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Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~

Teil V
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach dem ich heute erfahren habe, das der Roman den 2. Platz im Wettbewerb gewonnen hat und so ein tolles Kommentar lesen durfte, habe ich doch wieder Lust bekommen und nach dem ich die letzten drei Kapitel gelesen habe, das hier doch noch beendet. Drückt mir die Daumen, dass es so weiter geht und ich den Teil doch noch beenden kann.

Aber nun ohne große Umschweife, viel Spaß mit dem Ende dieses Kapitels: Komplett anzeigen

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~Tickets ins Vergessen~

"Ahhrrg!", stöhnt jemand auf, doch ich bin es nicht. Irritiert öffne ich die Augen. Der Kerl vor mir hält sich die blutende Hand, seine Waffe liegt am Boden. Gehetzt sieht er sich nach allen Seiten um.

"Zwei Anschläge an einem Tag, das ist selbst für dich neuer Rekord! Dich kann man echt nicht allein lassen!" Die Worte brechen an den Hauswänden und scheinen von überall her zu kommen.

Ein breites Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Diese Idiot, ausgerechnet jetzt kreuzt er wieder auf und woher weiß er überhaupt von dem Anschlag auf dem Friedhof? Ist er deswegen zurück gekommen? Neuer Lebensmut steigt in mir auf. Ich ziehe meine Waffe und richte sie auf den Kopf des Mannes, der sich noch immer seine getroffene Hand hält.

"Ihr solltet wissen, dass ich nie ohne Rückendeckung unterwegs bin", lasse ich sie siegessicher wissen und füge ernst hinzu, "Wenn ihr augenblicklich aus meinem Blickfeld verschwindet, könnt ihr euer kümmerliches Leben behalten!"

Die Vier sehen sich fragend an, sie zögern einen Moment. Ein weiterer Schuss knallt durch die enge Gasse und schlägt nur wenige Zentimeter vor dem Fuß des verletzten Kerls ein. Auch ich krümme den Zeigefinger um den Abzug. Erst jetzt setzen er und seine Kollegen sich in Bewegung, langsam dann immer schneller, rennen sie die lange Gasse entlang. Ich drücke ab, die Kugel schlägt in der Hauswand ein und auch aus der Ferne donnert ihnen ein Schuss nach. Ihre eiligen Schritte beschleunigen sich weiter, bis sie verschwunden sind.
 

Toni kommt zu mir, er steckt die Waffe hinter seinem Rücken in den Hosenbund und hält gemütlichen auf mich zu. Die Hände verstaut er in den Taschen seiner Jacke, einen Schritte von mir entfernt, bleibt er stehen. Er wirkt ausgeruht, die tiefen Augenringe und blauen Flecke in seinem Gesicht, sind verschwunden. Anette scheint sich gut um ihn gekümmert zu haben. Ich freue mich ihn wohlauf zu sehen und könnte ihm zeitgleich an den Hals springen. Warum taucht er erst jetzt wieder auf?
 

"Hast du wirklich gewusst, dass ich da bin?", will er von mir wissen und behält die Straße im Auge, auf der die Kerle verschwunden sind.

"Nein!" Gewusst habe ich es nicht, aber gespürt? War ich deswegen so ruhig?

"Dann hättest du dich einfach umlegen lassen?"

"Ja!", seufze ich.

"Idiot!" Toni holt aus und schlägt mir mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Ich reibe mir über die getroffene Stelle und murre in mich hinein. Wäre er nicht abgehauen, wäre ich nicht mal in diese Situation gekommen, dann würde ich jetzt bei Erik pokern oder die Nummer mit der Asiatin genießen.

"Hältst du's wirklich für klug, diese Typen laufen zu lassen?" Toni sieht den Kerlen noch immer nach.

"Sie auf offener Straße umzulegen, hätte uns nur unnötig Ärger eingebracht. Außerdem bin ich mir sicher, dass ihr Chef sie für uns aus dem Weg räumen wird." Zwei Fehlschläge, an nur einem Tag, das wird Giovanni ihnen niemals durchgehen lassen.

Wir schweigen eine ganze Weile, bis ich die Stille nicht mehr aushalte und einfach fragen muss: "Was machst du überhaupt hier?"

"Ich rette dir mal wieder deinen Arsch!" Ich rolle mit den Augen. Das ist sicher nicht der eigentliche Grund.

"Jetzt mal ernsthaft!" Toni schweigt, er sieht auf seine Füße und tritt von einem Bein auf das Andere.

"Es war langweilig ohne dich", murmelt er. Das ist alles? Ich schüttle mit dem Kopf. Das er nicht einmal jetzt offen und ehrlich sein kann.

