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Der Schrein der Himmel II: Höllenhunde

Sess x Kag
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Na, kennt ihr die Geschichte noch? ;) Was lange währt, wird endlich gut! Jetzt, nachdem Teehaus beendet ist, hab ich endlich wieder Inspiration gefunden Höllenhunde weiterzuschreiben und es wird jetzt wieder regelmäßiger weitergehen ^^
Wer es noch nicht mitbekommen hat: Mich gibt es seit Sommer auch bei Facebook, den Link findet ihr in meinem Profil. Schaut doch mal vorbei!
Jetzt erstmal viel Spaß bei der lange ersehnten Fortführung von Höllenhunde! Komplett anzeigen

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08 - gelebte Erinnerungen

08 – gelebte Erinnerungen
 


 

Stöhnend rieb sich Inu no Taisho über die schmerzende Stirn. Schmerz hämmerte dagegen und hielt ihn davon ab einen klaren Gedanken zu fassen. Vorsichtig blinzelte er und öffnete probeweise ein Auge einen kleinen Spalt. Das fahle Licht aber brannte sich einen Weg direkt in seinen Kopf und verwandelte den Schmerz in ein brutales Inferno. Es dauerte einige Momente, bis er wieder Herr über seine Sinne war. Was war nur geschehen? Wo war er? Er konnte sich an nichts erinnern. Alle seine Erinnerungen und Eindrücke waren aus seinem Geist gelöscht. Wissend um die eigene Person und den Schmerz in seinem Kopf lag er im Ungewissen. Wenn schon seine Augen den Dienst verweigerten, musste er sich anderweitig einen Überblick über seine Situation verschaffen. Er war in diesem Moment ein leichtes Opfer für eventuelle Angreifer und musste diesen Zustand irgendwie schnellstmöglich beheben. Langsam sog er die Luft der Umgebung ein und prüfte die ankommenden Eindrücke mit seinem überragenden Geruchssinn.
 

Moos und Erde. Reine, feuchte Luft. Schneebedecktes Gras. Langsam formte sich in seinem Geist ein Bild. Er musste sich in einem Wald befinden an einem Wintertag. Die Kälte kroch seinen Körper hinauf und betäubte wenigstens etwas seine schmerzenden Glieder. Erleichtert stellte er fest, dass er allein war. Er witterte nur einige versprengte Wildtiere in seiner Nähe, die aber keine Gefahr für ihn darstellten. Eine scharfe Spur Rauch traf seine Nase und eine wilde Mischung unterschiedlichster Geruchsnuancen folgte ihm. Eine Menschensiedlung, schloss er, als er die Witterung mit seinen Erinnerungen abglich. Sie schien aber etwas abseits zu liegen, da der Geruch schwächer war als der des Waldes. Die starke Anspannung fiel von ihm ab, denn er war fürs Erste sicher. Auf seiner Haut spürte er warme Sonnenstrahlen; es war also Tag. Er fühlte weiter durch seinen Körper und erschrak, als er eine tiefe Wunde erspürte, die sich quer über seine Brust zog. Wann wurde er verletzt? Konnte er sich deshalb an nichts erinnern, weil sein Widersacher ihn so schwer verwundet hatte? Merkwürdig, dabei war sein Kopf unverletzt.
 

Da er sich in Sicherheit wähnte, beschloss er einfach an Ort und Stelle liegen zu bleiben und abzuwarten, bis sich sein Körper erholt haben würde und der dumpfe Schmerz und die Benebelung aus seinem Kopf verschwunden wären. Das leise Rauschen des Winds in den Bäumen drang an sein Ohr, von weit weg erreichte ihn das Lied eines einsamen Vogels. Er genoss den Frieden der Natur und dämmerte in einen leichten Schlaf. Selbst ein Daiyoukai musste der tiefen Erschöpfung Tribut zollen.
 

Die Sonne war bereits untergegangen, als der Herr der Hunde die Augen aufschlug. Kurz sah er sich um, doch nichts hatte sich verändert. Er saß immer noch allein im Wald. Die Dunkelheit tat seinen überreizten Augen gut und die klare Nachtluft vertrieb den Rest der diffusen Umnachtung aus seinem Kopf. Schwerfällig und müde setzte er sich auf, um sich besser umblicken zu können. Die vielen Schneekristalle funkelten im spärlichen Licht der Sterne und schenkten der Umgebung ein kaltes Licht. Trotz dieser Reflexionen war die Nacht tiefdunkel, kein Mond stand am Himmel und spendete sein silbernes Licht. Prüfend sah der Dämon in die Nacht. Eine Mondfinsternis? Etwas in seinen Gedanken alarmierte ihn, wollte ihn an lang zurückliegende Ereignisse erinnern, doch kaum versuchte er den Gedanken zu greifen, löste er sich in Nebel auf. Sein Kopf war wohl noch immer lädiert, dachte er zerknirscht, obwohl sein Körper wieder einigermaßen dienstbereit war. Nur die große Wunde auf seiner Brust hatte sich noch immer nicht geschlossen. Warum nur konnte er sich an den Kampf nicht erinnern?
 

