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Misa Amane

"Near, eine Nachricht von Lidner", sagte Rester, als einer der Bildschirme blinkte, doch der weißhaarige Junge sah nicht von seinem aktuellen Spielzeug, einem Kasten voller bunter Holzwürfel, auf. Rester drückte auf einen Knopf und man hörte Lidners Stimme, die Rester und Near begrüßte.

"Wie war die Unterhaltung?" Near stapelte vorsichtig zwei Würfel übereinander.

"Wie erwartet kam nur Mello, er sagte, er würde diesen Matt bei den Computern brauchen", antwortete Lidner. "Er hat allerdings das Mädchen sehr stark eingeschüchtert, deshalb konnte ich mich jetzt erst melden."

"Aha. Gab es irgendetwas Neues über das Entführungsopfer, als das, was wir bereits von Roger wussten?"

"Nein. Angesprochen auf das Sozialleben des Bruders, wusste sie nur wenig. Ich denke nicht, dass sie etwas von den Gerüchten im Untergrund weiß. Aber anscheinend hatte ihr Bruder eine Stalkerin, die vielleicht mehr darüber heißt. Ihr Name ist Misa Amane, sie ist Model und Schauspielerin."

"Wo ist Mello?"

"Er ist vor etwa einer halben Stunde gegangen, ich habe mich erst einmal um das Mädchen gekümmert. Was soll jetzt mit ihr geschehen?"

"Nach dem Stand der Dinge nützt sie uns nicht viel. Sie wird wohl kaum in Gefahr geraten, weil man Light Yagami im Visier hat und nicht sie." Near platzierte den fünften und letzten Holzklotz auf dem Turm.

"Was ist, wenn man sie entführt, um an ihn heranzukommen?", fragte Rester nachdenklich.

"Sinnlos. Um ihn aus seinem Versteck zu locken, müsste man ihre Geiselnahme öffentlich machen und da sie die Tochter des Polizeidirektors Yagami ist, wäre die gesamte Polizei Japans hinter ihnen her."

"Sie gehen also nicht davon aus, dass er entführt worden ist?", fragte Lidner und runzelte die Stirn.

"Sein Verschwinden war doch recht offensichtlich, oder? Sein Portmonee, seine Marke, sein Handy. Kein Entführer ist so dumm, um Dinge, die ein Mensch immer bei sich hat, einfach so da liegen zu lassen. Dadurch weiß jeder Idiot, dass etwas nicht stimmt. Wenn es wirklich eine Entführung gewesen, hätte man die Sachen mitgenommen und irgendeine Nachricht dagelassen, das er in den Urlaub gefahren wäre oder so. Auf diese Weise wäre die Entführung nicht so schnell aufgeflogen. Natürlich hätte es auch sein können, dass die Entführer wollten, dass die Leute wissen, dass was passiert ist, aber dann wäre schon längst eine Meldung gekommen. Da diese aber nicht kam und die Entführungssache meiner Meinung nach sowieso nicht stimmen kann, ist Light Yagami untergetaucht." Near hatte während seiner kleinen Rede eingehend seinen kleinen Turm gemustert, ehe unvermittelt seine Hans hervorschoss und den Turm umwarf. "Wir müssen also vor allem wissen, wieso Light Yagami unbedingt untertauchen wollte. Haben Sie Vorschläge, Rester? Lidner?"

"Vielleicht war er einem wichtigen Fall auf der Spur? Etwas Persönliches, was er nicht mit der Polizei teilen wollte", schlug Lidner nach einer kurzen Überlegung vor.

"Unsinnig, ohne seine Marke kann er weder jemanden verhaften noch irgendetwas untersuchen."

"Ohne die Polizeimarke ist er nicht mehr an die Gesetze und Eide der Polizei gebunden", überlegte Rester laut. "Vielleicht will er einen Fall... mit Gewalt oder Ähnlichem beenden."

"Light Yagami beherrscht zwar Kampfsportarten, aber ich bezweifele, dass der Sohn eines Polizeidirektors auf eine solche Idee kommt. So jemand benutzt lieber das Gericht, um auf diese Weise Anerkennung zu bekommen." Near drehte einen gelben Würfel zwischen seinen Fingern hin und her. "Nun, lassen wir das erst einmal. Lidner, hat Mello sich schon bei Ihnen gemeldet?"