"Du hast mir auch gefehlt", entgegne ich. Toni schaut verlegen unter meinem Blick hinweg, seine Wangen werden rot, betreten dreht er sich von mir weg.

"Komm mit, ich ... ich habe was für dich", stammelt er nervös und setzt sich in Bewegung. Er läuft den Weg zurück, den er gekommen ist. Irritiert sehe ich ihm nach. Seit wann tut er denn so geheimnisvoll? Wenn er mir jetzt auch mit einem geklauten Blumenstrauß kommt, haue ich ihm den Scheiß um die Ohren. Ich sehe ihm wütend nach, doch je länger ich ihn betrachte, seine strafen Schultern, den festen Hinter. Ich kann nichts gegen das Lächeln tun, das sich auf meinen Lippen ausbreitet. Was er mitgebracht hat, ist mir völlig egal. Das es ihm gut geht und er wieder da ist, ist mir genug.
 

Toni führt mich zu seinem Wagen, der vor Eriks Lokal parkt. Warum ist der mir vorhin nicht aufgefallen? Er öffnet die Fahrertür und steigt ein, auffordernd sieht er mich an. Ich zögere. Das letzte Mal, als ich zu ihm ins Auto stieg, brachte er mich ohne Umwege in die Hölle.

"Jetzt steig schon ein!", fordert er ungeduldig, doch ich bringe es nicht über mich. Wie ein Film läuft die Begegnung mit Michael in der Seitenstraße in mir ab. Toni beugt sich über den Beifahrersitz und öffnet die Tür für mich.

"Jetzt mach nicht so ein Theater und steig ein!", verlangt er wieder. Ich atme tief durch und dränge die Erinnerungen zurück. Das Herz trommelt hart in meiner Brust, als ich mich zu ihm setze und die Tür zuziehe. Er startet den Wagen und lenkt ihn aus der engen Einfahrt, seine Lippen ziert ein fröhliches Lächeln. Über was freut er sich denn so? Fragend betrachte ich ihn, bis er endlich etwas sagt: "Kannst du dich noch an den Tag erinnern, als ich dich mit Fieber vor meiner Wohnung aufgegabelt habe?" Sicher kann ich mich an den beschissenen Tag erinnern. Er wollte mich loswerden, um die Beziehung mit Anette nicht zu gefährden. Mir ging es so dreckig und er hätte mich einfach vor die Tür gesetzt. Irritiert sehe ich ihn an. Worauf will er hinaus?

"Du hast an dem Tag einen Vorschlag gemacht, den wir jetzt in die Tat umsetzen werden." Breit grinst er mich an. Ich versteh nur Bahnhof. Was für einen Vorschlag? Das Einzige, woran ich mich noch erinnern kann ist, dass ich nicht gegangen bin, als er mich raus werfen wollte. Was ich gesagt habe, ist mir längst entfallen. Als ich ihn noch immer fragend ansehe, deutet Toni auf das Handschuhfach: "Schau da rein!"

Skeptisch betrachte ich erst ihn. Auf unangenehme Überraschungen, kann ich wahrlich verzichten. Um endlich Licht ins Dunkel zu bringen, öffne ich das Fach und finde darin zwei Karten. Was um alles in der Welt ist das? Ich nehme sie heraus und lese die Schrift auf der Vorderseite vor: "Von New York auf die Bahamas", Nur langsam begreife ich, dass es sich bei den Karten um Schiffstickets handelt.

Verstört schaue ich ihn an, sein Lächeln wird immer breiter. Sind die etwa für uns? Das Datum der Abreise ist der 5. Juli, das ist schon morgen. Mir bleibt der Mund offen stehen, während mir mein Vorschlag wieder einfällt. Will er wirklich mit mir durchbrennen?

Das geht nicht! So sehr mir die Idee damals auch gefallen hat, ich kann jetzt nicht einfach abhauen. Hier tobt das Chaos, gleich drei Bandenchefs wollen mich töten. Die spüren mich auch auf den Bahamas auf. Ich kann jetzt nicht feige verschwinden und Schwäche zeigen.

"Du müsstest dein Gesicht sehen!", lacht Toni amüsiert. Sehr witzig! Er weiß doch gar nicht, was die letzten Tage alles vorgefallen ist. Und überhaupt, wie stellt er sich dass den vor? Er entführt mich einfach, ohne jegliche Vorbereitung? Wir haben weder Klamotten dabei, noch wissen unser Familien, wo wir sein werden.

"Das Schiff läuft schon morgen früh aus!", krächze ich atemlos.

"Ich weiß", lacht er wieder und grinst verschmitzt vor sich hin.

