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Fast wie ein Date

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Fast wie ein Date

16:12 Uhr. Prüfend tippte Momoi mit dem Finger auf ihre Armbanduhr und beobachtete, wie der Sekundenzeiger im Schneckentempo über das Ziffernblatt kroch. Sie musste kaputt sein. Anders war nicht zu erklären, weshalb seit dem letzten Nachschauen erst drei Minuten vergangen waren, obwohl es ihr wie eine Ewigkeit vorkam. Sie hätte sich Musik oder ein Buch mitnehmen oder einfach etwas später losgehen sollen, statt eine halbe Stunde zu früh am Treffpunkt zu sein. Immerhin kannte sie Aomine nun schon seit ihrer Kindheit – da hätte sie es eigentlich besser wissen müssen.
 

Der nächste Bus fuhr in die Haltestelle ein und Momois Herz vollführte einen kleinen Trommelwirbel. Gespannt stellte sie sich auf Zehenspitzen und reckte den Hals über die wartende Menschenmenge hinweg, die sich rücksichtslos zur Bordsteinkante drängelte und den Fahrgästen kaum Platz zum Aussteigen ließ. Jemand rempelte sie von hinten an ohne sich zu entschuldigen und als Momoi sich wieder gefangen hatte, war der Bus bereits abgefahren, das Wartehäuschen leer und Aomine noch immer nicht in Sicht.
 

Hin und her gerissen zwischen Erleichterung und Enttäuschung spürte sie, wie ihr Puls sich langsam wieder normalisierte, doch sie hörte trotzdem nicht auf, in alle Richtungen Ausschau zu halten. Hatte Aomine ihre Verabredung womöglich vergessen oder war schlichtweg irgendwo eingeschlafen? Vielleicht sollte sie ihn anrufen und nachfragen, wo er blieb? Aber war das nicht ein wenig übertrieben? Immerhin war die vereinbarte Zeit erst um eine Viertelstunde überschritten und sie wollte nicht hysterisch wirken.
 

Ein eisiger Windstoß erfasste Momois langen Haare, peitschte ihr ins Gesicht und jagte kalte Schauer durch ihren ganzen Körper. Bibbernd stellte sie sich den Kragen auf und blies warmen Atem in ihre Hände. Mit diesem Wetterumschwung hatte sie nicht gerechnet – war es bisher doch ein recht milder Winter gewesen – sonst hätte sie garantiert ein Paar Handschuhe eingepackt. Wut gesellte sich zu der schon jetzt höchst impulsiven Mischung aus Gefühlen und Momoi zerrte so stark an dem Reißverschluss ihrer Handtasche, dass ihr der Schieber abriss. Sie biss sich auf die Lippen, um einen spitzen Schrei zu unterdrücken und kramte mit verfrorenen Fingern nach ihrem Handy.
 

Keine Nachricht. Kein entgangener Anruf. Verdammter Aomine! Dabei hatte Momoi sich so sehr gefreut, als er sie gestern nach dem Turnier gefragt hatte, ob sie ihn zum Shoppen begleiten würde. Für einen Moment hatte sie sogar geglaubt, er sei durch seine erste Niederlage im Basketball wieder ganz der Alte geworden, der er zuletzt in der Mittelschule gewesen war – jemand, der sich nicht für unbesiegbar hielt, der sich anstrengen und trainieren wollte, um zu gewinnen und dem das Spielen wieder Freude bereitete. Ja, sie hatte sogar gehofft, er würde wieder mehr Zeit mit ihr verbringen wollen. Doch scheinbar änderten Menschen sich unwiderruflich…
 

Traurig wandte sie sich um und wäre um ein Haar in ihn hineingestolpert. Dort stand Aomine und ragte – großgewachsen wie er war – aus dem Meer von Passanten heraus. Er trug seine dunkelblaue Daunenjacke, hatte einen schwarzen Schal um den Hals geschlungen und die Hände in den Hosentaschen vergraben. Seine Miene zeigte keinerlei Reue, was nur bedeuten konnte, dass er sich der Schuld seiner Verspätung mal wieder nicht bewusst war. Empört stieß Momoi ihm vor die Brust.
 