Trotz allem musste er wachsam sein. Eine Mondfinsternis war immer Vorbote bedeutender Ereignisse, in dieser klaren Winternacht würde das Schicksal sich offenbaren und erbarmungslos zuschlagen. Suchend glitt seine Hand an seine Hüfte und erleichtert stellte er fest, dass Tenseiga noch immer bei ihm war. Wenigstens war er bewaffnet und konnte sich seiner Haut erwehren, was auch immer ihm bevorstand. Mühsam stand er nun vollständig auf und klopfte sich den Schnee von seinem Fell. Es war sinnlos weiter im Nirgendwo zu sitzen und darüber nachzudenken, was alles sein könnte. Er musste zuerst herausfinden, wo er war, dann konnte er sich immer noch Gedanken machen. Der dunkle Wald sah nach allen Seiten hin gleich wenig einladend aus, deshalb beschloss er der Brise Rauch im Wind zu folgen. Vielleicht würde die Menschensiedlung ihm einen Hinweis auf seinen Verbleib geben, außerdem war er schon immer gut damit beraten gewesen im Zweifelsfall einfach seiner Nase zu folgen. Langsam stapfte er durch den Schnee und verschwand zwischen den kahlen Bäumen. Nur eine Spur im Schnee und ein Abdruck auf dem Boden verrieten noch, dass diese Lichtung bis vor wenigen Augenblicken nicht ganz so einsam gewesen war.
 


 

Inu no Taishou wanderte fast die halbe Nacht durch den finsteren Wald, bis ihn die Fährte zu seinem Ziel geführt hatte. Auf einer Anhöhe angelangt, eröffnete sich ihm der Blick über ein bewohntes Tal. Zentrum der Siedlung war ein befestigtes Schloss, um das sich viele Soldaten in Stellung gebracht hatten. Sie schienen einen Angriff zu erwarten, immer wieder patrouillierten die Wachen an den Mauern entlang und spähten angespannt in die Nacht. Dieser Ort kam ihm so unendlich vertraut vor, er war sich sicher schon einmal hier gewesen zu sein. Doch wieder löste sich die Erinnerung in Nebel auf, bevor sie sein Bewusstsein erreichen konnte. Er beobachtete weiter alles genau, immer mit der Hoffnung einen Hinweis entdecken zu können, der ihm half aus der vagen Ahnung eine konkrete Erinnerung machen zu können.
 

Plötzlich trug der Wind einen Schrei zu seinem Ohr. Eine Frau; war das ein Todesschrei? Noch bevor er überlegen konnte, wer die Unbekannte sein könnte, erreichte ihn eine weitere Böe des kalten Nachtwindes. Sie schickte ihm den Hauch eines Duftes, den er nie in seinem Leben vergessen würde. Kirschblüte und Jasmin. Die einzigartige Mischung von Anmut, Güte und Vergänglichkeit. Izayoi! Es gab nur ein Wesen auf der ganzen Welt, dem dieser Geruch anhaftete. Die blumige Süße vertrieb den Nebel aus seinem Kopf, endlich konnte er wieder klar sehen, endlich waren seine Erinnerungen nicht mehr vor ihm verborgen.
 

Er kannte diesen Ort, er war schon einmal hier gewesen. Das Schloss vor ihm war der Ort, an dem er einst gestorben war. Izayoi war darin, schenkte gerade seinem Sohn das Leben und vor einem Augenblick fiel sie der Eifersucht und dem blinden Hass ihres Leibwächters zum Opfer. Wie war er nur hierhergekommen? Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war, wie ihn Narakus Schergen langsam überwältigt hatten und ein kalter Nebel seine Sinne raubte. Hatte der größenwahnsinnige Hanyou ihn durch die Zeiten geschickt oder war er nur gefangen in einer Erinnerung? Doch es blieb ihm keine Zeit den Überlegungen mehr Aufmerksamkeit zu widmen, denn er wusste, dass seine Gefährtin ihn jetzt in diesem Moment brauchte. Falle hin, Falle her, er würde sie und ihr Kind nicht im Stich lassen! Die Wachen vor den Mauern, sie waren seinetwegen aufgestellt worden. General Takemaru wartete auf ihn, um sich an ihm für seine enttäuschte Liebe zu rächen.
 

