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Atemwölkchen

3. Kalendertürchen 2014
von

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Atemwölkchen

Menschen sind seltsame Lebewesen.
 

Das sehe ich jeden Tag.

Mittlerweile sind mit viele ihrer sonderbaren Verhaltensweisen nicht mehr fremd. Auch wenn ich längst nicht alle davon verstehe.
 

Die Frau mit der ich zusammenlebe ist ein gutes Beispiel.  Ich mag sie. Nein, ich mag sie nicht nur - ich liebe sie. Sie ist der Mittelpunkt meines Lebens. Sie tut weit mehr für mich als sie müsste. Bei ihr finde ich Geborgenheit und Schutz. Dennoch macht sie Dinge, die ich einfach nicht verstehen kann.

Ihr Waschzwang zum Beispiel.

Ich. Liebe. Ihren. Geruch.

Ich. Liebe. Unseren. Geruch.

Genauso wie sie nach mir riecht, rieche ich nach ihr.

Nicht selten schmiege ich mich an sie nur um diesen Duft zu verstärken. Dass sie mich dann an genau den richtigen Stellen krault ist nur ein Nebeneffekt. Jeder soll wissen, dass wir zusammengehören. Doch eigentlich sind wir nicht nur zu zweit. Am Ende eines langen Tages hängt ihr auch ein Hauch vom Rest unserer kleinen "Familie" an. Was kann es besseres geben?

Und dann hat sie nichts besseres zu tun als zu Duschen!
 

Doch heute will ich mich nicht beklagen. Sie war weg. Lange. Und jetzt ist sie endlich wieder da. Sie hat fürchterlich gestunken. Nach Chemie. Und nach kranken Menschen. Gleich als sie zur Tür herein kam, habe ich sie mir angesehen. Sie hat diesen Gestank nur mitgeschleppt. Gott sei Dank. Sie ist in Ordnung.

Und einmal war ich froh, dass sie sich ständig waschen muss.
 

Frische Luft weht mir um die Nase. Die Reifschicht, die in der Früh den Boden bedeckt hat, ist verschwunden, und dennoch wirkt die ganze Welt anders. Besser. Als würde sie nur darauf warten, dass ich sie erobere.

Sie ist an meiner Seite und es scheint, als würde sie ganz ähnlich denken.

Als ich dann noch den Rest unserer Gruppe in der Ferne erspähe kann ich mich nicht mehr halten.

Es ist so lange her!

Kleine Atemwölkchen steigen auf als ich rufe: "Komm! Gehen wir sie begrüßen!" Und auch wenn wir unterschiedliche Sprachen sprechen weiß sie genau was ich meine.
 

Sie lächelt als sie sich zu mir hinunterbeugt.

"Still Hayate", sagt sie, und "sitz".

Es fällt mir schwer meine Begeisterung im Zaum zu halten. Doch ich weiß, dass ich besser tue was sie von mir verlangt. Ich platziere meinen Hintern im kühlen Gras. Und obwohl ich schon lange ein ausgewachsener Rüde bin, lege ich den Kopf schief wie ein kleiner Welpe. Ich weiß, dass sie so nicht nein sagen kann.

Tatsächlich dauert es nicht lange. Sie löst die Leine von meinem Halsband. Ich renne los als sie "Lauf" sagt und bin an meinem Ziel noch bevor sie "voran" beendet hat.
 

Alle sind sie da. Der junge Mann, ohne den ich niemals meine Familie gefunden hätte. Der stille Hüne, der mir heimlich Essen zusteckt. Der kleine Dicke, der schon seit langem nur mehr so tut als hätte er Angst vor mir. Der Blonde, dessen Nikotingestank ich ihn Kauf nehme, weil er einfach ein guter Kerl ist. Er war krank. Konnte nicht laufen. Doch wie ich erfreut feststelle ist er wieder auf die Pfoten gekommen.

Und auch er ist da. Der Mann aus dem ich nicht schlau werden.

Das ist wieder so eine Sache, die ich an den Menschen nicht verstehe. "Frauchen" - ich hasse es, wenn man das zu ihr sagt, denn sie ist kein Frauchen - sie ist eine Alphafrau. Er ist ein Alphamann. Zumindest dann, wenn meine Alphafrau ihm nicht sagt, was er zu tun hat.

Es ist eine einfache Rechnung. Sie sollten einen Haufen kleine Menschen in die Welt setzen. Und dennoch tanzen sie nur um einander herum. Als ob nicht jeder riechen könnte, dass sie einander mögen. Ich kann nicht verstehen was sie zurückhält.
 

