Sophie
Kapitel 2
Die ersten Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster und warfen ein
merkwürdiges Licht in den Raum. Es war 6:00Uhr morgens,
eine Uhrzeit, zu der die meisten Menschen an einem Wochenende
lieber schlafen würden und ihre alltäglichen Pflichten unbeachtet
zur Seite warfen. Doch wie gesagt, die meisten, denn es gab auch
wenige Ausnahmen, die eben dies nicht taten, so wie auch Sophie,
die schon, obwohl ihr Tag grade erst begonnen hatte, damit
beschäftigt war ihrer Arbeit nach zu gehen.
Sie war Haushälterin in dieser Villa, und diente Sir Vales schon seit langem. Vorsichtig fuhr sie mit ihrem Staubwedel über die antiken
Möbel, sie hatte die Aufgabe dies jeden Tag zu tun.
Doch sie war natürlich nicht die einzige Angestellte, nein, es gab
noch viele, viele mehr. Diese Villa war riesig, von innen wirkte sie noch mal viel größer als von außen. Da sie auf einem Berg gebaut
war, war sie relativ schwer zu erreichen, da sie ebenfalls auch recht
abgelegen von der Stadt lag. Selbstverständlich gehörten ihm viele Villen, verstreut auf der ganzen Welt, doch dies war sein Anwesen,
die Villa, welche er sein Zuhause nannte.
Es war zudem das gigantischste von allen, fast unvorstellbar, dass
solch ein Koloss mitten im Nirgendwo hätte aufgebaut werden
können. Doch dem war so, die gigantische Vales Mansion existierte, sie war da. Mitten auf einem Berg, unerreichbar für Menschen, die den Weg nicht kannten. Sanft wischte sie über die
Regale, obwohl dort kein Staub lag. Natürlich lag da keiner, wie
sollte es denn auch? Sie hatte jeden Zentimeter erst Gestern gesäubert, genauso wie den Tag davor und alle anderen danach.
365 Tage im Jahr, selbst an Feiertagen, war sie dabei ihrer Arbeit
nach zu gehen, egal wie sie sich fühlte, egal was passiert war, sie tat
nur ihren Job. Keiner von Sir Vales Angestellten wusste, warum sie es tun mussten, doch es gab auch keinen der sich sonderlich
beschwerte, da sie äußerst gut bezahlt wurden.
Natürlich könnte man sich auch Frei nehmen, aber... die Villa hatte
etwas sehr anziehendes an sich. Man hatte hier nahezu alles was man brauchte, ab und an konnte man in die Stadt gehen um Einkäufe
zu erledigen und nach dem Arbeitsdienst lag einem die Welt
vollkommen offen.
Doch die meisten gingen zurück in ihre Gemächer oder gingen einer
vollkommen anderen Tätigkeit nach. Sophie selbst kannte nicht alle Angestellten, da es wirklich eine Menge waren.
Sie war immer wieder überrascht wenn sie vollkommen neue
Gesichter entdeckte, weshalb sie sich mittlerweile nicht einmal
mehr die Mühe machte sich die meisten Namen zu merken.
Sie war nun 22 Jahre alt und ist direkt nach ihrer Ausbildung in die
Dienste von Sir Vales getreten. Sie hatte diese Entscheidung niemals bereut, da sie alles was sie sich von einem Job wünschte
hier bekam. Sie wurde sehr gut bezahlt, die Verpflegung war einfach nur köstlich und die meisten Mitarbeiter waren, bis auf
wenige Ausnahmen, äußerst sympathisch.
Noch ein letztes Mal wischte sie über eine Kommode,
dann war sie auch schon Fertig. Ihre nächste Schicht würde um 12:00Uhr sein, wo sie die Räume 4A bis 4G in Block 3 vom Staub
befreien und wischen muss. Das Raum System war äußerst kompliziert, weshalb es schon mehrfach vorkam, dass sich
Angestellte in der Villa verliefen und zu spät zu ihrer Schicht
kamen. Es kam sogar einmal vor, dass ein frischer Angestellter Tagelang verschwunden war,
um dann urplötzlich mit zerfetzter Kleidung und halb verhungert in
die Kantine zu stürmen und Sophie dabei fast über den Haufen
rannte. Daraufhin war er kollabiert und auf die hier angelegte Krankenstation geliefert worden.
Mittlerweile geht es ihm besser, doch es dauerte nicht lange bis seine Kündigung auf Sir Vales Schreibtisch lag.
In Gedanken versunken schlenderte Sophie durch den Flur und
beobachtete die Vögel auf dem Dach der Villa, als sie plötzlich
einen unangenehmen Aufprall spürte.
„Aaah!", rief die andere Gestalt welche sich sichtlich erschreckt
hatte, schnell reagierte Sophie und versuchte den Arm der anderen
Person zu halten, welche grade dabei war nach hinten zu fallen.
Sie schaffte es.
„Claire?", sie sah in das Gesicht ihrer besten Freundin, nachdem sie sicher war, dass diese ihren Halt wieder gefunden hatte,
lies sie auch schon ihren Arm los und klopfte sich den Rock ab,
„was willst du denn hier?". Claire war genau wie sie als Haushälterin angestellt, doch normalerweise war sie nicht in diesem Teil der
Mansion, weshalb es Sophie schon stark verwunderte sie hier an zu treffen. Mitarbeiter die hier nicht eingeteilt waren hielten sich dem zu folge auch nicht hier auf, da, wie jeder wusste, es zu einem Problem
werden kann wenn man sich verirrt, man nehme als Beispiel den
frischen Angestellten welcher sich grade noch vor dem Hungertot
hatte retten können. Ein breites Grinsen war auf Claires Gesicht zu sehen, es gab wieder irgendeinen Klatsch und Tratsch der sich in der
Villa verbreitete, Claire war da immer eine der Ersten die davon
wussten, und es natürlich auch gleich jedem erzählten, wie ein
Feuer im trockenen Gras.
Erzählst du einmal etwas Falsches, kann es das Ende für dich
bedeuten, dachte sich Sophie, während sie darauf wartete,
dass Claire endlich erzählte was los war.
Da fing sie auch schon an, einmal angefangen hört sie nie wieder auf
zu quasseln, „Hast du schon das Neueste gehört Sophie?",
bevor diese aber jedoch auch nur die Chance hatte irgendwas zu
sagen fiel Claire ihr auch schon ins Wort und erzählte ihr, was sie
dazu brachte ohne umschweife in den Teil der Villa zu rennen, wo
Sophie nun Dienst hatte,
„Es ist angeblich wieder passiert! Maurice, der Gärtner aus Sektor B12, du weißt schon, der mit dem süßem französischem Akzent,
soll sich wieder mit Parker angelegt haben. Brrr... dieser Typ ist mir
unheimlich, erinnerst du dich? Letztens im Hobby Raum... erscheint
der einfach hinter mir und erschreckt mich zu Tode.
Mit dem ist doch irgendwas, dass sag ich dir! Ich bin froh mit dem nicht in einem Dienst zu sein, schlimm genug, dass Maurice sich mit
ihm anlegt. Angeblich soll es wieder während dem Schichtwechsel passiert sein, ich weiß nicht genau was es war, aber es soll irgendwas
mit Parkers Frau zutun haben. Kaum vorstellbar, dass dieser Typ
verheiratet ist, nicht? Nun er passt sowieso nicht wirklich hierher,
er soll ja außerhalb der Villa wohnen.
Fährt jeden Tag hierher und geht dann wieder, was ist nur mit ihm
los? Naja, auf jeden Fall sollen er und Maurice gestern in die Krankenstation eingeliefert worden sein, beide mit Kratzern und
blauen Flecken. Bei Maurice soll sogar ein Knochen hervor geguckt
haben, widerlich, das sag ich dir!
Jenny und ich wollen uns nachher mal da rein schleichen um zu
gucken, wie es Maurice geht und ihm eventuell ein kleines
Aufmunterungsgeschenk machen.
Das ist schon das dritte Mal diesen Monat... ich bezweifle,
dass Sir Vales das so auf die leichte Schulter nimmt".
Bei der Erwähnung von Sir Vales wurde Sophie schlagartig wieder
aufmerksam, sie hatte wirklich sehr großen Respekt vor ihm.
Er war ihr Chef, jedoch begegnete man ihm eher selten in seiner
Villa. Meistens war er in seinem eigenem Privaten Bereich, zu dem kein normaler Angestellter zutritt hatte.
Die dortigen Angestellten waren so etwas wie die Elite,
sie hatten ihren eigenen Platz in der Gesellschaft und zudem ein weit größeres Zimmer als die einfachen Angestellten.
Außerdem genossen sie alle das Vertrauen von Sir Vales, was an sich die größte Herausforderung überhaupt ist. Die meisten privaten Angestellten waren ziemlich arrogante Schweine,
kommandierten die anderen herum und liefen mit erhobener Nase durchs Anwesen.
Es gab nur eine begrenzte Anzahl von den privaten Angestellten,
weshalb man erst die Chance hatte einer zu werden, sobald der
zuvorige Angestellte verstorben ist, oder freiwillig geht.
Da sie aber um ein vielfaches besser bezahlt werden und man sie wie
kleine Götter verehrt und respektiert, gibt es natürlich niemanden,
der freiwillig diesen Posten aufgibt.
Man konnte es sich so Vorstellen wie ein Wettbewerb,
je mehr man sich einschleimt und je mehr man auch außerhalb
seiner Schicht tut, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit als
eventueller Kandidat infrage zu kommen, sobald der vorige Posten
frei wird. Sir Vales selbst entscheidet dann vor allen Leuten, wer als nächstes zu einem seiner persönlichen Angestellten befördert wird. Doch je mehr Personen in diesem Haus wohnen,
desto geringer würde die Chance werden selbst den Platz zu
kriegen, dass wussten sie alle.
Leise lies Sophie ein Seufzen hören, die mittlerweile komplett
vergessen hatte, dass Claire immer noch auf sie einredete,
„...und dann habe ich ihn gefragt was das soll, doch er meinte bloß es wäre nur Spaß gewesen. Dieser Idiot weiß doch genau, dass er damit kein spaß machen soll weil ich doch... hey Sophie?
Hörst du mir überhaupt zu?". Langsam wurde Sophie wieder in die Realität gerissen, wo sie mit verträumten Blick in das Gesicht ihrer
Freundin starrte. „Eh...was? Oh ja ehm... das ist wirklich empörend...", bedauerlicher Weise hatte sie natürlich gar keine
Ahnung was Claire ihr grade erzählt hatte, weshalb sie bloß auf gut
Glück raten konnte, in der Hoffnung ihre Freundin nicht zu
verärgern. „Diese... dumme Ziege!", meinte sie,
während sie dafür betete, dass ihre Antwort passen könnte.