Inu no Taishou wusste, was zu tun war. Mit gezogenem Schwert stürmte er den Hang hinab, direkt auf das schwer befestigte Tor zu. Er würde sie vor dem Tod und den Flammen retten, die bald beginnen würden hungrig nach dem Schloss zu lechzten. Die Menschen würden bitter für das büßen, was sie seiner Gefährtin und seinem Kind antaten! Tenseiga war zwar eine stumpfe Klinge, die kein lebendes Fleisch durchschnitt, aber mit genug Zorn und Wucht geführt, konnte man sie trotzdem tief in den Leib eines unglückseligen Menschen bohren, der dem Herrn der Hunde den Zutritt zum Anwesen versperrte. Es war mühsam mit Tenseiga zu kämpfen, an diesem Ort war ihm das Schwert keine große Hilfe, daher steckte er es wieder in die Scheide an seinem Gürtel. Für dieses Pack waren seine Klauen mehr als ausreichend, Schläge konnte er mit den Unterarmen abwehren, die von schweren Armschienen geschützt wurden. Schnell hatte er eine Schneise der Verwüstung durch die Formation seiner Widersacher geschlagen, ihr Blut tropfte von seinen Händen. Die Menschen bekamen es wie so oft mit der Angst zu tun, in kopfloser Panik flohen sie hinter die schützende Mauer des Anwesens und verbarrikadierten das Tor.
 

Sein Ohr vernahm ein Zischen neben seinem Kopf, dann spürte er einen dumpfen Schlag auf seiner Schulter. Bogenschützen; Sie versuchten ihn aus sicherer Entfernung mit einem Pfeilhagel aufzuhalten. Sollten sie es nur probieren, es war aussichtslos. Die Rüstung um seine Schultern war undurchdringlich für solch schwache Geschosse. Sehnsüchtig erinnerte er sich an den Verlauf der Ereignisse. Damals hatte er nicht nur Tenseiga bei sich, sondern auch Tessaiga und Sou'unga. Er vermisste gerade schmerzlich das Kaze no Kizu, es würde mühselig werden das Tor zu sprengen ohne die wilde Kraft der Windnarbe. Sei es drum, es gab nichts, das ihn aufhalten können würde auf dem Weg zu seiner Liebsten. Er stürmte auf das hölzerne Bollwerk zu und ignorierte weiter die verzweifelten Versuche der Soldaten ihn aufzuhalten. Kurz hielt er einen Moment inne, als er vor der Pforte stand und sammelte seine Kraft in seiner Faust. Er spürte, wie das Youki durch seinen Körper floss und sich in seinem rechten Arm sammelte. Mit einem gewaltigen Schlag brachte er das Tor zum Bersten, das Holz splitterte unter seiner dämonischen Kraft und die Flügel wurden aus den Angeln gerissen.
 

Das Hindernis war aus dem Weg geräumt, doch im Hof versammelten sich schon wieder die Krieger, um ihr Heim in grimmiger Verzweiflung gegen das Ungeheuer zu verteidigen. Hinter ihnen, am Ende des Hofes, entdeckte Inu no Taishou unter dem Vordach stehend den Anführer; seinen unbarmherzigsten Gegner, der ihn aus vollstem Herzen hasste. Takemaru, der Mörder Izayois. Seine Erscheinung wich ab von der Erinnerung, bemerkte der große Hundedämon. Ein böses Leuchten in den Augen des Generals verriet, dass dies nicht der Mann war, gegen den er vor langer Zeit gekämpft hatte. Er war offensichtlich nicht in der Zeit zurückgeschickt worden, schlussfolgerte er. Das war eine von Naraku manipulierte Erinnerung, in der er gefangen gehalten wurde. Offenbar machte der sich selbst gekrönte neue Fürst der Unterwelt einen Spaß daraus ihn nochmal seine dunkelste Stunde erleben zu lassen. Sou'unga steckte wahrscheinlich hinter dieser Idee, immerhin war das verwunschene Schwert damals dabei gewesen, als er in den brennenden Trümmern seinen letzten Kampf bestritt. Sei es drum, er würde kämpfen! Takemaru stand wohl unter der Kontrolle des bösartigen Halbbluts und sollte sicherstellen, dass die Seele des Daiyoukai im ewigen Nichts verschwand.
 

