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Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~

Teil V
von

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~Der weiße und der schwarze Wolf~

Ungeduldig rutschen wir auf unseren Hockern hin und her und können nicht erwarten, das Mike endlich die Teller vor uns abstellt. Auch ich verspüre seit langem wieder Heißhunger. Der Duft von gebratenem Fleisch steigt mir in die Nase und lässt das Wasser in meinem Mund zusammen laufen. Messer und Gabel habe ich griffbereit in beiden Händen und schaue den Barkeeper erwartungsvoll an, als er aus der Küche zurückkommt. Rasch stellt er die Teller vor uns ab und zieht seine Hände eilig zurück. Es ist nicht das erste Mal, dass wir ausgehungert an seinem Tresen sitzen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als er einmal die Hand zu langsam wegzogen hat und Tonis Gabel seinen Handrücken aufspießte. Daraus hat er offensichtlich gelernt. Während wir uns wie ausgehungerte Tiere über das gebratene Fleisch und das gedämpfte Gemüse hermachen, wendet er sich wieder seinen Gläsern zu. Seinen Blick kann er nicht von uns lassen. Er schüttelt verständnislos mit dem Kopf, während ein spöttisches Lächeln seine Lippen ziert.

Ich bin beim Essen so hastig, dass ich mich an einem großen Bissen Fleisch verschlucke. Hustend lasse ich das Besteck fallen und greife mir an den Hals. Ich suche mit der freien Hand das Wasserglas, das mir Mike hingestellt hat. Ich leere es in einem Zug und muss die Tränen wegblinzeln, die der Hustenreiz mir in die Augen treibt. Der Barkeeper lacht und auch Tonis Lippen ziert ein belustigtes Lächeln. Ich kann ihre Freude nicht Teilen, mir steckt noch immer das viel zu große Stück Fleisch im Hals. Erst als ich mir mit der Faust auf den Brustkorb schlage, rutscht es endlich meine Kehle hinab. Erleichtert atme ich durch.

"Ich hätte nie gedacht euch beiden noch einmal hier zu sehen! Es war schlichtweg langweilig, seit deinem Verschwinden", sagt Mike. Auch ihm haben wir kurz und knapp erklären müssen, wie es zu meinem vermeintlichen Tod gekommen ist. Die Liste der Menschen, die Bescheid wissen, wächst rasant. Mir wird nicht mehr viel Zeit bleiben, bis es die Runde macht.

"Ich dachte ihr hättet so viel Stress mit dieser Geldeintreiberbande?", frage ich und bemühe mich langsamer zu essen, um nicht noch einen Erstickungsanfall zu erleiden.

"Ja schon, aber die zu verprügeln macht nicht halb so viel Spaß, wie euch beim Essen zuzusehen." Ich sehe von meinem auf Tonis Teller. Wir haben unsere erste Portion schon vertilgt, während die letzten Überreste sich auf dem Tresen verteilen. Tischmanieren sind uns wahrlich fremd, wenn wir hungrig sind.

Toni reicht seinen Teller über den Tresen und ich tue es ihm gleich. Wir brauchen nichts sagen, Mike weiß auch so, dass wir einen Nachschlag wollen und nimmt uns die Teller ab. Er verschwindet noch einmal in der Küche.

"Schön, dass du wieder Hunger hast." Toni sieht mich mit einem sanften Lächeln an, das ich selten zu sehen bekomme. Sonst schaut er nur nach dem Sex derart verträumt drein. Bei dem Gedanken an die Nächte mit ihm, spüre ich, wie mir die Wärme in die Wangen steigt. Betreten wende ich meinen Blick ab.

"Woran denkst du schon wieder?", will er wissen. Ich räuspere mich und greife nach meinem Glas. Verdammt, nichts mehr drin! Jetzt komme ich um eine Antwort nicht herum.

"An nichts!", brumme ich. Seine letzte Abfuhr steckt mir noch in den Knochen. Ich will mir nicht schon wieder eine Predigt mit dem Inhalt - wir sind nur Freunde - anhören. Toni scheint trotzdem zu wissen, was ich gedacht habe, denn er rollt mit den Augen und wendet sich ab.

Ein Glück taucht im selben Moment Mike mit einer zweiten Portion auf. Ein Themenwechsel fällt mir jetzt leicht: "Du hörst doch als Barkeeper viel. Hast du 'ne Ahnung, wo wir diese Bande finden können? Haben sie irgendeinen Treffpunkt, oder so?" Jetzt, wo der größte Hunger gestillt ist, kann ich meine zweite Mahlzeit wesentlich gesitteter zu mir nehmen. Toni hingegen spießt das Steak mit der Gabel auf und beißt immer wieder große Stücke vom Ganzen ab. Während mir der zweite Teller genügen wird, ist dieses sicher nicht Tonis letztes Steak. Mike überlegt und sieht dabei nachdenklich an die Decke.

"Gute Frage!" Er braucht einige Zeit, bis er uns wieder ansieht, "Ich habe gehört, dass sie öfters an den Docks rumlungern sollen. Meistens sehe ich sie aber aus einer Kneipe zwei Blocks weiter kommen, kurz bevor sie hier Stress machen. Vielleicht haben sie dort irgendwo einen Unterschlupf"

"Kannst du die Männer beschreiben? Ich will nicht wieder die falschen erwischen." Das eine Mal hat mir gereicht. Besonders der Zoff mit Aaron danach, weil er die Sache mit viel Geld bereinigen musste.

"Sind das die Kerle um Hideo Sugita?", unterbricht uns Toni. Scheinbar hat er eine Ahnung, um wen es sich bei dieser Bande handelt. Mir sagt der Name nichts und auch Mike schaut fragend drein. Toni seufzt und versucht sich in einer Erklärung: "So ein kleiner Japse mit 'ner Narbe quer übers Gesicht. Hat meistens 'ne Bowler auf dem Kopf." Mike nickt zustimmend.

"Ja genau. Er sieht aus wie 'ne Fratze aus 'nem Horrorfilm."

"Ich weiß, wo sich die Kerle treffen", erklärt Toni. Umso besser, dann bleibt uns der Aufwand erspart, erst Informationen zusammentragen zu müssen. Dann ist dieser Job wenigstens schnell über die Bühne gebracht.
 