Leicht Fragend sah Claire sie an, und Sophie spürte eine Gänsehaut
in ihr aufsteigen, hatte sie etwa Falsch gelegen?
Leicht nervös biss sie sich auf ihre Unterlippe.
„Dumme Ziege...?", mit einem Mal musste Claire anfangen zu lachen,
„Hahahaha, ja das trifft es genau, die Alte macht wohl auch nicht
mehr lange, hab ich dir ja grade erzählt hm?
Aber hey, wenn Mrs. Norris wirklich sterben sollte, wer meinst du
wird dann in ihre Fußstapfen treten?",
etwas überrascht sah Sophie in Claires Gesicht.
Mrs.Norris? Sie war schon in der Elite, bevor Sophie überhaupt in
Sir Vales dienst trat. Sie war zwar schon alt, jedoch hat sie immer einen fitten Eindruck gemacht. Ihr wurde die Ehre zuteil selbst das Gemach von Sir Vales aufsuchen zu dürfen, denn sie war seine
eigens zugewiesene Haushälterin.
Sie war eine der ältesten Angestellten, auch wenn Sophie sie niemals
wirklich privat kennen gelernt hat, jedoch eilt ihr; ihr Ruf voraus. Seit neuestem heißt es, sie wäre an einer seltenen Krankheit erkrankt,
welche sie voraussichtlich sehr bald töten wird.
Doch Sophie hatte dieses Gerücht schon oft gehört,
untereinander wurde es von den verschiedenen Gruppen schon
mehrmals behauptet, weil sie es lustig finden, dass die Angestellten
dann härter arbeiten als zuvor.
Sophie hatte es bisher jedoch nicht geglaubt, so etwas jetzt aber
schon aus eigenen Kreisen zu hören lies sie recht stutzig werden. „Ich ehm... ich weiß nicht Claire", langsam wurde Sophie diese
Unterhaltung zu lästig. Ihre Augen schweiften über den Flur,
in der Hoffnung etwas zu entdecken womit sie Claires Gebrabbel endlich entfliehen konnte.
Wie der Zufall es so will trat eben genau in diesem Moment eine Gestalt um die Ecke, ein kleines Mädchen,
Sophie war ihr schon mehrmals begegnet hatte jedoch bis auf
einmal nichts mit ihr zutun.
Sie war es nämlich, die von Sir Vales persönlich die Aufgabe bekam
für ein kleines Mädchen angemessene Kleidung zu holen.
Sophie hatte nicht gefragt wieso und weshalb sondern war gleich los
gestürmt um dem Kind etwas zum anziehen zu besorgen.
Letzten Endes war die komplette Aktion jedoch überflüssig,
da das Mädchen lieber die Hausmädchen Uniform trug.
Sir Vales lies ihr extra dafür eins designen und anfertigen.
Aber trotzdem konnte man sagen, dass doch nicht wirklich alles Zeit
Verschwendung war, denn von Sir Vales selbst solch eine Aufgabe
zu erhalten war an sich schon eine große Ehre.
Solange sie getan hat was sie sollte, war es ihr egal was mit der
Kleidung passierte, ob sie nun getragen werden würde oder nicht,
da alles was zählte war, dass Sir Vales zufrieden war.
Das alles war nun schon knapp drei Wochen her.
„Entschuldige mich kurz Claire, ich hab noch etwas Wichtiges zu
erledigen!", ohne auf eine Antwort zu warten griff sie schon nach
ihrem Rock und lief so schnell es ging dem kleinem Mädchen
hinterher welche grade um die Ecke verschwand.
Kaum abgebogen lehnte sie sich auch schon gegen die Wand und lies
ein lautes Seufzen hören. Claire war zwar nett und eine echt gute Freundin, aber wenn sie einmal redete gab es kein Entkommen. Außerdem waren ihr die meisten Themen sowieso egal.
Sophie war nie ein Mensch gewesen, der viel lästerte,
sie selbst wurde als Kind immer mit Gerüchten gepiesackt und sie
wusste, dass das meiste sowieso nicht wahr war.
Schlimm wird es aber, wenn die, die das Gerücht in die Welt gesetzt
haben anfangen es selbst zu glauben.
Viele Erwachsene sind nicht grade besser als Kleinkinder,
dachte sie und erinnerte sich für eine Sekunde wieder an ihre
Kindheit. Sie war viel zu kurz gewesen.
Leicht genervt sah sie auf ihre Uhr, sie war in diesem Gebäude
wirklich unbedingt nötig, da man jegliches Zeitgefühl verlor.
Es war schon 9:35Uhr, in weniger als drei Stunden würde sie zu ihrer
nächsten Schicht gehen müssen, doch sie wollte die restliche Zeit
noch irgendwie sinnvoll nutzen weswegen sie verzweifelt über eine
Möglichkeit nachdachte die Langeweile zu umgehen.
Doch ehe sie sich versah, kam die Möglichkeit auch schon zu ihr. Das Mädchen, welchem sie gefolgt war um Claire zu entkommen trat
plötzlich hinter ihr aus dem Schatten.
Sophie zuckte leicht zusammen als mit einem Mal rot-schwarze
Augen in die ihre blickten.
„Verzeihen sie bitte...", sagte das Mädchen leicht nervös,
„könnten sie mir sagen... wo ich hier bin?".
Sie war ungewöhnlich klein, doch ein angenehmer Geruch ging von
ihr aus. Ihre Haare waren zu Zöpfen gebunden, welche links und
rechts abfielen. Ihr Pony war gerade über ihre Augen geschnitten und bildeten einen perfekten Übergang.
Sie würde einmal ein sehr hübsches Mädchen werden,
dass wusste Sophie. „Wir sind in Sektor 2, Block 3, Ebene 4 und
stehen, ob du’s glaubst oder nicht, vor Raum E ",
lieb lächelte sie das Kind an.
„zwei...drei...vier...fünf", wiederholte dieses leise, während es sich
die Tür ansah neben dem sie standen, dann blickte sie wieder zu
Sophie, „schade... da fehlt die Eins. Dann wäre es perfekt".
„Aber das ist es doch?", meinte Sophie zwinkernd,
während sie sich zu der kleinen Schwarzhaarigen hin hockte,
dann hob sie ihre gespreizte Hand hoch, so, dass diese es sehen
konnte. „Wir stehen vor dem fünften Raum im vierten Stock...",
sie klappte ihren Kleinenfinger und den Ringfinger zusammen und
hielt die Restlichen weiterhin oben.
„...wir befinden uns im dritten Hausteil im zweitem Sektor",
jetzt hatte sie nur noch den Zeigefinger oben, welche sie auch schon
auf das kleine Mädchen richtete und sie damit lieb anstupste,
„und ein kleines Mädchen hat sich verlaufen und fragt nach Hilfe". Leicht verwundert über den Stupser schaut das Mädchen die Frau
etwas irritiert an, als sie plötzlich leicht kichern muss.
Es war ein kindliches Kichern, welches man jedoch bei einem solch
deprimiert guckendem Mädchen nicht vermuten würde.
Doch trotzdem wurde es Sophie warm ums Herz,
denn sie liebte Kinder über alles.
Schon immer hat sie sich um die Kleinen gekümmert und schaffte es
jedes Mal sie zu bändigen. Manchmal wünschte sie sich,
dass sie doch lieber in den Kindergarten gegangen wäre,
da es in der Villa eindeutig an Kindern mangelte.
Bis auf das Mädchen hier soll es auch noch ein Anderes geben,
jedoch bekam man dieses nie zu Gesicht weshalb einige sogar
behaupten es würde gar nicht existieren,
sondern wäre der Geist eines Jungens, welcher alleine durch die
Gänge spukt und nach seinem Onkel ruft.
Es heißt, nachts würde er kommen und man höre seine Schreie. Gruselig, dachte sich Sophie als sie darüber nachdachte,
aber sie glaubte nicht an ein Phantomkind, das in der Villa leben
soll, das war doch wirklich Blödsinn.
Bei diesem Kind aber war sie sich sicher, dass es kein Phantom war.
„Wie heißt du?", fragte sie das Mädchen nett und streckte ihr
freundschaftlich die Hand aus.
Leicht zögernd griff diese danach und antwortete schüchtern,
„I-ich heiße Crys-...", schnell sah sie zu Boden.
Einen Moment konnte man ein schmerzendes Leuchten in ihren
Augen aufblitzen sehen, bevor wieder das Kindliche zu ihr
zurückkehrte. „Crow", vollendete sie ihren Satz,
„Ich heiße Crow". Ein strahlendes Lächeln spielte sich auf Crows Gesicht ab und sofort vergaß Sophie das merkwürdige Leuchten
zuvor. „Hallo Crow, ich bin Sophie", stellte sie sich vor,
während sie das Lächeln erwiderte.
Vorsichtig stand sie auf. „Nun Crow, da du dich verlaufen hast,
darf ich fragen wo du denn eigentlich hin willst?",
sie hatte ja sowieso nichts zutun und weil ihre Schicht erst in
einpaar Stunden beginnen würde konnte sie ja noch etwas Zeit mit
der Kleinen verbringen.
Jeder Andere hätte diese Chance genutzt um sich bei Sir Vales
einzuschleimen, doch ihr ging es wirklich nur darum für ein kleines
Mädchen da zu sein und auf sie auf zu passen.
Sie hätte eigentlich erwartet, dass Mrs. Norris den Auftrag bekäme
auf das Mädchen acht zu geben, doch entweder war diese nicht dazu
in der Lage, oder sie wurde gar nicht beauftragt.
Weitere Gedanken wollte sie sich aber nicht mehr machen,
weil sie niemanden fälschlicherweise vorhatte zu beschuldigen. Deshalb lächelte sie einfach lieb weiter und sah in die
außergewöhnlichen Augen von Crow.
„Hmm... weiß ich auch nicht so genau...", murmelte die Kleine
verlegen, als mit einem Mal ein lautes Knurren zu hören war.
Sofort lief sie rot an und sah beschämt zu Boden,
„ach ja... ich habe etwas zu essen gesucht".
Sophie schaffte es grade noch sich ein Kichern zu verkneifen.
Die Kleine war einfach zu süß, liebevoll griff sie nach ihrer Hand.
„Dann lass uns doch einfach in die Kantine gehen, nicht?",
zwinkert forderte sie Crow auf mit ihr mit zu gehen,
was diese nach kurzem überlegen auch tat und so mit Sophie durch
das riesige Anwesen ging.
