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Gestaltenwandler

DoflamingoxCrocodile (AU)
von

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Part I: Zuhause und in der Fremde

Das Wetter wollte sich einfach nicht beruhigen. Wieder einmal hielt Doflamingo sich im Eingangsbereich seiner Höhle auf und beobachtete interessiert, was draußen vor sich ging. Noch immer regnete, donnerte und blitzte es; der Wind war so stark, dass er sogar schon jüngere Bäume aus dem Erdreich riss. Tatsächlich lag nicht weit vom Eingang seiner Höhle entfernt eine umgestürzte Eiche auf dem Waldboden. Und obwohl es eigentlich bereits Mittag sein musste, war der Himmel wolkenverhangen und dunkel.

Glücklicherweise war Doflamingos Behausung gut gesichert; Einsturz- oder Überflutungsgefahr etwa bestanden nicht. Und selbst wenn irgendein Notfall eintreten sollte, besaß die Höhle mehrere geheime und ebenfalls sehr gut gesicherte Notausgänge. Doflamingo war trotz des Sturms zuversichtlich und ging davon aus, dass sich sowohl er selbst als auch Crocodile in Sicherheit befanden.

Nach einer weiteren zwar erheiternden, doch auch anstrengenden Diskussion hatte er den Kater schlussendlich dazu überreden können, sich wieder schlafen zu legen. So schwer verletzt und ausgehungert wie dieser war, sollte er für einige Tage lang am besten nichts Anderes tun als zu essen und zu schlafen. Doflamingo jedenfalls hatte nichts dagegen, dass Crocodile sich weiterhin in seiner Nähe aufhielt und sich unter seinem Schutz in Ruhe auskurierte. Draußen würde er sicherlich rasch sterben; Sturm hin oder her.

Wieder fragte sich Doflamingo unweigerlich, woher der Kater wohl kam und wer ihn so furchtbar zugerichtet hatte. Er vermutete, dass Crocodile zuvor in der Stadt gelebt hatte, doch wieso war er in den Wald geflüchtet? So furchtbar unbeholfen wie dieser sich unlängst verhalten hatte, lag der Verdacht nahe, dass er kaum Erfahrungen mit dem Leben in freier Natur hatte. Was bloß hatte ihn also in dieses gefährliche Terrain getrieben? Bisher erschien Doflamingo die Theorie, dass Crocodile in einen Zoo eingesperrt gewesen war, ehe ihm die Flucht gelang, am wahrscheinlichsten; wo sonst hätte eine Großkatze (vermutlich ein Panther) in der Stadt auch Platz gehabt?

Doflamingo seufzte, ehe er dem faszinierenden Naturspektakel, das sich draußen abspielte, den Rücken kehrte und in den Schlaf- und Wohnbereich seiner gemütlichen Höhle zurückging. Crocodile hatte sich auf dem Bett in die wärmenden Felle und Decken eingewickelt und schlief tief und fest; Doflamingo konnte seinen gleichmäßigen Atem und ruhigen Herzschlag hören. Um den müden Kater nicht aufzuwecken, schlich er auf besonders leisen Sohlen zu diesem hinüber und ließ sich dann neben ihm auf dem Bett nieder.

Ohne weiter darüber nachzudenken, streckte Doflamingo seine linke Hand aus und strich dem anderen Gestaltenwandler zärtlich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Haut fühlte sich weich und warm an. Unwillkürlich überkam Doflamingo das heftige Verlangen, sich erneut eng an den blassen Körper zu pressen und seine Wärme zu spüren. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Er hatte es sehr genossen, neben dem schlafenden Kater zu liegen und dessen Wunden sauber zu lecken.

Dieses Verlangen war jedoch nicht das einzige, das Doflamingo verspürte. Der junge Mann, dem er das Leben gerettet hatte, traf mit seinem dunklen Haar, der blassen Haut und den langen Beinen seinen Geschmack hundertprozentig; die bernsteinfarbenen Augen, die von geschwungenen Wimpern umrandet wurden, waren ein zusätzlicher Bonus. Doflamingo wurde auf eine sehr unangenehme Weise daran erinnert, dass sein letzter Sex nun schon mehrere Wochen zurücklag. Er war eine Person, die sehr gerne Sex hatte und diesem Trieb normalerweise auch häufig folgte; doch in letzter Zeit war er zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, um sich seine sexuellen Wünschen zu erfüllen.