Der Kampf war nicht ohne Risiko, das war Ini no Taisho wohl bewusst. Er war bereits tot und er wusste, dass seine Seele für immer verloren gehen würde, sollte er besiegt werden. So erging es jedem Toten, der auch nach seinem Ableben im Kampf fiel. Offenbar wollten Naraku und Sou'unga sichergehen, dass er seinem Sohn nicht helfen können würde im Kampf um Kagomes Seele. Diese Gewissheit reichte den beiden aber nicht, sie wollten sich einen makaberen Spaß daraus machen und ihn bereits jetzt leiden lassen, sie wollten ihn gebrochen am Boden sehen. Sou'unga war schon immer rachsüchtig gewesen und es schien ihn dafür büßen lassen zu wollen, dass er sich damals gegen den Machthunger des Schwerts gestellt hatte. Grimmig lächelnd nahm er den Kampf gegen die Menschen auf. Wenn der Verlust seiner Existenz helfen konnte, dass Izayoi und seine Söhne in Sicherheit sein würden, dann war er gerne bereit diesen Preis zu zahlen. Er würde sich aber teuer verkaufen und so viele von ihnen mit sich nehmen wie nur irgend möglich.
 


 

Seine Klauen waren bereits von einer dicken Blutkruste bedeckt, als der letzte menschliche Beschützer des Schlosses sein Leben aushauchte. So viele hatte er damit zerfetzt, der Boden hatte sich mit dem Blut vollgesogen und bildete an einigen Stellen blutige Lachen. Sie konnten ihm nicht gefährlich werden, auch wenn sie so zahlreich gewesen waren. Er hatte sie alle aufgerieben. Angewidert griff er nach dem Umhang eines der Gefallenen und wischte sich das Blut von den Händen. Wie er den Gestank von Blut hasste! Der stechende, metallische Geruch würde ihn noch lange nach dem Kampf verfolgen, egal wie gründlich er sich reinigte. Als er fertig war, warf er achtlos den besudelten Stoff von sich und nahm seinen wahren Gegner in Augenschein.
 

Setsuna no Takemaru, besser gesagt seine von Naraku besessene Erscheinung, stand immer noch ungerührt auf dem hölzernen Steg unter dem Vordach des Palastes. Es hatte ihn nicht im Mindesten gerührt, dass alle seine Männer brutal abgeschlachtet wurden, er hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt oder Anstalten gemacht ihnen zu helfen. Ruhig stand er da und beobachtete das Geschehen. Jetzt, da die beiden durch das Schicksal ewig verbundenen Widersacher allein waren, zog er sein Schwert. „Mich wirst du nicht so einfach kriegen, Bestie!“, spie er dem Daiyoukai entgegen. „Du wirst dich nicht an meinem Blut laben!“
 

Inu no Taishou schwieg. Es hatte keinen Sinn seinen Atem an diese Kreatur zu verschwenden. Stattdessen zog er wieder Tenseiga und fixierte seinen Gegenspieler mit seinem Blick. Würde sein Schwert Wirkung zeigen? Immerhin war Takemaru eigentlich auch schon tot und wurde von dem Geist des toten Spinnendämons beherrscht. Er wusste es nicht, es blieb ihm nur die Hoffnung und der Glaube an seine Waffe. Ohne würde das ein aussichtsloser Kampf werden, das spürte er. Durch Narakus Kontrolle hatte Takemaru die Grenzen seines menschlichen Körpers gesprengt und verströmte eine starke und böse Energie.
 

Mit irrem Geschrei stürmte der Samurai auf ihn zu, sein Schwert mit beiden Händen fest umschlossen. Sofort erinnerte sich Inu no Taisho, er kannte diesen Angriff! Genau so hatte ihn in der Nacht seines Todes der General schon attackiert, nur ohne die finstere Energie, die ihm mehr Kraft verlieh. Er würde versuchen ihn am Hals zu treffen, er wollte dem Herrn der Hunde den Kopf von den Schultern schlagen. Leise Zuversicht stahl sich in das Herz des Daiyoukai, er war leicht im Vorteil durch diese Kenntnis. Auch er rannte mit erhobener Klinge in den Kampf und wie schon früher war die Deckung des Samurais an seiner linken Schulter offen. Mit einer schnellen Drehung wich er dem Schwert aus, das nach seinem Hals schlug und nahm den Schwung mit, um Tenseiga aus der Drehung heraus auf die Achsel Takemarus hinab fallen zu lassen. Krachend schlug die Klinge auf dem Harnisch auf, der unter der Wucht des Schlages zersplitterte. Doch Inu no Taishou spürte, dass nichts seinen Schlag bremste, Tenseigas Schneide glitt durch das Fleisch seines Widersachers und trennte den Arm vom Körper ab. Der Aufprall der Gliedmaße auf dem verschneiten Boden durchbrach die Stille.
 