„Wie groß ist diese Villa eigentlich?", fragte Crow plötzlich,
als sie schon die Hälfte des Weges hinter sich hatten.
Und sie waren schon recht lange unterwegs.
„Wenn ich ehrlich bin Crow... ich habe keinen blassen Schimmer.
Es ist ja nicht bloß eine Villa, sondern eher... eine riesige Anlage. Hier wohnen so viele Menschen drin,
aber viele davon kenne ich nicht einmal. Zu einigen Teilen der Villa habe ich nicht mal Zugang, da ich nur spezielle Schlüssel für eben
spezielle Räume kriege. Weißt du... durch die Berge außen herum wirkt die Villa zwar schon groß, aber durch einen optischen Effekt
dennoch überschaubar. Tritt man jedoch ein ist es... wie in einer anderen Welt. Als gäbe es keine Zeit, nur den Moment... als würde die Zeit-... oh entschuldige bitte ich will dich nicht voll schwafeln." Mit großen Augen sah Crow Sophie an und hörte ihr aufmerksam zu. Sie klimperte mit den Augen, als ob sie Sophie auffordern würde
weiter zu erzählen. „...so als würde die Zeit hier vollkommen
wirkungslos sein", vollendete sie ihren Satz und lächelte das
Mädchen erneut an. Crow war wirklich außergewöhnlich.
Sie bogen um eine Ecke und liefen durch einen weiteren langen Flur. „Mir gefällt es ganz gut hier", meinte Crow,
während sie die verschiedenen Türen betrachtete.
Sie konnte sich gar nicht Vorstellen was dahinter alles verborgen sein
mag, „für mich wirkt es aber wie mehr als bloß eine normale
Mansion". Ihre Schritte wurden vom Teppich so abgedämpft,
dass man sie nicht mal hätte hören können, wenn man komplett
ruhig bleibt und die Luft anhält.
Natürlich war kein einziger Krümel oder Staubkorn darauf zu finden,
da auch dieser jeden Tag gesäubert wird.
„Keine normale Mansion?", Sophie zwinkerte ihr zu,
„ehrlich gesagt... teile ich dieses Gefühl.
Aber es ist nicht meine Aufgabe darüber nach zu denken".
„Es gibt nur eine Sache die mich wirklich stört...", fuhr Crow die
Unterhaltung fort, „das man soooo weit gehen muss um etwas zu
essen zu finden", wieder konnte man ein knurren aus
Crows kleinem Bauch hören.
„Hihi, du scheinst ja echt einen Bärenhunger zu haben?
Dann lass uns, uns jetzt aber mal beeilen, sonst verhungerst du mir
hier noch!"
„Wie wäre es, wenn an jeder Ecke so was wie... Snack Automaten
stehen würden? Dann kann sich jeder da bedienen und niemand
muss mehr extra den endlosen Weg zur Kantine laufen!",
kam Crow plötzlich die Idee.
„Hmm das wäre ein Gedanke wert, wenn du willst können wir
Sir Vales ja irgendwann einmal den Vorschlag machen,
aber vorher...", sie gingen eine Treppe hinunter in eine kleine Halle,
wo eine große Doppeltür direkt vor ihnen den Weg blockierte.
Mit einem leichtem Druck auf die Tür öffnete sich diese und offenbarte ihnen, was dahinter lag: eine riesige Kantine in der die
unterschiedlichsten Personen saßen.
Sie alle trugen ihre Arbeitskleidung, doch das Einzige was den Blick
des Mädchens fing, waren die Essensausgaben,
wo überall ein komplett anderes köstliches Gericht aufgetischt
wurde. „...hau mal ordentlich rein Crow! Lass es dir schmecken", zwinkernd sah sie in das Gesicht des kleinen Mädchens,
welches beim Anblick des vielen Essens zu strahlen beginnt.
Sie mochte die Kleine wirklich sehr, und, obwohl sie sich grade erst
kennen gelernt hatten, hatte Sophie sie doch schon irgendwie ins
Herz geschlossen.
Zufrieden folgte sie Crow in die Kantine und sah ihr dabei zu, wie sie sich den Magen voll schlug.
***
Es war 7:40Uhr, als Sophie plötzlich aus ihrem Traum gerissen
wurde. Mist! Sie hatte verschlafen!
So schnell es ging warf wie sich in ihre Arbeitskleidung und klopfte
ihren Rock zu Recht. Sie war schon viel zu spät dran,
sie konnte nur hoffen, dass niemand ihr fehlen bemerkte.
Das war nicht gut, nein, gar nicht gut.
Leicht panisch nahm sie ihren Staubwedel an sich und trat vor die Tür, schon in der Erwartung, die verachtungsvollen Gesichter ihrer
Kollegen zu sehen, doch... niemand war da.
Sie sah sich um, doch sie konnte niemanden entdecken.
Hatten sie sich versteckt? Warum sollten sie so etwas machen? Vorsichtig lief sie den Flur entlang, das einzige was man hören
konnte war das leise Ticken einer Uhr, welche hinter irgendeiner
von all diesen Türen stand.
Es war vollkommen unmöglich festzustellen aus welchem Raum das
Ticken kam, da alle gleich aussahen.
Je weiter sie ging, desto unwohler begann sie sich zu fühlen.
Wo waren denn alle? Sie bekam eine Gänsehaut,
als sie plötzlich einen kalten Luftzug spürte.
Normalerweise war sie nicht so ängstlich, doch je länger sie alleine
war, desto größer wurde das Gefühl der Panik.
„H-hallo?", rief sie mit piepsiger Stimme, während sie leicht
gekrümmt durch den Flur ging, „Ist da irgendwer? Hallo?...".
Ihr war mittlerweile eiskalt. Sie spürte wie ihre Augen langsam anfingen feucht zu werden. Sollte sie weinen? Wegen so etwas? Schnell wischte sie sich die Tränen aus den Augen.
Nein, sie würde nicht weinen.
Irgendeinen Grund würde es schon geben, das sie hier vollkommen
alleine war und schon in wenigen Stunden würde sie darüber lachen. Hoffte sie zumindest.
Nach kurzem überlegen entschloss sie sich dazu,
nach unten zu gehen, in der Kantine wird schon jemand sein...
eventuell würde sie ja jemanden im Flur begegnen.
Ihr war vollkommen egal wer es war, selbst wenn es Parker sein
sollte, Hauptsache sie wäre nicht länger allein.
Kurz kam ihr das Gerücht von dem kleinen Jungen in den Sinn,
der durch die Villa spukt und ewig jemanden rufen wird,
jedoch versuchte sie sich diesen Gedanken so schnell es ging aus
dem Kopf zu schlagen.
Geister? Pff, so etwas gibt es doch nicht...oder?
Ach Quatsch das sind doch alles bloß Märchen die-
„SOPHIE!!!", eine Stimme hinter ihr lies die schon zuvor nervöse Sophie laut aufschreien.
„Kyaa! Bitte fress’ mich nicht Geist!", schützend hielt sie die Hände vor sich, während sie ängstlich die Augen zusammen kniff.
„Keine Sorge... ich werde dich nicht... fressen",
keuchend kam eine Person auf sie zu gerannt.
Sophie erkannte die Stimme sofort und sah der, die sie eben fast zu
Tode erschreckt hatte direkt ins Gesicht,
„C-claire?", sofort lies sie ihre Hände sinken und zupfte sich ihre
Uniform zu Recht. Bei Sophie angekommen musste sie erstmal nach Luft schnappen, „Hff... da bist du ja endlich... ich hab dich
schon überall gesucht".
„Was ist denn los Claire?", etwas verwundert sah Sophie ihre komplett in schwarz gekleidete Freundin an.
Irgendwas musste passiert sein...doch was?
„Endlich ist es offiziell, ob dus glaubst oder nicht: Mrs.Norris ist
gestern Nacht an ihrer Krankheit verstorben!
Ich konnte es zuerst nicht glauben, doch es wurde von Sir Vales
persönlich bestätigt, weißt du was das heißt?!“,
ein erwartungsvolles Grinsen war auf Claires Gesicht zu sehen,
welches ungewöhnlich hübsch geschminkt war.
Normalerweise schminkte sie sich nur so, wenn sie wieder zu einer
ihrer komischen Partys ging.
„Ehm... wir werden sie beerdigen?", antwortete sie leicht verlegen,
weil sie nicht wusste, was sie sonst hätte sagen sollen.
„Ach Quatsch, was schert mich diese alte Schrulle denn? Die hätte eh
nicht mehr lange gehabt", verführerisch zwinkerte sie Sophie zu,
„Nein, es ist viel besser! Sir Vales selbst wird während der
Beerdigung da sein und direkt danach...",
mit einer einfachen Handbewegung öffnete sie einen Knopf ihrer
Bluse, was dazu führte, dass ihr Ausschnitt noch offener hervortrat
als sonst. Sophie konnte sich schon ahnen was Claire vor hatte, weshalb sie leicht die Augen verdrehte.
„...direkt danach wird er bestimmen, welche Haushälterin die Ehre
hat den Posten von Mrs.Norris zu übernehmen und in die Elite
aufzusteigen. Genau diesen Moment werde ich mir zunutze
machen!", ein entschlossenes leuchten war in Claires Augen zu
sehen. Sophie hingegen war sich nicht sicher, ob sie wirklich hören wollte, wie Claires weiterer Plan aussah,
doch ehe sie irgendetwas hätte erwidern können plapperte Claire
auch schon fröhlich drauf los,
„Mein Charme wird ihn betören hihihi, ich hab mir extra ein neues
Parfüm gekauft und mich so schön wie möglich geschminkt.
Dazu noch dieses super sexy Kleid, findest du nicht auch, dass es mir
wirklich super steht? Also wenn er da keine Augen macht!
Damit kriegt man jeden Kerl rum", ein fieses grinsen lächeln machte
sich auf ihrem Gesicht breit,
„und wenn ich erst zur Elite gehöre... hihihi... dann fließt die Kohle
in strömen wahahahaha!".
Sophie sah Claire nur mit fragendem Blick an.
Claire war zwar nett, doch manchmal hatte sie einfach einen kleinen
Trilli. Diese böse Lache war ihr ziemlich unangenehm,
weshalb sie sich schnell überlegte, wie sie Claire von ihrem
komischem Trip runter holen konnte.
Da kam ihr plötzlich etwas in den Sinn, etwas das sehr wichtig war. Sie schämte sich leicht dafür, nicht früher daran gedacht zu haben,
doch zu ihrer Verteidigung: Claire hatte ihr ja auch nicht grade viel
Zeit zum nachdenken gegeben.
