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Die fünfte Kerze

von

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Die Elben standen im Hof und warteten. Nachdem sie von den Wachen begrüßt und ihre Pferde von den Stallburschen in eine große Stallung gebracht worden waren, blieb ihnen nur zu warten, bis der König sie offiziell empfangen würde. Die großen Tore aus massivem Fels, die in das Herz von Thranduils Reich führten, hatten sich hinter dem jungen Elben geschlossen, der ihre Ankunft mitteilen würde. Wären die Beziehungen zwischen den Reichen besser, so hätte man sie wohl in die Empfangshalle geführt, anstatt in der bitteren Kälte bei dem starken Schneefall im Hof warten zu lassen.
 

Glorfindel warf Elrond einen vielsagenden Blick zu. Der Herr von Imladris wandte sich wieder dem Eingang zu den Hallen des Königs zu. Sein Berater und oberster Krieger hatte ihm während der ganzen Reise ständig gesagt, das Thranduil ihnen einen frostigen Empfang bereiten würde und das nicht nur wegen des Winterfestes. Die Einladung zum Fest war schon ein kleines Wunder, nach all den Jahren der Abschottung der Waldelben von den anderen Reichen, nach den schrecklichen Ereignissen der Schlacht des letzten Bündnisses, bei dem das Volk des Waldes zwei Drittel seiner Krieger und seinen König verloren hatte.
 

Elrond war so in Gedanken versunken gewesen, dass er vor Schreck beinahe die Handschuhe seiner Rüstung fallen ließ, die er sich ausgezogen hatte, als plötzlich etwas sein Bein fest umklammerte. Ein Blick nach unten und er sah in ein paar grüne Augen, die ihn fröhlich anstarrten und zu einem Elbling gehörten. Der kleine Junge sah ihn mit einer Mischung aus Neugier und Schalk in den Augen und einem breiten Lächeln an. Elrond warf einen tadelnden Blick zu Glorfindel, der nur in einer abwehrenden Geste zu verstehen geben wollte, er habe den Elbling nicht kommen sehen. Als ob irgendetwas seiner Aufmerksamkeit entgehen würde, dachte Elrond. Der Noldor hob in der für ihn eigenen Art vorwurfsvoll eine Augenbraue, um schließlich Galadriel und Celeborn anzusehen. Während der Herr der Galadhrim mit seinem Lächeln keinen Hehl daraus machte, dass ihn die Unaufmerksamkeit seines Schwiegersohnes und der kleine Elbling amüsierten, waren Galadriels Lippen nur kaum merklich zu einem Lächeln gezogen. Der Halbelb wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Jungen zu, der sich noch immer an sein Bein klammerte, als hinge sein Leben davon ab. Er schien schon eine Weile hier draußen unterwegs zu sein. Sein Haar und seine Kleidung waren nur so von Schnee bedeckt und offensichtlich ziemlich durchnässt. Wäre er sein Sohn, hätte er ihn mit einem Vortrag in einen Badezuber gesteckt, dass er bei einem solchen Wetter drinnen zu bleiben hatte. Sicherlich war der Kleine ohne Erlaubnis draußen. Es war bereits dunkel und nur ein paar Fackeln waren im Hof angezündet worden, dessen Licht reichte bei dem Schneetreiben allerdings nicht sehr weit. Bevor er etwas sagen konnte, wurde das Heulen des Windes von einem Ruf durchbrochen.
 

„Legolas? Wo steckst du denn? Jetzt komm endlich her, bevor du noch zu einem Eiszapfen wirst.“
 

Der Halbelb schmunzelte, als er die Stimme erkannte. Als er den Jungen wieder ansah, der sein Bein nun noch fester umklammert hielt und versuchte, sich hinter seinem Bein zu verstecken, sah ihn dieser mit einem verschwörerischen Lächeln an. Als wäre ihm kalt, zog Elrond seinen Umhang um seinen Körper und verbarg damit das Elbenkind vor dem eintreffenden Elben.
 

Der Elb blieb abrupt stehen, als er die Neuankömmlinge entdeckte, lächelte und verbeugte sich.
 

„Mae Govannen, mellon nin. Wir hatten euch früher erwartet.“

„Mae govannen, Galion. Das Wetter hat uns aufgehalten.“ Elrond deutete eine Verbeugung an und seine Begleiter taten es ihm gleich.