"Nein, ich habe ihn seit einer halben Stunde nicht mehr gesehen und- ich bekomme gerade einen Anruf." Lidner schien überrascht zu sein.

"Gut. Nehmen Sie den Anruf an und sagen Sie mir nachher, um was es bei dem Gespräch ging. Es handelt sich doch um ihr Berufshandy?" Nach einer Bejahung von Lidner und dem abschließenden Auflegen, wandte sich Near an Rester. "Wo befindet sich Gevanni gerade?"

"Er hat sich nach Ihrem Befehl gerichtet und Erkundungen über die Familie Yagami in der Nachbarschaft und der Universität von Sayu Yagami eingeholt. Gerade müsste er sich an Light Yagamis ehemaligen Universität befinden und sich da mit einigen Dozenten über ihn unterhalten."

"Sagen Sie ihm, ich möchte in dreißig Minuten einen Zwischenbericht hören."

"Natürlich, ich werde es sofort weiterleiten."

Near hob einen Holzklotz empor und betrachtete ihn von allen Seiten, ehe er ihn wieder zurück in die Box tat und einen Neuen nahm. Rester sah ihm kurz zu, dann widmete er sich wieder seiner Arbeit. Er würde wohl nie verstehen, wieso ein solches Genie wie Near immer wieder so tat, als wären seine Spielsachen die wirklich komplizierten Dinge auf der Welt. Vielleicht war es allerdings auch nur eine Art Kompensation, ein Ausgleich zu den teilweise brutalen Fällen, die er löste. Wie auch immer. Rester würde es wohl nie verstehen und Near wäre es zu müßig, es jemanden zu erklären. Obwohl der Kommandant bezweifelte, dass der Junge es überhaupt versuchen würde.

So arbeiteten sie eine Zeitlang nebeneinander: der Kommandant wertete Light Yagamis Hintergrundgeschichte aus, der Junge spielte mit seinen Bauklötzen. Dann piepte es neben Rester laut.

" Lidner ruft wieder an." Er sah über die Schulter zu Near, der hochkonzentriert die Holzklötze aufeinander stapelt. "Glauben Sie, dass es Mello war?"

"Vermutlich nicht, Mello hätte mit mir sprechen wollen, damit ich ihm direkt von meinem Plan erzählen kann, dazu würde er wohl nicht Lidner benutzen, außer wenn er einen guten Grund dazu hat. Es entspricht also nicht seiner Handlungsweise. Nehmen sie Lidners Anruf an."

Rester drückte auf einen Knopf und man hörte wieder Lidners Stimme.

"Near, es war nicht Mello, sondern dieser Matt", sagte sie. "Anscheinend hat ihm Mello gesagt, dass Sie, ich zitiere, `endlich in den Gang kommen sollen´."

"Das ist eher Mellos Handlungsweise", stimmte Near ihr zu.

"Near, dieser Matt... gehört er nicht ebenfalls zu den Top Drei?", hakte Lidner vorsichtig nach. "Warum ist er, nun..."

"Mellos Laufbursche?", fragte Near desinteressiert. "Vermutlich, weil Matt einfach nichts besseres zu tun hat. Bei ihm weiß man nie so genau."

"Hat Matt gesagt, was Mello nun vorhat?", wollte Rester wissen.

"Er meinte nur, dass Mello sich etwas... umhören wolle."

Near seufzte. "Das ist auch wieder eine typische Handlungsweise von Mello. Wie auch immer. Hat Matt Ihnen eine Nummer hinterlassen, mit der Sie ihn zurückrufen können?"

"Ja, ich werde sie Ihnen sofort geben."

"Gut. Rester, rufen sie bei Roger an, ich möchte mit ihm reden. Lidner, kommen Sie zurück ins Hauptquartier. Und Rester, denken Sie daran, dass Sie Gevanni Bescheid sagen." Near rappelte sich langsam auf, wirbelte eine Haarsträhne zwischen den Fingern und sah nachdenklich zu einem Bildschirm, auf dem ein Foto von Light und Sayu Yagami abgebildet war. "Außerdem sollte jemand Sayu Yagami im Auge behalten."
 

Sayu biss sich leicht auf die Unterlippe. Halle Lidner war vor fast einer Stunde gegangen und ihr versichert, dass sie Light finden würden. Sie selber solle aber nach Hause gehen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Als wäre ihr Bruder nicht verschwunden und als hätte sie Mello, Halle Lidner und Roger Ruvie niemals kennen gelernt.