„Wann wird Mrs. Norris den eigentlich beerdigt?", fragte Sophie,
wobei sie extra darauf achtete, dass Claire ihre Frage nicht einfach
wieder überspielen konnte.
„Mrs.Norris? ...ehm das war um 8:30Uhr oder so", mit einem Schlag
weiteten sich Claires Augen und ihr Arm schoss mit einem Mal so
schnell nach vorne, dass Sophie wieder leicht zusammenzucken
musste. Wie spät war es denn grade?
Würde Claire sich nicht immer so verplappern,
würde sie vielleicht auch einmal im Leben pünktlich kommen.
Die Augen der Schwarzhaarigen kniffen sich zusammen,
als sie Sophie ansah, „es ist 8:23Uhr...".
Fassungslos verglich Sophie Claires Uhr mit der ihren.
Es stimmte, in sieben Minuten würden sie bei der Beerdigung von
Mrs. Norris sein müssen, sonst würden sie äußerst negativ bei
Sir Vales auffallen.
Das wollte natürlich keine von Beiden, weswegen sie die Beine in
die Hand nahmen und so schnell es ging zum Friedhof hechteten.
Sie waren spät dran, viel später als Sophie es sich gewünscht hätte,
und alles bloß wegen einer gewissen Person, die der Meinung war;
obwohl sie bereit spät dran waren; noch einmal ihre Schuhe
wechseln zu müssen, da sie nicht gemerkt habe,
dass diese einen anderen schwarz Ton hätten,
als der Rest ihrer Kleidung. So kam es wie es kommen musste und sie platzten mehr als 15 Minuten nach beginn direkt in die
Trauerfeier, was nicht grade durch die fluchende Claire unterstützt
wurde, die direkt vor der Tür ihren Schuh verloren hatte um
daraufhin lauthals fiese Bemerkungen über die Mutter des
Schuhverkäufers zu verkünden, was natürlich keinem im Saal
entging.
Mit knallrotem Kopf trat Sophie also ein und suchte sich einen
freien Platz, wo sie sogleich beschämt den Kopf sinken lies.
Sie hatte sich zwar niemals wirklich Hoffnungen auf den Elite Titel
gemacht, doch jetzt konnte sie ihn sich sowieso komplett
abschreiben. Immer noch wütend setzte sich Claire neben sie, „Läuft ja echt beschissen bisher".
Sophie antwortete nichts auf Claires zischen, sondern begann sich im
Saal umzusehen. Es war aufgebaut wie eine Kathedrale,
jedoch hingen nirgends irgendwelche Kreuze oder andere religiösen
Zeichen. Das einzige, was man als Logo entdecken konnte,
war das typische Vales Marken Logo,
welches selbst auf dem Sarg eingeprägt war.
Sophie war zuvor niemals bewusst gewesen,
dass das Vales unternehmen selbst in der Beerdigungsbranche tätig
war, doch eigentlich hätte man es sich denken können.
Was Menschen während ihres Lebens kaufen ist immer nur eine
Statistik, die sich immer ändern kann.
Das einzige was auf der Welt wirklich sicher ist, ist der Tod.
Deshalb hätte sie schon längst davon ausgehen können,
dass Sir Vales selbst damit Geld verdient.
Apropos Sir Vales... suchend schweifte ihr Blick über die ganze
Menschen Masse. Sie versuchte nicht einmal zu schätzen,
wie viele Personen in diesen Raum waren, alle bloß wegen einer
Frau. Einer Elite.
Es war einfach beeindruckend, dass Mrs. Norris solch eine prächtige
und teure Beerdigungsfeier bekam, dafür, dass nahezu niemand sie
wirklich kannte, bzw. die, die sie kannten konnten sie nicht leiden. „Man... so eine Elite Putze wird ja mehr gefeiert als ein Offizier",
scherzte Claire neben ihr, die wohl das Selbe gedacht haben muss. Der Anflug eines Lächelns war auf Sophies Gesicht zu sehen,
ja, dass war typisch Claire.
Kümmert sich nur um ihren eigenen Vorteil und reißt selbst bei einer
Beerdigung Witze.
Sophie vermutete sogar, dass diese Eigenschaft eine von denen ist,
die Claire überhaupt zu ihrer Freundin machte.
Diese lockere ironische Art. Bloß sollte sie manchmal wissen,
wann sie aufhören sollte zu reden, was bedauerlicher Weise äußerst
selten vorkam. Plötzlich bemerkte Sophie etwas in den vorderen Reihen, ein Zylinder! Es konnte sich dabei nur um Sir Vales handeln,
denn eine von den Regeln der Villa besagte,
dass es den Herren nicht erlaubt ist, auf dem gesamten Anwesen
einen Zylinder zu tragen.
Keiner wusste wieso, aber es hatte sowieso keiner vor,
weil diese Dinger die Arbeit nur behindern würden, doch egal ob
man es vorhatte oder nicht: Sir Vales hatte es verboten.
Elegant erhob er sich von seinem Platz und ging auf die Tribüne. Hinter ihm war ein teuer aussehender, wunderschön verzierter Sarg,
in dem vermutlich Mrs.Norris Leiche lag.
Seinen Gehstock im Arm haltend lies er seinen Blick über alle
Anwesenden schweifen. Schlagartig wurde es still und es war,
als würde jeder den Atem anhalten. Seine kalten gelben Augen blitzten auf und er erhob seine Stimme mit einer Art, wie nur er
sprechen konnte.
„Vielen Dank, dass sie alle heute hier anwesend sind um von einer
besonderen Angestellten abschied zu nehmen.
Dorothea K. Norris war nun schon mehr als 20 Jahre meine private
Haushälterin und sie genoss mein innigstes Vertrauen.
20 Jahre, wahrlich eine lange Zeit.
Bedauerlicherweise ist sie Gesternabend von uns gegangen und
hinterlässt damit eine große Lücke in dem System dieser Villa. Diese Lücke gilt es zu füllen, weshalb ich beschlossen habe
unmittelbar nachdem Dorothea vergraben wurde ihre Nachfolgerin
zu bestimmen, danke für ihre Aufmerksamkeit".
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, begab er sich wieder auf seinen
Platz, welcher sich natürlich direkt in der ersten Reihe befand,
zentral und genau abgepasst zum Sarg.
Neben ihm saßen die übrigen Elite Arbeiter,
welche mit kaltem Blick auf den Sarg ihrer ehemaligen Kollegin
starten. Die haben sie wohl auch nicht sonderlich gemocht,
dachte sich Sophie, während sie sich weiter umguckte.
Etwas kam ihr merkwürdig vor, jeder saß an dem für ihn
vorgesehenen Platz, doch eine ganz bestimmte Person fehlte... Crow! Wo war sie denn bloß?
Eigentlich hätte Sophie erwartet, sie direkt neben Sir Vales sitzen zu
sehen, doch dem war nicht so.
Langsam kam in ihr die Vermutung hoch, dass Crow gar nicht
anwesend war. Aber...wo war sie denn dann?
Leicht desinteressiert lauschte sie weiteren Reden von irgendwelchen
Personen, die sie jedoch nicht kannte.
Sie wartete einfach bis das alles hier vorbei war, damit sie ihre kleine
Freundin suchen konnte.
Sie hatte sie schon länger nicht gesehen.
Es war nun schon fast zwei Monate her, seitdem sie sich kennen
gelernt hatten und ab und zu haben sie sogar mal etwas miteinander
unternommen. Doch jetzt war es schon fast eine Woche her, dass sie Crow das letzte Mal gesehen hatte.
Sophie fing an sich leichte Sorgen zu machen, wo konnte sie denn
bloß sein? Als Claire ihr beim umziehen erzählt hatte,
dass so gut wie alle Angestellten anwesend sein werden und die
Arbeit vorerst eingestellt wird, hatte sie sofort den Gedanken im
Sinn, dass sie ja womöglich auch Crow hier treffen könnte!
Jedoch Fehlanzeige.
Von ihr war nicht die geringste Spur zu sehen.
Mittlerweile war auch der letzte Redner fertig,
was dadurch gekennzeichnet wurde, dass ein Orchester anfing eine
traurige Melodie zu spielen.
Sie hatte dieses Lied niemals zuvor gehört und sie bezweifelte,
dass es ein älteres Werk war, da sie schon als Kind sehr von
klassischer Musik fasziniert war.
Doch dieses Stück war ihr vollkommen unbekannt und das machte
ihr eine Gänsehaut. Nachdem es endete, kamen einige Männer in
schwarzen Anzügen, welche jeweils auf einer Seite standen und den
Sarg vorsichtig anhoben, nur um ihn dann durch den Gang,
an den Leuten vorbei zu tragen.
„Wir müssen doch jetzt nicht auch noch dabei sein, wenn sie die alte
Schachtel in der Erde verbuddeln oder?",
Sophie konnte deutlich aus Claires Stimme heraushören,
dass die gesamte Veranstaltung sie eben so gelangweilt hatte,
wie Sophie selbst.
Jedoch lies sich Sophie nichts davon anmerken,
„Naja... einwenig Respekt kann man ihr doch entgegen bringen,
oder nicht? Ich meine... sie war schon da, bevor ich überhaupt
sprechen konnte...“.
„Hmm?", Claire hielt mittlerweile einen kleinen Spiegel in der Hand
und fuhr sich mit rotem Lippenstift über die Lippen,
"Oh sorry Sophie, hast du was gesagt?".
Leicht genervt sah Sophie zu ihrer Freundin.
Das war wiederum ein Moment, wo sie Claire am liebsten sitzen
gelassen hätte und einfach abgehauen wäre.
Jedoch blieb sie weiterhin ruhig sitzen und beobachtete die
Schwarzhaarige dabei, wie sie sich ihr Make-up neu auffrischte. „Nein... nicht so wichtig", mit einem falschem Lächeln auf dem
Gesicht blickte sie zu ihrer Freundin und zeigte ihr damit,
dass sie Fertig war mit sprechen.
„Wann meinst du wäre der perfekte Zeitpunkt um sich an ihn
ranzumachen? Ich meine, er ist verletzt und neben der Spur.
Seine treue Elite Putze ist von uns gegangen und hinterlässt eine,
wie er meinte, große Lücke im System hihi",
wieder konnte Sophie das böse Grinsen auf dem Gesicht ihrer
Freundin erkennen, ihr schien es wirklich komplett egal zu sein,
dass sie immer noch auf einer Beerdigung waren.