„Hier, die soll ich euch geben." Darla taucht auf einmal wie aus dem Nichts neben uns auf. Erschrocken zucke ich zusammen. Ich habe sie auf dem weichen Teppich gar nicht kommen gehört. Sie hält zwei schwarze Anzüge in der Hand, die fein säuberlich auf Bügel gehangen sind. Erik hält also Wort, die Arbeitskleidung bekommen wir von ihm.

"Wir haben hinten noch welche zum Wechseln. Wenn sie schmutzig werden, gebt sie einfach in unserer Wäscherei ab." Ich nicke verstehend. Als ich ihr die Anzüge nicht abnehme, legt Darla sie über den sauberen Teil des Tresens.

"Ab nächster Woche könnt ihr anfangen. Bis dahin laufen noch die Verträge unserer jetzigen Türsteher", erklärt sie und fügt an, "Um achtzehn Uhr geht es los und Feierabend ist, wenn der letzte Gast gegangen ist." Also alles wie gehabt!

"Da fällt mir ein: Erik hat mich gebeten euch das hier auszuzahlen. Euren Lohn bekommt ihr dann auch immer am Letzten des Monats bei mir", erklärt uns Mike und öffnet seine Kasse. Er zieht ein ganzes Bündel Eindollarscheine hervor. Er zählt uns dreißig davon ab und legt sie auf den Tresen. Ich nehme das Geld an mich. Fünfzehn Scheine reiche ich Toni, die Restlichen behalte ich. Während ich in den Taschen meiner Hose nach meinem Geldbeutel fische, zieht das Geschrei der beiden Gorillas meine Aufmerksamkeit auf sich:

"Was soll das heißen?"

"Wir arbeiten jetzt seit gut drei Monaten für dich! Es gab nie Klagen!" Sieht so aus als hätten die beiden gerade von ihrer Kündigung erfahren.

"Ach nein?", Eriks Stimmlage bleibt ruhig und gelassen, es ist nicht seine Art ausfallend zu werden. "Wenn ich mir meine Mädels so ansehe, ist nicht viel Verlass auf euch. Ihr könnt den Monat noch voll machen, dann seid ihr raus!"

"Du elender Geizkragen!"

"Jetzt reg dich nicht auf. Der findet nie so schnell Jemanden, der für den Hungerlohn arbeitet."

"Ich habe schon Ersatz für euch", entgegnet Erik trocken. Mit den Händen in den Hosentaschen kommt er ins Lokal zurück und setzt seinen Weg, mit einem zufriedenen Lächeln, fort.

"Du Missgeburt!"

"Elender Mistkerl! Bleib gefälligst stehen!"

"Wer soll das denn bitte sein?" Es dauert nicht lange, bis auch die beiden Gorillas rein stürmen. Sie sehen sich suchend im Lokal um und da Toni und ich noch immer die einzigen Gäste sind, dauert es nicht lange, bis ihre wütenden Fratzen auf uns anstarren.

"Die zwei halben Hemden etwa?", faucht der Schrank aufgebracht. Na, zumindest kann er eins und eins zusammen zählen und besitzt neben den aufgepumpten Muskeln auch noch ein Hirn. Etwas, dass ich ihm nicht zugetraut hätte. Erik winkt nur ab, er hat anscheinend kein Interesse an einer Diskussion und lässt sie stehen. Sein Pokerspiel wartet und so läuft er die Treppe zu den Tischen hinauf. Diesen Bereich dürfen nur seine engste Geschäftspartner betreten. Das scheinen die Gorillas zu wissen, denn sie wagen nicht ihm dorthin zu folgen. Ich rechne damit, dass sie nun murrend das Feld räumen und wende mich wieder meinem Teller zu. Erik kann froh sein diese aggressiven Idioten los zu sein. Solche Türsteher sind schädlich fürs Geschäft. Ich vermute, dass er ohnehin schon lange vorhatte, sie vor die Tür zu setzen, aber noch keinen brauchbaren Ersatz gefunden hat.
 

Eine große Hand legt sich auf meiner Schulter, irritiert wende ich mich um. Ich sehe die Faust nicht kommen, die mich mitten im Gesicht trifft und vom Hocker fegt. Bevor ich richtig begreife, was überhaupt passiert, finde ich mich auf dem Boden wieder. Orientierungslos schaue ich auf. Der Geschmack von Blut verteilt sich in meinem Mund, es läuft meinen Mundwinkel und mein Kinn hinab. Der hämmernde Schmerz folgt einige Sekunden später. Ich fahre mir mit dem Handrücken über die blutende Unterlippe, während sich der Zwei-Meter-Schrank vor mir aufbaut. Er knetet seine Fäuste durch und schaut belustigt auf mich herab.

"Und das soll unser Ersatz sein? Ist doch lächerlich!", lacht er. Mieses Schwein, einfach so ohne Vorwarnung zuzuschlagen. Sein Hieb war so heftig, dass mir noch immer schwindlig ist. Ich werde einen Moment brauchen, mich davon zu erholen.

Mein Blick fällt suchend auf Toni. Dieser hat Gabel und Messer in die Reste seines Fleisches gespießt. Sein Blick ist unheilvoll dunkel. Ich kenne diesen mordlüsternen Ausdruck in seinen Augen. Der Schrank weiß ja nicht, mit wem er sich hier anlegt!

"Ich hasse es, beim Essen gestört zu werden!" Ist das alles was ihn nervt? Dass dieser Schrank auf mich losgeht, stört ihn gar nicht? Ich rolle mit den Augen.

"Ach, du willst wohl auch aufs Maul, was? Keine Sorge, du kommst als Nächster dran!" Der Schrank legt Toni die Hand auf die Schulter und will ihn zu sich umdrehen. Das sollte er lassen!

"Pfoten weg!", knurrt mein Begleiter angriffslustig, doch der Gorilla lacht nur abfällig. Er nimmt die Hand nicht weg, sondern ballt seine zweite zur Faust. Als er zuschlägt, fängt Toni sie ab und zieht sie auf den Tresen. Der Schrank schaut überrascht und leistet keinen Widerstand. Mein Leibwächter nutzt diesen Umstand und greift nach dem Messer im Steak. Mit voller Wucht rammt er es dem Gorilla in den Handrücken. Dieser jault auf und zieht sich eilig einige Schritte von ihm zurück.