„Nun, ihr hättet früher aufbrechen können, oder etwa nicht?“ Thranduils Kellermeister sah den Halbelben herausfordernd an, wissend, dass sein König dieselben Worte benutzen würde, allerdings in einem anderen Ton.

„Große Worte wenn man bedenkt, dass du offensichtlich jemanden verloren hast.“ Glorfindel sah den Waldelben an und unterdrückte ein Lächeln bei dem Gedanken an den Elbling, der sich unter Elronds Umhang verbarg.

„Wie ich sehe, lebst du noch immer gern gefährlich, Glorfindel. Habt ihr einen Jungen hier gesehen?“

„Nein, wir haben ihn nicht gesehen. Andernfalls hätte ich ihm vorgehalten, dass sich Elblinge bei dem Wetter nicht draußen aufhalten sollten und ihn reingeschickt.“ Erestors Mundwinkel zuckten. Er hatte dem Jungen einen Vortrag gehalten, ohne ihn dabei direkt anzusprechen. Elronds Berater fragte sich allerdings, was der kleine Elb angestellt hatte, das ausgerechnet Thranduils Kellermeister nach ihm suchte.

„Nun gut, falls ihr ihn seht, sagt ihm er soll rein gehen.“
 

Galion deutete erneut eine Verbeugung an und ging zu den Stallungen um den Jungen dort zu suchen. Der Elbling lugte zunächst unter Elronds Umhang hervor, bevor er sein Versteck verließ, sich Schnee vom Boden nahm und zu einer Kugel formte, nur um sie Galion in den Nacken zu werfen. Das Lachen des Elblings schien vom Wind über den ganzen Hof getragen zu werden. Galion, der den Jungen zunächst böse angesehen hatte, konnte seine strenge Miene jedoch nicht lange aufrechterhalten, als er seinen vom Schnee durchnässten Schützling sah. Elrond löste die Spangen, mit denen sein Umhang an seiner Rüstung befestigt war und legte ihn dem Jungen um. Auch wenn Elben widerstandsfähig waren, wenn es um Hitze oder Kälte ging, so waren Elblinge noch empfindlicher dagegen, obwohl sie nicht krank werden konnten wie die Sterblichen Völker.
 

„Nun, kleiner Freund, du hattest deinen Spaß. Zeit für dich, ein warmes Bad zu nehmen. Nicht das dein Vater noch böse wird.“ Mit diesen Worten nahm Galion den Elbling auf den Arm und warf Elrond einen vorwurfsvollen Blick zu.
 

In diesem Moment öffnete sich das Tor zum Palast und Thranduil trat in den Hof.
 

Elladan und Elrohir sahen den König der Waldelben an. Es war das erste Mal, dass sie ihm begegneten. Der blonde Elb war größer als ihr Vater und strahlte Stolz und Macht aus. Seine Robe betonte die breiten Schultern und den kampferprobten Körper, ohne auch nur den geringsten Zweifel daran aufkommen zu lassen, welchen Stand sein Träger hatte. Auf dem Kopf trug er eine Krone aus Zweigen eines Nadelbaumes und weißen Blumen. Seine durchdringenden blauen Augen musterten die Gruppe vor ihm, bevor er Galion ansah und ihm mit einer Geste zu verstehen gab, den Jungen reinzubringen. Der Kellermeister verbeugte sich vor seinem König und trug den Elbling, der dem König im Vorbeigehen zuwinkte, in den Palast.
 

„Ihr seid spät.“ Thranduil sah Elrond mit einem undefinierbaren Ausdruck an.

„Das Wetter war ein Problem beim Überqueren des Gebirges.“ Elrond erwiderte den Blick des Königs.

„Dann hättet ihr besser früher aufbrechen sollen. Zum Winterfest schneit es für gewöhnlich.“

„Wir sind noch immer früh genug, um dem Beginn des Winterfestes morgen beizuwohnen. Es sei denn wir waren nicht als deine Gäste, sondern als Schneefiguren vor deinen Hallen vorgesehen.“

„Eine interessante Vorstellung. Jedenfalls kenne ich jemanden, der daran seine Freude hätte.“ Der König ließ seinen Blick über die Elben schweifen. „Allerdings lässt man eine Lady nicht im Schnee stehen und es ist wohl nicht ihr Wunsch, dass ihr hier draußen bleibt.“ Thranduils Mundwinkel zuckten, als er seinen Kopf in Galadriels Richtung neigte und schließlich mit einer einladenden Geste seine Gäste bat einzutreten.