„Dai-chan“, maulte sie gekünstelt. „Lässt man eine Frau etwa so lange warten? Nächstes Mal kannst du mir wenigstens schreiben, wenn du‘s nicht rechtzeitig schaffst!“

Aomine zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Hab den Bus verpasst und bin hergelaufen. Jetzt bin ich ja hier, also kein Grund sich aufzuregen“, entgegnete er und klang dabei fast so, als solle sie lieber froh sein, dass er überhaupt noch aufgetaucht war. Momoi fand, eine Entschuldigung wäre angebrachter gewesen, doch sie war zu glücklich ihn zu sehen, als dass sie ihm lange hätte böse sein können.
 

„Zur Entschädigung musst du mir was Schönes kaufen“, grinste sie verschmitzt und schob ihn voraus in die laute, überfüllte Einkaufspassage, in der sich kleine Lädchen und riesige Warenhäuser dicht an dicht nebeneinanderreihten.

„Aber ich geb dir doch schon ein Essen aus“, begann Aomine einen halbherzigen Protest, welcher von Momoi in aller Dreistigkeit überhört wurde. Stattdessen blieb sie vor dem Schaufenster einer neueröffneten Modeboutique stehen und konnte die Augen kaum von der üppigen Auswahl an Kleidern lassen.
 

„Sieh dir nur diese hübschen Sachen an“, sagte sie verträumt und beobachtete in der Spiegelung des Glases, wie Aomine sich weniger enthusiastisch zu ihr gesellte. Tatsächlich zeigte sein Blick deutliches Desinteresse, hatte er doch eigentlich bloß vorgehabt, neue Basketballschuhe zu kaufen und nicht jeden Laden dieser langen Gasse einzeln abzuklappern. Unauffällig musterte Momoi seine kühlen, blauen Augen und die vom Wind zerzausten Haare, während sie weiterhin so tat, als betrachte sie die Auslagen in der Vitrine. Wie groß und muskulös er neben ihrer eigenen zarten Statur wirkte. Wie breit und kräftig diese Hände waren, die sie nur zu gerne einmal gehalten hätte. Wie sehr sie sich nach seinem Duft, seiner Nähe sehnte…
 

Erschrocken über die Heftigkeit ihrer Gefühle wandte Momoi sich ab und versuchte die wirren Gedanken in ihrem Kopf auf einen anderen Pfad zu lenken. Sie durfte nicht riskieren, dass ihre wiedergewonnene Freundschaft zu Aomine durch hoffnungslose Fantasien zerstört wurde. Denn bisher hatte es seinerseits weder ein Wort, noch eine Geste und auch nicht die kleinste Anspielung darauf gegeben, dass es ihm genauso ging wie ihr. Wenn man in Zusammenhang mit Aomine von so etwas wie Liebe und Leidenschaft überhaupt sprechen konnte, dann war das Thema wohl immer und ausschließlich nur Basketball. Was würde er wohl denken, wenn herauskäme, was Momoi für ihn empfand?
 

Sie wollte es nicht wissen. Sie wollte nicht, dass er den wahren Grund erfuhr, weshalb sie sich für die Touou-Oberschule entschieden hatte. Sie wollte nicht, dass er ihr Theaterspiel in Bezug auf Kuroko durchschaute, welchem sie nur noch nachstellte, weil es einfacher war, eine alte Schwärmerei aufrecht zu erhalten, als sich neu erklären zu müssen. Natürlich – es hatte mal eine Zeit gegeben, in der sie sich wirklich zu Kuroko hingezogen gefühlt hatte. Doch waren dies eher alberne Flirtversuche gewesen und der Drang, sich vor den anderen Mädchen ihrer Klasse beweisen zu müssen, die auf einmal alle meinten, verliebt zu sein.
 