Sie konnte sich irren, aber weder Mello noch Halle Lidner schienen Misa sonderlich interessant oder wichtig zu finden. Aber vielleicht wusste sie wirklich, wo Light abgeblieben war. Allerdings war Misa zwar sehr freundlich und charmant, auch zu Fremden, aber sie würde wohl kaum einem Fremden etwas über Light erzählen. Sayu dagegen war eine Freundin und Misa war oft zu ihr nachhause gekommen, um so Light näher sein zu können. Es war auch nicht so, dass Sayu Misa nicht mochte; sie war daran gewohnt, dass sich die Mädchen mit ihr anfreundeten, um bei Light sein zu können und Misa mochte sie von allen am Meisten. Sie wäre sogar froh, wenn Light sehen könnte, was für ein toller Mensch Misa war und sich auch in sie verlieben würde, aber sie konnte und wollte ihn ja nicht dazu drängen.

Wie auch immer. Misa würde ihr wahrscheinlich viel mehr anvertrauen, als wenn Halle Lidner zu ihr kommen würde oder Mello oder dieser Matt. Bei Mello würde sie vermutlich nicht einmal den Mund aufmachen können. Und wenn Sayu ehrlich war, wollte sie auch nicht, dass Misa, ein so fröhlicher Mensch, jemandem wie Mello begegnen würde. Misa würde bei ihm einfach nur schreckliche Angst bekommen. So wie Sayu.

Und deshalb, und weil sie Halle Lidners Bitte erfüllen wollte, war sie zurück zu ihrer Universität gegangen. Eigentlich hatte sie heute keine Vorlesung, aber sie wusste, dass Misa noch da war und hatte sich mit ihr vor der Mensa verabredet. Sie hatte zwar Halle Lidner ebenfalls von Misas Stundenplan erzählt, aber diese hatte ihn noch nicht einmal aufgeschrieben. Entweder ging sie davon aus, dass Misa nicht sonderlich wichtig war oder sie war sich sicher, dass sie den Plan später noch einmal bekommen würde. Und gerade das machte Sayu so wütend. Obwohl sie mit Mello und Halle Lidner geredet hatte, hatte sie nicht das Gefühl, als würde es die Beiden auch nur ansatzweise interessieren, was Sayu zu sagen hatte. Es war, als würden sie sie nicht ernst nehmen. Als wäre sie nur ein kleines Mädchen, das ja doch keine Ahnung hätte.

Sayu durchquerte die riesige Halle und sah vor dem Eingang eine kleine, schmale Gestalt in einem schwarzen, kurzen Kleid und blonden, seitlichen Zöpfen. Misa Amane, wie immer umringt von Bewunderern und Fans, strahlte, als sie Sayu sah, winkte ihrem Mob zum Abschied zu und kam ihr entgegen.

"Sayu!" Misa riss sie in ihre Arme und umarmte sie stürmisch. "Wie geht es dir? Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen!"

"Das stimmt", lächelte Sayu. "Tut mir Leid, die letzten Tage waren... anstrengend für mich."

"Ich weiß ja nicht, wie es dir dabei geht, aber mir hilft bei solchen Tagen immer ein ausgedehnter Shoppingtag." Misa warf sich einen blonden Zopf über die Schulter und lachte. "Hast du Hunger? Denn wenn nicht, würde ich sagen, fangen wir mit der Ablenkung gleich an. Du siehst nämlich ziemlich gestresst aus, meine Liebe."

Wieder musste Sayu lächeln. Sie wusste wirklich nicht, wie Misa es machte, doch das Mädchen schaffte es immer wieder, sie zum Lachen zu bringen. Auch an schlechten Tagen fühlte sich Sayu in ihrer Gegenwart niemals traurig, einzig Misas Lachen war nötig, damit Sayu sich wieder gut fühlte.

"Misa, ich muss kurz mit dir unter vier Augen reden. Also so, dass uns niemand zuhört. Es ist wichtig." Sayu beugte sich zu Misa und flüsterte die vier magischen Worte: "Es geht um Light."