"Du Missgeburt!", keucht er, während er sich krampfhaft die verletzte Hand hält. Ich nutze die allgemeine Verwirrung, um mich unbemerkt wieder aufzurichten. Der Moment scheint mir günstig dem Scheißkerl seine Freundlichkeit von eben mit gleicher Münze zurück zu zahlen. Ich tippe ihm auf die Schulter. Als er sich nach mir umdreht, ramme ich ihm meinen Ellenbogen in den Magen. Er würgt und krümmt sich vor Schmerzen. Ich grinse ihn finster an, nun bin ich mit ihm auf Augenhöhe und hole aus. Ich verpasse ihm denselben Faustschlag ins Gesicht, den ich von ihm kassiert habe. Seine Unterlippe platzt auf und er gerät ins Wanken, wie ein Sack Kartoffeln kippt er um. Triumphierend sehe ich auf ihn herab und weide mich an seinem lächerlichen Anblick.

Er und sein Kollege sehen uns gleichermaßen erschrocken an. Mit einer wirklichen Gegenwehr haben sie anscheinend nicht gerechnet. Sie tauschen ratlose Blicke aus. Schließlich kommt Mr. Segelohren seinem Kollegen zu Hilfe und zieht ihn auf die Beine.

"Das werdet ihr mir büßen!", flucht der Schrank und spuckt auf den Boden. Er zieht das blutige Messer aus der Wunde und wirft es, wie einen Dolch nach mir. Ich drehe meinen Oberkörper gerade soweit zur Seite, dass es mich um Haaresbreite verfehlt. Es bleibt in der Wand hinter dem Tresen, zwischen zwei Weinflaschen stecken. Mich juckt es in den Fingern, diesen Scheißkerl über den Haufen zu schießen.

"Nicht in meinem Lokal!", höre ich Erik von oben rufen. Offensichtlich hat er meinen Griff zur Pistole bemerkt. Wie Schade!

"Brauchst du Hilfe?", will Toni beiläufig von mir wissen. Er ist noch nicht einmal aufgestanden oder hat sich umgedreht. Mit der Gabel stochert er in seinem Gemüse herum.

"Nicht nötig!" Die Sache ist bereits zu persönlich, um sie ihm zu überlassen.

"Was glaubt ihr denn wer ihr seid? Ich mache euch fertig!" Soll er doch kommen, ich rühre mich nicht vom Fleck.

"Nein, warte!" Mr. Segelohr zögert. Er mustert mich und Toni nachdenklich. Sein Blick wandert zu einem Bild, das hinter dem Tresen hängt. Es zeigt Erik, Mike, Toni und mich, in den Tagen, als wir hier noch als Türsteher gearbeitet haben. Damals sind wir zu zweifelhaftem Ruhm gelangt, weil wir das einzige Lokal schützten, das kein Schutzgeld zahlte.

Offensichtlich wurde noch immer darüber gesprochen.

"Die beiden sind Wölfe", vermutet Mr. Segelohr. Sein verletzter Kollege schaut verdutzt drein. Sein Blick ist zweifelnd. Erst als sein Freund ihn auf das Bild hinter dem Tresen aufmerksam macht, beginnt er zu begreifen.

"Ist mir doch egal! Ungeschoren kommt ihr mir nicht davon!" Ich schaue den Schrank unvermittelt an und verschränke die Arme vor der Brust. Seine Drohung macht mir keine Angst. Es dauert nicht lange, bis er unter meinem Blick hinweg sieht. Große Klappe, nichts dahinter!

"Lass uns gehen! Wir können uns nicht leisten den Lohn für eine ganze Woche zu verlieren", schlägt sein Kollege ihm vor, doch ich bin mir sicher, dass es nicht der eigentliche Grund ist. Zähneknirschend gibt der Schrank nach. Während er sich mit einem Taschentuch notdürftig die blutende Hand verbindet, folgt er Mr. Segelohr vor die Tür. Ich sehe ihnen noch einen Moment lang nach, bis ich mir sicher bin, dass sie auch wirklich draußen bleiben. Was für aufgeblasene Idioten.

Noch immer läuft Blut meine Lippe hinab, mit dem Handrücken wische ich es mir vom Mund.

"Scheiße!", fluche ich, als sofort frisches nach läuft. Ich bin kaum einen Tag in New York und schon ist mein Hemd blutbeschmiert. Zum Kotzen! Meine Wange beginnt bereits anzuschwellen, mein Unterkiefer schmerzt, wenn ich ihn bewege. Kraft hatte dieser aufgepumpte Scheißkerl. Es hat nicht viel gefehlt und ich wäre K.O. gegangen. Mein Blick wandert zurück auf Toni. Er hat sich noch immer nicht von seinem Hocker erhoben. In aller Seelenruhe isst er weiter. Mein Appetit ist mir inzwischen vergangen. Mich juckt es noch immer in den Fingern, jemandem über den Haufen zu schießen.

"Lass uns diese Bande ausschalten! Ich brauch jetzt jemanden, an dem ich mich abreagieren kann", schlage ich vor. Toni schlingt seinen letzten Bissen hinunter, dann wischt er sich mit einer Serviette den Mund ab. Er sagt nichts, dafür erhebt er sich und greift nach dem Gitarrenkoffer, den er vor dem Tresen abgestellt hat.

Als er mich erreicht, wischt er mir das neue Blut mit dem Daumen von der Lippe.

„Steht dir!“, meint er belustigt. Elender Idiot! Ich schlage seine Hand weg und raune ihn an: "Leck mich!" Um seinem blöden Grinsen zu entkommen, setze ich mich in Bewegung, gemeinsam verlassen wir das Lokal.

Vor der Tür treffen wir noch einmal auf die Gorillas. Sie weichen respektvoll einen Schritt zurück, als wir ins Freie treten. Ich schenke ihnen keine Beachtung und auch Toni sieht uninteressiert an ihnen vorbei. In einer Woche sind die beiden verschwunden und wir müssen ihre Gesichter hoffentlich nie wieder sehen.
 