Vorsichtig stand Sophie auf, sie folgte der Menschenmaße nach
draußen, welche sich mittlerweile auf den Weg gemacht hatte,
um ihren alltäglichen Pflichten nachzugehen.
Soll Claire doch versuchen sich bei ihrem Chef, Sir Vales,
einzuschleimen. Sophie bezweifelte stark, dass dieser sich darauf
einlassen wird, geschweige denn sich überhaupt darum kümmern,
da er, obwohl es eine Abschiedsrede an seine treue Haushälterin
war, nur von seiner Arbeit und seinem Unternehmen gesprochen
hatte. Sie fragte sich, ob er wenigstens dabei sein würde,
wenn Mrs.Norris auf dem Friedhof vergraben werden wird.
Mit einem Mal kam in ihr die Frage auf, wieso in diesem Anwesen
überhaupt ein Friedhof war...
so etwas war nun schon sehr ungewöhnlich.
Aber eigentlich war alles hier ungewöhnlich und um ehrlich zu sein,
war genau das der wahre Grund weshalb sie überhaupt hier war.
Es wirkte eher wie eine eigene Stadt als eine Villa,
und das nicht bloß wegen der Tatsache, dass es wohl das größte und
umfangreichste Gebäude war, welches sie kannte, nein,
sondern auch wegen den Verhältnissen hier.
Es gab verschiedene Gruppierungen und jeder hatte eine bestimmte
Arbeit zu verrichten. Man konnte tun was man will,
es gab sogar eine Golfanlage und einen Swimmingpool.
Manchmal wirkte es eher wie eine Freizeitanlage statt einem
Arbeitsplatz. Alles wurde von einer riesigen Mauer abgegrenzt,
welche das gesamte Grundstück umrahmte.
Es gab nur einen Eingang welcher von einem gigantischen Tor
nahezu den ganzen Tag verschlossen wurde.
Niemand wollte raus, darum brauchte es auch nicht unnötig offen zu
stehen. Von oben müsste es doch eher wie eine Festung aussehen
statt nach einer Villa, kam es ihr plötzlich in den Sinn,
denn welches Anwesen war schon auf solch einem riesigen
Gelände, geschützt von einer meterhohen Mauer,
die jeden Tag gewartet wurde und ohne, dass irgendjemand diese
überhaupt verlässt?
In der Ferne sah sie schon den Anfang der Mauer,
sie war viel zu lang, als dass ihr Blick sie komplett hätte erfassen
können. Sie breitet sich aus, wie eine fette Schlange,
die mit ihrem Schwanz ihre Beute einkreist um ihr jeden Fluchtweg
zu verwehren und sie gnadenlos zu fressen.
Zum ersten Mal in all der Zeit in der sie hier wohnte,
bekam Sophie ein unbehagliches Gefühl.
Sie fühlte sich nicht wie eine Angestellte, oder ein Teil einer
Gemeinschaft, nein, sie fühlte sich wie eine Gefangene,
die Lebenslang dazu verdammt war, an diesem Ort zu verweilen. Schnell schüttelte sie diesen Gedanken von sich.
Sie arbeitete hier bloß, sie war eine von vielen Haushälterinnen,
die in dieser Villa Angestellt waren.
Ihr Chef war der ruhmreiche und ehrenswerte Sir Raven Vales,
ein Mann von Adel. Sie sollte ihm dankbar sein,
dass sie für ihn arbeiten durfte, seine noblen Zimmer putzen.
Sie war entbehrlich, doch solange sie tat was sie sollte gab es keinen
Grund zu verschwinden.
Seufzend beschloss sie, sich erstmal einwenig auszuruhen,
bevor sie mit ihrer Arbeit weiter machte.
Außerdem würde sie nachher noch nach Crow suchen müssen,
sie hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.
Mit leichten Schritten lief sie durch einen kleinen Park,
sie mochte diesen Ort. Er war so schön grün und natürlich.
Sie überquerte eine kleine hölzerne Brücke und sah ins Wasser hinab. Kleine Fischchen schwammen darin herum.
Es war ein sehr harmonischer und beruhigender Anblick,
der Sophies Sorgen gleich in Luft auflösen lies.
Wie sollte etwas so schönes denn auch böse sein? Sie schämte sich
leicht dafür, dass sie an Sir Vales gezweifelt hatte.
Nach einem kurzen Moment der Ruhe hatte sie wieder genug Energie
getankt um sich auf den Weg zum Hauptgebäude zu machen,
welches von den Meisten als Herzstück der Villa bezeichnet wurde. Oder besser gesagt: Sie bezeichneten das Hauptgebäude als
„die Villa“, Sophie hingegen wusste aber, dass dem nicht so war. Alles war nun schon mehrere Wochen her, als sie etwas sah,
wovon die wenigsten Arbeiter in der Villa überhaupt wussten.
Es war gewesen, als sie Sir Vales eines Tages zufällig auf dem Flur
begegnet war. Es war schon ungewöhnlich, dass er seine Etage
verließ, aber noch ungewöhnlicher war es,
dass man ihm zufällig begegnete.
Sophie hatte damals das Gefühl gehabt, dass Sir Vales genau wusste,
wo er hin musste, da er außergewöhnlich aufgebracht zu sein
schien. Er war direkt auf sie zu gegangen und hatte ihr befohlen mit ihm zu gehen. Es war schon sehr spät gewesen,
weshalb sie sich wunderte, dass es irgendjemanden gab,
der überhaupt noch wach war, doch anscheinend war dem so. Selbstverständlich war sie ihm ohne irgendwelche Widerworte
gefolgt, denn sie wusste, dass es nahezu nichts gab was ihn
überhaupt aus der Fassung bringen konnte.
Diesmal jedoch konnte man ihm seine Angespanntheit deutlich
ablesen, Sophie wusste nicht was es war, doch es war ihr ziemlich
unheimlich. Er führte sie direkt in sein Büro, und somit in einen Teil der Villa, der nur für einen Bruchteil aller Angestellten jemals aufgesucht werden würde.
Ohne auch nur einwenig Zeit zu verlieren hatte er ihr erzählt was los
sei, sie hätte die Aufgabe bei Sonnenaufgang sofort los zu gehen
und Kleidung für ein kleines Kind zu holen.
Sophie verstand nicht warum sie das tun sollte und auch warum
grade sie diese Aufgabe bekam, doch Sir Vales umging geschickt
all ihre Fragen und lies sie bloß wissen, dass es sich dabei um ein
etwa 10 Jahre altes Mädchen handeln würde.
Sophie hatte kurz gedacht, dass es sich eventuell um ein sehr
kurzfristiges Geburtstagsgeschenk für die Tochter eines Freundes
handeln könnte, doch diesen Gedanken verwarf sie schnell wieder,
da es äußerst untypisch für Sir Vales war.
Er war organisiert und hielt sich strikt an seine Termine,
er war nicht der Typ der Geburtstage vergisst.
Außerdem war er auch nicht wirklich der Typ für Freunde… nein,
es würde schon etwas weit schlimmeres sein,
etwas Unvorhergesehenes.
Sie hatte sich im Raum umgeschaut, kurz bevor Sir Vales sie nach
draußen verwies. Er war wirklich sehr schön eingerichtet,
mit einigen Monitoren, zahlreichen Pokalen und schön verzierten
Möbeln, jedoch gab es etwas, was sie mit abstand am meisten in
diesem Raum reizte: An der Wand hing eine riesige Karte,
welche das komplette Gelände der Villa zeigte,
aus der Vogel- und Seitenperspektive.
Neben der Tatsache, dass das Hauptgebäude äußerst merkwürdig
geformt war, rutschte ihr fasst das Herz in die Hose, als sie sah,
wie groß die „Villa“ wirklich war.
Das „Hauptgebäude“ war nahezu winzig, im vergleich zum Rest
der Karte, welche die verschiedensten Bauten und Gebäude zeigte,
die sie zuvor noch nie gesehen hatte. So weit hatte sie sich nie aufs
Gelände gewagt, doch noch erschreckender war die Tatsache,
dass alles, wirklich ALLES miteinander verbunden zu sein schien. Sie konnte es sich nicht genau erklären, dafür reichte die Zeit nicht,
die sie hatte um diese Karte zu studieren, doch es war alles mit
einander Verbunden und zeigte Wege und Räume,
die sie all die Jahre niemals wahrgenommen hatte.
Sie war vor der Karte erstarrt, weil sie nicht glauben konnte was sie
dort sah. Dieses Gesamte Gelände war wirklich bloß eine einzige Villa, welche sich selbst unter der Erde ausgebreitet hatte.
Sie konnte nicht genau erkennen, ob es einfache Abwasserkanäle
waren, oder vielleicht auch was anderes, doch in dem Moment war
ihr alles egal gewesen.
Sie wollte nur noch raus, raus aus diesem Monstrum,
weg von der Villa, einfach bloß raus.
Die kleine Shoppingtour hatte sie zum Glück beruhigt und ohne auch
nur irgendeinen weiteren Gedanken daran zu verschwenden hatte
sie die Kleidung abgeliefert und war ihrer normalen Arbeit
nachgegangen, stets daran versuchend, den schrecklichen Anblick
aus dem Gedächtnis zu löschen.
Doch sie konnte es nicht, egal wo sie hinsah, überall bildete sie sich
ein, dass dahinter irgendwelche geheimnisvollen Räume versteckt
sein würden, welche irgendwas vor den normalen Arbeitern
verbergen sollten. Der Gedanke machte ihr Angst, doch sie wusste, dass sie sich das bloß einbildete. Darum dauerte es nicht lang und schon war sie wieder voller Eifern in ihrem Job.
Erst als sie Crow kennen lernte fing sie wieder an sich daran zu
erinnern, doch je länger sie damit lebte, desto besser konnte sie es
verarbeiten.
Und? Dann sind da halt irgendwelche Räume und Gänge unter uns,
Sir Vales wird schon wissen wozu er die braucht!
Mittlerweile war sie fast wieder im Hauptgebäude angekommen,
wo sie auch gleich wieder zu ihrem Arbeitsplatz gehen würde.
Um 16:00Uhr würde Sir Vales die Nachfolgerin von Mrs. Norris
auswählen und bis dahin musste sie Fertig sein. An ihrem Ziel angekommen atmete sie erstmal tief durch um von all ihren
Gedanken los zu kommen, dies war nicht der richtige Zeitpunkt um
irgendwelche Verschwörungstheorien aufzustellen,
am wenigsten, wenn diese gegen ihren Chef gingen,
der ihr anscheinend einwenig mehr zu zutrauen schien, als ihren
Kolleginnen, weil sie damals die Aufgabe bekommen hatte
Kleidung für Crow zu kaufen.