Sofort war Misas Aufmerksamkeit geweckt, sie nickte nur und zog sie aus dem Universitätsgebäude zu einer Parkbank. "Hier. Es laufen zwar ständig Studenten und Dozenten an einem vorbei, aber niemand hat genug Zeit, um uns zuzuhören. Wenn wir außerdem noch als Tarnung Bücher nehmen und so tun, als würden wir lernen, werden wir auch von meinen Fans in Ruhe gelassen."

Sayu war beeindruckt. Viele Leute meinten, dass Misa nicht wirklich zu den intelligentesten Menschen gehörte, aber trotzdem wandte sie Tricks an, auf die Sayu wohl niemals gekommen wäre.

Gehorsam nahm sie eines ihrer Lehrbücher heraus, öffnete eine Seite und hielt das Buch so, als wollte sie Misa etwas erklären. "Wann hast du Light das letzte Mal gesehen?", fragte sie flüsternd.

"Vor vier Tagen", antwortete Misa genauso leise, legte einen Finger auf eine Textstelle und tat so, als würde die die Stelle lesen. "Da sind wir gemeinsam nachhause gegangen."

Sayu hob eine Augenbraue. Beide wussten ganz genau, dass Misas und Lights Wohnungen ziemlich weit entfernt voneinander lagen. Misa war Light also wieder einmal unaufgefordert gefolgt. "Bist du dir da sicher?" Sie musste sich gestehen, dass sie etwas enttäuscht war. Light war vor drei Tagen verschwunden. Also war Misa nicht dabei gewesen, als dieser entführt wurde.

"Ja. Er hatte dieses schöne, blaue Hemd an, das ihm so toll steht. Mit dem Hemd sieht er immer so edel aus", schwärmte Misa. Dann bemerkte sie Sayus ernstes Gesicht. "Ist etwas passiert? Ist mit Light alles in Ordnung? Ich hatte mich schon gewundert, warum er nicht auf meine Anrufe antwortet."

"Du hast ihn wirklich nicht die letzten vier Tage gesehen?" Sayu überlegte hastig. Sollte sie Misa erzählen, dass Light verschwunden war? Aber sie hatte ja sonst keine Erklärung, warum sie nach Light fragte.

"Nein, ich hatte einige Shootings und meine Managerin hat mich ziemlich auf Trapp gehalten." Misa lachte glockenhell auf. "Na ja, du weißt ja, wie sie ist. Deshalb konnten Light und ich uns ja nicht sehen, und auf meine SMS´ und Anrufe hat er, wie gesagt, auch nicht geantwortet." Sie seufzte niedergeschlagen. "Aber Light hat ja auch immer ziemlich viel zu tun, von daher ist es ja auch kein Wunder, nicht wahr?"

"Ähm, ja, genau", lächelte Sayu gekünstelt. "Ich habe Light auch schon ziemlich lange nicht mehr gesehen, er ist einfach immer viel zu beschäftigt. Aber ich bin mir sicher, er kriegt das schon hin. Er schafft ja alles, was er sich vorgenommen hat."

"Ja, und vor allem kann er alles. Er ist wirklich perfekt, oder?", fragte Misa mit leuchtenden Augen und ehe Sayu es sich versah, waren sie schon bei der Analyse von Lights Mimik und Gestik in Misas Gegenwart angelangt.

Beruhigt lehnte sich Sayu zurück und nickte an den wichtigen Stellen. Da hatte sie es ja gerade noch geschafft, Misa von Lights Verschwinden abzulenken. Trotzdem war sie enttäuscht. Sie hatte so sehr gehofft, dass Misa wusste, wo sich ihr Bruder befand, aber wenn nicht einmal sie, Lights Stalkerin, wusste, wo er war, wer denn dann? Ob vielleicht die Kameras im Eingang von dem Haus, in dem Light wohnte, etwas aufgenommen hatte? Es wäre gut möglich, wenn sich Halle Lidner und Mello schon längst darum gekümmert hätten. Dann wäre Misa natürlich nur mäßig interessant...

Aber die wichtigste Frage war, was sie nun tun sollte.

Sayu schloss müde die Augen. Was würde Light jetzt wohl an ihrer Stelle tun?
 