Der Hundedämon hatte aber keine Zeit sich Gedanken um seinen Sieg zu machen oder ihn gar zu genießen. Hektisch eilte er an Takemaru vorbei in das Innere des Anwesens, immer der Fährte Izayois hinterher. Das große Haus war menschenleer und verlassen, daher gab es nichts, was ihn nochmals aufhalten konnte. Endlich erreichte er den Seitenflügel, in dem seine Gefährtin lebte und trat in den dunklen Raum ein. Seine Augen entdeckten sofort den vertrauten Baldachin, der um ihr Lager herum aufgespannt war; auch der darin steckende Speer war ihm nur allzu gut bekannt. Aber etwas war anders als in jener Nacht, das Haus brannte nicht. Nirgendwo konnte seine feine Nase auch nur eine Spur Rauch finden, es schien nicht einmal ein Herdfeuer zu geben. Hatte Sou'unga dieses nicht unwesentliche Detail in seiner Traumwelt etwa vergessen? Er konnte es sich nicht vorstellen. All seine Sinne waren nun alarmiert und wachsam, als er sich dem mit edlem Stoff abgetrennten Bett seiner Liebsten näherte.
 

Kaum schob er den Vorhang zur Seite, zeigte sich ihm ein schreckliches Bild. Der regungslose Körper seiner Gefährtin lag blutüberströmt in den weichen Seidenkissen, schützend um ein Bündel in ihren Armen gekrümmt. Eine große, klaffende Wunde in ihrer Brust verströmte den kalten Hauch des Todes, ihre Augen waren glasig und leer. Inu no Taishou runzelte nachdenklich die Stirn. Warum hörte er seinen Sohn nicht weinen, warum konnte er nicht die Aura des kleinen Hanyou spüren? Doch die Sorge und Angst, die er um Izayoi hatte, vernebelte seinen sonst so scharfen Verstand, er schob dessen Warnungen beiseite. Mit zitternden Händen zog er wieder Tenseiga aus dem Gürtel, flehentlich sah er das Schwert an. „Tenseiga… bitte“, flüsterte er und konzentrierte sich dann auf den toten Körper vor ihm.
 

Wo waren die Knechte der Unterwelt? Warum konnte er sie nicht sehen? Prüfend umfasste er Tenseigas Griff fester, er spürte die vertraute Kraft seiner Waffe. Daran lag es nicht, das Schwert versagte ihm nicht seine Dienste. Warum nur konnte er seine Geliebte dann nicht dem Tod entreißen? Verzweiflung kroch in sein Herz, war er etwa zu spät gekommen? Der große Inuyoukai sank neben dem toten Körper auf die Knie, alle Kraft schien ihn in diesem Moment zu verlassen. Vorsichtig berührte er die Wange der jungen Frau, doch er zuckte zurück, als er die Kälte fühlte. Sie war doch tot, warum konnte er sie dann nicht mit dem heilenden Schwert retten? Er überwand sich und streckte seine Hand erneut nach ihrem Gesicht aus, diesmal vorbereitet auf die kühle Haut und strich zärtlich über ihre Wangen. „Izayoi, wo bist du?“, wisperte er in kaum versteckter Trauer. Doch sie antwortete ihm nicht, sie würde ihm nie wieder antworten. Von seiner hilflosen Ohnmacht und dem Schmerz übermannt, sackte der Daiyoukai in sich zusammen.
 


 

„Dachtest du im Ernst, dass es so einfach sein würde?“ Verächtlich grinsend trat Setsuna no Takemaru in das Gemach der Fürstentochter. Die Spuren des eben stattgefundenen Kampfs waren verschwunden, sein Arm hatte nicht einmal eine kleine Wunde, obwohl Tenseiga ihn doch eben durchschnitten hatte. Lässig hielt der Leibwächter Izayois sein Schwert in den Händen und ergötzte sich am Leid des Daiyoukai. „Na, enttäuscht? Hattest du gehofft, dass du mit der kleinen Schlampe und deinem Bastard ein idyllisches Familienleben in dieser Welt haben kannst?“ Seine vor Häme sprühenden Augen konnten sich einfach nicht sattsehen an dem gebrochenen Dämon.
 