Doch das Interesse, das er inzwischen an dem hübschen Kater entwickelt hatte, war nicht bloß sexueller Natur. Er war nicht nur in dessen anziehenden Körper vernarrt, sondern auch in dessen Wesensart: Crocodile war stolz, stur und tapfer. Jemand, der sich niemals unterkriegen ließ. Klug und redegewandt. Und dabei gleichzeitig doch so unfassbar unbeholfen und unvernünftig. Tatsächlich weckte seine unerfahrene Art in Doflamingo beinahe schon eine Art fürsorglichen Beschützerinstinkt. Warum sonst würde er seinen Schlafplatz und seine Beute mit ihm teilen?

Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann hatte Doflamingo seine Entscheidung längst getroffen: Er fände es sehr schön, wenn Crocodile nicht gleich wieder verschwinden würde, sobald er wieder genesen war. Viel lieber sollte der Kater bei ihm bleiben und ihm als sein fester Partner Gesellschaft leisten. Doflamingo fand, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Wesensart gut zusammenpassten. Jedenfalls hatte ihn die letzten Stunden überaus gut unterhalten und die Sehnsucht nach seinem alten Rudel gemindert.

Crocodile brummte leise im Halbschlaf, als er sich ein Stückchen zur Seite drehte und seine langen Beine neu positionierte. Außerdem fuhr er mit den Fingern der rechten Hand über die Wunde in seinem Gesicht; als ihm dies nicht reichte, begann er mit seinem Handrücken feste darüber zu reiben. Wahrscheinlich juckte die Verletzung, die gerade erst richtig zu heilen begann, vermutete Doflamingo, der sich in solchen Dingen recht gut auskannte.

Er nahm Crocodiles Hand in seine und zog sie mit sanfter Gewalt beiseite; anschließend leckte er mit seiner Zunge vorsichtig über die schmale Wunde, um sie zu säubern. Diese Handlung veranlasste den Kater dazu, langsam zu erwachen. Benommen drückte er seine Hand gegen Doflamingos Kinn und schob dessen Gesicht von sich fort. Anschließend öffnete er seine bernsteinfarbenen Augen, die seinen Krankenpfleger verwirrt und leicht genervt, gleichzeitig jedoch auch recht verlegen ansahen.

"Was machst du da?", fragte Crocodile mit müder Stimme und versuchte sich aufzusetzen.

"Nichts weiter", meinte Doflamingo und drückte den matten Kater behutsam zurück in eine liegenden Position. "Ich habe nur deine Wunde gesäubert. Du hast eben im Halbschlaf mit deinen dreckigen Fingern darüber gerieben. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Leg dich ruhig wieder schlafen."

"Meine Finger sind nicht dreckig", schimpfte Crocodile, doch war noch immer so müde und erschöpft, dass seine Stimme ganz leise und nur halbherzig wütend klang. "Ich halte mich immer sauber. Du bist selber dreckig, du unverschämter Hund."

"Ich bin kein Hund, sondern ein Wolf!", entgegnete Doflamingo mit verärgerter Stimme. Jeden Anderen, der ihn einen Hund nannte, hätte er getötet; Hund war für ihn ein noch viel schlimmeres Wort als Töle oder Köter. "Und du solltest jetzt wirklich weiterschlafen. Du bist nicht bei Sinnen und redest Unsinn, Kater!"
 

Crocodile fragte sich, ob Wölfe niemals schliefen. Als er irgendwann wieder erwachte, hielt sich Doflamingo ein paar Schritte vom Bett entfernt auf und ließ seinen Blick augenscheinlich recht gedankenverloren durch die Höhle schweifen. Gerne hätte Crocodile gewusst, woran der andere Gestaltenwandler dachte, doch er hielt es für unangemessen und unverschämt, nachzufragen.

"Hast du gut geschlafen?", wandte sich Doflamingo an ihn, kaum hatte er bemerkt, dass er aufgewacht war.

"Ja, habe ich", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Tatsächlich musste er feststellen, dass das leckere Fleisch und die vielen Stunden Schlaf ihm gutgetan hatten. Er fühlte sich deutlicher fitter und gesünder als zuvor. Unter diesen Umständen würde seine Genesung sicher schnell voranschreiten. Wenn er ehrlich war, dann konnte er wirklich von Glück sprechen, dass der Wolf ihn nicht draußen in der Kälte unter dem Brombeerstrauch zurückgelassen, sondern mit in seine trockene Höhle genommen und dort versorgt hatte. "Stürmt es immer noch?"