Meine Gedanken überschlagen sich: Wie soll ich das alles organisieren? Wer vertritt mich in unserer Abwesenheit und wer wird das ganze Aaron erklären? Der Pate ist im Moment sowieso nicht gut auf mich zu sprechen. Wenn ich jetzt einfach abhaue, was dann? Doch Moment! Toni ist nicht der Typ dafür, planlos und Hals über Kopf etwas in die Tat umsetzt. Er legt sogar seine Hemden nach Farben sortiert übereinander.

Nein, das ist nicht planlos und wir brennen sicher auch nicht einfach so durch. Er hat irgendwas organisiert. Langsam finde ich meine Fassung wieder und sehe ihn eindringlich an. Ich brauche nichts sagen, mein forschender Blick reicht aus, ihm eine Antwort zu entlocken: "Keine Sorge, Aaron weiß Bescheid. Er hat auch die Tickets bezahlt und das Hotel, in dem wir heute übernachten werden. Ich soll dir den Kopf waschen und dich zur Vernunft bringen, aber mir schwebt da was ganz anderes vor ..." Also ist alles nur Aarons Idee gewesen? Mit den Augen rollend, wende ich mich von ihm ab und sehe den vorbeifliegenden Wohnhäusern nach. Wie kann ich auch allen ernstes annehmen, er wollte mir was gutes tun und sich für sein Verschwinden entschuldigen. Ich höre ihm nicht mehr zu, will gar nicht wissen, was Aaron geplant hat.

"Was hast du? Ich dachte du freust dich." Ich seufze und zwinge mich zu einer Antwort: "Bist du nur auf Aarons Befehl hin zurück gekommen?" Toni schluckt, die Fröhlichkeit verschwindet von seinen Lippen, seinen Blick wendet er ab und konzentriert auf die Straße. Sein Schweigen ist mir Antwort genug. Die Karten werfe ich zurück ins Handschuhfach. Er kann alleine fahren.
 

"Ich habe mit Anette Schluss gemacht", meint er kleinlaut. Erschrocken fahre ich zusammen und sehe ihn ungläubig an. Noch immer hat er den Blick stur auf die Straße gerichtet, eine Mischung aus Erleichterung und Traurigkeit glaube ich in seinen Augen lesen zu können. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Seine Familie bedeutet ihm alles und trotzdem hat er sich gegen sie entschieden? Warum? Als ich nichts sage und ihn unvermittelt ansehe, fährt er fort: "Ich kann das einfach nicht mehr. Mit einer Frau zusammen leben, mit ihr ein Bett zu teilen und auf heile Familie zu machen, während ich mit den Gedanken ständig wo anders bin." Seine letzten Worte zittern. Er meint wohl mit den Gedanken bei mir? So ernst das Thema auch ist, ich bekomme das Lächeln nicht los, das sich mir ins Gesicht zwing. Sieht er endlich ein, dass er mit Frauen nichts anfangen kann, dass es mit mir einfach viel besser ist?

"Sie ist eine tolle Frau, die Beste, die man sich wünschen kann, aber ..." Er schweigt und schluckt seine letzten Worte, wie einen schweren Kloß im Hals hinunter. Ich kann über ihn nur mit dem Kopf schütteln. Wir sind unter uns und trotzdem kann er nicht aussprechen, dass er auf Männer und nicht auf Frauen steht. Seine Finger krallen sich um das Lenkrad fest, die Stirn legt er in tiefe Sorgenfalten. Es wird still, unerträglich still. Wenn mir doch nur etwas einfallen würde, was ich sagen kann, doch ich habe den Eindruck, er ist noch lange nicht fertig.

"Die Idee mit dem Urlaub kam von mir", sagt er schließlich bestimmt, "Ich will mit dir allein sein. Weg von den Frauen und den Menschen, die uns umlegen wollen. Wenigstens für ein paar Tage, will ich mir keine Sorgen um unsere Sicherheit machen müssen und dich einfach für mich haben. Bevor einer von uns beiden den Löffel abgibt, will ich wenigstens noch einmal etwas schönes erlebt haben." Tonis Augen werden gläsern. Geht ihm das denn wirklich so nah?

Etwas schönes erleben, nur mit ihm? Auch mein Blick trübt sich jetzt. Auf so etwas zu hoffen, habe ich schon längst aufgegeben.

"Du hast recht! Wir haben uns ein bisschen Urlaub verdient", stimme ich ihm zu und hole die Karten wieder aus dem Fach. Sonne, Strand und Toni in Badehose. Ich grinse breit. Dafür hat es sich doch gelohnt, diesen ganzen Dreck zu überleben.



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