Oh, er würde ihn bezahlen lassen für diese Worte, schwor sich Inu no Taishou grimmig. Niemand verhöhnte ihn oder die seinen ungestraft und diesem Menschen würde er nun die Leviten lesen. Langsam erhob er sich und nahm wieder sein Schwert an sich. Ohne eine Vorwarnung stürzte er sich auf den General und hieb das Schwert in seine Brust. Tenseiga aber prallte an ihm ab, die Klinge machte nicht einmal einen Kratzer in den Brustharnisch, der Schlag blieb wirkungslos. Wie konnte das sein? Eben noch durchtrennte sie seinen Arm! Wieder schlug er auf ihn ein und traf ihn an der Schulter, aber auch dort vermochte Tenseiga keinen Schaden zu hinterlassen. Entsetzt starrte Inu no Taishou auf den nun hämisch lachenden Krieger.
 

„Hast du es noch immer nicht begriffen? Dachtest du, dass du mir mit deinem ach so prächtigem Schwert den Rest geben kannst?“, ertönte wieder das wahnsinnige Lachen. „Du hast hier keine Macht, Dämon. Du tust das, was ich dir gestatte zu tun, du siehst das, was ich dir erlaube zu sehen.“ Bei diesen Worten schritt Takemaru langsam auf den immer noch überraschten Daiyoukai zu. Kaum war er in Reichweite, holte er zu einem gewaltigen Schlag aus, den der Inuyoukai nur schlecht parieren konnte. Das Schwert glitt an Tenseiga herunter und der Samurai nutzte sofort die Lücke in der Deckung. Das Schwert stach tief in die Flanke.
 

Woher hatte dieser Mensch diese immense Kraft? Die Energie in dem Schlag, kein Mensch konnte so eine Wucht in einen Hieb legen. Wer war dieser Kerl und wo verdammt war er hier gelandet? Das war weder Realität noch eine Erinnerung. Er kam nicht dazu weiter seine Lage zu analysieren, denn die nächsten Schläge prasselten bereits wieder auf ihn ein. Tenseiga war kein Schwert für einen solchen Kampf, vor allem nicht gegen solch einen Gegner. Mühsam wehrte er die Schläge ab, die in immer schnellerer Folge kamen. Die Geschwindigkeit war ebenfalls übermenschlich, bemerkte er. Er konnte nicht verhindern, dass einige Schläge trafen, tiefe Wunden übersäten seinen Körper und raubten ihm Kraft und Konzentration. Verdammt, er musste aufpassen, sonst würde er für alle Zeiten im ewigen Nichts verschwinden!
 

Vorsichtig, ohne seinen Gegner länger als einen Augenblick aus den Augen zu lassen, sah er sich in dem Raum um und suchte nach einem Hinweis auf das, was sich hier gerade abspielte. Doch er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Wenn sein Blick blind war, vielleicht konnten ihm seine anderen Sinne etwas verraten. Tief sog er die Luft in seine Lungen, erforschte genau den Geruch des Ortes, aber der metallische Gestank von Blut überdeckte alles. War das Absicht von Takemaru – oder besser gesagt von Naraku und Sou'unga, die diese Gestalt nur angenommen hatten, um schmerzvolle Erinnerungen in ihm zu wecken. Inu no Taishou konzentrierte seine Sinne auf die Aura der Gestalt ihm gegenüber. Jetzt, da Takemaru sich keine Mühe mehr gab es zu verbergen, konnte er deutlich die finstere Präsenz in ihm spüren.
 

„Du siehst so ratlos aus. Hast du es nun verstanden, dass das dein Ende sein wird?“, stichelte der Samurai weiter. Der Daiyoukai zog es vor zu schweigen, was brachte ein Wortgefecht mit diesem Irren auch? Plötzlich alarmierte ihn sein Instinkt, er spürte eine dunkle Aura in seinem Rücken anschwellen. Bereit sich zu verteidigen wirbelte er herum, doch da war nichts. Nur Izayoi lag dort tot am Boden mit seinem Sohn im Arm. Doch sein Instinkt gab keine Entwarnung, deutlich spürte er die Energie, die immer weiter wuchs. Seine Sinne folgten der Spur der Aura bis zu ihrem Ursprung. Izayoi? Entsetzt sah er den toten Körper an. Sie war doch tot, wie konnte sie da Energie ausstrahlen? Aber er vertraute seinen Instinkten, auch wenn sie ihn vor seiner Gefährtin warnten. So oft schon hatten sie ihn vor Schlimmem bewahrt.
 