Doflamingo nickte. "Es wird immer schlimmer. Draußen herrscht absolutes Chaos. Der Regen weicht den Erdboden auf und der Wind reißt die Bäume heraus. Viele Bäume sind auch durch Blitzeinschläge zerstört worden. Ich habe sogar schon einige Tiere und Gestaltenwandler gesehen, deren Zuhause wohl zerstört wurde und die nun schutzlos dem Unwetter ausgeliefert sind. Einen solch schrecklichen Sturm habe ich noch niemals zuvor erlebt."

Crocodile schluckte und senkte den Blick. Doflamingos Worte erinnerten ihn umso deutlicher daran, dass er diesem zu Dank verpflichtet war. Bei diesem Unwetter hätte er draußen sicherlich den Tod gefunden; Verletzung hin oder her. Er verdankte Doflamingo sein Leben.

"Möchtest du etwas essen?", fragte ihn ebenjener und kam ein wenig näher.

"Ich möchte keine Umstände bereiten", erwiderte Crocodile ausweichend, auch wenn er gegen ein saftiges Stück Fleisch nichts einzuwenden hätte. Er war eine sehr stolze Person und eigentlich entsprach es gar nicht seiner Art, einem so gut wie Fremden auf der Tasche zu liegen.

"Dass du immer so furchtbar höflich und stolz sein musst", meinte Doflamingo und grinste spitzbübisch. "Ihr Katzen scheint mir eine sehr aufgeblasene Rasse zu sein."

"Nicht alle Katzen sind höflich und stolz", wandte Crocodile ein; er warf Doflamingo einen versöhnlichen und einsichtigen Blick zu. "Genauso wie anscheinend nicht alle Wölfe egoistisch und unbarmherzig sind."

"Soll das ein Kompliment sein?", fragte Doflamingo heiter lachend und ohne ihn aus den Augen zu lassen.

Crocodile wandte peinlich berührt den Blick ab und erwiderte: "Vielleicht." Seit wann sagte er denn solch romantische und sentimentale Dinge? Diese seltsame und neue Ader passte eigentlich überhaupt gar nicht zu ihm. Crocodile war alles andere als bekannt dafür, eine einfühlsame Person zu sein.

"Wenn es wirklich ein Kompliment gewesen ist, dann möchte ich mich dafür bedanken", meinte der Wolf und Crocodile konnte überhaupt nicht einschätzen, ob die Worte ernst oder neckisch gemeint waren.

Sie schwiegen beide für eine Weile verlegen, ehe Doflamingo sich räusperte und meinte: "Möchtest du nun etwas essen oder nicht? Du machst mir keine Umstände. Ich habe mehr als genug da. Selbst wenn der Sturm sich noch länger hält, werden wir beide in keinen Engpass kommen, denke ich."

"Ein kleines Stückchen Fleisch wäre nicht schlecht", lenkte Crocodile schließlich ein.

"Ich habe Wildschwein, Kaninchen, Fuchs und Dachs da. Außerdem Ente und noch ein weiteres Rebhuhn. Was möchtest du?"

"Mir ist es ganz egal", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Er kannte sich mit den Tieren des Waldes nicht aus und wusste darum auch nicht, welches ihm womöglich besser oder schlechter schmeckte. Er war bereits fertig zubereitete und konservierte Nahrung aus Dosen oder Beuteln gewohnt. Am liebsten aß er Thunfisch in Sauce und Geflügel in Gelee. Doch so etwas in der Art hatte der Wolf vermutlich nicht da.

Doflamingo verschwand für einen kurzen Augenblick in derselben Nebenkammer, aus der er bereits zuvor seine erlegte Beute zutage gefördert hatte; Crocodile ging also davon aus, dass es sich bei dieser um die Speisekammer handelte.

Auch wenn Crocodile sich nun schon länger in Doflamingos Behausung aufhielt, hatte er nur kaum an Orientierung gewonnen. Noch immer wusste er nicht einmal, in welcher Richtung sich der Ausgang befand; die Höhle war so weitläufig, dass er beim besten Willen nicht erahnen konnte, welche Abzweigung nach draußen führte. Und sein Geruchssinn war so schrecklich schlecht ausgebildet und verkümmert, dass er weder die nasse Luft noch die Wiese oder Bäume wittern konnte.