Diese Phase war längst vorbei. Momoi war älter und reifer geworden und im Gegensatz zu früher war das, was sie jetzt spürte, so viel echter und intensiver – und machte sie deshalb nur umso verletzlicher. Es lag auf der Hand, dass Aomine sie nicht halb so höflich abweisen würde wie Kuroko es getan hatte. Und während sie bei diesem immer wieder auf kindische Art und Weise versucht hatte, seine Zuneigung doch noch zu gewinnen, würde sie bei Aomine wahrscheinlich sehr bald kapitulieren. Nein, Momoi war sich ganz sicher: Es war besser, er würde niemals bemerken, dass das auf ihrer Seite mehr als nur Freundschaft war.
 

„Satsuki, bist du endlich fertig?“

Aomine wartete in einiger Entfernung vor einem Souvenirladen und sah sich ungeduldig nach seiner Begleitung um. Schnellen Schrittes schloss Momoi zu ihm auf und gemeinsam schlenderten sie die Einkaufsstraße weiter entlang – vorbei an Drogerien, Juwelieren und Supermärkten, bis der große Schuhhandel in Sicht kam, der ihr Ziel gewesen war. Leuchtende Werbebanner kündigten eine neue Kollektion an und vor den Regalen am Eingang drängte sich eine Menschentraube aus hauptsächlich weiblichen Kunden. Aomine schien Momois begieriger Blick sofort aufgefallen zu sein, denn er seufzte: „Ich geh schon mal vor in die Sportabteilung. Du kannst dann ja irgendwann nachkommen.“ Doch da hatte sie ihn bereits am Schal gepackt und hinter sich ins Geschäft hineingeschleift.
 

„Hier, halt das!“, befahl sie, drückte ihm ihre pinke Handtasche in die Hände, bevor er wusste wie ihm geschah, und wühlte diverse Kartonschachteln nach ihrer Schuhgröße durch. Da waren edle Wildlederstiefel, High Heels in Leopardenmuster, weiße Ballerinas mit silbernen Schnallen und schlichtschwarze Pumps – Momoi wusste gar nicht, so sie zuerst hinsehen sollte. Eifrig streifte sie sich ein Paar Schuhe nach dem anderen über die Füße und lief zur Probe vor dem Spiegel auf und ab.

„Sind die nicht süß?“, fragte sie begeistert, als sie zwei besonders kitschige Exemplare trug, die durch bunte Schleifchen und Rüschen eine gewisse Bonbonoptik vermittelten. „Für diese Jahreszeit vielleicht ein wenig zu kalt, aber sie passen wie angegossen.“
 

Aomine machte ein Gesicht, als könne er beim besten Willen nicht feststellen, was daran süß sein sollte. „Die sind grässlich“, sagte er frei heraus. „Nimm andere oder irgendwer wird noch erblinden.“

„Ach, du hast doch keine Ahnung“, grummelte Momoi zur Antwort, stopfte die Schuhe aber wehmütig zurück in ihren Karton und nahm sich stattdessen ein etwas unauffälligeres Paar.

„Was hältst du von denen?“

„Ja, ganz toll.“

„Im Ernst?“

„Kauf sie einfach!“
 

Unschlüssig wanderte Momoi durch die Regalreihen, nahm eine Schachtel in die Hände, stellte sie nach kurzem Zögern wieder an ihren Platz zurück und griff dann nach der nächsten, bis sie wieder bei den schwarzen Pumps angelangt war.

„Entschieden?“, fragte Aomine hoffnungsvoll.

„Nein, viel zu teuer“, klagte Momoi nach einem raschen Blick aufs Preisschild.

„Was? Und das fällt dir erst jetzt auf?“
 

Momoi musste nicht erst ihr Portemonnaie zücken, um zu wissen, dass die Schuhe ihr ganzes Taschengeld fordern würden und dabei hatte der laufende Monat gerade mal begonnen. Andererseits war sie schon daran gewöhnt, fast immer pleite zu sein und diese Pumps waren nun wirklich ein Traum! Hin und her gerissen zwischen Vernunft und Versuchung starrte sie regungslos ins Leere, als warte sie auf einen Wink des Schicksals, ihr beim Entschluss zu helfen – welcher Augenblicke später ausgerechnet in Gestalt von Aomine kam.
 