Außerdem hatte sie schon die Ehre gehabt sein Büro betreten zu
dürfen, wofür Claire ihr schon aus Neid die Augen auskratzen
würde. Sie schien wirklich scharf auf Sir Vales zu sein,
dachte sich Sophie, während sie sanft über die Möbel strich.
Doch jetzt war nicht die Zeit für so was, weder für ihr Privat leben,
noch für irgendwelche anderen Kleinigkeiten, denn das Einzige was
sie jetzt zutun hatte war es, ihre Arbeit zu erledigen.
***
Claire hatte ihr den Befehl gegeben sich schön an zu ziehen.
Sophie wusste nicht warum sie das tun sollte, doch Claire war
äußerst… überzeugend gewesen. Mit genervtem Blick sah sie in Claires grüne Augen und blies sich dabei eine hellbraune Strähne
aus ihrem Gesicht. Claire hatte sie geschminkt.
Sie war entsetzt gewesen, als sie sich selbst zum ersten Mal im
Spiegel sah, ihr schönes braunes Haar: aufgestyled!
Ihr natürliches liebevolles Gesicht: wie ein Farbtopf!
Sie sah aus wie eine billige Crackhure, doch Claire schien damit
vollkommen zufrieden zu sein. Am schlimmsten war aber die Tatsache, dass sie dazu gezwungen wurde sich in ein viel zu enges
und kurzes Kleid zu quetschen.
Sophie war nicht dick, überhaupt nicht, es wirkte eher so als sei das
Kleid von der Größe her aus der Kinderabteilung gekauft wurden. „Man siehst du scharf aus“, mit einem breiten Grinsen auf dem
Gesicht, zwinkerte Claire ihrer Freundin zu.
Gespielt lächelte diese zurück und musste stark darum kämpfen in
diesem engen Kleid überhaupt Luft zu kriegen. Sophie wusste, dass
sie es sofort loswerden musste, sobald Claire sie für eine Sekunde
unbeobachtet ließ. Irgendeine Ausrede würde sie schon finden…
ein Waschbär oder so was, der durchs Fenster rein gekommen ist und ihr tolles Kleid zerrissen hat. Ja genau, dass würde sie sagen.
Doch Claire machte keinerlei Anzeichen zu gehen,
„Wenn alles klappt, gehöre ich schon heute zur Elite hihihi, ist das
nicht toll Sophie?“, sie selbst hatte sich auch noch mal umgezogen. Anstatt dem schwarzen Kleid von heute morgen trug sie jetzt eine
Art weinfarbenes Abendkleid, welches wirklich perfekt zu ihrem
Gesicht und ihrer Frisur passte. Zudem war der Ausschnitt sehr fiel offener, als er es sonst auch schon ist, was jedoch nicht heißt,
dass es wenig ist!
„Das… ist doch toll“, entgegnete die Brünette, während sie deutlich
spüren konnte wie ihre Luft knapp wurde.
Sie musste aus diesem Kleid raus. Jetzt!
„Hey Claire…“, verzweifelt suchte sie irgendeine Ausrede, womit
sie ihre Freundin ablenken konnte,
„ehm… oh nein! Ich äh… habe mir doch extra für so einen
Anlass… Schuhe gekauft! Ja genau Schuhe… sie ehm… stehen
unter meinem… Bett.
Macht es dir was aus, wenn ich sie kurz holen gehe?“
Mit glasigen Augen sah sie der anderen direkt ins Gesicht.
Sie hoffte wirklich sehr, dass Claire darauf reinfallen würde. „Hmmm meinetwegen“, desinteressiert zuckte diese mit den
Achseln, „ich geh dann auch schon mal los“.
Erleichtert tapste Sophie zur Tür, sie konnte kaum laufen und wollte
einfach bloß weg. „Wir sehen uns dann bei der Auswahl“,
warf Claire ihr noch hinterher, während sie ihr zur Tür folgte,
„viel Glück Süße!“.
Frech gab sie der fliehenden Sophie einen kleinen Klaps auf den
Hintern, welche vor Schreck kurz aufsprang, nur um daraufhin
knallrot vor Scham im Gang zu verschwinden.
Es war kurz vor 16:00Uhr, als Sophie die Halle betrat.
Sie hatte sich heimlich noch mal umgezogen und versucht
wenigstens das gröbste aus sich heraus zu holen, damit das
„Monster“, welches Claire erschaffen hatte wenigstens noch eine
Spur Sophie in sich trägt. Irgendwie kam in ihr das Gefühl auf, dass Claire sie keineswegs unbeabsichtigt so entstellt hatte.
Sie war anscheinend wirklich so scharf auf den Posten,
dass sie sogar ihre beste Freundin dafür zum Clown machen würde. Naja, konnte man von ihr ja auch nicht anders erwarten.
Sie sah sich um und bemerkte, dass alle ihre Kolleginnen sich so gut
angezogen hatten wie möglich.
Anscheinend waren sie alle unglaublich heiß darauf, Mrs.Norris Platz einzunehmen. Sophie begann sich einwenig fremd zu schämen, denn
sie konnte nicht verstehen, wieso sich erwachsene Frauen bloß für
eine Arbeitstelle so zum Affen machten.
Sie selbst fand die Möglichkeit ja schon sehr attraktiv,
am meisten weil sie sich dann um Crow kümmern dürfte…
also offiziell, jedoch würde es ihr niemals in den Sinn kommen sich dafür extra so aufzupäppeln.
Nun, um ehrlich zu sein, einwenig mehr Make-up als sonst hatte sie
schon drauf…aber dass bloß um nicht vollkommen in der Masse unterzugehen. Währenddessen rückt der Minutenzeiger immer näher zur 12 heran. Gleich würde es so weit sein, sie würden endlich erfahren, wer von ihnen die Glückliche war, die innerhalb von einem
Tag auf dem nächsten einen gigantischen Karrieresprung machen
würde. Claire war mittlerweile auch angekommen, genauso,
wie so ziemlich alle anderen Haushälterinnen der Villa.
Sie alle saßen, wie auch heute Morgen schon, auf verschiedenen
Sitzbänken und schauten alle gespannt auf die Tribüne.
Es war nicht derselbe Ort wie vorhin, diese Halle hier befand sich
ganz woanders auf dem Villa Gelände. Doch trotzdem sah es vom
Baustil her genau gleich aus. Zum verwechseln ähnlich.
Plötzlich wurde es dunkel im Raum, und alle wurden Still.
Auf der Tribüne ging ein einzelnes Spotlight an und mitten drin
stand, wer sollte es auch schon anderes sein Sir Raven Vales,
welcher sofort alle Blicke im Raum einfing und praktisch alles für
sich einnahm.
Er hatte so eine Besitz ergreifende Aura, dachte sich Sophie,
während sie spürte, wie sich ihre Gänsehaut langsam wieder verzog. Jedes einzelne Augenpaar war voller Spannung und Nervosität auf
ihn gerichtet, sie alle warteten darauf bis er endlich anfing
zu sprechen. „Meine Damen“, seine tiefe heisere Stimme hallte
durch den ganzen Raum, er brauchte kein Mikro um zu sprechen,
denn seine einzigartige Stimme war laut und deutlich zu hören,
selbst für die, die in der hintersten Reihe saßen.
„Ich möchte ohne irgendwelche Zeit zu verlieren gleich zur Sache
kommen, sie alle haben in den letzten Jahren bemerkenswerte
Arbeit geleistet. Die meisten von ihnen waren sehr fleißig und
haben sich stark bemüht, wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Natürlich weiß ich auch, dass die wenigsten von ihnen wirklich
irgendetwas für Mrs.Norris übrig hatten, weshalb ich davon
ausgehe, dass viele von ihnen bloß darauf ausgelegt sind ihren
Posten einzunehmen“.
Einige der Anwesenden fingen an zu erröten oder schauten verlegen
zu Boden, doch Sir Vales beachtete die gar nicht,
sondern fuhr einfach mit seiner Rede fort,
„Seien sie unbesorgt, dieses Gefühl ist bloß all zu verständlich,
da es praktisch eine einzigartige Chance für ihre Karriere ist.
Nun, sie alle sind sicherlich schon recht gespannt, welche von ihnen
am meisten mein Vertrauen genießt und damit die Ehre hat in die
Elite aufzusteigen“. Inzwischen waren wirklich alle Anwesenden sehr nervös, selbst Sophie spürte einen kleinen Knoten im Magen, als
sie der Rede von Sir Vales zuhörte. Sie wünschte sich einfach, dass es vorbei war, doch genauso sehr wünschte sie sich,
dass er es einfach für sich behalten würde.
Sie war überraschend aufgeregt, dass hätte sie selbst nicht von sich
erwartet, doch anscheinend machte selbst sie sich leichte
Hoffnungen darauf diesen Posten zu kriegen.
„Ich werde sie nicht länger auf die Folter spannen:
Diejenige von ihnen, welche aus meiner Ansicht nach diese
Arbeitsstelle am meisten verdient hat,
die immer sofort alles erledigte worum man sie bat und zudem noch
andere großartige Leistungen gebracht hat, ist eindeutig niemand
anderes als…“,
der Knoten in Sophies Magen verkrampfte sich und sie spürte,
wie ihr leicht schwindelig wurde.
Man konnte spüren, dass es allen anderen hier genauso ging.
„…meine treue und stets arbeitsbereite Haushälterin Rebecca! Rebecca, bitte kommen sie auf die Bühne“.
Eine Welle der Enttäuschung schoss durch den Raum,
was nicht wenige dazu brachte vollkommen in Tränen auszubrechen. Vom falschen Applaus begleitet kam plötzlich eine junge Frau nach
vorne. Sie unterschied sich in kein Bisschen von den anderen Frauen, sondern sah einfach so aus, wie sie war:
uninteressant und langweilig.
Leicht neidisch musterte Sophie die Haushälterin, welche jeder
anderen in diesem Saal die Hoffnung zerstört hatte.
Doch schnell fasste sie sich und begann ehrlich zu applaudieren,
denn sie wusste, dass es wohl stimmen musste was man über sie
sagt, wenn selbst Sir Vales diesem zustimmt.
Leicht murrend begannen die ersten Arbeiterinnen den Saal zu
verlassen, sie alle waren wirklich sehr enttäuscht.
Besonders schlimm war es bei Claire, die sich wirklich
außerordentlich darüber aufregte und wieder anfing laut zu werden. „Claire hör auf!“, sagte Sophie mit strengem Ton, als sie an Claire
vorbei ging, „wir sind es beide nicht geworden okay?