Doflamingo kehrte aus der Speisekammer zurück. In seinen Händen hielt er den recht großen Leib eines Rebhuhns, den er an Crocodile übergab, ehe er sich neben diesen auf das Bett setzte. Crocodile räusperte sich und bemühte sich darum, sich seine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. Er hatte, wenn er ehrlich war, nicht damit gerechnet, ein ganzes und vor allen Dingen noch vollständig befiedertes Huhn vorgesetzt zu bekommen; beim letzten Mal hatte Doflamingo dieses für ihn gerupft. Crocodile wusste nicht, wie man einem Huhn die Federn ausrupfte oder einem Säugetier das Fell abzog. Er war eine Hauskatze, die jeden Abend pünktlich um sechs Uhr gefüttert wurde, und kein wild lebender Jäger.

"Möchtest du nichts?", fragte Crocodile darum und hoffte still darauf, dass der Wolf ihm sein Mahl erneut soweit vorbereiten würde, dass er es bloß noch auseinanderzunehmen (was er übrigens auch nicht sonderlich gut konnte) und zu essen brauchte.

"Im Augenblick nicht", erwiderte allerdings Doflamingo zu seinem Leidwesen.

Crocodile schwieg überaus beschämt und konnte den Blick nicht abwenden von dem Rebhuhn, das auf seinem Schoß lag. Was sollte er denn jetzt nur tun? Sich selbst eine peinliche Blöße geben und Doflamingo gegenüber zugeben, dass er nicht wusste, wie man einem Huhn die Federn ausrupfte? Oder lieber sein Glück versuchen und das Rebhuhn auf eigene Faust rupfen? Beide Optionen klangen in Crocodiles Ohren nicht unbedingt vielversprechend.

Erneut verfluchte er, dass er bloß mit dem Tiergeist einer einfachen Hauskatze gesegnet worden war. Viel lieber wäre eine Raubkatze wie zum Beispiel ein Panther oder zumindest ein Parder. Selbst den Tiergeist einer in den Wäldern lebenden Wildkatze hätte er bevorzugt.

"Ist etwas nicht in Ordnung?", riss Doflamingos Stimme ihn aus seinen Gedanken. "Du rührst das Huhn ja gar nicht an. Dabei hatte ich beim letzten Mal eigentlich den Eindruck, dass es dir ganz gut geschmeckt hat. Oder warst du bloß so hungrig, dass du einfach alles verschlungen hättest? Ich kann dir auch etwas anderes bringen, wenn du möchtest. Was hältst du von Wildschwein?"

"Nein, ist schon gut", lenkte Crocodile rasch ein, weil er nicht gierig erscheinen wollte. Schließlich handelte es sich bei diesem Rebhuhn um Nahrung, die ihm aus reiner Freundlichkeit heraus überlassen wurde. Es zu verschmähen und nach etwas Anderem zu verlangen würde einen höchst undankbaren und unhöflichen Eindruck erwecken.

"Es ist nur", begann Crocodile und stockte für einen kurzen Moment, bevor er sich räusperte und mit schrecklich beschämter Stimme fortfuhr, "dass ich überhaupt nicht weiß, wie man ein Huhn rupft. So etwas habe ich noch nie zuvor gemacht."

"Oh", meinte Doflamingo, der ehrlich überrascht und ziemlich fassungslos wirkte angesichts dieser unerwarteten Beichte. Für eine Weile brachte er kein Wort über die Lippen, ehe er sich wieder sammelte und schließlich mit recht unbeholfener Stimme sagte: "Ähm, okay. Das ist kein Problem. Ich zeige es dir einfach, ja? Schau mir genau zu und beim nächsten Mal kannst du es dann selbst versuchen. In Ordnung?"

Crocodile nickte halb verlegen, halb erleichtert. Aufmerksam sah er dabei zu, wie Doflamingo dem Rebhuhn gegen den Strich eine Feder nach der anderen ausrupfte. Die Federn am Rücken kamen als letztes dran. Die Arbeit wirkte zwar recht mühsam, doch nicht sonderlich kompliziert.

"Danke", meinte Crocodile und nahm das nun fein säuberlich gerupfte Huhn entgegen.

"Gerne", erwiderte Doflamingo und musterte seinen Gast mit einem undefinierbaren Blick. "Lass es dir gut schmecken. Du hast jedes Stückchen Fleisch nötig, das du kriegen kannst, so furchtbar dünn wie du bist."
 