„Mit Frauen einkaufen ist immer anstrengend“, sagte er, packte die Schuhe samt Verpackung und gab der verdutzten Momoi ihre Handtasche zurück, „aber du bist echt die reinste Plage.“ Dann stapfte er in Richtung Kasse davon und reihte sich am Tresen mit der kürzesten Warteschlange ein.

„Moment, Dai-chan!“ Überstürzt lief Momoi ihm nach. „Was hast du vor?“

„Na, was wohl: Ich rette meine letzten Nerven.“

„Aber das musst du nicht tun! Wirklich nicht!“
 

Sie versuchte Aomine den Schuhkarton wieder abzunehmen, doch als wäre er ein Basketball, ließ er ihn hinter seinen Rücken gleiten, gab ihn in einer fließenden Bewegung an die andere Hand ab und hielt ihn schließlich empor, sodass Momoi ihn nicht mehr erreichen konnte.

„Gib wieder her! Ich will die Schuhe ja gar nicht haben“, log sie, streckte sich verzweifelt aus und hüpfte an Aomine hoch wie ein kleiner Hund.

„Schon gut“, entgegnete er schmunzelnd. „Ich kauf mir nur ganz selten was. Das geht schon klar. Versprich mir nur, dass wir meine Schuhe schneller aussuchen werden als deine!“

Resigniert ließ Momoi die Arme sinken. „Okay, ich versprech’s. Und… also… danke.“
 

Es war manchmal schier unmöglich zu sagen, was in Aomines Kopf vorging. Wollte er seine vorige Verspätung wiedergutmachen, ihr eine Freude bereiten oder tatsächlich schnell die Einkäufe erledigen? Was immer es war: Das Glücksgefühl schwoll in Momois Brust an wie ein gigantischer Ballon. Seit sie die Mittelstufe verlassen hatten, war diese Seite von ihm so selten zum Vorschein gekommen, dass sie fast in Vergessenheit geraten wäre. Doch der gutmütige Kern hatte, tief im Inneren verborgen, hinter der rauen Schale aus Ehrgeiz, Arroganz und Gleichgültigkeit weiterexistiert und für Momoi war dies das größere Geschenk als alle Schuhe der Welt zusammen.
 

Die anschließende Suche nach den richtigen Basketballschuhen nahm kaum fünf Minuten in Anspruch und obwohl Momoi ihm gerne noch mindestens ein Duzend Paare gezeigt hätte, ließ Aomine sich von seiner ersten Wahl nicht wieder abbringen. Als die beiden wenig später mit vollgepackten Tüten das Geschäft verließen, waren die Laternen der Einkaufspassage längst eingeschaltet und vermischten sich mit den grellen Lichtern unzähliger Schaufenster. Kalter Wind ließ bedrohlich graue Wolken über den frühen Nachthimmel ziehen und trieb die verbliebenen Passanten zur Eile an. Momoi wiederstand dem Impuls, sich bei Aomine unterzuhaken, wie es ein vorbeikommendes Pärchen tat und ging stattdessen so nah wie möglich neben ihm her.
 

„Hey, Aomine! Momoi!“

Imayoshi Shouichi hob zum Gruß die Hand, löste sich aus einer Gruppe Jungen, die vor einem Imbiss stand, und wandte sich seinen Teamkameraden zu.

„Habt ihr euch von gestern erholt?“, fragte er und Momoi fand, dass er sich mit diesem Thema auf ziemlich dünnes Eis begab. Sie selbst hatte den ganzen Tag über gemieden, die Niederlage vom Winter-Cup vor Aomine zu erwähnen, weil die Ereignisse noch zu frisch waren und sie lieber hatte warten wollen, bis er von sich aus davon sprach. Tatsächlich reagierte er auch im ersten Moment überhaupt nicht, sagte dann aber erstaunlich ruhig: „Ist zu verschmerzen. Das nächste Mal gewinne ich.“
 

Imayoshi lächelte, doch war nicht auszumachen, ob es aus Anerkennung oder aus Hohn war. Sein Blick wanderte über die Einkaufstüten mit dem Logo des Schuhhandels hinüber zu Momoi und plötzlich wurde sein spöttisches Grinsen noch um einiges breiter.