Kein Grund immer rumzunörgeln, so wird man sicherlich keine
Elite!“. Mit funkelnden Augen schob sich Sophie an ihr vorbei und
ging ins Freie.
Einen von Claires Wutausbrüchen war genau das Letzte was sie jetzt
brauchte. Anscheinend wollte sie diesen Posten doch dringender,
als sie gedacht hatte, denn der Knoten in ihrem Magen war nach wie
vor dabei, sich immer doller zusammenzuziehen.
Doch sie schämte sich nicht dafür neidisch zu sein,
dass lag in der Natur des Menschen, außerdem war genau so was
erst ein richtiger Ansporn um seine Arbeit richtig zu verrichten! Neuen Mutes und voller Entschlossenheit machte sie sich also auf
dem Weg in ihr Zimmer um sich wieder umzuziehen und sich dem
Alltag zu widmen. Insgeheim war sie froh, dass Claire nicht genommen wurde, weil das mit Sicherheit dazu geführt hätte,
dass ihre Freundin nun vollkommen die Kontrolle verlor.
Glücklicherweise war dem nicht so, weshalb schon bald alles wieder
beim Alten sein würde.
Sophie wusste zu diesem Zeitpunkt aber jedoch nicht, wie falsch sie mit diesem Gedanken lag.
***
Sanft prasselte ihr das Wasser auf den Nacken, ihre Haare hatte sie
hoch gesteckt, damit diese nicht nass wurden.
Sophie spürte, wie das warme Wasser angenehm ihren Körper
hinab rann, es war einfach unglaublich entspannend.
Genau das, was sie nach all dieser anstrengenden Zeit brauchte:
eine lange heiße Dusche, ganz für sich alleine um den gesamten
Stress abzubauen und sich neu zu fixieren.
Das Tat wirklich gut, jedoch nicht annähernd so sehr wie ein warmes
Bad bei ihren Eltern. Es war schon ewig her, seitdem sie das letzte
Mal dort war, sie kam nicht oft dazu sie zu besuchen.
Liebevoll schäumte sie sich ein und roch sogleich den angenehmen
Duft von Rosen. Heute hatte sie frei, sie wusste nicht genau warum,
doch an sich war es ihr herzlich egal, genauso wie so ziemlich alles
in diesem Moment. Es gab nur sie und der Rest war vollkommen…
überflüssig.
Mit den Gedanken in ihrer eigenen Welt, wusch sie sich den Schaum
vom Körper, bevor sie begann sich ein letztes Mal unter dem
Wasser zu entspannen.
Als sie fertig war, nahm sie sich ein Handtuch, mit welchem sie ihren
Körper abdeckte. Die Haare immer noch ordentlich und trocken nach oben gesteckt, ging sie zur Umkleide und begann sich
umzuziehen. Sir Vales war so nett gewesen und hatte ihr den heutigen Tag frei gegeben, als dank dafür,
dass sie sich um Crow gekümmert hatte.
Rebecca und Crow schienen sich nicht all zu sehr zu verstehen,
denn schon nach wenigen Stunden in ihrer neuen Position soll sie
sich mit einer kleinen „Göre“ verkracht haben.
Das war es zumindest was Claire Sophie erzählt hatte.
Als sie davon hörte musste sie leicht schmunzeln, wie es aussah,
war sie nämlich echt die einzige die Crow an sich heran ließ. Anscheinend seien alle versuche vergebens gewesen,
da Crow viel zu verschlossen war, als dass sie sich jeder Person
öffnen würde. Genau das war es, was Sophie so sehr an diesem außergewöhnlichen Mädchen mochte.
Es waren nicht ihre merkwürdigen Augen und auch nicht ihr Mitleid
erregendes Schicksal, nein es war etwas vollkommen anderes was
Crow für Sophie so einzigartig machte.
Crows gesamtes Erscheinungsbild, auch die Art wie sie spricht.
Sie war wirklich wunderschön, doch es war einfach herzzerreißend,
was ihr angetan wurde. Sophie konnte verstehen, wieso das kleine Mädchen sich nicht jeder Person anvertraute.
Ihre Mutter hatte sie verraten und vergrub das eigene Kind unter der
Erde. Crow hatte es ihr erzählt, es war nun schon einige Tage her,
an einem Tag, an welchem sie ihr wie immer wieder zufällig
begegnete. Manchmal kam es ihr so vor,
als wenn Crow genau wissen würde wo Sophie grade war,
da sie der Kleinen immer genau dann über den weg lief,
wenn diese mal einen Moment Zeit hatte.
Irgendwie war das schon komisch… ihr war das schon früher einmal
aufgefallen. Vielleicht war sie damals Sir Vales doch nicht ganz so zufällig begegnet wie sie dachte, als sie die merkwürdige Aufgabe
bekam einem kleinen Mädchen Kleidung zu besorgen!
Inzwischen war sie vollkommen umgezogen und hatte sich auch wieder die Frisur richtig gemacht.
Sie sah so aus wie immer, jedoch fühlte sie sich sichtlich entspannter
und gelassen. Ihr kam grade durch den Kopf, was sie alles an so einem tollen Tag machen könne, als eine Stimme hinter ihr plötzlich
die angenehme Ruhe zerstörte, „Sophie?“.
Leicht überrascht sah Sophie direkt in die schwarz-roten Augen von Crow. „Hey! Hallo Crow!“, mit strahlendem lächeln ging sie zu der
Kleinen und umarmte sie liebevoll,
„wow was für ein Zufall dich hier zu treffen“.
Genau…sicherlich bloß ein Zufall. Genau wie die vielen, vielen anderen Male…
Immer noch lächelnd sah sie dem Mädchen ins Gesicht,
darauf wartend, dass diese ihr erzählte, was sie dazu veranlasst hatte
sie hier zu suchen.
„Es geht um Rebecca“, meinte die Kleine mit einem kindlichem
leicht genervt klingendem Ton, „ich kann sie nicht leiden.
Sie ist unfreundlich und gemein!“.
Etwas verwundert sah Sophie Crow ins Gesicht,
„Hey, sie ist doch erst vor wenigen Tagen zu deiner Betreuerin
geworden…natürlich gibt es da einpaar Probleme…?“.
„Nein… sie will einfach bloß das Geld. Ich bin ihr vollkommen
egal“, traurig senkte Crow den Blick und Sophie bekam ein
komisches Gefühl im Magen.
Sie wollte Crow nicht anlügen, denn sie wusste genau,
dass es stimmte. Rebecca wollte nun mal einfach das Geld,
alles andere war ihr egal.
Sophie wollte sich gar nicht vorstellen, was die alles so machte wenn
Sir Vales grade mal nicht hinguckte.
Mit Champagner und Kaviar vermutlich vor dem Fernseher sitzen
und ihre komischen Romanzen schauen.
Es war schon von Anfang an ein Rätsel für Sophie gewesen,
wieso grade Rebecca das Vertrauen von Sir Vales genoss.
„Ach Crow… ich wünschte ich könnte dir irgendwie helfen“,
liebevoll tätschelte sie die Schulter des schwarzhaarigen Mädchens. Mit einem Mal riss Crow urplötzlich ihren Kopf nach oben und sah
Sophie dadurch direkt ins Gesicht,
ein komisches lächeln war zu sehen, welches Sophie nicht genau
definieren konnte.
Es sah leicht spottend, aber trotzdem etwas verkrampft aus.
So als wäre es eine traurige aber trotzdem urkomische Situation. Schnell verschwand das Lächeln aus Crows Gesicht und sie blinzelte
leicht verwirrt, so als ob sie grade erst registriert hatte wo sie war. „Crow…?“, leicht besorgt streichelte Sophie ihre Schulter, „hey,
geht’s dir nicht gut?“.
„was wie…? Oh verzeih mir bitte…
mir war eben nur etwas komisch“, verlegen senkte sie den Blick,
doch Sophie legte ein Finger auf ihr Kinn und hob es leicht an,
sodass sie weiterhin ihren Blickkontakt hielten.
„Hey… ist doch alles okay.
Gibt es sonst noch etwas worüber du mit mir reden willst?“,
Sophie hatte das komische Gefühl, dass Crow irgendetwas
bedrückte. Sie konnte es nicht genau sagen, und egal wie sehr Crow versuchte es zu verstecken,
letzten Endes war sie doch auch bloß ein kleines Mädchen,
welches einer erwachsenen Frau gegenüber stand.
„Du sagtest, dass du dir wünschen würdest mir helfen zu können,
oder? Meinst du das ernst Sophie?“, von einer Sekunde zur anderen
war die kindliche meckernde Stimme verschwunden
und einer sehr ernsten gedämpften gewichen.
„Ehm…natürlich… alles was ich für dich tun kann“, irgendwas
stimmte nicht mit Crow, dass bemerkte Sophie sofort.
Sie war sonst nie so… komisch.
Was war denn nur geschehen?
„Das freut mich“, lieb lächelte Crow sie an und warf sich ihr
um den Hals, was Sophie nahezu zu Fall brachte,
doch sie konnte sich grade noch halten,
„würdest du vielleicht meine Betreuerin sein wollen Sophie?“. Strahlend sah Crow sie an und zum ersten Mal fehlten Sophie die
Worte. Natürlich wollte sie!
Aber geht das denn überhaupt?
„Das… wow! Ja, selbstverständlich würde ich gerne!
Aber was sagt Sir Vales denn dazu?“, Sophie konnte nicht fassen,
was Crow ihr grade Anbot. Damit hätte sie fast den Rang einer Elite
erreicht, ohne, dass sie deren Aufgaben erledigen musste.
„Der Master hat mir bereits seine Zustimmung gegeben“, vorfreudig
klimperte sie mit ihren wunderschönen Augen, „er meinte, sofern ich dein Ja habe sollest du bitte in sein Büro kommen“.
Noch mal wurde sie von Crow umarmt, bevor diese auch schon los
lief, in solch einer Geschwindigkeit,
dass Sophie mühe hatte überhaupt mitzuhalten.
Anscheinend wusste Crow mittlerweile genauestens wo sie hin musste und was der schnellste Weg war, denn sie nahm Korridore
und Flure, die Sophie zuvor niemals benutzt hatte,
aus Angst sich zu verirren. Doch irgendwie kamen sie dadurch tatsächlich viel schneller voran, als wenn Sophie sie geführt hätte. Crow musste inzwischen sehr viel über die Villa wissen,
da sie ohne auch nur mit der Wimper zu zucken einfach losgerannt
war und sie ohne irgendwelche Fehler ihr Ziel erreichten.
In weniger als 10 Minuten.
