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Auf den zweiten Blick

von

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Ein unerwarteter Anruf *

Nicholas war gerade dabei, eine Liste der Unterrichtsmaterialien, die Luca brauchte, zu erstellen, damit sein Vater ihm die Sachen schnell nachkaufen konnte. Rebecka hatte ihm heute in der Schule aufgeschrieben, was sie seit Lucas Abwesenheit alles behandelt hatten, mit Buchseiten, Themen und allen Übungsaufgaben, die sie gelöst hatten. Sogar die Hausaufgaben hatte sie aufgeschrieben.

Morgen war Samstag, der Schwarzhaarige hatte vor, Luca zu besuchen, zum einen, um ihm die Sachen für die Schule vorbeizubringen und zum anderen, um zu sehen, wie er sich bis jetzt eingelebt hatte. Außerdem musste er noch einmal mit Peter sprechen. Der Mann hatte ihn während Lucas Krankenhausaufenthaltes das ‚Du‘ angeboten und machte auf Nicholas einen sehr guten Eindruck. Er schien sich wirklich um seinen Sohn zu sorgen.

Als sein Handy klingelte, wollte er es einen Augenblick lang einfach ignorieren, weil es ihn bei seiner Arbeit störte. Doch dann fiel ihm ein, dass es auch wichtig sein könnte, und er hob ab. „Hallo?“

„Spreche ich mit Nicholas?“, fragte eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung.

„Ja“, antwortete der Schwarzhaarige leicht verwirrt, da er die Stimme nicht kannte.

„Hier ist Nina“, stellte sie sich vor, „Es geht um Luca. Er scheint eine Panikattacke zu haben. Peter ist bei ihm, aber er kann ihn nicht beruhigen. Luca hat nach dir verlangt.“

Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da war der Schwarzhaarige bereits aufgesprungen und aus dem Zimmer gestürmt. Er riss seine Winterjacke von der Garderobe und sprang in seine Stiefel. Dann stürmte er aus dem Haus. „Ich bin gleich da“, rief er, ehe er auflegte. Er machte sich nicht die Mühe, seine Jacke erst anzuziehen, immerhin war der Weg nicht weit.

Nina erwartete ihn schon. Das Tor stand offen, ebenso wie die Haustür, an der die Frau wartete. „Sie sind in der Küche“, sagte sie.

Seine Jacke achtlos auf den Boden werfend, stürmte Nicholas durch das Haus. Erst als er Luca erblickte, verlangsamte er sein Tempo. Der Blondhaarige saß auf dem Boden, die Arme um seinen Oberkörper geschlungen und die Beine in einem Winkel aufgestellt, dass ihm sein gebrochenes Bein wehtun musste.

Peter kniete neben ihm und versuchte, ihn anzusprechen. Aber Luca schien ihn nicht einmal mehr zu bemerken.

„Raus“, sagte Nicholas leise zu den Angestellten des Mannes und Nina, die ihm gefolgt waren. Er kniete sich neben seinen Klassenkameraden und zog diesen vorsichtig an sich heran. Sofort begann Luca, sich gegen ihn zu wehren. Doch Nicholas ließ nicht locker. Er begann, dem Blondhaarigen langsam über den Rücken zu streicheln. „Shhh“, flüsterte er, „Es ist alles gut.“ Es dauerte lange, bis der Blondhaarige sich wieder beruhigte und mehr als einmal musste Nicholas seine Arme festhalten, damit er sich nicht verletzte. Aber nach einer gefühlten Ewigkeit hörte Luca endlich auf, zu zappeln und kuschelte sich an ihn heran. Da er immer noch zitterte, hörte Nicholas nicht auf, ihn zu streicheln. Er fuhr durch das weiche, blonde Haar und flüsterte immer wieder beruhigende Worte in Lucas Ohr.

Dann, endlich, war der Blondhaarige wieder ruhig. Er kuschelte sich noch mehr an Nicholas heran, was der Schwarzhaarige mit einem leichten Lachen quittierte. „Da ist aber heute jemand verschmust…“

Luca brummte etwas Unverständliches und vergrub sein Gesicht in Nicholas‘ Pullover.

„Was ist passiert?“, wandte Nicholas sich an Peter, da er aus dessen Sohn wahrscheinlich nichts rausbekommen würde.