„Du hättest uns auch einfach in die Empfangshalle bringen lassen können“, schmunzelte Erestor.

„Und einem Elbling den Spaß verderben?“ Thranduil sah Erestor mit vor Vergnügen blitzenden Augen an.

„Du wusstest also, dass der Kleine hier draußen ist?“ Celeborn sah den Waldelben überrascht an.

„Natürlich. Seit der erste Schnee gefallen ist, hat er sich immer rausgeschlichen. Solange er im Hof bleibt und jemand bei ihm ist, mache ich mir keine Sorgen. Er weiß, wie gefährlich es außerhalb der Siedlung ist.“ Thranduil verstummte und für einen Moment war der Schmerz über den Verlust seiner Gemahlin in seinem Gesicht offensichtlich.

„Der kleine Wirbelwind ist dein Sohn?“ Galadriel unterbrach die unangenehme Stille und sah den Sindar mitfühlend an.

„Ja und er hat ein Talent dafür, sich zu verstecken.“ Stolz schwang in der Stimme des Königs mit, als er Galadriel ansah.

„Dann wird er sicher einmal ein guter Späher. Wir hatten ja schon das Vergnügen, ihn dabei zu beobachten.“ Glorfindel warf Elrond einen vielsagenden Blick zu.

„Ainimaran wird euch zu euren Gemächern bringen. Ihr habt noch genug Zeit für ein Bad, bevor das Abendessen serviert wird. Ich muss jetzt erst mal nach meinem kleinen Wirbelwind sehen.“ Mit einer angedeuteten Verbeugung seinen Gästen gegenüber verließ Thranduil die Gruppe und begab sich zu den königlichen Gemächern, während ein junger Bediensteter die Elben zu den Gästezimmern führte.
 

***
 

„Ada!“ Der kleine Elbling riss seine Arme in die Höhe, sehr zum Missfallen von Galion, der ihm gerade die Haare wusch.
 

Thranduil lächelte, als er das Badezimmer seines Sohnes betrat und Galions verzweifelten Gesichtsausdruck sah. Offenbar machte es Legolas dem Kellermeister wieder nicht leicht.
 

„Legolas, hatte ich dir nicht gesagt, du sollst im Palast bleiben?“

„Aber Ada, es schneit!“ Der Junge zog einen Schmollmund und sah seinen Vater mit einem herzerweichenden Blick an.

Nachdem Galion dem Prinzen die Seife aus dem Haar gewaschen hatte, gab Thranduil seinem Sohn einen Kuss auf die Stirn und half ihm aus dem Badezuber, um ihn abzutrocknen.

„Auch wenn es draußen schneit, du sollst nicht alleine raus.“

„Galion war doch da.“ Der kleine Prinz warf einen amüsierten Blick zum Kellermeister.

„Trotzdem Legolas, solange unsere Gäste hier sind möchte ich nicht, dass du alleine und ohne mich vorher zu fragen nach draußen gehst. Versprochen?“

„Na gut, versprochen.“ Mit diesen Worten gab er seinem Vater einen Kuss auf die Wange.

„Für das Abendessen müssen wir dich jetzt aber ordentlich anziehen. Du möchtest unseren Gästen doch nicht als nasser Elbling in Erinnerung bleiben, oder?“
 

***
 

Als Elrond nach einem heißen Bad in das Schlafzimmer trat, sah er seine Söhne am Kamin sitzen, ihre Haare noch feucht von ihrem eigenen Bad.
 

„Wie ich sehe, seid ihr bereits fertig.“

„Im Gegensatz zu dir, Ada.“ Elladan erhob sich und nahm einen Kamm von der Kommode.

„Genau Ada, wegen dir kommen wir noch zu spät zum Abendessen.“ Elrohir sah seinen Vater mit einem vorwurfsvollen Blick an während er ihm dabei half die Robe für das Essen anzuziehen.