Mello knabberte nachdenklich an seiner letzten Schokoladentafel. Eigentlich sollte er sie sich aufheben, aber er hatte jetzt unbedingt Nervennahrung nötig. Er musste also einfach darauf vertrauen, dass Matt seiner Bitte nachgekommen und einkaufen gegangen war. Das, und er musste hoffen, dass im Moment kein Videospiel im Preis gesenkt war und Matt das gesamte Geld dafür ausgegeben hatte. Und dass Matt sich überhaupt aus seinem Zimmer, das Mello nur "die Raucherhöhle" nannte, bequemt hatte. Wenn Mello so nachdachte, musste er auf ziemlich vieles hoffen, das mit Matt zu tun hatte. Matt, der sich leicht ablenken ließ.

Verdammt. Sollte er ihm noch eine Nachricht schicken? Aber dann wäre Matt beleidigt, weil Mello denken würde, dass sich Matt auch wirklich um nichts allein kümmern konnte. Das Mello damit vielleicht Recht haben könnte, wäre Matt vollkommen egal.

Aber andererseits... Mello zuckte mit den Achseln und tippte eine Nachricht an Matt.
 

`Vergiss bloß nicht die Schokolade zu kaufen! Wenn ich wieder komme und der Kühlschrank nach wie vor leer ist, versteigere ich deine Spiele auf Ebay. M.´
 

Mello steckte sein Handy wieder zurück in seine Tasche und betrat die muffelige Kneipe, in der bereits jetzt, obwohl es erst Mittags war, laute Stimmen nach einem weiteren Bier verlangten und den Geräuschpegel somit noch erhöhten. Er verzog das Gesicht; er hasste Kneipen. Obwohl in der Kneipe mehr als zehn Leute rauchten, roch es genauso, als wenn er in Matts Raucherhöhle wäre.

In diesem Moment vibrierte sein Handy und mit hochgezogener Augenbraue las er sich Matts SMS durch.
 

`Als ob du überhaupt wüsstest, wie man bei Ebay etwas versteigert."
 

Sofort fing seine Hand an zu zittern. Dieser verdammte... Was glaubte dieser Mistkerl eigentlich, wer er war?! Glaubte er wirklich, dass Mello ihn nicht erschießen würde? Wenn Matt kein genialer Hacker wäre, der überdies noch jede Tobsucht von Mello locker wegstecken konnte, nicht anfing zu heulen und ihm ständig seine Schokoladentafeln kaufen würde... dann hätte Mello ihn schon längst erschossen.

Mello biss noch ein Stück von der Schokolade ab, diesmal, um sich zu beruhigen. Er wollte gerade eine Nachricht tippen, bei der Matt hoffentlich so etwas wie Angst oder Panik empfand, als er seine Zielperson fand. Nun gut, der Begriff Zielperson passte nicht ganz. Mello hoffte einfach, dass Jack Snydar wenigstens etwas über die Gerüchte um Light Yagami wusste.

Ohne irgendein Wort ließ sich Mello auf den Barhocker neben Snydar fallen und bestellte bei dem Barkeeper eine heiße Schokolade. Dass diese eigentlich nicht in einer Kneipe bestellt wurde, war Mello egal. Er brauchte jetzt unbedingt Schokolade und dass sich sein Nebenmann bei seiner Bestellung leichenblass zu ihm umgedreht hatte, war ein angenehmer Nebeneffekt.

"H-Hallo Mello", stammelte Jack Snydar und sah ganz wie jemand aus, der sich unsagbar unwohl fühlte.

Mello musste grinsen. Es wäre doch eigentlich ganz amüsant, einen Untergebenen zu haben, der sichtliche Panikanfälle in seiner Nähe bekommen würde. Allerdings, so musste Mello sich eingestehen, wäre es doch um so vieles besser, wenn Near sich in seiner Umgebung fürchten würde. Aber diese verdammte Albinoratte blieb selbst dann ruhig, wenn Mello mit seiner Pistole auf ihn zielte... Matt war wenigstens einmal wütend geworden, nachdem Mello auf einen seiner Bildschirme geschossen hatte. Allerdings hatte er sich wieder beruhigt und nur gemeint, dass dieser Computer sowieso bereits schrottreif gewesen wäre und Mello ihm damit einen Gefallen getan hatte.

"Nun, wie geht´s dir denn so, Snydar?", fragte er und dehnte den Namen. Der Barkeeper stellte ihm den Kakao hin, musterte ihn von oben bis unten, entschied sich offensichtlich, dass er nichts zu Mellos Erscheinung sagen wollte und ging zu einem anderen Kunden. Mello war das nur Recht. Er hasste es, auf seine Lederklamotten oder seine Schokoladensucht angesprochen zu werden. Nicht einmal Near oder Matt taten das, und die Beiden waren mehr als bekannt dafür, in Mellos Gegenwart einen Hang zum Selbstmord zu haben.