Wenn Doflamingo ehrlich war, dann hatte ihn die Erkenntnis, dass der Kater nicht einmal so simple Aufgaben wie das Rupfen eines Huhns selbst erledigen konnte, doch sehr betroffen gemacht. Zu jagen und seine Beute zuzubereiten gehörte nämlich mit zu grundlegendsten Dingen, die man als Gestaltenwandler lernte. Doflamingo selbst hatte sein erstes Tier im Alter von gerade einmal vier Jahren erlegt; es war ein verletzter Waschbär gewesen und seine Mutter hatte ihm anschließend gezeigt, wie man ihm das Fell abzog und vernünftig zerlegte.

Auf der anderen Seite allerdings sollte ihn Crocodiles Unfähigkeit, in der freien Natur zu überleben, nicht wundern. Noch immer vermutete Doflamingo, dass es sich bei dem Kater um ein entlaufendes Zootier handelte. Er wusste, dass Gestaltenwandler dort unter schrecklichen Bedingungen gehalten wurden: Sie lebten in engen Käfigen, durften nicht jagen, wurden zu Unterhaltungszwecken dressiert. Dass Crocodile, der wahrscheinlich einen Panther als Tiergeist hatte, an einem solch fürchterlichen Ort niemals gelernt hatte zu jagen und seine Beute zuzubereiten, lag also auf der Hand.

Sobald Crocodile vollständig genesen war, dachte Doflamingo, würde er ihn mit auf Jagd nehmen und ihm beibringen, wie man sich im Wald Nahrung beschaffte. Vorausgesetzt natürlich, dass dieser sich überhaupt dazu entschied, bei ihm zu bleiben.
 

Er hatte gerade die letzten Reste des absolut köstlichen Rebhuhns verzehrt, als Doflamingo neben ihm plötzlich die Ohren anlegte und die Zähne bleckte. Irritiert sah Crocodile zu dem Wolf hinüber, der seinen Blick jedoch nicht erwiderte und diesen stattdessen durch die Höhle schweifen ließ. Crocodile verstand überhaupt nicht, was los war.

Da außer ihnen beiden niemand anwesend war, ging er davon aus, dass die unerwartete Drohgebärde ihm galt. Doch was hatte er falsch gemacht? Hatte er womöglich, ohne es selbst zu bemerken, auf irgendeine Weise Doflamingos Gastfreundschaft verletzt und sich nun seinen Zorn zugezogen? Crocodile kannte sich mit den Traditionen und Gebräuchen der Wölfe nicht aus; genausowenig wie mit denen irgendwelcher anderer wild lebender Gestaltenwandler.

Verunsichert wich Crocodile ein Stück zurück und musterte Doflamingo argwöhnisch. Wollte ihn dieser jetzt etwa angreifen? Nervös beobachtete Crocodile, wie der Wolf sich aufrichtete und seinen buschigen Schwanz hochstellte. Seine Körpersprache deutete in allen Punkten auf Drohung und Feindseligkeit hin. Wieder wurde Crocodile daran erinnert, dass er im Ernstfall nicht die geringste Chance gegen den anderen Gestaltenwandler haben würde.

Just entschied Crocodile sich dazu, dieses Missverständnis so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen. Immerhin hatte er es nicht beabsichtigt, Doflamingo zu verletzen oder zu beleidigen. Und da der Wolf sich ihm gegenüber bisher stets sehr zuvorkommend verhalten hatte, ging Crocodile zuversichtlich davon aus, dass er auch in diesem Fall nachsichtig mit ihm umgehen würde.

"Doflamingo?"

"Leise!", erwiderte dieser jedoch bloß mit energischer Stimme.

Verwundert zog Crocodile die Augenbrauen zusammen, kam jedoch der Aufforderung des anderen Gestaltenwandlers nach. Noch immer konnte er sich keinen Reim auf dessen seltsames Verhalten machen.

Doflamingo schlich in seiner drohenden und angespannten Körperhaltung voran und bog in eine der zahlreichen Abzweigungen ab. Crocodile war klug genug, um ebenfalls auf besonders leisen Sohlen zu gehen, während er dem Wolf durch die Höhle folgte. Es dauerte nicht lange, bis sie beide eine Art Eingangsbereich erreichten; der zu Crocodiles Erstaunen allerdings nicht verlassen war.