„Ich wusste ja gar nicht, dass ihr ein Date habt“, sagte er neckisch und Momoi wagte es nicht aufzusehen, während ihr in Sekundenschnelle das Blut in die Wangen schoss.

„Spinnst du? Wir haben doch kein Date!“, widersprach Aomine ohne jegliche Verlegenheit und hätte beinahe gelacht. „Sowas würde ich mir echt nicht antun.“
 

Momoi hatte das eigenartige Gefühl, als gleite ihr ein riesiger Stein in den Magen. Sie registrierte kaum das wissende Funkeln hinter Imayoshis Brillengläsern, als er ihre Reaktion analysierte und hörte auch seine zweideutige Bemerkung nicht, die gerade rechtzeitig von den Jungen, mit denen er hergekommen war, unterbrochen wurde, bevor Aomine sie begriff. Kurzerhand bugsierten seine Freunde ihn in den Imbiss, sodass er sich verabschieden musste und Aomine seinen Weg völlig unbeirrt fortsetzte. Wie mechanisch folgte Momoi ihm weiter die Gasse hinunter, starrte schweigend auf seinen Rücken und versuchte die eben gehörten Worte zu verarbeiten. Ein aussichtsloses Unterfangen! Sie hätte ebenso gut versuchen können, keine Frau mehr zu sein.
 

„So, wo willst du essen?“, fragte Aomine und drehte sich auffordernd zu Momoi um.

„Eigentlich möchte ich lieber nach Hause“, antwortete sie leise und scheiterte kläglich an dem Versuch, ihm in die Augen zu sehen.

„Wie? Hast du denn jetzt keinen Hunger mehr?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Na schön, bring ich dich eben zum Bus“, sagte er in sowohl verwirrtem als auch ärgerlichem Tonfall und machte auf dem Absatz kehrt, in der ermüdenden Aussicht, die ganze Strecke nochmal zurückzulaufen.
 

Was folgte, war ein endloser, stummer Marsch durch die immer leerer werdende Einkaufsmeile und Momoi erinnerte sich nicht, wann es ihr jemals so elend ergangen war. Hatte sie einerseits Gewissensbisse, dieses Treffen so abrupt zu beenden, quälte sie andererseits die Vorstellung, noch länger in Aomines Nähe zu sein und mit jeder Sekunde wuchs ihre Abneigung, seine Anwesenheit weiter zu ertragen. Genauso war es ihr vor ein paar Monaten schon einmal ergangen, als er ihr im Streit gesagt hatte, sie solle „ihr hässliches Gesicht nie mehr bei ihm blicken lassen“, obwohl sie nur besorgt um ihn gewesen war. Damals hatte es so sehr geschmerzt, dass sie ihn niemals wieder an ihr Herz hatte heranlassen wollen…
 

Der Wind schwoll zu einem kleinen Orkan an, gegen den Aomine und Momoi sich bald mit aller Kraft stemmen mussten und kurz bevor sie die Bushaltestelle erreichten, prasselte auch schon der Regen erbarmungslos auf sie hinunter. Die beiden begannen zu rennen und waren trotz der wenigen Meter bis auf die Knochen durchnässt, als sie unter das schützende Dach des Wartehäuschens schlüpften. Außer ihnen war niemand sonst dort. Die Autos auf der Hauptstraße hatten ihre Scheibenwischer auf stärkste Stufe gestellt und fuhren so langsam, dass jedem Fußgänger ein Überholmanöver geglückt wäre. Bei diesem Unwetter würde Momoi wohl lange auf den Bus warten können, obwohl sie ihn sich nie sehnlicher herbeigewünscht hatte.
 

