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Feeling like a ghost

von

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Feeling like a ghost

Es war kein angenehmes Gefühl, sich nachts alleine in einem riesigen Keller herumzutreiben. Heizungsrohre knackten. Klospülungen rauschten. Manchmal hörte man ein Scharren und Rascheln, von dem man nicht wusste, ob es direkt neben einen war oder von zwei Stockwerken über einen hinunter getragen wurde.

Aber Taiga hatte keine andere Wahl. Bei Feierabend hatte er seine Schlüssel im Büro liegen lassen. Sein Auto war kaputt und somit hatte er anfangs seine Autoschlüssel nicht vermisst, als er in die Kneipe gegangen war. Zur Feier des Wochenende mal wieder einen über den Durst trinken und mit Freunden Billard spielen tat gut. Die erste Woche in seinem neuen Job war lang und hart gewesen. Er vermisste seine alten Schwachmaten von der Feuerwehr. Aber natürlich konnte er nicht dorthin zurück. Nicht mit einem kollabierten Lungenflügel und diesem dummen, ständigen Husten. Er war ja schon froh, wenn er es schaffte, Treppen zu steigen.

Die Nachtkälte hatte den beginnenden Rausch aus seinem Gehirn gespült. Sehr zu seinem eigenen Leid. Betäubte Sinne wären ihn lieber gewesen. Dann würde er sich nicht um jeden Schatten scheren, der um der Ecke auf ihn wartete. Oder um dieses leise Schniefen, das klang, als würde jemand den Rotz in seiner Nase nach oben ziehen. Falls das der Wind war, hatte er wohl gerade eine sehr kreative Phase.

Taiga betätigte jeden Lichtschalter, an dem er vorbei kam. Eine Glühbirne bestrafte ihn prompt dafür, dass er sie trotz Wackelkontakt nicht ausgewechselt hatte, indem sie zersprang und sein Herz einmal um die eigene Achse drehen ließ. Zwei weitere Glühbirnen gingen gar nicht erst an. Was war das bitte für ein beschissener Keller?! Er wollte sofort wieder zu seinen einsturzgefährdeten, ausgeräucherten Kellern, mit denen er sich auskannte. Allerdings würde seine Mutter sich dann vermutlich aus dem Grab erheben und ihm eine Tracht Prügel verpassen. Seinem Vater war es egal. Seit der Lungensache schien er milde überrascht, dass sein Sohn sich beharrlich auf beiden Beinen hielt und sein Leben weiterlebte.

Sein Büro lag hinter dem medizinischen Lager, das immer abgeschlossen werden sollte. Er selbst vergaß das natürlich regelmäßig. Die Abgeschiedenheit zerrte an Taigas Nerven und er war das ständige Auf und Abschließen leid. Das Mistding hatte keinen einzigen Vorteil. Nun, außer vielleicht der immensen Pornosammlung, die sein Vorgänger zurückgelassen hatte. Gerüchte besagten, er hätte eines Tages wild fluchend das Büro verlassen und beschlossen, Polizist zu werden. Er war nie wieder gekommen.

Taiga kannte sich mit Flüchen leider kaum aus, sonst hätte er sie in Hülle und Fülle eingesetzt, als er feststellte, dass das Lager abgeschlossen worden war. Das hieß, er musste in den oberen Stockwerken nach einer Nachtschwester suchen, ihr sein Missgeschick beichten und dann den ganzen Keller nochmal durchqueren. Wunderbar.

Plötzlich hörte er hinter sich ein Quietschen wie von der Sohle eines neuen Turnschuhs. Er kannte dieses Geräusch perfekt, schließlich war er in seiner Jugend Sportler gewesen.

Und es kam noch schlimmer. Eine Kiste wackelte, aber er konnte niemanden sehen. Seine Stimme blieb in seinem Hals stecken und sein Herz raste. Da war niemand. Die logischste Schlussfolgerung war also, dass es hier spuckte. Er hatte es doch gewusst!