„Sollte ich mir Sorgen machen, dass ihr euch so vorbildlich verhaltet?“

„Wir wollen doch einen guten Eindruck hinterlassen. Es wäre doch eine Schande, wenn wir gleich wieder gehen müssten.“ In den Augen seines jüngsten Sohnes blitzte für einen kurzen Moment dieses schelmische Licht auf, das in ihrer Kindheit so alltäglich gewesen war. Genau wie ihre Streiche.

„Euer Eifer hat nicht etwa mit Thranduils Sohn zu tun?“ Elrond setzte sich auf einen Stuhl, damit Elladan sein Haar kämmen und flechten konnte.

„Er ist doch ein hübsches Kind und sehr schlau wie es aussieht. Wir könnten ihm so viel von unseren Sitten und Gebräuchen beibringen!“ Elrohir hatte sich vor seinen Vater auf den Boden gekniet und sah ihn begeistert an.

„Es wäre nicht ratsam, ihm eure Unsitten beizubringen. Vergesst nicht, dass die Einladung zum Winterfest schon eine Überraschung ist. Auch wenn Thranduil guter Laune zu sein scheint wissen wir noch nicht, was wir weiter erwarten können. Es wäre dumm, ihn zu erzürnen.“ Die Miene des Halbelben war Ernst geworden.

„Wir werden schon nichts Dummes anstellen Ada. Aber wenn es auch nur ein wenig Hoffnung auf bessere Beziehungen gibt, dann sollten wir diese Gelegenheit auch nutzen. Und sei es nur für den Jungen.“ In einer beruhigenden Geste legte der jüngere Zwilling seine Hände auf die seines Vaters.

„Und vielleicht liegt der Schlüssel ja auch bei dem jungen Prinzen. Es wäre auch bedauerlich, wenn der Kleine sich wegen uns langweilen müsste, weil sein Vater keine Zeit für ihn hat.“ Elladan beendete die letzte Flechte und sah seinen Vater nun ebenfalls Ernst an.
 

Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihr Gespräch.
 

„Herein.“ Elrond und Elrohir erhoben sich.
 

Die Tür ging auf und Legolas kam herein, Galion blieb im Gang stehen.
 

„Prinz Legolas, welch eine angenehme Überraschung.“ Der Herr von Imladris sah den Elbling erfreut an, der seinen Umhang in den Armen hielt, als sei er ein wertvoller Schatz.

„Danke, dass ihr mich versteckt habt.“ Der Elbling reichte Elrond, der sich zu ihm gekniet hatte, seinen Umhang und sah ihn mit freudestrahlenden Augen an.

„Es war mir ein Vergnügen.“

„Das Abendessen ist angerichtet.“ Galion sah amüsiert zu, wie sein Schützling fasziniert über eine von Elronds geflochtenen Strähnen strich.

„Habt ihr schon mal Hrívolor gegessen?“ Der Elbling griff nach der Hand des Noldor und begann ihn mit sich zu ziehen.

„Es ist schon lange her, dass ich das Vergnügen hatte. Meine Söhne kennen sie noch nicht.“
 

Lächelnd sah Elrond die Augen des Jungen aufleuchten und sich den Zwillingen zuwenden, je eine Hand der Brüder mit seinen kleinen Händen haltend und ihnen fröhlich vorschwärmend, wie lecker diese Spezialität der Waldelben war.

Das Gespräch wiederholte sich, als sie Celeborn und Galadriel abholten und der Prinz wurde nicht müde, von allen Spezialitäten zu erzählen, die es beim Abendessen und während des Winterfestes geben würde. Während des Essens fragte Legolas immer wieder nach den Besonderheiten des Winterfestes in den anderen Elbenreichen und wollte genau wissen, wie es dort ist. Es herrschte eine angenehme Stimmung am Tisch.
 

Eine Weile nachdem alle ihre Mahlzeit beendet hatten, wandte sich Thranduil an seinen Sohn.
 

„Es wird Zeit für dich, ion nin.“ Mit einer liebevollen Geste strich er ihm über das Haar.

„Aber Ada, ich bin noch gar nicht müde!“ Enttäuscht sah der Junge seinen Vater an.