Ein fremder Gestaltenwandler -derzeit in seiner menschlichen Gestalt- hatte Doflamingos Höhle betreten. Die aufgestellten Ohren und der buschige, rote Schwanz mit der weißen Spitze deuteten darauf hin, dass dieser einen Fuchs als Tiergeist besaß. Drei schmale Narben verliefen schräg über sein linkes Auge, doch die Verletzung schien bereits älter zu sein. Vermutlich suchte er Schutz vor dem schrecklichen Sturm, der noch immer wie verrückt tobte.

Es war das erste Mal, seit Crocodile unter den Brombeersträuchern gelegen hatte, dass er das heftige Unwetter wieder selbst zu Gesicht bekam. Draußen schien die Situation noch deutlich verheerender zu sein als Doflamingo sie ihm geschildert hatte: Blitze erleuchteten im Sekundentakt den Himmel und der Donner war so laut, dass Crocodile bei jedem Schlag ein kalter Schauer über den Rücken lief. Er war unfassbar glücklich darüber, dass er sich unter diesen Verhältnissen nicht länger draußen aufhalten musste, sondern von Doflamingo gerettet worden war. Inzwischen war ihm längst klar, dass er unter diesem Dornenstrauch wohl tatsächlich gestorben wäre, hätte der Wolf nicht nach ihm gesucht und ihn in seine Höhle gebracht.

Der Fuchs hatte sie beide bemerkt. Doflamingo zeigte keine Furcht. Mit gebleckten Zähnen und drohendem Knurren näherte er sich dem Eindringling. Seine Ohren waren aufgerichtet und sein Schwanz hochgestellt. Trotz seiner menschlichen Gestalt machte er einen äußerst bedrohlichen und gefährlichen Eindruck. Selbst Crocodile, der davon ausging, dass Doflamingo ihm nichts tun würde, flößte dieser Anblick Respekt ein.

"Verschwinde!", knurrte Doflamingo mit gebieterischer Stimme und ohne den fremden Fuchs auch nur für einen kurzen Augenblick aus den Augen zu lassen. Er stand einige Schritte vor Crocodile und versperrte dem fremden Gestaltenwandler somit den weiteren Weg in das Innere der Höhle.

"Ganz ruhig", erwiderte der Fuchs, der zwar ein wenig nervös, doch nicht furchtsam klang. "Ich bin bloß auf der Suche nach einem Unterschlupf. Mein Zuhause ist völlig überflutet. Ich möchte nur solange bleiben, bis sich der Sturm wieder gelegt hat. Gleich danach verschwinde ich wieder. Ich werde weder dir noch deinem Partner Leid zufügen. Versprochen."

"Hier kannst du nicht bleiben", erwiderte Doflamingo unerbittlich. "Verschwinde! Dies ist meine letzte Warnung: Entweder du verlässt sofort meine Höhle oder ich werde dich zerfetzen, Fuchs!"

"Hast du denn gar kein Herz, Wolf?" Der Fuchs änderte seine Taktik und versuchte nun, Doflamingo einzulullen und an dessen Gefühle zu appellieren. "Draußen werde ich sicherlich den Tod finden. Außerdem sehe ich gerade, dass dein Partner gar kein Wolf, sondern ein Kater ist. Wenn du Platz für einen Kater hast, dann ist sicherlich auch Platz für einen Fuchs da. Nicht wahr?"

Wenn er ehrlich war, dann empfand Crocodile es als sehr unangenehm, auf dieselbe Stufe wie der fremde Gestaltenwandler gestellt zu werden, auch wenn in dessen Worten womöglich ein Fünkchen Wahrheit lag. Immerhin war er -ebenso wie der Fuchs- bloß ein Fremdling, der dem Sturm, der draußen tobte, hilflos ausgeliefert gewesen war. Genauso wie der Fuchs, der nun vor ihnen beiden stand und um Obdach bat, war er auf Doflamingos Gnade und Hilfe angewiesen. Es war eine wirklich sehr ähnliche Situation.

Doch obwohl Crocodile ein klein wenig Mitleid für den anderen Gestaltenwandler übrig hatte, wünschte er sich doch, Doflamingo würde nicht weich werden und klein bei geben. Ihm gefiel der Gedanke nicht, die Höhle mit einem Dritten teilen zu müssen. Denn auch wenn Crocodile es niemals zugegeben hätte, genoss er doch die viele Aufmerksamkeit und Zuwendung, die Doflamingo ihm schenkte. Er wollte diesen Sonderstatus nicht zugunsten eines Fremdlings aufgeben.