"Ach, du weißt schon... die Geschäfte laufen oder laufen nicht..." Snydar schien unsicher und überlegte anscheinend fieberhaft, was Mello von ihm wohl haben wollte.

Mello nickte und tat so, als würde er nachdenken, wie er am besten zum Thema ihrer Unterhaltung gelangen könnte. Aber eigentlich wusste er das schon längst. Er wartete noch einen kleinen Augenblick, schürte Snydars Unsicherheit und fragte dann unvermittelt: "Was weißt du über Light Yagami?"

Wie erwartet zuckte Snydar zusammen und seine Hand zitterte, als sie sein Bierglas zu seinem Mund führte. "Nun", sagte er leise, als würde er nicht wollen, dass Mello ihn hören konnte. "Man sagt, er hätte schon ziemlich vielen Leuten ziemlich vielen Ärger bereitet..."

"Und wie kann er das, wo er doch nur in der Datenübermittlungsabteilung arbeitet?" Mello biss krachend ein Stück von seiner Schokolade ab.

"Oh, das weißt du? Na ja, so, wie ich das gehört habe, hat er wohl viele Informationen gesammelt, die zur Inhaftierung der entsprechenden Personen geführt haben. Aber ich weiß nicht, woher er diese Infos hatte. Das konnte sich auch niemand erklären, da jeder schwor, nichts verraten zu haben."

"Wie bitte?" Mello drehte sich übellaunig zu ihm um. "Das ist alles? Er hat Infos rüber gerückt? Deswegen machen sich alle ins Hemd?!"

Snydar zuckte zusammen. "Informationen, die er eigentlich nicht wissen dürfte..."

"Herrgott, dann hat einfach jemand geplappert! Fuck, und damit verschwende ich meine Zeit?!" Mello war kurz davor, Snydar zu erwürgen, als sein Handy plötzlich zu klingeln anfing. Ungehalten riss er sich das Handy ans Ohr und fauchte: "Wehe, es ist nicht wichtig!"

"... Die Zartbitterschokolade ist nicht mehr auf Lager und ich wollte fragen, ob Vollmilch okay ist?"

"Bist du eigentlich völlig bescheuert?!", brüllte Mello und Snydar zuckte mal wieder vor Schreck zusammen. "Wie oft noch?! Ruf mich nicht an, wenn ich arbeite oder du machst Bekanntschaft mit meiner Desert Eagle! Und ich will Zartbitter!" Mello legte, ohne auf eine Erwiderung von Matt zu warten, auf und sah zu Snydar, der leichenblass auf seinem Stuhl saß und sich definitiv wünschte, an einem anderen Ort zu sein. "So, und jetzt sag mir noch einmal, warum alle so ein Riesengeheul um den Yagami-Bengel machen!" Mello wütend zu nennen, war eine Untertreibung. Tatsächlich juckte es in seinen Fingern, irgendeinem Menschen schreckliche Qualen zuzubereiten. Irgendjemand musste dafür leiden, dass Matt nur dumme Fragen stellte, Near ständig besser war als er und sich jede Menge Gangster und Mafiosi vor einem jungen Polizisten fürchteten, der ja doch nur in der Datenübermittlungsabteilung arbeitete.

"S-Soweit ich weiß, soll er einige... kostspielige Geheimnisse von einigen Mafia-Banden herausgefunden haben, u-und Mello, wir sprechen hier über Milliarden. Durch die Informationen von dem Jungen konnten schon ziemlich viele Leute geschnappt werden. Fast die gesamte japanische Mafia wurde inzwischen hochgenommen, und das nur wegen dem Jungen." Snydar lockerte seine Krawatte. "Das deswegen alle ausflippen, selbst die in den USA, kann man nun wirklich verstehen, schließlich wurde er ja hierher versetzt. L.A. wird sich verändern, Mello, und ich bezweifel, dass das gut für uns ausgehen wird."

Mello konnte es nicht fassen. "Er. Ist. Bei. Der. Datenübermittlungsabteilung. Er ist bei der Datenübermittlungsabteilung!", brüllte er. "Und ihr macht euch deshalb ins Hemd?!"