„Du hast morgen noch genug Zeit, unsere Gäste weiter auszufragen. Aber jetzt gehörst du ins Bett. Sag ihnen gute Nacht und dann liest dir Galion noch etwas vor.“

„Na gut.“ Nach einem kurzen Schmollen rutschte Legolas von seinem Stuhl, gab seinem Vater einen Kuss und wandte sich schließlich den anderen zu.

„Gute Nacht.“ Mit einer Verbeugung wandte er sich erst Galion zu, nur um dann noch einmal den Tisch zu umrunden, neben Galadriel stehen zu bleiben und ihre Hand zu nehmen.

„Gute Nacht, Milady.“ Mit diesen Worten küsste er ihren Handrücken.

„Gute Nacht, junger Prinz.“ Die Herrin des goldenen Waldes gab dem Jungen einen Kuss auf die Stirn und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als er sie mit leicht geröteten Wangen verlegen ansah. Mit einer weiteren Verbeugung verabschiedete er sich endgültig und lief zu Galion, der mit einem Lächeln die ihm angebotene kleine Hand nahm.

„Ein lieber Junge. Er erinnert mich sehr an einen anderen jungen Elben, den ich einmal kannte.“ Galadriel sah Thranduil vielsagend lächelnd an.

Der Waldelb erwiderte nichts, lächelte aber voller Stolz.
 

***
 

„Ada, darf ich nach draußen? Ich möchte Elladan und Elrohir etwas zeigen.“ Der Elbling sah seinen Vater bittend an. Es hatte schon den ganzen Tag über geschneit und am Abend würde das Winterfest offiziell beginnen. Allerdings verging die Zeit für Kinder anders und der kleine Prinz hatte angefangen, sich zu langweilen.

„Na schön, aber ihr bleibt im Hof. Hast du mich verstanden, Legolas?“

Der Junge sah seinen Vater strahlend an und nickte eifrig, bevor er mit den Zwillingen die Halle verließ.

***

„Legolas, dein Vater hat gesagt, wir sollen im Hof bleiben.“ Elrohir sah dem Elbling nach, der einen von Bäumen gesäumten Weg entlanglief.

„Tun wir doch, wir gehen nur in die Gärten auf der anderen Seite der Hallen.“ Legolas lief weiter vor und wirbelte dabei den frisch gefallenen Schnee auf, der auf dem Boden lag. Nach einigen Schritten blieb er plötzlich stehen und drehte sich mit einem Lächeln um. Die Zwillinge blieben ebenfalls stehen und sahen den Jungen fragend an.

„Ich dachte, du wolltest uns die Gärten zeigen?“, erkundigte sich Elladan, der an diesem Ort nichts Besonderes entdecken konnte.

„Versprecht mir erst, dass ihr nicht böse auf mich werdet.“ Der Prinz sah sie nervös an.

„Wieso sollten wir böse auf dich werden?“ Der ältere Zwilling hob fragend eine Augenbraue.

„Versprecht es!“

„Versprochen.“ Elrohir hatte zwar ein komisches Gefühl bei den Worten des Jungen, aber was konnte schon passieren?
 

Ein breites Grinsen machte sich in dem Gesicht des Elblings breit und er griff nach etwas, was sich hinter dem Baum befand neben dem er stand. Bevor die Brüder begriffen, was vor sich ging, fiel eine Menge Schnee aus einer mit Seilen in den Ästen versteckten Decke auf sie herab. Während sich Elladan und Elrohir gegenseitig ungläubig ansahen, beide über und über mit Schnee bedeckt, ertönte Gelächter am Ende des Weges und sie sahen gerade noch, wie Legolas hinter den Bäumen verschwand. Mit einem Nicken machten sich die beiden an die Verfolgung des Übeltäters und es dauerte nicht lange, bis sie ihn gefunden und gefangen hatten.

„Nun Bruder, was für eine Strafe steht auf einen derart hinterhältigen Angriff?“ Elladan sah Elrohir mit einem verschwörerischen Blick an, während er den jungen Prinzen festhielt, der sich zu befreien versuchte.
 

„Oh, ich glaube, da müssen wir ihn auskitzeln.“ Sogleich ließen sie den Worten Taten folgen und kitzelten Legolas, bis er außer Atem war.