Kalter Schweiß brach auf seiner Stirn aus.

Das Quietschen erklang kein zweites Mal, dafür das Schniefen. Drei Meter links von ihm. Sein Kopf war festgefroren, aber seine Augen huschten zu der Stelle und verdrehten sich, um etwas sehen zu können.

Nichts. Absolut nichts war dort. Und alles war hell erleuchtet.

Bildete er sich das ein oder kicherte jemand lautlos? Konnte man lautlos kichern? Ein Gespenst sicherlich. Die konnten ja auch unsichtbar sein.

Der größte Schock kam aber noch und zwar in genau dem Moment, als jemand ihn am Ärmel berührte. Taiga sah irgendetwas blasses, beinahe farbloses neben sich stehen. Das war einfach zu viel.

„WAAAAAAAAAAAAAAAAAH!!!!!!!!!“

Heldenhaft schrie er sich die restliche Lunge aus den Hals, was zu einem akuten Sauerstoffmangel führte, der ihn ohnmächtig werden ließ. Das merkwürdig blasse und farblose Etwas konnte geradeso noch zur Seite ausweichen, bevor Taiga auf es drauf fiel.
 

Eine Woche zuvor
 

Taiga war mit seinem Leben zufrieden gewesen. Schon mit 22 wusste er, dass Feuerwehrmann der Beruf war, den er für den Rest seines Lebens verfolgen wollte. Er besaß eine Eigentumswohnung in einem schicken Apartmentkomplex, in dessen Nähe oft Streetbasketballturniere stattfanden. Seit einer Weile war er mit einem netten Mädchen zusammen gewesen, das einkaufte, während er kochte. Sie hatten geplant, zusammenzuziehen.

Dann war ein morscher und angesengter Balken auf ihn drauf gefallen. Sein Arbeitgeber hatte entschlossen, dass er eine Last war, die seine freundlichen Kollegen nicht mehr tragen konnten. Seine Freundin hatte ihn nach reiflicher Einmischung ihrer Eltern, die ihn vorher die Füße geküsst hatten, verlassen. Jetzt suchte sie wahrscheinlich nach einem Mann, der nicht umkippte, wenn er mit ihren zukünftigen Kindern Fußball spielte.

Nach einer deprimierend langen Reha und dem Wiedereinleben in eine leere Wohnung hatte Taiga einen Job als Hausmeister im Krankenhaus bekommen.

Sein erster Tag begann mit dem Kennenlernen des Kellers, den er vom ersten Augenblick an verabscheute. Der Keller ihn auch. Der Krankenhausleiter ließ ihn erst mal eine Weile allein, damit er eine Spinnenkolonie beseitigte, in die er durch ein Stolpern versehentlich getreten war.

Danach liefen sie in fünf Stockwerken umher, begrüßten Personal und Patienten. Taiga lernte verschiedene Handwerker kennen, denen er nun sagen durfte, was sie machen sollten. Denn momentan machten sie nichts. Überall war etwas kaputt. Eine bullig aussehende Krankenschwester nahm ihn seine gerade gefundenen Kaffee weg und drohte ihn mit einer HIV verseuchten Spritze, wenn er nicht bald die Toilette im Pausenraum des dritten Stockwerks entstopfte.

Sein Chef hatte allerdings vordringlichere Ansprüche und führte ihn zu der Einfahrt für Notfälle, Leichen und Promis, wo er einen riesigen Penis-Graffiti überpinseln sollte. Taiga war kurz vor einer Atemnot bei dem Anblick, aber er wurde freundlich gebeten, sich zusammenzureißen und nicht gleich am ersten Tag in Ohnmacht zu fallen. Taiga hatte genickt. Er gab sich Mühe.

Noch während er die ersten Härchen des überdimensionalen Gliedes weiß färbte, was die Sache im Moment höchstens schlimmer machte, trafen zwei Krankenwagen ein. Aus dem ersten wurde eine kleine, blutige Gestalt auf einer Trage gezogen. Ärzte kamen angestürmt. Befehle wurden gebrüllt. Dann wurde es wieder ruhig. Für die beiden Menschen, die aus dem zweiten Wagen geschoben wurden, musste sich niemand mehr beeilen.
 