Die Gruppe setzt sich in Bewegung und eine Zeit lang kann ich laufen wie ich will.

Es gibt kein besseres Gefühl auf dieser Welt. Den Herbstwind in der Nase und das Rudel an seiner Seite.
 

Doch jeder Spaß hat auch ein Ende.

Viel zu früh werde ich wieder angeleint.

Wir haben eine Menschenansammlung erreicht. Überall sind Lichter, sogar in den Bäumen. Es riecht nach Wurst und Allerlei anderen Leckereien, die ich nur deshalb kenne, weil man sie mir heimlich zusteckt. Jede Ecke riecht spannender als die andere. Doch streunen lässt man mich nicht.

Viel zu früh für meinen Geschmack bleiben die Menschen stehen und versammeln sich um einen klapprigen Holztisch.

Der Junge und der Große verschwinden und tauchen wenig später mit dampfenden Bechern wieder auf. "Glühwein" nennen sie die Flüssigkeit in die ich niemals freiwillig meine Zunge hängen würde. Ihre Abwesenheit hätte mich beunruhigt wenn ich nicht das Ende einer Bratwurst unter dem Tisch gefunden hätte. Knapp außerhalb meiner Reichweite. Ich überlege wie ich sie bekommen kann. So dass es niemand merkt. Die Chancen stehen schlecht.

Ich beschließe die Wurst noch etwas liegen zu lassen. Jetzt achtet sie noch auf mich. Doch vielleicht wird sie schon bald abgelenkt sein.
 

Vorerst gehe ich meiner zweitliebsten Beschäftigung nach. Menschen beobachten.

So lange war das Rudel nicht mehr zusammen. Wir haben wahrlich Grund ausgelassen zu sein.

Was auch immer in diesen Bechern ist, es lässt die Zweibeiner noch lustiger werden.

Selten habe ich sie so offen und unbefangen erlebt.

Noch  etwas wird offensichtlich: Pheromone liegen in der Luft.
 

Nach dem ersten Becher beteiligt sich selbst der Stille rege an der Unterhaltung.

Nach dem zweiten Becher bekomme ich eine Portion Bratkartoffeln zugesteckt. Ungesalzen. Aber viel fettiger als alles was ich sonst bekomme. Treffer.

Nach dem dritten Becher rücken Alphamann und Alphafrau näher zusammen.  Nur unwesentlich näher als sonst. Es fällt nicht nur mir auf. Auch dem Raucher entgeht es nicht. Sie beginnt nicht existierende Krümel von seiner Wange zu wischen. Er nimmt ihre Hand.

Und auf einmal haben alle anderen einen dringend Grund nachhause zu gehen.

Die beiden sind verwirrt. Offensichtlich von ihrer eigenen Courage beängstigt.

Ich spüre wie sie an der Leine herumhantiert. Sie will flüchten. Aber er lässt sich nicht abwimmeln. Er wird sie nachhause bringen.

Bei jedem anderen wäre ich gekränkt. Schließlich habe ich schon bewiesen, dass ich auf sie aufpassen kann. Doch so kann es mir nur recht sein.

Bilder tauchen in meinem Kopf auf. Von kuscheligen Winterabenden zu dritt auf der Couch. Und von kleinen Menschen.  Diese Gedanken sind schön. Beinahe vergesse ich darüber die Bratwurst. Ich schnappe sie mir schnell als wir losgehen. Kauen kann ich sie immer noch später, wenn sicher keiner hinsieht.
 

Ich habe kein Glück. Bis zu ihrer Haustür ergibt sich keine Gelegenheit. Stattdessen stehen wir nun hier. Es ist kalt. Sehr kalt. Ich friere. Sie frieren. Unser Atem kondensiert fröhlich vor sich hin. Stille. Die Atmosphäre ist angespannt. Mehr Pheromone als jemals zuvor liegen in der Luft. Sogar der Bratwurstgeruch wird verdrängt. Und die habe ich in der Schnauze! Bei aller Liebe. Aber langsam wird es schlimm. Ich nieße demonstrativ.

Und meinen Fehler bemerke ich sofort. Mit der Luft, die aus meiner Nase geblasen wird, ist auch die  Wurst zwischen meinen Zähnen hervor gerutscht. Selbst schwer verliebte Zweibeiner können es nicht übersehen, wenn man ihnen gut eingespeicheltes Essen auf die Schuhe spuckt. Vor allem dann, wenn es mit einem saftigen Klatschgeräusch auftrifft.

Ein kurzer Seitenblick genügt um sicher zu sein: Es entgeht ihr tatsächlich nicht.