„Gibst du auf?“ Elrohir hielt den Elbling fest, bis er wieder Luft bekam.

„Ja.“ Legolas lachte und streckte seine Arme dem älteren der Brüder entgegen, der ihn nun ebenfalls in die Arme nahm und lachte.

„Weißt du was, Legolas? Am liebsten würden wir dich mit nach Imladris nehmen und behalten.“

„Wenn hier jemand irgendjemanden behält, dann behalte ich euch!“ Legolas lächelte die beiden an und gab ihnen dann je einen Kuss auf die Wange. „Ich hab euch lieb.“

„Wir haben dich auch lieb, kleines grünes Blatt.“ Eine Weile saßen die drei aneinander gekuschelt im Schnee, bis der Junge wieder unruhig wurde.

„Lasst uns etwas spielen!“

„Und an was denkst du da?“ Elrohir sah den Elbling gespannt an.

Legolas löste sich von den Brüdern, kniete sich in den Schnee und formte eine Schneekugel, um sie schließlich nach ihnen zu werfen.

„Du hinterhältiger kleiner Elb, wir müssen dich wohl nochmal bestrafen.“
 

Nur knapp waren die beiden der Schneekugel ausgewichen und machten sich nun ihrerseits daran, den Schnee zu Kugeln zu formen und schon bald waren die Gärten von Gelächter und fliegenden Schneekugeln erfüllt. Die Sonne hatte bereits begonnen unterzugehen, als Thranduil, Elrond, Celeborn und Galadriel die Gärten betraten und dort die drei jungen Elben fanden, die sich gegenseitig Schnee ins Gesicht rieben oder versuchten, ihn in die Tunika der anderen zu stecken.
 

„Sie verstehen sich gut“, stellte Galadriel mit einem Lächeln fest.

„Ja, ein nasses Elbentrio.“ Celeborn sah die drei wohlwollend an.

„Ein sehr nasses Elbentrio.“ Elrond musterte die drei aufmerksam, als sie auf die Neuankömmlinge hinzuliefen.

„Legolas, es wird langsam Zeit. Und ein Bad braucht ihr jetzt auch noch.“ Thranduil sah seinen Sohn tadelnd an.

Lachend nahm der Junge die Hände der Zwillinge und zog sie wortlos mit sich. Die beiden warfen den Erwachsenen noch einen entschuldigenden Blick zu, bevor sie mit dem Prinzen verschwanden.

„Für uns wird es auch Zeit. Die Eröffnungsfeier findet im Hof statt. Kommt, ich möchte nicht, das mein Sohn noch mehr schlechte Vorbilder bekommt.“ Der Waldelb warf Elrond einen scheinbar vorwurfsvollen Blick zu, bevor sich ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete.
 

***
 

Eine Weile später war im Hof ein großes Feuer entzündet und vor die Tore zum Palast fünf Kerzen in einem Kreis aufgestellt worden. Alle Elben mit Ausnahme des Königs und des Prinzen hatten sich bereits im Hof versammelt, selbst die Wachen, die normalerweise die Grenzen bewachten. Für die Dauer des Winterfestes würde die alte Magie des Waldes die Sicherheit der Siedlung gewährleisten.
 

Als Thranduil mit seinem Sohn ins Freie trat, verstummten die Gespräche. Vater und Sohn waren in aufwändige Roben gekleidet, in einem leuchtenden grün, bestickt mit goldenen Fäden die komplexe Blattmuster darstellten.
 

„Zweifellos König und Prinz des Waldes“, flüsterte Elladan seinem Bruder zu.

„Zweifellos“, bestätigte Elrohir.
 

„Liebe Freunde, willkommen zum Winterfest. Es freut mich, dass wir nach all den Jahren unsere Gefährten aus Imladris und Lothlorien an unserer Seite haben, um gemeinsam mit uns das alte Jahr zu verabschieden und das neue Jahr zu begrüßen. Ein neues Jahr, das voller Hoffnung und neuer Herausforderungen sein wird, aber auch voller Veränderungen, mit denen wir schon heute beginnen wollen, damit wir im neuen Jahr die Früchte dessen ernten können, was wir heute säen werden.“ Mit diesen Worten nahm Thranduil ein langes Zündholz von einem seiner Berater entgegen und wandte sich an seinen Sohn.
 

