nicholas zuckte zurück, als habe er sich verbrannt. Ungläubig starrte er seinen Klassenkameraden an.

Luca nutzte seine zurückgewonnene Freiheit, um schnell ins Haus zu huschen. Dort ging er die Treppe hoch zu den Zimmern der Zwillinge, schnappte er sich seinen Rucksack, der immer noch in der Ecke lag, in der er ihn abgelegt hatte und ging zurück zur Tür. Es verwunderte ihn etwas, keinen der anderen anzutreffen. Doch das war ihm nur recht.

„Wo willst du hin?“, verlangte Nicholas zu wissen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  chrono87
2014-03-01T11:19:20+00:00 01.03.2014 12:19
Der Kuss hätte nicht sein müssen. Zumindest nicht unter diesen Umständen. Nicky kann wirklich unsensible sein. Manchmal hab ich das Gefühl, dass er sich mit Absicht wie ein idiot verhält, um Luca weh zu tun. Allein wie er nach dem Kuss über den Mund gewischt hat, ist eigentlich schon sehr taktlos und dann diese Worte... Ich hätte ihm auch eine geklebt, wäre ich an Lucas Stelle.
Nun gut, er hätte nicht unbedingt davonlaufen müssen, aber woanders hätte er wohl kaum zur Ruhe kommen können. Sicher war es nicht seine Absicht die Anderen in Sorge zu versetzen, aber irgendwo haben sie auch daran schuld!
Das mit den Fremden, die ihm geholfen haben, war super, aber er hätte auch an schlechte Menschen geraten können. Wenn Nicky das gesehen hat, dann würde es seine Wut erklären.
Antwort von:  Seira-sempai
02.03.2014 00:17
Ja, da hat sich Nicholas wirklich daneben benommen. Er macht eben auch Fehler und die Ohrfeige war mehr als nur verdient.
Luca hat wirklich Glück mit den Leuten die er trifft.
Von:  tenshi_90
2014-03-01T05:41:52+00:00 01.03.2014 06:41
Ach herrje... Da hat Nicolas aber was angerichtet... Ich kann die Reaktion von Luca ganz gut nachvollziehen...
Antwort von:  Seira-sempai
02.03.2014 00:16
Das kann wohl jeder...


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