Jetzt oder nie!

Ich schnappe nach dem Leckerbissen. Während ich um den Zweibeiner herumlaufe - hier kann sie mich nicht gleich erwischen - verschlinge ich meine Beute.

Egal was folgt, es hat sich gelohnt!

Doch ich habe mich verschätzt. Anstatt auf dem glatten Boden zum Stehen zu kommen, schlittere ich um die Menschen herum. Meine Krallen finden auf diesem Untergrund keinen Halt.

Hat es sich wirklich gelohnt?

Es kommt was kommen muss. Ein harter Ruck an der Leine bringt mich zum Stehen. Und sie zum Fallen.

Es herrscht Totenstille. Keiner von uns rührt sich. Meine Blase ist unsicher ob sie diesem Druck standhalten kann.

Es hat sich nicht gelohnt!

Sie ist auf ihm gelandet. Sie sehen sich an.

Werde ich jetzt erschossen oder bei lebendigem Leibe verbrannt? Anstatt diese Frage zu entscheiden beginnen beide gleichzeitig zu lachen.

Es dauert bis ich aus meiner Starre erwache.

"Das tut mir ja so leid!", versucht sie ihm mit Lachtränen in den Augen glaubhaft zu machen. Und ich denke, dass ich nicht richtig sehe - küsst ihn kurz auf die Nase.

"Dieser Hund ist besser als jeder Mistelzweig", sagt er.

Ich weiß zwar nicht, was ein Mistelzweig ist, aber das klingt gut.
 

Der nächste Kuss ist mit Zunge. Viel Zunge. Und zwar meiner. Beschwichtigung und Freude und noch hundert andere Gefühle bringen mich dazu ihre Gesichter mit Küssen zu überschwemmen. Reichlich davon.

Und aus unseren drei Atemwölkchen wird eines.


Nachwort zu diesem Kapitel:
In Amestris gibt es ein Jahresendzeitfest. Mit Glühwein und Bratwurst.
Das habe ich zumindest so beschlossen.

Zur Hundeperspektive: Ich habe schon länger was in die Richtung geplant. Und die Gelegenheit genutzt um das mal auch tatsächlich umzusetzen. Wenn man den Medien glauben darf sind Hundemenschen sowieso in der Überzahl - Pech für Katzensklav... ähm Menschen :P

Btw. halte ich nichts von diversen Dominanztheorien und dem ganzen Alphagedöns. Aber leider findet sich in der deutschen Sprache kein Wort, dass die Tatsache, dass der Mensch die Ansagen machen sollte halbwegs passabel beschreibt. Deshalb habe ich hier das böse Alphawort verwendet.


Gewidmet allen Hunden die klug genug sind, einen unerlaubten Leckerbissen unbemerkt aufzunehmen und erst dann zu fressen, wenn niemand hinschaut. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Blue_StormShad0w
2017-07-16T12:44:40+00:00 16.07.2017 14:44
Guten Tag.
Die FF fiel mir beim durchforsten ins Auge und nach kurzer Überlegung entschloss ich mich sie zu lesen.
Und ich bereue es nicht. Deine kleine Story war wirklich goldig! (^v^)
Die Beschreibung per Hundeperspektive ist wirklich gute Idee. Echt spitze.
Von:  LisaTachibana
2015-01-14T08:15:51+00:00 14.01.2015 09:15
Haha, die Hundeperspektive hat mich echt reingelegt am Anfang. :') Hat etwas gedauert bis ich dahinter gekommen bin. Die Beschreibungen waren wirklich angenehm zu lesen und schlicht. ~
Von:  ChocolateChip
2014-12-04T13:29:23+00:00 04.12.2014 14:29
Die Hundeperspektive ist super! Ich selbst gehöre zu den Hundemenschen und fand diese Perspektive umso amüsanter gerade weil sie so sleten genutzt wird!
Ich kenne Fullmetal Alchemist nur vom Namen her und kann deswegen nichts mit den Beschreibungen der verschiedene Charas anfangen aber süss war der OS allemal! Hunde eignen sich eben sehr gut zum verkuppeln xD ob sie wollen oder nicht xD
LG
Choco
Von:  MissImpression
2014-12-03T20:39:20+00:00 03.12.2014 21:39
Hallo^^

Das war ein sehr amüsanter OS! Und auch die Perspektive ist mal eine ganz andere und vor allem interessant!
Es hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich von Fullmetal Alchemist nur ein paar wenige Episoden kenne und nicht erkannt habe, um welche "Alphamenschen" es hier ging. :) Trotzdem war es gut!

LG
Tanja


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