„Legolas, die Tradition unseres Volkes besagt, dass der König die Kerzen nacheinander entzündet, um das neue Jahr zu begrüßen. Es sollte das Zeichen der Ehrfurcht des Herrschers vor der Zukunft sein, so hielt es auch mein Vater. Allerdings denke ich, dass wir diese Tradition anders deuten sollten. Ehrfurcht vor der Zukunft zeigt man am besten, indem man sein Vertrauen in seine Kinder setzt. Unsere Kinder sind der Spiegel unserer selbst, sie sehen die Dinge so, wie sie sind und weisen uns darauf hin. Nur wenn wir gewillt sind unsere Kinder nicht nur lehren und führen zu wollen, sondern uns von ihnen auch lehren und führen lassen, können wir der Zukunft mit wahrer Ehrfurcht begegnen, denn sie sind unsere Zukunft.“ Mit einem Lächeln reichte er das Zündholz seinem Sohn, der ihn ungläubig ansah.
 

Ein Blick offenbarte Celeborn, dass die Waldelben nicht minder überrascht waren. Er wandte seinen Blick seinen Enkeln zu, die in der kurzen Zeit bereits eine enge Bindung zum jungen Prinzen entwickelt hatten. Vielleicht hatte Thranduil Recht und sie würden nicht nur Zeugen der Veränderung einer alten Tradition, sondern auch einer positiven Veränderung in den Beziehungen zwischen ihren Reichen.

Legolas nahm das Zündholz voller Ehrfurcht entgegen, lächelte seinen Vater mit glänzenden Augen an und ging schließlich auf das Winterfeuer zu, um das Zündholz anzuzünden. Er ging zu den Kerzen und begann sie nacheinander anzuzünden und dabei die traditionellen Worte zu sprechen.
 

„Wenn die erste Kerze brennt, danken wir den Valar für ihre Führung und ihren Schutz. Mit der zweiten Kerze gedenken wir unseren Söhnen und Töchtern, Brüdern und Schwestern, Müttern und Vätern, die sich in Lord Námos schützender und heilender Gesellschaft befinden, um eines Tages wieder mit uns vereint zu sein. Die dritte Kerze entzünden wir für unsere Angehörigen in Aman, die wir vermissen aber um die wir nicht zu fürchten brauchen, denn sie werden warten, bis wir eines Tages bei ihnen sein werden. Die vierte Kerze lassen wir für die Wälder brennen, die uns in der Vergangenheit und der Zukunft ihren Schutz darbieten und die unsere Heimat geworden sind.“
 

Legolas zögerte vor der letzten Kerze und gab schließlich dem Berater, der seinem Vater das Zündholz gegeben hatte ein Zeichen und ließ sich weitere Zündhölzer geben. Er zündete sie an seinem an und ging auf die Gäste zu. Lächelnd gab er vorsichtig Elrond, Galadriel und Celeborn ein brennendes Zündholz, bevor er zu seinem Vater ging und ihm das verbleibende in die Hand drückte, bevor er weitersprach.
 

„Wenn die fünfte Kerze brennt, öffnen wir unsere Herzen und lassen Eru unseren größten Wunsch hören, auch wenn wir uns selbst nicht bewusst sind, was unser größter Wunsch ist.“ Legolas zog seinen Vater zu der letzten Kerze und bedeutete den anderen Elben, denen er ein Zündholz gegeben hatte, hinzuzutreten. Die Elben tauschten einen Blick, bevor sie gemeinsam die fünfte Kerze entzündeten und ihre Herzen öffneten. Ohne es zu wissen, hatten sie in dieser Nacht den gleichen Wunsch: Dass die Reiche der Elben wieder zueinander finden würden, für eine gemeinsame Zukunft…für ihre Kinder.
 

***

Hrívolor - Wintertraum



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ayaka-Higurashi
2013-12-29T15:37:51+00:00 29.12.2013 16:37
Das ist doch mal eine wirklich nette Weihnachtsgeschichte.
Und endlich mal eine mit den Kindern. Elrohir und Elladan werden ja sonst immer weggelassen. Vorallem finde ich den kleinen Legolas so was von niedlich.^^


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