Gegenwart
 

Taiga war beim Aufwachen kurz vorm nächsten Kreischanfall gewesen, aber auf den zweiten Blick hatte sich der Poltergeist als Patient herausgestellt. Scheinbar ein von der Kinderstation entflohenes Kindchen, angetan mit einem verwaschen blauen Schlafanzug. Ein Arm steckte in einer Schlinge. Man sah ihm nicht an, ob er Schmerzen hatte. Man sah ihm generell nicht viel an, aber Taiga meinte, er wäre traurig. Ein Plüschhund lag neben ihn. Ab und zu tasteten die Finger des Jungen danach, um sich zu versichern, dass er noch da war.

„Was machst du hier, Kleiner?“, fragte Taiga, derweil er sich aufrecht hinsetzte und sich den Kopf rieb. Seine Lunge pochte leicht, aber es war in Ordnung. Es hieß immerhin, dass er noch lebte.

„Du solltest in einem warmen Bett sein, nicht hier unten und mich veräng... - überraschen.“

Ein wenig Ehre besaß er noch. So aus Nähe betrachtet war der Kleine nicht sehr gruselig. Er hatte zwar etwas von einem Geist, aber selbst sein Plüschhund wirkte gefährlicher. Er hatte ihn bereits verziehen. Obwohl er sich vielleicht ein paar Süßigkeiten mitnehmen konnte, die die Kinder hier für gewöhnlich auf dem Zimmer hatten. Nicht für sich selbst, sondern für einen gewissen Titanenfreund seines Bruders, mit dem er es sich beim letzten Grillabend verscherzt hatte. Wer konnte denn ahnen, dass dieser Murasakibara seine berühmte Mayonaise-Wasabi Mischung für ein Verbrechen an die Menschheit hielt?

Der Kleine schien nicht sehr gesprächig. Er starrte hauptsächlich auf Taigas Pullover und schwieg.

„Soll ich dich auf deine Station zurück bringen? Keine Sorge, ich drehs schon so, dass du keinen Ärger kriegst...“

Für seinen freundlichen Vorschlag erntete er ein energisches Kopfschütteln.

„Ich wollte nur wissen, ob ich jetzt ein Geist bin...“, murmelte der Junge. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken, Nii-san.“

„Was, wie bitte? Wieso solltest du ein Geist sein?“

Taiga war generell leicht zu verwirren. Aber er war überzeugt, das hätte jeden verwirrt. Kinder schienen echt eine blühende Fantasie zu haben. Er hatte sich damals höchstens gefragt, ob sein restliches Taschengeld eher für McDonalds, KFC oder Pizza Hut reichte.

„Ich dachte, weil... Mama und Papa... sie sind... gestorben... und ich habe nur den blöden Arm. Müsste es mir nicht schlechter gehen? Müsste ich nicht bei ihnen sein? Oma weint immer, obwohl ich noch da bin. Anderen Besuch durfte ich nicht kriegen. Alle sehen mich mitleidig an... ich kann das nicht mehr ertragen... ich... ich...“

Unwillkürlich steckte Taiga die Hand aus und wuschelte dem Kleinen über den Kopf. Es zerriss ihn das Herz und er musste nach der Lungensache ja wissen, wie sich das anfühlte. Er konnte den Jungen nur bewundern, wie er es schaffte, nicht zu weinen. Als seine Mutter gestorben war, hatte er nichts anderes mehr getan.

„Schon gut... du bist kein Geist. Du lebst.“

„Ich weiß...“, erwiderte dieser leise, den Plüschhund an sich drückend. Es war eine Geste, in der unendliche Einsamkeit zu liegen schien.