„Ute hat die Verbände um seine Handgelenke entdeckt“, antwortete der Mann, „Und ihn dann so lange bedrängt, bis er eine Panikattacke bekommen hat.“

Nicholas schnaubte. „Es wäre schön, wenn du deine Angestellten in Zukunft von ihm fernhalten würdest! Sie sollen ihn auf keinen Fall bedrängen. Wenn er nicht reden will, dann bekommt ihn auch keiner dazu. Du hast doch gesehen, was ich im Krankenhaus für eine Nummer auffahren musste.“

Peter nickte. „Aber irgendwann wird er darüber sprechen müssen, spätestens, wenn er gegen Jochen und Sonja aussagen muss.“

Der Schwarzhaarige spürte, wie Luca erstarrte, weswegen er ihm weiter mit der Hand über den Rücken fuhr. „Aber noch nicht jetzt! Luca ist gerade erst von ihnen weg. Gib ihm etwas Zeit.“

„Ich weiß“, sagte Peter leise.

Jetzt betrat auch Nina wieder die Küche. Sie schien an der Tür gelauscht und den richtigen Moment abgewartet zu haben. „Wie geht es ihm?“, wollte sie wissen.

„Er hat sich wieder beruhigt“, antwortete Nicholas.

„Schick bitte Ute und Hans nach Hause. Sag ihnen, ich werde morgen mit ihnen sprechen und ihnen alles erklären. Bis dahin sollen sie sich von meinem Sohn fernhalten“, sagte Peter.

Nina nickte und verließ die Küche wieder.

Nicholas hob inzwischen Luca auf seine Arme. „Wo ist sein Zimmer? Ich bring ihn hin“

„Ich zeig es dir“, meinte Peter und schnappte sich Lucas Krücken. Er führte den Schwarzhaarigen die Treppe hinauf.

Lucas Zimmer war eher spärlich eingerichtet, aber er bewohnte es ja auch erst seit wenigen Stunden. Außerdem hatte er momentan keine Sachen, mit denen er es hätte bewohnter aussehen lassen können. Aber das würde schon noch werden, hoffte Nicholas. Er legte den Blondhaarigen auf sein Bett, während Peter die Decke, die neben der Heizung lag, holte. Der Schwarzhaarige wollte wieder aufstehen.

Doch Luca ließ ihn nicht los. „Geh nicht weg“, flüsterte der Blondhaarige leise.

Also streifte Nicholas seine Stiefel ab und legte sich mit zu ihm ins Bett, ehe er Luca an sich zog. „Keine Angst“, meinte er leise, „Ich geh nicht weg.“

Peter beobachtete das Ganze mit sichtbarer Missbilligung, wartete aber, bis Luca eingeschlafen war, bevor er etwas sagte: „Willst du mir immer noch sagen, dass ihr nur Freunde seid? Ich hab mich über dich schlau gemacht. Ich weiß von deinen Neigungen.“

Wollte er damit auf sein Schwul sein anspielen? Da er nichts von Luca gesagt hatte, ging er davon aus, dass er nicht wusste, dass sein Sohn ebenfalls auf Kerle stand. Besser, er klärte Peters Meinung ab, bevor er ihn auf die sexuelle Ausrichtung seines Sohnes hinwies. „Dann steh ich eben auf Kerle“, entgegnete er locker, „Und?“

Der Mann war sprachlos. Er öffnete seinen Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn jedoch wieder, ohne dass ihn ein Wort verlassen hatte.

„Hör mal“, begann Nicholas deshalb, „Ich weiß, dass du dir Sorgen um Luca machst, aber von mir hat er nichts zu befürchten. Nur weil ich schwul bin, heißt das noch lange nicht, dass ich jeden Kerl, den ich sehe, gleich anspringe. Du bist doch auch hetero und steigst nicht gleich mit jeder Frau in die Kiste.“

Diese Aussage brachte Peter zum schmunzeln. „Da hast du wohl Recht.“

„Kann es sein, dass es dich stört, dass ich Luca so nahe bin?“, sprach Nicholas aus, was ihm gerade durch den Kopf ging. Es würde das Verhalten des Mannes erklären.

Er schien ins Schwarze getroffen zu haben, denn Peter senkte betreten den Blick.

Der Siebzehnjährige seufzte. „Luca wurde jahrelang misshandelt. Es fällt ihm schwer, Vertrauen zu fassen. Glaubst du, mir hat er von Anfang an vertraut? Es hat Wochen gedauert, bis er nicht mehr zurückgewichen ist, wenn ich ihm etwas zu nahe gekommen bin! Wenn ich ihn berühre, zuckt er immer noch zusammen und wenn ich ihn umarme, versteift er sich erst einmal! Ich lasse ihn nur nicht gleich wieder los, sondern warte, bis er sich daran gewöhnt hat. Ich habe gelernt, mit ihm umzugehen.“ Er bedachte Peter mit einem durchdringenden Blick. „Luca braucht Zeit, um sich an dich zu gewöhnen. Auch wenn du sein Vater bist, bist du ein Fremder für ihn. Fang langsam an. Wenn er auf eine Berührung vorbereitet ist, reagiert es besser, als wenn sie unerwartet kommt. Und zuck nicht zurück, nur weil er sich vielleicht erschrickt, damit machst du alles nur noch schlimmer. Bleib ruhig und warte ab. Dass er zurückzuckt heißt nicht automatisch, dass er in Ruhe gelassen will. Du siehst doch, wie anhänglich er bei mir ist. Wenn er einmal mit Schmusen angefangen hat, lässt er gar nicht mehr los.“