Schon wieder U-Bahn fahren. Wie ich es hasse! Wäre es nicht einfacher, wir klauen uns irgendwo zwei Motorräder, als uns ständig in diese überfüllten Wagons zu quetschen? Warum müssen wir überhaupt so weit fahren? Hat Mike nicht behauptet diese Bande würde sich zwei Blocks weiter in einer Kneipe aufhalten? Warum sind wir dann auf dem Weg zum Hafen? Aus Toni ist nicht viel heraus zu bekommen. Er schweigt schon seit einer ganzen Weile und antwortet nicht auf meine Fragen. Mental bereitet er sich auf unseren Auftrag vor. Es ist typisch für ihn, dass er dabei immer ruhiger wird. Ich seufze und sehe aus dem Fenster des Wagons. Es ist lange her, dass ich jemanden getötet habe. Es ist keine besonders reizvoller Job, aber nötig, um in dieser Stadt etwas zu erreichen.

"Willst du alle umlegen, oder Michael eine Nachricht schicken?", will Toni auf einmal leise von mir wissen.

Eine gute Frage. Es wissen inzwischen schon so viele wichtige Menschen über meine Rückkehr Bescheid, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis auch Michael Kenntnis darüber erlangt. Vielleicht sollten wir stilvoll von selbst auf uns Aufmerksam machen? Andererseits bin ich noch weit von meiner ehemaligen Topform entfernt und einer offenen Konfrontation noch nicht gewachsen. Ich habe die letzten drei Wochen in Italien gerade erst wieder mit dem Training begonnen und meinen Appetit erst vor wenigen Minuten wieder gefunden. Dieser Auftrag könnte meine Kondition schon deutlich überstrapazieren. Ginge es nicht um Erik und unseren neue Job, würde ich mir mit den Auftragsmorden noch etwas Zeit lassen.

"Enrico?" Toni wartet noch immer auf eine Antwort.

"Wir legen sie alle um!", entscheide ich.
 

Toni führt mich zu den Docks, in ein leerstehendes Fabrikgelände. Es ist von einem zwei Meter hohen Drahtzaun geschützt. Am Tor hängt eine dicke Eisenkette, mit einem großen Schloss daran. Es ist unnatürlich still hier. Die Dunkelheit hat bereits eingesetzt und wir können auf dem Gelände kaum etwas erkennen. Nur zwei dunkelrote Automobile stechen uns ins Auge und verraten, dass wir hier nicht so allein sind, wie es den Anschein macht.

"Und, hast du schon irgendeinen Plan?" Toni sieht mich fragend an. Ich lasse meinen Blick über das unübersichtliche Gelände schweifen. Die Lagerhallen sind einfache Blechkonstruktionen. Es gibt keine Fenster und auch keinen Weg auf ihre Dächer. Ein Anschlag aus sicherer Entfernung ist somit ausgeschlossen. Es wird uns wohl oder übel nichts anderes übrig bleiben, als das Gelände auszukundschaften und sobald wir die Bande gefunden haben, einen Köder vorzuschicken. Im Zweifel bin das immer ich. Meine Nahkampftechniken sind ausgefeilter, als die von Toni, dafür kann er besser mit Schusswaffen umgehen und mir auf diese Weise Rückendeckung geben.

"Wir gehen rein und sehen uns erst mal um", schlage ich vor. Vielleicht tut sich ja noch ein sicherer Weg auf. Toni zeigt sich einverstanden. Wir überwinden den Zaun kletternd und verschwinden anschließend im Schatten der Halle, die uns am Nächsten ist. Ich vermute die Kerle eine Halle weiter, genau dort, wo ihre Autos parken. Ich deute Toni mit einem Fingerzeig an, dass ich dort hin will. Gemeinsam schleichen wir uns durch die Dunkelheit. Unbemerkt erreichen wir die nächste Lagerhalle. Vor ihr steht nur ein stämmiger Mann Wache. Seinen kahlen Hinterkopf ziert ein rotes Drachentattoo, das Gesicht ist gedrungen, mit weit vorstehenden Augenbrauen. Ich kenne die Glatze nicht. Entweder ist er ein zu kleiner Fisch oder neu.

Wenn wir sehen wollen, was sich in der Halle abspielt, müssen wir ihn wohl oder übel als Erstes aus dem Weg räumen. Ich deute Toni mit einem Schwenk meines Kopfes an, dass er das tun muss. Die Glatze ist zu groß für mich, um ihn lautlos zu überwältigen. Er versteht und stellt seinen Gitarrenkoffer lautlos ab, dann drückt er sich an mir vorbei. Ich bücke mich nach einem Stein und werfe ihn an die Hallenwand uns direkt gegenüber. Das scheppernde Geräusch erregt die Aufmerksamkeit der Glatze, er setzt sich in Bewegung. Mit langsamen Schritten kommt er in unsere Richtung. Toni zieht ein Messer aus seiner Hosentasche, er packt sich den Kerl von hinten, als er an uns vorbei kommt. Das Messer legt er ihm an die Kehle und zieht es durch seinen Hals. Kein Laut kommt dem Riesen über die Lippen, als er gurgelnd in die Knie geht. Das Messer hat ihm neben der Halsschlagader auch die Stimmbänder durchtrennt. Toni gibt ihm einen Stoß in den Rücken. Die Glatze fällt in den Schatten zwischen den beiden Lagerhallen. Dort kann er von mir aus liegen bleiben. Ich wende meinen Blick vom Todeskampf des Mannes ab und gehe wieder vor. Toni tauscht das Messer gegen seine Pistole und folgt mir. Auch ich ziehe jetzt meine Waffe, während ich mich mit dem Rücken zur Wand bis zum geöffneten Rolltor voran taste. Undeutliche Männerstimmen sind zu hören. Ich schätze, dass es sich um mindestens vier weitere Personen handeln muss. Um mir sicher zu sein, werfe ich einen vorsichtigen Blick in die Halle. Ich habe mich nur knapp verschätzt. Im Kreis stehend, kann ich fünf Männer erkennen. Der Asiat mit der Narbe im Gesicht bildet ihr Zentrum. Sie unterhalten sich, aber nicht miteinander. Ihre Körper verdecken eine sechste Person. Ich kann nur zwei Arme erkennen, die an ihren Gelenken mit dicken Ketten gefesselt sind. Sie sind weit nach oben ausgestreckt, während die Eisenkette hinauf zu einem Balken führen. Wer auch immer dort hängt, steht mit Sicherheit nicht mehr auf seinen eigenen Füßen. Wir sind mitten in ein Verhör geplatzt, wird mir schlagartig bewusst.