Der Youkai lief mit zur Abwehr bereitem Schwert einen Bogen durch den Raum, immer zu seinem Gegner gewandt. Er musste herausfinden, warum seine Liebste diese unendlich böse Energie ausstrahlte, doch er durfte dabei nicht unvorsichtig sein und Takemaru den Rücken zuwenden. Schließlich hatte er es geschafft und stand nun neben dem Lager, auf dem die Tote noch immer regungslos lag. Hektisch suchten seine Augen ihren Körper auf einen Hinweis ab, eine Spur, die ihm erklären konnte, was hier eigentlich gerade vor sich ging. Immer wieder ging sein Blick dabei wieder zurück zu seinem Gegner, der aber keine Anstalten machte ihn angreifen zu wollen. Er schien belustigt zu beobachten, wie der Inuyoukai versuchte das Rätsel zu lösen.
 

Beiläufig glitt Inu no Taishous wachsamer Blick über Izayois Hals. Er stutzte. Da fehlte doch etwas! Er sah genauer hin, drehte leicht den Kopf um einen Blick in den Kragen des Kimonos werfen zu können, aber auch dort war nichts zu sehen. Sein Mal fehlte! Er hatte Izayoi als die seine markiert, als er sie zu seiner Gefährtin gemacht hatte, aber die rote Blume mit den runden Blüten, das alte Wappen des Westens, fehlte an ihrer Halsbeuge. Das war gar nicht Izayoi, die da vor ihm lag, das war eine Illusion! Jetzt ergaben auch die ganzen andere Ungereimtheiten Sinn. Warum er sie nicht wieder ins Leben holen konnte, warum sein Sohn tot war und der Ort völlig verlassen war. Auch warum er sich zu Anfang an nichts erinnern konnte und seine Gedanken wie durch einen Dunst vor ihm verborgen blieben. Takemaru hatte sich wohl den Arm nur scheinbar abschlagen lassen, um ihn in Sicherheit zu wiegen. All das um ihn herum war eine Trugwelt, erschaffen von Naraku und Sou'unga, um ihn dort genüsslich zu Grunde gehen zu lassen. Der Nebel musste ihn wohl hierher verschlagen haben.
 

Die neue Erkenntnis gab ihm Kraft. Jede Illusion hatte einen Mittelpunkt, ein Zentrum, von dem aus sie aufrecht erhalten wurde. Wenn er es schaffte das zu finden und zu zerstören, konnte er sich befreien. Takemaru war wohl kaum so leichtsinnig sich selbst als Pfeiler des Zaubers zu wählen, zu groß war das Risiko, dass das Trugbild im Kampf zerstört wurde. Wieder alarmierte ihn sein Instinkt, die dunkle Energie im Körper der falschen Izayoi schwoll erneut an. Plötzlich traf ihn hart ein Gedanke und raubte ihm fast die Luft zum Atmen. Sie war es. Seine vermeintlich tote Gefährtin, sie war das Zentrum der ganzen Scharade!
 

Bekümmert sah er zu dem toten Körper zu seinen Füßen. Welch grausames Versteck, wie niederträchtig war dieser Naraku, dass er den Schlüssel zur Rettung in dem versteckte, was ihm am kostbarsten war? Die einzige Möglichkeit dieses Gefängnis zu verlassen bestand darin mit seinem Schwert die Illusion seiner Gefährtin zu durchstoßen. Gequält schloss er die Augen. Nein, das konnte er nicht, er konnte doch nicht Tenseiga in Izayois Herz rammen! Niemals würde er seiner Geliebten auch nur ein Haar krümmen können.
 

„Von der Liebe zu einer Menschenfrau besiegt… Ein schöner Dämon bist du mir“, ätzte Takemaru, als er bemerkte, dass sein Spiel aufgeflogen war. Doch er machte sich keine Sorgen, der Daiyoukai war geschlagen. Sorgsam hatte er diese Erinnerung als Falle gewählt, weil er genau wusste, dass der Herr der Hunde nur eine einzige Schwäche besaß: Die Liebe zu seiner sterblichen Gefährtin. Niemals würde er es schaffen seine Gefühle für sie niederzuringen und ihr etwas antun. Sie hatten gewonnen und gleich würde der Geist des großen Hundedämons für immer verschwinden.
 