Aber dazu kam es gar nicht erst. Überrascht stellte Crocodile fest, dass, als Doflamingo von seiner letzten Warnung gesprochen hatte, dessen Worte tatsächlich ernst gemeint gewesen waren. Kaum hatte der Fuchs zu Ende gesprochen, verwandelte Doflamingo sich und nahm die Gestalt seines Tiergeistes an. Nun thronte ein gewaltiger und laut knurrender Wolf zwischen dem Fuchs auf der einen und Crocodile auf der anderen Seite.

Wenngleich Crocodile wusste, dass Doflamingo für ihn keine Gefahr darstellte, und auch wenn er es später niemals zugeben würde, bekam er es in diesem Augenblick mit der Angst zu tun. Er musste daran zurückdenken, wie er draußen in den Wäldern von dem riesigen Wolf mit dem blutverschmierten Mund überrascht worden war und wie er absolut panisch die Flucht ergriffen hatte. Unwillkürlich wich er einige Schritte zurück und brachte auf diesem Weg mehr Abstand zwischen ihm und Doflamingo. Sein Herz schlug so laut, dass Crocodile sich sicher war, dass sowohl der Wolf als auch der Fuchs es hören müssten.

Doflamingo verlor keine Zeit. In derselben Sekunde, in der er sich verwandelt hatte, hastete er auf den Eindringling zu und schnappte mit seinem Maul nach ihm. Der Fuchs allerdings wich rasch aus und nutzte die Gelegenheit, um sich ebenfalls zu verwandeln. Crocodile wiederum presste sich eng an die hintere Höhlenwand und blieb in unmittelbarer Nähe zum Gang, der tiefer hinein in Doflamingos Behausung führte. Er war sich dessen bewusst, dass, sollte es wirklich hart auf hart kommen, er keine Chance gegen einen der beiden anderen Gestaltenwandler haben würde; da war es klüger, sich einen Fluchtweg freizuhalten.

Auch wenn Doflamingo das größere und stärkere Tier der beiden war, gelang es ihm nicht sofort, seinen Gegner zu erwischen. Der Fuchs war nämlich ungeheuer flink und gelenkig. Er schien seinen Plan, in dieser Höhle Schutz vor dem Sturm zu suchen, noch nicht aufgegeben zu haben und bemühte sich darum, den Wolf zu ermüden.

Furchtsam und gleichzeitig doch gebannt beobachtete Crocodile das heftige Gefecht zwischen den beiden überaus ungleichen Gestaltenwandlern. Er hatte noch niemals zuvor einen echten Kampf zwischen zwei Raubtieren miterlebt. Höchstens Mihawk und Zoro, die sich in Gestalt ihrer Tiergeister um die letzte Dose Thunfisch stritten.

Bald jedoch musste der Fuchs einsehen, dass er trotz seiner flinken Füße einfach keinen Sieg gegen den mächtigen Wolf erringen konnte. Er nutzte seine letzte Kraft, um Doflamingo zu entkommen und rasch in dessen weitläufiger Behausung zu entfliehen.

Crocodile hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte, als der Fuchs in seine Richtung gerannt kam. Also tat er das, was sein schlecht ausgebildeter Instinkt ihm sagte: Er versuchte, den Eindringling am Weiterkommen zu hindern. Crocodile -als einziger noch immer in seiner menschlichen Gestalt- griff kurzerhand nach dem langen und buschigen Schwanz des fremden Gestaltenwandlers, als dieser an ihm vorbeihasten wollte. Tatsächlich bekam er diesen sogar zu fassen. Sein Glück hielt allerdings nicht lange an: Kaum hatte der Fuchs bemerkt, dass er festgehalten wurde, wandte er sich hektisch um und biss Crocodile kurzerhand fest in den Unterarm. Der heftige Schmerz veranlasste ihn sofort dazu, seinen Fang wieder laufen zu lassen und sich die Hand auf die blutende Wunde zu drücken.

Trotzdem blieb sein Einsatz nicht erfolglos: Denn Doflamingo gelang es auf diese Weise, den Abstand zwischen ihm und dem flüchtigen Fuchs aufzuholen und diesen zu stellen. Er zögerte keine Sekunde lang, sondern schnappte geradewegs nach der Kehle des Eindringlings und tötete diesen mit einem einzigen Biss.
 

Kaum spürte Doflamingo, wie der Leib des Fuchses zwischen seinen Zähnen erschlaffte, ließ er diesen zu Boden fallen und verwandelte sich wieder zurück. Immerhin schien Crocodile sich vor ihm in Gestalt seines Tiergeistes zu fürchten, und er wollte seinem Gast keine Angst einjagen. Er hatte noch immer ein schlechtes Gewissen, weil er ihn bei ihrer allerersten Begegnung so furchtbar erschreckt hatte.