"Was ist los?", flüstert mir Toni zu. Er steht hinter mir und kann die Halle nicht einsehen.

"Sei still!", mahne ich ihn zur Ruhe. Ich will erst wissen worum es geht, bevor wir den Sauhaufen aufmischen. Angestrengt lausche ich und versuche etwas von ihrem Gespräch aufzuschnappen.

"Also noch mal von vorn Junge." Das Narbengesicht beginnt sein Opfer zu umkreisen. Erst jetzt kann ich den jungen Mann in ihrer Mitte sehen. Sein Oberkörper ist frei, er hat zwei Schusswunden, eine in der linken Schulter, die andere knapp über seiner rechten Leiste. Sein ganzer Körper ist mit blauen Flecken und tiefen Schnittwunden übersät. Doch erst sein Wolfstattoo auf dem Oberkörper lässt mir wirklich den Atem stocken. Das ist einer von meinen Männern. Ich sehe dem jungen Mann ins Gesicht. Sein Name fällt mir nicht ein, nur seine Aufgabe. Er war einer meiner Laufburschen, keine besondere Stellung, trotzdem sollte er als Wolf unter meinem Schutz stehen. Ich muss mich zur Ruhe zwingen. Bevor ich nicht weiß, was sie von ihm wissen wollen, werde ich nicht eingreifen.

"Wer ist der Begleiter des schwarzen Wolfes?", wird er befragt. Schwarzer Wolf? Sie meinen Toni. Also suchen sie nach mir? Die Unterwelt ist also schon in Aufruhr? Das ging schneller als mir lieb ist.

"Enrico?" Toni wartet noch immer auf eine Antwort.

"Fünf Kerle, sie haben einen von uns da drin", erkläre ich schnell. Tonis Blick wird finster.

"Schnell und schmerzlos?" Ich schüttle mit dem Kopf. Aus toten Männern bekommen wir nichts mehr heraus. Ich will wissen, wie viel sie schon über meine Rückkehr herausgefunden haben.

"Ich geh rein, du bleibst noch im Hintergrund. Greife erst ein, wenn es notwendig wird!", weiße ich ihn an und stecke meine Pistole in den Halfter zurück. Ich atme tief durch, um meinen rasenden Puls zu senken.

"Enrico!" Was denn noch? Toni ballt seine Hand zur Faust und streckt sie mir entgegen. Ich seufze. Das er ausgerechnet jetzt auf dieses alte Ritual zwischen uns bestehen muss. Etwas gereizt lege ich meine Faust an seine und sage: "Bis in den Tod ..."

"... und wieder zurück!", beendet er den Satz. Darf ich jetzt gehen? Toni sieht mich besorgt an.

"Pass auf dich auf!", fügt er hinzu. Ich rolle mit den Augen. Das ist nicht unser erster Auftrag in diesem Umfang. Ich weiß, was ich tue! Ohne Antwort setze ich mich in Bewegung. Meine Hände verstaue ich in den Hosentaschen. Ich will möglichst gelassen wirken, wenn ich diesen Mistkerlen gegenüber trete. Wie selbstverständlich betrete ich die Halle durch das Rolltor, ohne mir Deckung zu suchen.

"Schönen guten Abend, die Herren!", mache ich mit lauter Stimme auf mich aufmerksam. Alle Blicke richten sich auf mich. Selbst der junge Wolf hebt das geschwollene Gesicht. Ich zwinge meinen Atem zur Ruhe und bleibe gute fünf Schritte vor ihnen stehen. Zwei von fünf, tragen Schusswaffen in den Händen, die anderen scheinen auf den ersten Blick unbewaffnet, aber die Erfahrung sagt mir, dass sie irgendetwas verdeckt bei sich tragen. Keines der asiatischen Gesichter ist mir bekannt. Scheinbar gehören sie nicht zur Elite. Sie sind nur unwesentlich größer als ich und auch ihre körperliche Fitness lässt zu wünschen übrig. Das Narbengesicht hat einen gewaltigen Bauchansatz, während seine vier Verbündeten magre Jungspunde sind. Kleine Fische also, doch ich werde nicht den Fehler machen, sie zu unterschätzen. Zahlenmäßig sind sie uns immerhin überlegen.

Die Narbenfratze des Asiaten verzieht sich zu einem spöttischen Lachen. Er tritt näher an den jungen Wolf und fährt ihm mit dem Lauf seiner Pistole die Wange hinab. Mit der Zunge leckt er sich über die Lippe. Widerlich! Ich kämpfe die Wut in mir hinunter, ich muss jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Die Kerle bekommen ihre Strafe noch früh genug!

"Ein Freund von dir?" Der Junge schüttelt mit dem Kopf. In seinem Zustand ist es ihm unmöglich, mich auf diese Distanz zu erkennen. Gut so, so bleibt es an mir mich vorzustellen.

"Ich habe gehört ihr sucht jemanden!", sage ich laut und kraftvoll. Beiläufig ziehe ich meine rechte Hand aus der Tasche und lasse sie herabfallen. Meine Fingerspitzen berühren den Lauf meiner Pistole. Nun lachen alle fünf.

„Was bist du denn für ein Spaßvogel?" Der Asiat mit der Narbe, kommt einen Schritt auf mich zu. Er hebt den Arm und fuchtelt mit seiner Waffe herum. Glaubt er ernsthaft damit Eindruck auf mich zu machen? Ich gehe weiter, direkt auf die Männer zu. Im Augenwinkel fallen mir, kaum einen Meter von mir entfernt, einige Holzkisten auf. Sie bilden die einzige Deckung in meiner unmittelbaren Nähe. Ich merke mir diese Stelle und wende meine ganze Aufmerksamkeit den Männern zu.

"Ich bin der Begleiter des schwarzen Wolfes!", lasse ich sie wissen. Erst jetzt werden ihre Minen ernst. Sie versuchen die Situation neu abzuschätzen.