Ein flüchtiger Seitenblick auf Aomine, der sie weder ansprach noch zurücksah, schnürte ihr die Kehle zu und schlug den ersten Gong im Kampf um ihre Selbstbeherrschung. Verzweifelt mühte sie sich, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen und sich wieder zu beruhigen, indem sie ein paar Mal tief ein und aus atmete. Warum nur hatte seine Aussage von vorhin sie so hart getroffen? Diese Verabredung heute war von Anfang an kein Date gewesen und Momoi war auch niemals in dieser Erwartung von Zuhause losgegangen. Oder etwa doch? Warum sonst hatte sie das Gefühl, sie würde mit dem Weinen nicht mehr aufhören können, wenn sie ihren Emotionen erst einmal freien Lauf gab? Dabei wollte sie ja gar nicht weinen. Schon gar nicht jetzt, schon gar nicht vor Aomine. Wenn nur endlich dieser verflixte Bus käme!
 

Wie Glassplitter bohrte sich die kalte Winterluft in Momois regennasse, durchgeschwitzte Haut und sie rieb fröstelnd ihre tauben Hände aneinander, als vor ihrer Nase plötzlich dicke Wollhandschuhe hin und her baumelten.

„Hier, nimm sie“, bot Aomine an und zum ersten Mal seit ihrer Begegnung mit Imayoshi war Momoi imstande ihn anzuschauen. „Ich brauch sie gerade nicht.“

Es war die Welle, die den Damm zum Einsturz brachte und die Tränen ungehindert und unaufhaltsam über Momois Wangen strömen ließ. Schluchzend wandte sie sich ab und vergrub das Gesicht in ihrem Ärmel, während Aomine dastand wie vom Donner gerührt.
 

„Was ist denn nun los?“, fragte er irritiert und dass ihm nicht in den Sinn kam, er könne der Auslöser ihres Stimmungswandels sein, kochte in Momoi sofort rasenden Zorn hoch.

„Kann dir doch egal sein, was mit mir los ist“, fauchte sie zickiger als beabsichtigt. „Schließlich haben wir ja auch kein Date.“

„Wie kommst du jetzt darauf?“ Aomines grobe Art konnte über die Unsicherheit in seiner Stimme nicht ganz hinwegtäuschen. „Wovon sprichst du eigentlich?“

„Davon dass es sich vorhin so anhörte, als würdest du die Vorstellung, wir könnten ein Date haben, ziemlich lächerlich finden“, ereiferte sie sich weiter und für einen kurzen Moment schwieg Aomine und schien zu überlegen, was er darauf antworten sollte.

„Das hab ich doch einfach nur so dahergeredet. Ich wusste ja überhaupt nicht, dass wir ein Date haben“, wehrte er ab. „Ich meine – ist es denn eins?“

„Tja, keine Ahnung. Sag du’s mir! Ist es eins?“
 

In all den Jahren ihrer Freundschaft hatte Momoi ihn nie beklommener erlebt. „Darüber hab ich nicht nachgedacht“, gab er leise zu. „Wolltest du, es wäre eins?“

„Ich wollte nichts lieber als das!“, schrie sie und schlug bestürzt die Hände vor den Mund. Dann machte sich eine schier unerträgliche Stille breit. Die Wahrheit, die sie so unbedingt vor ihm hatte verstecken wollen, das Geständnis, das sie ihm nie hatte machen wollen – nun war es raus. Das hatte sie so nicht geplant. Die Worte waren ihr entschlüpft, bevor sie sie richtig vorbereitet hatte und doch stellte Momoi auf wundersame Weise fest, dass plötzlich eine schwere Last auf ihren Schultern fehlte. Gebannt starrte sie Aomine an, der nach dem ersten Schock langsam seine Fassung wiederfand, und sie spürte, dass er nach der passenden Formulierung suchte, um ihr nicht wehzutun.
 