Die vor Hohn und Verachtung triefende Stimme Takemarus riss Inu no Taisho wieder aus seinem Kummer und brachte ihn zurück in das Hier und Jetzt. Das war nicht Izayoi! Die Echte wartete in der Unterwelt bei Kagomes Körper auf seine Rückkehr. Nach über zweihundert Jahren hatten sie sich endlich im Jenseits wiedergefunden, er hatte sie wieder in seine Arme schließen können. Er schloss die Augen, erinnerte sich an die Wärme ihrer Liebkosung, den warmen Schein ihrer Augen und das gütige Lächeln. Diese Izayoi war real und sie vertraute darauf, dass er zu ihr zurückkehrte. Das vor ihm, das war ein kalter Haufen Fleisch, geformt und parfümiert wie sie. Trotzdem, da war etwas tief in seinem Herzen, dass ihn zögern ließ. Entschlossen schloss er die Augen und entzog sich dem süßen Gift der Illusion. Wieder und wieder rief er sich die Erinnerung an die echte Izayoi vor Augen. Wie sie schüchtern die Schnauze seiner wahren Gestalt gestreichelt hatte, vor Glück weinend, dass sie ihn endlich gefunden hatte.
 

„Verzeih mir, Liebste.“ Dann nahm er Tenseiga fest in beide Hände und rammte es in die Brust der toten Frau. „Wie…? Das ist unmöglich!“, schrie Takemaru entsetzt, als der wilde Strudel aus Licht ihn begann zu verschlingen. Das Gleißen blendete Inu no Taisho, raubte ihm wieder das Bewusstsein. Kurz, bevor er wieder wegdämmerte, spürte er einen harten Zug an seinem Körper, der ihn hinweg trug.
 


 

„Du hattest Unrecht, was den alten Hund betraf“, kommentierte Naraku belustigt das Zerplatzen der Illusion. Er stand auf einer Anhöhe, von der er die Weiten der Unterwelt gut überblicken konnte. „Ach, sei ruhig, elendes Halbblut“, knurrte Sou'unga. „Wir werden sehen, ob du bei dem Hanyou richtig lagst.“ „Oh, ich bin mir da sehr sicher. Es hat schon einmal geklappt“, antwortete Naraku und lachte vergnügt in sich hinein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Na, da hat sich aber jemand Mühe gegeben.
Ich freue mich immer noch über Kommis wie ein Schnitzel, also hopp, tut dem kleinen Knopf was Gutes! :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  KagomeKizu
2016-12-11T20:21:57+00:00 11.12.2016 21:21
Super Kapitel, echt toll das Inu no Taisho die Illusion durchschaut hat!
Naraku ist ein echtes Scheusal!!

Glg Kago
Von:  Helena1702
2015-02-11T22:20:36+00:00 11.02.2015 23:20
Schönes Kapitel - der "alte Hund" hat halt doch mehr drauf, da haben Naraku und Co. sich etwas verzockt. Vielen Dank, dass Du die Geschichte fortsetzt. Ich freue mich schon auf die weiteren Kapitel... War aber auch ganz froh, dass Du die Geschichte um das Teehaus beendet hast. Da habe ich immer ungeduldig auf das nächste Kapitel gewartet - wie jetzt wohl auch bei dieser Geschichte... Freue mich über die neuen Inspirationen!!!
Antwort von:  Seelenfinsternis
08.05.2016 20:10
Öhm... Ungeduld..... da war was. ^^° Aber hey, es geht weiter, hab gerade hochgeladen, muss nur noch freigeschaltet werden.
Vielleicht verzocken sich noch mehr im Verlauf der Geschichte ;)
Von:  AyumiOne
2015-01-27T00:25:15+00:00 27.01.2015 01:25
Echt toll
Da hab ich die Ganze zeit auf eine Fortsetzung gewartet, und dann hab ich sie schlicht weg verpennt und gerade erst gefunden *mich in die Ecke Stell und Heul*
freu mich schon wenn es weiter geht
lg Ayumi

Antwort von:  Seelenfinsternis
08.05.2016 20:07
Hat ein bisschen gedauert, aber es geht weiter :)
Von:  cindy-18
2015-01-07T17:58:35+00:00 07.01.2015 18:58
tolles kapitel ich freu mich das du weitergeschrieben hast :D
Antwort von:  Seelenfinsternis
15.01.2015 19:16
was lange währt, wird endlich gut ;)
Von:  Sayuri88
2015-01-07T10:34:05+00:00 07.01.2015 11:34
Tolles kapi gg richtig spannend und alles. Ich Freu mich schon auf die nächsten kapis gg
Antwort von:  Seelenfinsternis
15.01.2015 19:16
Ich mich auch ^^


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