"Man, nennt mich den weißen Wolf!", verkünde ich und greife die Waffe in meinem Halfter. Ich werde schnell sein müssen, wenn sie die Nachricht verstanden haben. Doch sie sehen sich nur belustigt an.

"Der weiße Wolf ist tot!", entgegnet einer der jungen Asiaten. Er wird der erste sein, entscheide ich. Ich bleibe gut zwei Schritte vor den Kerlen stehen und drehe meinen Oberkörper seitlich von ihnen weg. So biete ich ihnen so kaum Angriffsfläche. Den Kerl, der gesprochen hat, sehe ich unentwegt direkt an. Angst spiegelt sich in den kleinen Mandelaugen. Gut so!

"Bist du dir da so sicher?" Seine Augen weiten sich. Seine Hand wandert unter sein Jackett. Ich ziehe meine Waffe, richte den Lauf auf seinen Kopf aus und drücke ab. Aus dieser Entfernung kann nicht mal ich verfehlen. Die Kugel durchbohrt seine Stirn und tritt aus seinem Hinterkopf wieder aus. Die Wucht des Schusses lässt ihn nach hinten umfallen. Im Augenwinkel kann ich sehen, wie das Narbengesicht seine Pistole hebt. Seine Hand ist mein zweites Ziel. Ich drehe mein Arm und schieße. Zwei Schüsse knallen durch die Halle. Seine Waffe fällt zu Boden. Er hält sich die getroffene Hand. Spätestens jetzt habe ich meine Schonfrist verspielt. Gleich drei Pistolen zielen auf mich.

Ich höre Schritte hinter mir und bin mir Tonis Anwesenheit bewusst, bevor ich ihn sehen kann. Er schießt und auch ich feuere meine Waffe ab. Er nimmt die zwei links von mir, ich den rechts. Zielsicher tötet Toni einen der beiden Asiaten, der andere kann rechtzeitig in Deckung gehen. Auch meine Kugel trifft, jedoch nur den Arm des Mannes. Das Chaos ist perfekt. Die Kerle springen auseinander und suchen Schutz hinter den Holzkisten.

"Das Narbengesicht will ich lebend!", rufe ich meinem Leibwächter zu, während ich nach rechts gehe und er nach links. Drei von den Scheißkerlen sind noch übrig. Ich suche Schutz hinter den Kisten, die ich mir schon zuvor als Deckung ausgesucht habe. Toni hingegen steigt auf zwei der Kisten auf der gegenüberliegenden Seite. Er will sich einen Überblick verschaffen und von oben schießen, doch dort wird er selbst ein leichtes Ziel abgeben. Ich werde ihn decken müssen, also lade ich schnell nach. Als ich fertig bin, nicke ich ihm zu, dann erst erklimmt er die letzte Kiste. Augenblicklich verlasse ich meine Deckung wieder. Toni schießt nach links. Er treibt einen der Asiaten aus seiner Deckung direkt vor den Lauf meiner Pistole. Ein Schuss in seine Brust und auch dieser Kerl ist keine Gefahr mehr. Nur noch zwei! Tonis Schüsse wechseln die Richtung. Ich spüre einen heftigen Schlag an meiner rechten Schulter, mein Muskel beginnt zu brennen. Ich beiße die Zähne zusammen. Nur ein Streifschuss, rede ich mir ein, doch ich habe genau gespürt, dass die Kugel stecken geblieben ist. Scheiß Asiaten! Ich suche den Mann, der auf mich geschossen hat, doch als ich ihn mit den Augen finde, fällt er mir schon tot vor die Füße. Bleibt nur noch das Narbengesicht. Doch wo steckt der Kerl? Es ist still geworden, selbst Tonis Pistolen schweigen. Er hat noch kein neues Ziel gefunden.

"Enrico!" Tonis Warnung kommt zu spät. Ich spüre eine scharfe Klinge am Hals und kann gerade noch so meinen Arm zwischen mich und den Angreifer schieben, um ihn daran zu hindern, mir die Kehle aufzuschlitzen.

"Du willst mich also lebend? Dann will ich dich tot! Sag deinem Wachhund, dass er da runter kommen soll!" Heißer Atem raunt mir in den Nacken und jagt mir eine Gänsehaut den Rücken hinab,trotzdem muss auflachen. Fühlt sich der Kerl wirklich so sicher, nur weil er mich als Schutzschild zwischen sich und Toni hält? Ich vertraue auf die Zielgenauigkeit meines Leibwächters, er ist der beste Schütze den ich kenne. Toni zielt auf uns und ich nicke ihm zu. Als sich sein Zeigefinger um den Abzug legt, drücke ich mich mit all meinem Körpergewicht gegen den Arm des Mannes. Er beugt sich mit mir und gibt so ein besseres Ziel ab. Die Klinge seines Messer verletzt die Haut an meinem Hals, doch den Kratzer nehme ich gern in Kauf. Ein einziger Schuss fällt. Die Kugel durchschlägt die Schulter des Mannes.

Ahhhrg!“, kreischt er auf, sein Arm gibt meiner Kraft nach. Ich packe ihn am Handgelenk und ziehe sie von meinem Hals weg, dann ramme ich ihm meinen Ellenbogen in den Magen. Als er sich vor Schmerzen krümmt, werfe ich ihn über die Schulter. Seine Hand lässt das Messer los. Es schlägt auf den Boden auf und rutscht weit von uns weg. Die Finger des Asiaten greifen nach meinem rechten Hemdärmel. Sie krallen sich daran fest. Der Stoff reist, die Nähte geben nach. Gemeinsam mit dem Narbengesicht, fällt auch der Ärmel zu Boden und gibt meinen blanken Oberarm frei. Der Blick des Mannes bleibt an meinem Tattoo hängen. Ein Wolfskopf mit der Aufschrift LEADER darunter.

"Du bist es wirklich", haucht er atemlos. Krampfhaft fasst er nach seiner verwundeten Schulter und drückt das Einschussloch zu. Blut quillt zwischen seine Finger hindurch. Sein Atem geht stoßweise. Er muss ahnen, dass er hier nicht mehr lebend raus kommt.

"Sehr richtig! Doch du wirst niemanden mehr davon erzählen können." Toni ist die Kisten herabgestiegen. Er tritt hinter den Asiaten, richtet den Lauf auf dessen Kopf und drückt ab. Die Kugel durchdringt die Schläfe des Mannes, er kippt um und bleibt regungslos liegen.