„Ich kann dir nichts versprechen“, sagte er und das Herz rutschte ihr in die Hose, „aber vielleicht können wir den Tag heute einfach noch mal von vorne beginnen. Also, ich meine, wenn ich dich jetzt einlade zu einem Date, würdest du dann mit mir Essengehen?“

Momoi wischte sich die Augen trocken und nickte sacht. Womöglich hatte sie einfach zu viel auf einmal von ihm erwartet. Dass er es überhaupt mit ihr versuchen wollte, musste fürs Erste genügen und mehr als das durfte sie wirklich noch nicht verlangen.
 

Mit viel Verspätung bog am anderen Ende der Straße ein Linienbus um die Ecke, doch Aomine und Momoi kehrten ihm geschlossen den Rücken zu und traten aus dem Wartehäuschen hinaus in die rabenschwarze Nacht. Der Regen hatte nicht aufgehört, war aber ein wenig abgeklungen und die beiden beeilten sich trotzdem, rasch ins nächste Restaurant zu gelangen. Klopfenden Herzens griff Momoi nach Aomines Hand, umschloss sie ganz fest mit ihrer eigenen und erlebte eine wahre Ekstase des Glücks, als er sie nicht abschüttelte. Auch wenn nicht klar war, wie es in der Zukunft weitergehen und ob er sich für sie entscheiden würde, war ihr doch wichtig, dass sie heute den ersten Schritt gewagt hatte. Und der Rest würde sich zeigen, wenn die Zeit gekommen war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Yosephia
2016-09-22T15:14:04+00:00 22.09.2016 17:14
Und ich dachte schon, es gäbe gar keine Hetero-FFs zu KnB ID"

Um ehrlich zu sein, habe ich bisher nie darüber nachgedacht, mit dem Momoi verkuppelt werden könnte, wenn nicht mit Kuroko - und KurokoMomoi geht bei mir irgendwie so gar nicht -, aber mit Aomine passt es wirklich gut. Insbesondere so, wie du es hier dargestellt hast!
Aomine, der zu spät kommt, ist absolut passend. Auch dass Momoi sich darüber aufregt, obwohl sie das schon längst kennen dürfte.
Im Schuhladen hatte ich sehr viel Mitleid mit Aomine. Ich an seiner Stelle wäre wahrscheinlich sehr garstig geworden, da ist er noch sehr zahm geblieben, das sollte Momoi ihm hoch anrechnen - davon, dass er ihr die Schuhe bezahlt hat, ganz zu schweigen!

Über den Kurzauftritt von Imayoshi habe ich mich irgendwie total gefreut. Ich mag ihn irgendwie und es absolut passend, dass er erstens Aomine und Momoi aufziehen will und zweitens auch durchschaut, was Momoi für Aomine empfindet!

Allgemein fand ich es sehr passend, wie du Momois Gefühle für Aomine erklärt hast. Dass sie diese Gefühle schon länger mit sich herum schleppt und deshalb auch eine verletzliche Seite hat, klingt sehr nach Momoi, wie ich sie mir vorstelle. Und Aomine, der erst einmal nichts blickt, ist definitiv IC. Solange es nicht um Basketball geht, ist er nen kleiner Vollidiot XD"

Die Story war wirklich flüssig zu lese, toller Stil, tolle Entwicklung und auch ein schönes, nicht zu kitschiges Ende. Hat gut zu Aomine und Momoi gepasst!^^b
Von: Swanlady
2016-01-06T16:39:22+00:00 06.01.2016 17:39
Hallo!

Im KnB-Fandom muss man Hetero-Geschichten wirklich mit der Lupe suchen, das stimmt. :') Umso toller ist es, dass es auf Mexx eine AoMomo-FF gibt! Allein der Titel hat mich schon grinsen lassen - und ich wurde nicht enttäuscht.
Ich fand die Charaktere überaus gut getroffen und die Interaktionen waren authentisch. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, in Momois Gefühlswelt einzutauchen und auch wenn Aomine manchmal doch etwas schwer von Begriff ist, habe ich die Hoffnung für sie noch nicht verloren. ;) Diese super niedliche Geschichte macht Lust auf mehr, aber auch wenn es keine Fortsetzung gibt, bin ich froh, sie gelesen zu haben. Allein schon, weil mir dein Schreibstil sehr zugesagt hat.