Fluchend marschierte er aus der Kneipe, bedeutete im Vorübergehen Snydar, dass er gefälligst für ihn zahlen sollte und schwang sich auf sein Motorrad. Wütend sah er auf seine Schokoladentafel, von der nur noch zwei kleine Stücke übrig waren. Er schob sich die letzten Stücke in den Mund, warf die zusammengeknüllte Packung in den nächsten Papierkorb und startete sein Motorrad.

Eine gemütliche Fahrt durch L.A.´s Straßen würden ihn nun bestimmt beruhigen. Außerdem hatte er keine Schokolade mehr.

Er schlängelte sich in den Verkehr ein und unterdrückte einen Fluch, als er an einer roten Ampel anhalten musste. Normalerweise hasste er es, vorschriftsmäßig zu fahren, aber er wollte sich beim Nachdenken nicht von einem Auto überrollen lassen. Das hieß nicht, dass Mello genauso furchtbar fuhr wie Matt, für den eine rote Ampel eine Herausforderung war, über die Kreuzung zu fahren, ohne einen Unfall zu fabrizieren, aber Mello fuhr doch schneller als normalerweise üblich.

Gleichzeitig konnte er beim Fahren am Besten nachdenken, vor allem, da seine übliche Herangehensweise, eine Schokoladentafel zu essen, erschöpft war, weil er schlicht keine mehr hatte. Natürlich gab es viele, die das Befahren von L.A.´s Straßen nicht unbedingt als ruhigen Quell von sorgsamen Überlegungen bezeichnen würden, aber diese hatten dann auch nicht die geistige Höhe, während des Fahrens Pläne auszutüfteln, die hoffentlich die Demütigung einer gewissen Albinoratte beinhalteten. Wenn er jedoch auf dem Beifahrersitz eines Autos saß, das Matt fuhr, konnte er allerdings auch nicht nachdenken, da in solchen Momenten seine Überlebensinstinkte eingeschaltet waren.

Mello bog auf dem Harbour Freeway ab und beschleunigte. Unter seinem Helm musste er lächeln.

Keine Ahnung, was die ganzen Leute mit ihren teuren, schicken Autos hatten- den ultimativen Fahrkick hatte man nur mit einem Motorrad. Vor allem mit einer schwarzen Kawasaki Ninja ZX-10Rs. Mello würde jeden töten, der es wagen würde, seinem Schatz einen Kratzer zuzufügen. Matt durfte das Motorrad noch nicht einmal anfassen.

Aber das war jetzt egal... Wie sollte er weiter vorgehen? Bis zu welchem Punkt konnte und wollte er Near und damit seinen Informationen trauen? Zwar würde Near genau wie er nach Light Yagami suchen, aber durch Mello könnte er auch an einige seiner Mafiakontakte kommen. Die Verhaftung würde nicht nur Nears Ansehen als "N" steigern, sondern auch unweigerlich zu Mellos Tod führen. Einmal davon abgesehen, dass es eine Option war, die Mello vor Nears eigenem Ableben tunlichst vermeiden wollte, brauchte er seine Mafiakontakte, damit diese ihm halfen, seinen Konkurrenten um L´s Nachfolge abzudrängen. Es würde zwar noch Jahre dauern, bis L nicht mehr als Detektiv arbeiten konnte, aber bis dahin musste Mello unbedingt in der Rangfolge über Near sein. Natürlich war eine Mafiabande nicht unbedingt die beste Gesellschaft für den berühmtesten Detektiven der Welt, aber sogar Near müsste zugeben, dass Mafiosi nun wirklich die geeignetsten Leute waren, wenn es darum ging, jemanden zu suchen. Oder zu töten.

Wie sollte es nun weitergehen?

Mello hielt auf einem Parkplatz und holte sein Handy heraus. Hoffentlich hatte Matt endlich Schokolade gekauft... aber vor allem musste er mit ihm reden, wissen, was er bisher herausgefunden hatte und- in diesem Moment klingelte sein Handy.

Er seufzte, als er Matts Namen sah und nahm ab. "Was ist denn nun schon wieder?"

"Das wirst du mir jetzt wirklich nicht glauben", sagte Matt mit Grabesstimme und bei Mello klingelten alle Alarmglocken, als er Schüsse hörte. "Aber in einer solchen Scheiße habe ich echt noch nie gesteckt..."



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