Peter seufzte. „Ob er jemals ein normales Leben führen kann?“

„Luca führt ein normales Leben“, widersprach der Schwarzhaarige ihm, „Es ist vielleicht nicht ganz optimal und die Berührungsängste werden wahrscheinlich auch nie ganz verschwinden, aber ich glaube nicht, dass sein Leben dadurch eingeschränkt ist.“

„Und wenn er sich verliebt“, wollte Peter wissen, „Wird er in der Lage sein, eine normale Beziehung zu führen

Der Gedanke, Luca mit jemand anderem zu sehen, gefiel Nicholas nicht. Er löste ein seltsames Unwohlsein in ihm aus. Doch er ließ es sich nicht anmerken. „Wenn diese Person Luca wirklich liebt, wird sie die Geduld aufbringen, die es braucht, bis er in der Lage ist, ihr zu vertrauen.“

Dem hatte Peter nichts mehr entgegenzusetzen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  chrono87
2014-03-27T14:54:48+00:00 27.03.2014 15:54
Nicholas sollte ne Gebrauchsanweisung für den Umgang mit Luca schreiben. Das würde Peter Anrufe bei Nicky ersparen. XD
Ich finde das Kapitel toll, vor allem die Zutraulichkeit die Luca Nicholas gegenüber an den Tag legt. Vielleicht sollte Nicky sich mal hinsetzen und seine eigenen Gefühle für Luca unter die Lupe nehmen, wenn ihm unwohl bei dem Gedanken ist, dass Luca jemand anderen an seiner Seite haben könnte.
Nicholas Art zu erklären ist cool. Und er schafft es alle Argumente von Peter total unbrauchbar zu machen und gleichzeitig das gute Verhältnis zu dem Vater seines Freundes nicht zu zerstören.
Antwort von:  Seira-sempai
28.03.2014 23:55
Also Bitte! Luca ist kein Gerät, er ist ein Mensch! Außerdem wird Peter schon noch lernen, wie er mit Luca klarkommt. Er wurde nur, genau wie Luca, ins kalte Wasser gestoßen und ist jetzt etwas überfordert.
Es dauert noch, bis Nicholas seine Gefühle so richtig unter die Lupe nimmt, aber es kommt.
Nicholas will nicht, dass Luca zwischen ihm und seiner Familie entscheiden muss, außerdem will er es Luca so leicht wie möglich machen. Natürlich versucht er da, mit Peter auszukommen.
Von:  tenshi_90
2014-03-27T14:31:39+00:00 27.03.2014 15:31
Ich schreib jetzt gleich mal ein Kommi zu beiden Kapiteln :)

Nicholas ist wohl für Luca erstmal die wichtigste Bezugsperson. Er hat ja vorher niemanden gehabt. Ich denke, es wird noch etwas dauern, bis er seinem Vater vertrauen kann. Ich finde es aber gut, dass Nicholas und Peter sehr offen miteinander umgehen, vor allem in Bezug auf das Verhalten gegenüber Luca. Das hat man auch nicht immer.

Mach weiter so :)


Antwort von:  Seira-sempai
28.03.2014 23:56
Natürlich. Aber das ist bei Lucas Vergangenheit auch nicht weiter verwunderlich.
Peter und Nicholas versuchen, miteinander auszukommen, um es Luca nicht unnötig schwer zu machen.
Von:  wasser1991
2014-03-27T06:51:04+00:00 27.03.2014 07:51
Ich hab gestern gelesen von 21.00 _2.30 wolte nicht schlafen eh ich weis wie das endet bis wo du geschriben hast ich beteu das NICHT so lange each gebliben zu sein. Tolle geschichte mehr:-):-)
Antwort von:  wasser1991
27.03.2014 07:52
Bittttte O:-)(so wil zeit muss sein mit den bitte)
Antwort von:  Seira-sempai
27.03.2014 22:23
Warst du so müde, dass du die Tasten nicht mehr getroffen hast? O.O
Irgendwie weiß ich nicht so ganz, was du von mir willst...
Bitte um Antwort, was du mir sagen wolltest
Seira


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