Viele Grüße
Swanlady
Von:  Sakami-Mx
2015-06-07T13:37:23+00:00 07.06.2015 15:37
aw das war voll schön :3 ne fortsetzung dazu wäre genial xDD das war richtig sü0. du hast nen echt guten schreibstil^^ war echt toll zu lesen xD
Von:  DinMahari
2014-08-27T22:29:09+00:00 28.08.2014 00:29
Eine Aomine x Momoi FF... wie schön.. das mir den Abend noch richtig versüßt. Ganz toll geschrieben!
Aber eine fiese Kurzgeschichte.. ich gehöre zu den Leuten, die sowas eigentlich genau dann weiterlesen wollen^^ <3
Von:  Pride
2014-08-16T22:23:50+00:00 17.08.2014 00:23
Ich liiiebe die beiden *___*
echt toll geschrieben *-*
Von:  -Sanako-
2014-06-15T14:34:01+00:00 15.06.2014 16:34
Ohhh *^*
Ich liebe die zwei so!! Das erste FF´s wo es um die zwei geht was ich finde!!
Mir gefällt es super, hast du echt toll geschrieben *daumen hoch*
Von:  Zabimaru
2014-06-07T12:05:06+00:00 07.06.2014 14:05
Zugegeben gucke ich recht selten in den Fanfiction-Bereich auf Animexx, sodass ich erstmal echt stutzen musste, als ich las, dass das tatsächlich die erste AoMomo-Fanfiction auf Animexx sein soll. Wusste nicht, dass wir AoMomo-Anhänger hier wirklich so arg wenig vertreten sind, aber… es gibt uns! :)

Die Geschichte ist wirklich sehr süß. Besonders lustig fand ich es ja, wie du Aomines Basketballfähigkeiten beim Jonglieren des Schuhkartons eingebaut hast. Das sieht ihm ähnlich. :D Insgesamt war die Geschichte auch sehr angenehm zu lesen. Lesefreundliche Absätze, eine gute Rechtschreibung und eine schöne Wortwahl - top! :) Nur eine ganz kleine Sache war mir aufgefallen. Während der inneren Monologe hat Momoi ihren Dai-chan Aomine genannt. Beispiel: "Keine Nachricht. Kein entgangener Anruf. Verdammter Aomine!"
An solchen Stellen hätte mir eben ein "Dai-chan" besser gefallen. :) Aber das ist auch schon alles. Hat mich echt gefreut über diese FF zu stolpern!
Von:  Votani
2014-06-04T18:48:18+00:00 04.06.2014 20:48
Eine Aomine/Momoi-FF, cool! :D Um ehrlich zu sein, kann ich mich nie entscheiden, ob ich die beiden als Freunde oder als Pairing besser finde. Jedenfalls find ich deine Geschichte sehr niedlich und sie hat sich wunderbar ans Manga/Anime ansiedelt.
Momoi bin ich eh ein klein wenig verfallen und ihre Gedanken waren sehr amüsant, aber ich mochte auch Aomine und wie er ihr schlussendlich die Schuhe kauft. :) Und allgemein fand ich die Sache mit dem Date geschickt gemacht und wie Imayoshi Momois Reaktion bemerkt. Der Kerl sieht eben mehr, als einem vielleicht lieb ist. *lach* Gut, dass das dann zur Sprache gekommen ist und sie offiziell miteinander Essen gehen. Ich hätte gern an der Stelle noch weitergelesen, aber es war auch ein gutes Ende.
Dein Schreibstil war auch klasse. Man hat nicht gemerkt, dass die Worte da evt. nicht so einfach geflossen sind. Er war klar, schön und leicht zu lesen. Mehr gibt’s eigentlich nicht zu sagen. Hat mir gefallen. :)


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