"Ich wollte ihn lebend!", knurre ich wütend. Jetzt werde ich nie erfahren, was sie wussten.

"Ich aber nicht!", entgegnet Toni mit todernster Miene. Anscheinend hatte er noch eine persönliche Rechnung mit diesem Kerl offen. Ich seufze. Jetzt ist es sowieso zu spät. Das Blut des Mannes verteilt sich bereits unter unseren Füßen. Ich atme durch. Das Adrenalin jagt noch immer durch meine Adern und lässt meine Haut kribbeln. Ich schließe für einen Moment die Augen und lege den Kopf in den Nacken. Ein Brennen zieht sich durch meine Schulter, der stechende Schmerz nimmt immer mehr zu, je weiter sich mein Pulsschlag beruhigt. Warmes Blut strömt meinen Arm hinab und tropft von meinen Fingern. Verdammt, ich hätte vorsichtiger sein müssen. Ich bin einfach nicht mehr so schnell und wendig, wie früher. Einige Male atme ich tief durch, bis ich spüre, wie Toni mir etwas fest um Schulter und meinen Oberarm bindet. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich zwei mal getroffen wurde.

"Die Kugel steckt noch drin, wir müssen das behandeln lassen", sagt er streng. Na toll! Dann steht heute Abend also auch noch ne OP an? Ich bin begeistert! Langsam öffne ich die Augen und senke meinen Blick, bis er an dem jungen Wolf hängen bleibt. Er rührt sich nicht. In seinem Oberkörper klaffen etliche Schusswunden. Er konnte dem Kugelhagel unser Feinde nicht, wie wir, ausweichen. Ich bin mir sicher, dass er inzwischen tot ist. Meinen Blick wende ich von ihm ab. Statt mich um ihn zu kümmern, knie ich mich zu dem toten Asiaten.

"Willst du ihn da hängenlassen?" Toni sieht den jungen Wolf mitleidig an.

"Ja!", entgegne ich ihm emotionslos. Wenn wir ihn mitnehmen, weiß jeder dass es Wölfe waren, die zu seiner Rettung kamen. Das gibt nur unnötige Vergeltungsschläge. Außerdem, was sollen wir mit seiner Leiche anfangen?

Ich schaue in den Taschen des Toten nach und finde einen Wagenschlüssel und eine Geldbörse. Den Wagenschlüssel stecke ich ein, die Geldbörse sehe ich durch. Die Fächer sind voller Zwanzig und Fünfzig Dollarscheine. Grob geschätzt vierhundert Dollar. Ich nehme sie an mich und werfe die Geldbörse achtlos neben den Toten. Das Geld können wir gut gebrauchen. Ich beschließe dasselbe bei den restlichen Männern zu tun. Während ich ihre toten Körper nach Wertsachen durchsuche, geht Toni zu dem jungen Wolf. Ich beobachte ihn dabei, wie er nach dem Puls des Jungen an dessen Hals fühlt. Seinem betrübten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte ich Recht, er ist bereits tot. Toni fährt ihm mit den Fingern über die geöffneten Augen und schließt sie. Ich kann nicht nachvollziehen warum er das tut. Lebendig macht es den Jungen auch nicht mehr und seine Ehre hatte er schon verloren, bevor wir hier ankamen. Ich stecke die letzten Geldscheine ein, die ich gefunden habe, dann erhebe ich mich.

"Lass uns verschwinden!", schlage ich vor. Toni folgt mir nur widerwillig. Ich sehe ihm an, dass er den Jungen nur ungern so zurück lässt. Das er bei so etwas immer so sentimental werden muss.

Bei seinen Verletzungen hätte er es eh nicht mehr lange gemacht und tot nützt er uns nichts. Auf unserem Weg über das Gelände kommen wir an den Autos der Bande vorbei. Ich bleibe stehen und sehe sie mir einen Moment lang an. An ihnen ist nichts Besonderes. Schade, dass es keine Motorräder sind.

"Sieh du denn rechts durch! Ich nehme den hier", weise ich Toni an und werfe ihm einen der beiden Schlüssel zu, die ich gefunden habe. Er fängt ihn auf und nickt mir zu.

Ich gehe zu dem größeren der beiden Automobile und öffne mit dem Schlüssel die Beifahrertür. Im Handschuhfach kann ich nichts finden und auch auf den Sitzen liegen keine Wertsachen, also wende ich mich dem Kofferraum zu.

Ich finde einen schwarzer Aktenkoffer. Was sich wohl in ihm befindet? Neugierig öffne ich die Verschlüsse und klappe den Deckel auf. Säuberlich nebeneinander aufgereihte Geldbündel. Jackpot! Ich nehme eines der Bündel heraus und sehe es durch. Grob geschätzt hundert Dollar. Zwanzig solcher Bündel liegen in dem Koffer, also zweitausend Dollar. Kein schlechter Schnitt für unseren ersten Auftrag. Ich lege das Bündel zurück, klappe den Koffer zu und nehme ihn an mich, dann gehe ich zu Toni. Er hat das Handschuhfach durchgesehen und nichts Wertvolles gefunden. Als ich bei ihm ankomme, öffnet er gerade den Kofferraum. Wir sehen beide hinein. Neben einem Benzinkanister ist er leer. Schade! Ich hätte nichts gegen noch so ein Geldkoffer gehabt.

"Willst du die Autos mitgehen lassen?", will Toni von mir wissen. Ich schüttle mit dem Kopf und drücke ihm den Koffer in die Hand. Beim Anblick des Benzinkanisters kommt mir eine andere Idee. Ich schraube den Deckel ab und hebe ihn aus dem Auto. Die stinkende Flüssigkeit verteile ich um die beiden Fahrzeuge, lege eine Spur bis in die Lagerhalle und eine zweite wieder hinaus zu dem toten Mann im Schatten. Die letzten Reste kippe ich über ihn und werfe den leeren Kanister zu seinen Füßen, dann sehe ich zu meinem Begleiter zurück. Er versteht wortlos und wirft mir sein Feuerzeug zu. Als ich damit den Leichnam in Brand stecke, kommt er zu mir. Wir sehen den Flammen dabei zu, wie sie sich auf den Spuren des Benzins ausbreiten. Mit dem Aktenkoffer in der einen und der anderen Hand in der Hosentasche, bleibt Toni neben mir stehen.