"Der Fuchs ist Geschichte", meinte er gut gelaunt, während er auf Crocodile zulief. "Ich werde seinen toten Körper gleich vor den Eingang der Höhle legen, damit wir uns keine Sorgen wegen weiterem Besuch machen müssen. Sein Anblick dürfte Abschreckung genug sein."

Erst als er nur noch zwei Schritte vom Kater entfernt war, bemerkte er, dass dieser schmerzerfüllt die Zähne aufeinander presste und die linke Hand auf seinen blutenden rechten Unterarm drückte. Bestürzt zog Doflamingo seine Augenbrauen zusammen und überwand rasch den restlichen Abstand zum anderen Gestaltenwandler. Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass Crocodile verletzt worden war.

"Lass mich das mal sehen", meinte er an den Kater gewandt und löste dessen Hand von der frischen Wunde. Anscheinend war Crocodile vom flüchtenden Fuchs gebissen wurde. Und es handelte sich beileibe nicht um eine leichte Bisswunde, wie Doflamingo mit seinem erfahrenen Blick schnell feststellte. Das war gar nicht gut. Nun gab es zwei Verletzungen, um die er sich kümmern musste. Und noch immer stürmte es draußen ungeheuer stark, weswegen er die Höhle nicht verlassen konnte, um Medikamente aus der Stadt zu besorgen.

"Du bist wohl wirklich unter einem schlechten Stern geboren worden", murmelte Doflamingo, während er die Wunde provisorisch mit seiner Zunge reinigte. "Komm, du solltest am besten gleich wieder zurück ins Bett. Du brauchst jetzt viel Ruhe und Nahrung, damit dein Körper auch genug Energie hat, um diese neue Verletzung zu heilen. Armer Crocodile. Mir scheint, dein Tiergeist ist kein Panther, sondern ein Pechvogel."

Sanft, aber bestimmt dirigierte Doflamingo den angeschlagenen und plötzlich recht still gewordenen Gestaltenwandler zurück in das Innere der Höhle. Hier, wo es trocken, warm und sicher war, sollte sich der Kater ganz in Ruhe auskurieren.

Erneut schätzte Doflamingo sich glücklich, ausreichend Fleisch vorrätig zu haben. Er wollte nämlich Crocodile -zweifach verletzt und im Kampf völlig unerfahren wie dieser war- nämlich nur äußerst ungern allein lassen. Viel lieber legte er sich wieder neben diesen, genoss seine Körperwärme und leckte hin und wieder die beiden schweren Wunden sauber.
 

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Der prägnante Geruch des Katers stieg Doflamingo in die Nase, noch ehe er seine Behausung überhaupt erst erreicht hatte. Verwundert hielt er für einen kurzen Moment inne, ehe er seine Laufgeschwindigkeit verdoppelte und sich daran machte, Crocodile aufzuspüren. Wieso nur hatte dieser die sichere Höhle verlassen? Konnte er sich denn nicht denken, dass er mit seiner Unerfahrenheit und seinem stark nach Stadt und Mensch riechenden Körper eine Einladung für alle hungrigen Jäger im Wald darstellte?

(Auszug aus dem nächsten Kapitel)
 

bye

sb


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo liebe Leser! :)
Hoffentlich gefällt euch das zweite Kapitel von "Gestaltenwandler" mindestens ebenso gut wie das vorherige Kapitel und der Prolog.
Wie ihr seht, kommen Crocodile & Doflamingo sich emotional langsam näher. Schreibt doch bitte in die Kommentare, was ihr von den beiden & von der Story haltet. Über Kritik freue ich mich immer sehr! ^^
(Und für alle, die den Verdacht gehabt haben: Ja, bei dem Fuchs handelt es sich um Shanks. Eig. wollte ich ihm eine völlig andere Rolle in der Ff zukommen lassen, doch die habe ich dann durch einen anderen Charakter besetzt. Ich weiß, dass Shanks eig. ein guter Kerl ist; nehmt es mir bitte nicht übel, dass ich ihn "böse/feindlich" gemacht habe. Und er sterben musste. Irgendwer musste eben dran glauben. Ich entschuldige mich bei allen Shanks-Fans! ^^)
Bis zum nächsten Mal!

bye
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