Sophie selbst hätte mindestens 20 gebraucht.
Sie war schwer beeindruckt davon, denn sie erinnerte sich noch
genau daran, wie es gewesen war als sie neu hier ankam:
ohne ihre Karte war es die ersten Monate unmöglich gewesen sich irgendwie zu Recht zu finden. Bedauerlicherweise zeigte diese Karte lediglich einen groben Umriss des eigenen Sektors und die eigens
zugewiesenen Räume die man putzen sollte.
Dazu wurde noch markiert wo das eigene Zimmer im Haus der
Angestellten war und das war’s auch schon.
Mehr Informationen bekam man nicht.
Doch Crow schien sich stattdessen in einem weit größeren Bereich auszukennen als jeder andere hier. Sir Vales und die Eliten natürlich
ausgeschlossen. Mit drei kräftigen Schlägen klopfte sie an der großen, schwarzen Doppeltür. Sie war mit Gold überzogen und Sophie zweifelte nicht daran, dass es echt war.
Alles hier war echt.
Nunja… bei Claire nicht so ganz, aber alles, was die Villa betraf.
„Herein“, es war unverkennbar die tiefe Stimme von Sir Vales. Sophies Herz begann mit einem mal schneller zu schlagen.
Passierte das grade wirklich?
Sie atmete tief durch und trat dann in das Büro, wozu sie in wenigen Monaten nun schon zweimal die Ehre hatte.
„Ah Sophie“, Sir Vales stand mitten im Raum und rauchte
grade eine Zigarette. Als er sie sah konnte man kurz ein schmales Lächeln auf seinen Lippen sehen.
Er lächelte?
Sophie hatte das nie zuvor gesehen, und die Tatsache,
dass das Lächeln an sie gerichtet war, lies ihr Herz gleich noch
einen Sprung aussetzen. Seine Zigarette hatte er bereits ausgedrückt, als er sich schon hinter seinen riesigen dominanten Chefsessel setzte,
welcher mit Sicherheit extra für ihn designed und angefertigt wurde. Er sah wirklich sehr schön aus, was auch auf den Rest der
Einrichtung zu traf, wie sie bei ihrem letzten Besuch schon
feststellen konnte.
„G-guten Tag Sir“, stotterte sie leicht aufgrund ihrer großen
Aufregung. Ihres Wissens nach war es noch nie vorgekommen,
dass Sir Vales eine normale Angestellte für so etwas beauftragte. Nun… wenn es stimmte was Crow sagte würde sie danach ja keine normale Angestellte mehr sein.
„Hat Crow ihnen schon alles erzählt?
Nun… wie sie wissen habe ich sie in meinem bescheidenen Anwesen
aufgenommen, jedoch braucht sie eine Vertrauensperson,
die sich um sie kümmern kann.
Mein Terminplan ist leider sehr voll, weswegen ich eigentlich Rebecca diese Aufgabe übergeben wollte, jedoch scheinen Crow und
sie sich leider nicht sonderlich zu verstehen.“
Die Art wie Sir Vales über Crow sprach war für Sophie vollkommen
neu. Sie hätte sich nie vorstellen können,
dass er etwas…Väterliches an sich haben konnte.
Bisher hatte sie ihn immer als den strengen und ordentlichen Geschäftsmann gesehen, der nie dazu die Zeit gefunden hatte sich
eine Familie aufzubauen. In diesem Moment wurde Sophie plötzlich bewusst, dass sie eigentlich gar nichts über Sir Vales wusste,
weder wo er geboren war, noch ob er überhaupt eine Familie hatte, wirklich gar nichts.
Das einzige was man wusste war, dass er wirklich ein extremer
Perfektionist und ein leidenschaftlicher Golfer ist.
„Ja…ich bin bereits darüber unterrichtet“, Sophie setzte sich ihr schönstes Lächeln auf, jedoch spürte sie, dass sie vor Anspannung
ein wenig ins Schwitzen geriet.
Sir Vales hingegen nickte nur und fuhr ohne Umschweife fort,
„Gut, ich weiß ja nicht ob Crow ihnen bereits von sich erzählt hat, aber sie-“.
„…sie wurde von ihrer Mutter lebendig vergraben und musste
mit ansehen, wie ihr Vater erschossen wurde.
Sie selbst waren es, die ihr Leben gerettet hat, weshalb sie ihnen unendlich dankbar ist“, vollendete Sophie wie aus heiterem Himmel den Satz von Sir Vales.
Erst im Nachhinein wurde ihr klar, wen sie da grade unterbrochen hatte. Sofort schoss ihr die Röte ins Gesicht und sie wünschte sich vor Scham im Erdboden zu versinken.
Was in diesem Falle aber einen Sturz aus dem vierten Stock bedeuten
würde, doch momentan gab es nichts,
was sie sich sehnlicher wünschte.
Sie nuschelte ein kurzes „Verzeihung…“, jedoch wurde sie bereits
von Sir Vales unterbrochen, der sie mit gerunzelter Stirn anschaute. „Nun… schön, dass sie dies auch bereits wissen,
jedoch wollte ich ihnen eigentlich erklären, wie genau Crows Tagesablauf stattfindet.
Doch da sie anscheinend schon mehr als das Nötigste über sie
wissen, brauche ich ihnen ja auch nichts mehr zu verheimlichen“,
wieder zeigte Sir Vales Sophie sein schmales lächeln,
so als ob nie irgendwas gewesen wäre.
Doch Sophie wusste mit Sicherheit, dass er innerlich etwas
vollkommen anderes dachte, als er es äußerlich zeigte.
Jedoch gab es keinen einzigen Beweis, woran man dies hätte feststellen können was also heißen musste,
dass sie entweder ziemlich falsch lag, oder Sir Vales ein
ausgezeichneter Schauspieler war.
Crow hatte es sich inzwischen auf einem Stuhl in der hintersten
Ecke des Raumes bequem gemacht. Sie schien sich nicht so wirklich für das Gespräch zu interessieren, was man ihr auch nicht
übel nehmen konnte.
„E-es wäre mir eine Ehre mich um Crow kümmern zu dürfen“,
immer noch mit hochrotem Kopf tat sie etwas,
was wie eine Verbeugung aussah,
jedoch war es so unkoordiniert und stumpf, dass es eher wirkte wie
Jemand dem grade ein Stein an den Kopf geworfen wurde
und er sichtlich Probleme damit hat sein Gleichgewicht zu halten. „Nun, dass trifft sich gut, denn auf Grund ihres Wissens
können wir sie eh nicht mehr gehen lassen“, erschrickt zuckte
Sophie zusammen und sah ihrem Chef ungläubig ins Gesicht.
Hatte er das grade ernst gemeint?
...Nein…er lächelte noch
… aber was wenn doch?
Schüchtern sah Sophie ihn an und versuchte sich ein nervöses
Lachen zu erzwingen.
„Keine Sorge, dass war natürlich bloß ein Scherz“,
beruhigend hob Sir Vales seine Hände, doch irgendwas in seinen
Augen verriet ihr, dass er es keineswegs bloß als Scherz gemeint
habe.
Was ist, wenn sie einen riesigen Fehler begangen hat?
…ach Blödsinn.
Sie sollte sich lieber geehrt fühlen, dass sie anscheinend schon so gut
mit ihm klar kam, dass sie Witze reißen konnten.
Vermutlich tat er das bei all seinen elitären Angestellten.
Auch wenn nie irgendwas davon berichtet wurde.
„Herzlichen Glückwunsch Sophie, hiermit haben sie offiziell denselben Rang wie jemand von der Elite.
Selbstverständlich steigt auch ihr Gehalt dementsprechend“, langsam
ging er auf sie zu und führte sie zu einer Tür, die ihr zuvor nicht
aufgefallen war.
Sie sah genauso aus wie die Tür durch die sie gekommen war, jedoch
war diese hier etwas kleiner.
„Oh ich tue das nicht des Gehaltes wegen“, Sophie wollte keinesfalls,
dass Sir Vales sie für Geld gierig hielt, weshalb sie wortwörtlich
versuchte dieses Vorurteil von sich zu schütteln,
bevor ihm auch bloß dieser Gedanke aufkommen konnte.
„Nun, selbst wenn doch, sie haben es sich verdient,
da sie zwei junge Kinder in ihre Obhut nehmen müssen,
dass fordert viel Nerven. Ich danke ihnen dafür wirklich sehr“,
er lief mit ihr durch einen Gang, welcher sich deutlich von denen aus den unteren Etagen abhob.
Doch irgendwas war Falsch an seinem Satz gewesen.
Hatte er grade zwei gesagt?
...er war ja wirklich ein Witzbold dieser Vales…
sieht man ihm gar nicht an.
Etwas verwundert fing Sophie wieder an nervös zu lächeln,
„Haha…war das wieder ein Witz von ihnen?
Sie meinten doch sicherlich eines…oder?
Crow?“.
Mittlerweile standen sie direkt vor einer komplett weiß
gestrichenen Tür, welches mit Gold umrahmt war.
Ein ungutes Gefühl machte sich in Sophie breit,
sie wollte nicht wissen, was dahinter auf sie wartet.
Es gibt gewisse Dinge aus denen man lieber seine Nase raushalten
sollte.
„Witz? Ich mache niemals irgendwelche Witze“,
ohne ein weiteres Wort zu sagen, legte er die Hand auf den Knauf und begann ihn umzudrehen.
Sophie war wie erstarrt und ihr Herz raste, ohne,
dass sie wirklich wusste wieso.
Die Tür öffnete sich und vor ihr lag ein riesiges Kinderzimmer,
in welchem unzählbar viele Glühbirnen leuchteten.
Noch ungewöhnlicher aber war, dass die komplette Einrichtung
in weiß war, es gab keine einzige andere Farbe in diesem Raum
und das Licht schien so grell, dass es sie im ersten Moment
komplett blendete.
Als ihre Augen sich etwas an das beißende Licht gewöhnt hatten,
fiel ihr etwas auf, was sie wieder leicht zusammenzucken lies. Mitten im Raum, zwischen hunderten von selbst gezeichneten
Wachsmalbildern saß ein Junge,
komplett in weiß Gekleidet, mit schneeweißen Haaren.
Er starrte sie direkt an und es schien so,
als würde er sie mit seinem Blick durchbohren.
Seine Augen waren schwarz-rot, genau wie die von Crow,
doch im Gegensatz zu ihr wirkte er…bösartig.
Sir Vales war inzwischen eingetreten und stellte sich zwischen sie und dem Jungen,
„Sophie, darf ich vorstellen? Lucifer“.