"Kommt einem irgendwie bekannt vor", sagt er. Ich verziehe das Gesicht und wende meinen Blick von den Flammen ab.

"Los verschwinden wir von hier!", schlage ich vor und setze mich in Bewegung. Toni holt noch seinen Gitarrenkoffer, den er im Schatten der Lagerhalle zurück gelassen hat, dann folgt er mir. Unsere Arbeit hier ist getan, den Rest wird das Feuer erledigen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  noamuth
2014-09-12T19:03:37+00:00 12.09.2014 21:03
Irgendwie habe ich es heute doch noch geschafft das Kapitel zu lesen :)

Die Sache mit der Rechtschreibung, ist ja ein bekanntes Problem, daher gehe ich darauf nicht weiter ein.

Insgesamt hat mir das Kapitel sehr gut gefallen. Die Kämpfe wirken sehr realistisch. Vielleicht ist das Ende etwas zu Hollywood mit der Explosion, aber na gut. Vielleicht sollten sie vorher noch ein wenig brennbares Material verteilen. Bin mir nicht so sicher, ob dann alles so schnell abbrennt, wie sie sich das vorstellen. Die Halle ist durchaus groß und bis auf ein paar Kisten wahrscheinlich leer.

Ich finde ihren Plan zum Einbrechen ja recht gewagt. Normal gibt es gegen eine Überzahl in unbekannten Gelände, wenn man Kämpfen muss, nur die Hinterhalt Taktik, den Gegner also in eine vorbereitete Falle zu locken oder durch das Überraschungsmoment das schnappen, was man will und wieder zu verschwinden. Ich denke Enrico hätte die Schusswunde mit bisschen mehr Planung verhindern können, aber seis drum. Sie hatten Glück und Reaktion.
Am Ende zeigt er aber definitiv eine der Eigenschaften, die einen guten Anführer ausmachen. Er tut, was er tun muss und auch wenn das heißt sein Bandenmitglied zurücklassen zu müssen. Unangehme Entscheidungen sind die Pflicht des Anführers^^
Er denkt also etwas voraus ;)

Aber die unentdeckten Tage sind wirklich vorbei. Die beiden alten Türsteher machen ihr Wissen sicher zu Geld. Fürchte er immer die Rache des gekränkten Mannes^^
Die ist fast so schlimm wie die Rache des gerechten Mannes.
Bin erstaunt, das weder Erik noch Enrico das in Erwägung ziehen. Vielleicht wäre ein "Abhandenkommen" dieser Leute sinnvoller gewesen^^

Enrico und Toni machen in diesem Kapitel einen krassen Charakterwechsel durch. Erscheinen sie dem Leser erst als Freunde, die alles tun würden um sich zu helfen, was ja eine gute Eigenschaft ist, so wandelt sich das in das Profil eines Mörders. Sie haben durchaus auch ihre Hässlichen Seite und wie ich schon mal angemerkt habe, wäre es gut in Bruchstücken zu wissen, woher diese Züge kamen. Die meisten werden ja keine Mörder zum Selbstzweck.

So das wars dann auch "schon" :)
Antwort von:  Enrico
12.09.2014 21:27
Das freut mich auch total. Ich habe ehrlich bei dem Kapitel etwas sorge gehabt.
Immerhin bist du auf dem Gebiet bewanderter und ja sicher hätte man das ganze etwas sicher gestalten können, aber das wäre nicht Enricos Art^^. Er ist ja auch kein ausgebildeter Soldat o.O schlechte Ausrede, oder?

Was das Auto am Ende angeht, da hast du sicher recht. Ich habe schon beim Schreiben überlegt, ob ein Tank überhaupt entzündet, wenn man rein schießt. Vielleicht ändere ich da noch etwas und lasse ihn den Schlüssel doch mit nehmen. Im Kofferraum könnte ja ein Benzinkanister drin sein. Dann würde sich das Feuer auf jeden Fall weit genug ausbreiten. Denke der Hinweiß ist brechtigt.

Ich bin wirklich froh, dass du schon so weit mitliest, bekomme ich doch durch dich noch einen ganz anderen Blickwinkel auf die Geschehnisse.
Antwort von:  Enrico
12.09.2014 22:27
Das mit den Türstehern ist gar keine schlechte Idee weis auch schon wo ich ihre Rache einbauen werde.
Von: abgemeldet
2014-09-02T23:14:37+00:00 03.09.2014 01:14
Super Kapitel, das richtig Schwung in die Geschichte bring.
Bei der Szene mit dem Messer, das der Gorilla nach Enrico wirft, musste ich an so ne hammer Slowmotion-Szene denken.
Dazu dann einen komplett desinteressierten Gesichtsausdruck. Jop, passt. Enrico ist, soweit ich jetzt gelesen, ein richtig toller Charakter.
Toni ist auch richtig badass. An sich gefallen mir die (wichtigen) Charaktere in deiner Geschichte sehr gut. Allesamt etwas düster aber sympathisch. Und sie wirken nicht stereotypisch, sondern gut durchdacht. Dafür großes Lob an dich.
Antwort von:  Enrico
03.09.2014 07:08
Ja, irgendwie habe ich mir die Szene auf so vorgestellt^^.
Ich lege auch besonderen Wert darauf die Charakter so menschlich wie möglich darzustellen. Mit all ihren Macken und Ecken und Kannten. Sie sollen nicht nur Cool und Schmerzunempfindlich sein. Ich freu mich wirklich, das sie sympatisch rüber kommen, obwohl sie kaltblütige Killer sind^^.
Von:  Wernes23
2014-08-25T06:39:38+00:00 25.08.2014 08:39
Da geht's ja richtig zur Sache
Erst die Türsteher und dann noch die Asiaten
Ich glaube das war dann erstmal genug Action für Enrico um sich wieder einzufinden

Super Kapi^^
Antwort von:  Enrico
25.08.2014 08:41
Ja, davon muss er sich wohl auch erst mal erholen^^.
Freu mich das dir das Kapitel gefallen hat.
Schreib auch schon fleißig am 7. Kapi.


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