„Hey, wie wärs, wenn ich jetzt in dein Zimmer zurück bringe und morgen besuch ich dich? Ich besuch dich jeden Tagen, bis du entlassen wirst.“

Der Kleine riss erstaunt den Kopf hoch. Ein weit entferntes Licht erhellte seine Augen.

„Wirklich?“

„Ja. Ist ein Versprechen.“

„Danke, Nii-san!“

Taiga lächelte ob der ungewohnten Anrede. Sie war ziemlich beruhigend. Scheinbar sah er weder alt noch gefährlich aus. Und er hatte schon immer ein großer Bruder sein wollen.

„Du kannst mich Taiga nennen.“

„Ich bin Tetsuya. Freut mich, dich kennenzulernen.“

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Tetsuya“, antwortete er schmunzelnd und streckte Tetsu die Faust hin, um ihn eine ordentliche Bro-Begrüßung beizubringen.
 

10 Jahre später
 

Anfangs hatte er Tetsuya für ein Kindergartenkind gehalten, bis sich rausstellte, dass der Kleine schon in die vierte Klasse ging. Er hatte teuer für diese später Erkenntnis bezahlt.

Ihre Freundschaft blieb keineswegs auf das Krankenhaus beschränkt. Irgendwie hatte Tetsuya ihm das Versprechen abgerungen, ihn auch Zuhause weiterhin zu besuchen. Oft kam er in seiner Freizeit vorbei und half Großmütterchen bei der Hausarbeit. Er kaufte zusammen mit Tetsuya ein, zeigte ihm, wie man Sachen im Haushalt reparierte und wurde nach einer Weile sein Basketball Coach, nachdem er zufällig herausgefunden hatte, dass sein little Bro den selben Sport liebte wie er. Ihre Stile unterschieden grundlegend, trotzdem bestand Taiga darauf, ihm zu helfen. Sein eigenes, sportliches Talent und seinen Lungenflügel bekam er dadurch zwar nicht zurück, aber es war okay. Sich um Tetsuya zu kümmern, füllte einen leeren Platz in seinem Leben.

Aber der Kleine wurde älter. Zu Taigas Entsetzen war er irgendwann genauso alt wie er selbst, als sie sich kennengelernt hatten. Tetsuya wurde Kindergärtner. Er zog zu ihm ins Apartment und nahm sein gesamtes, restliches Leben ein. Teilweise war er so unauffällig, dass Taiga seine Anwesenheit vergaß. Wäre der Hund nicht gewesen, hätte er sich schneller an alles gewöhnt. Aber auch so gehörte Tetsuya zu seinem Leben.

Manchmal kroch er nachts zu ihm ins Bett oder kam nackt aus der Dusche, um sich von ihm abtrocknen zu lassen. Er wollte mit einem Drei-Gang.Menü bekocht werden und zog dann die Nachspeise vor oder knabberte ewig lange an einer Karotte herum.

Tetsuya hatte definitiv seine Macken und gelegentlich fragte Taiga sich, ob er einen Basketball zu viel an den Kopf bekommen hatte, aber dann saßen sie Abends dicht aneinander gedrängt auf dem Sofa und schauten einen Film oder Tetsuya ließ ihn stundenlang eine Geschichte erzählen, der mit gebannten Blick zuhörte, und zwischen ihnen war wieder alles in Ordnung.

Zumindest dachte Taiga das. Dieses Denken endete an einem Morgen, wo Tetsuya mit gereizten Blick am Küchentisch saß und ihn befahl, sich hinzusetzen. Taiga gehorchte mechanisch.

„Was ist...?“

„Taiga. Du bist der größte Hornochse auf diesen Planeten.Bitte beförder dich mit deinen unnatürlich hohen Sprüngen selbst zum Mond.“

„Wieso?“

Tetsuya ließ seine Kaffeetasse auf den Tisch krachen. Es war beängstigend genug, um Taiga zusammen schrumpfen zu lassen, während Tetsu mindestens zwei Zentimeter größer wurde. Was hatte er bitte verpasst?!

„Ich liebe dich, Bakagami!“

Taiga kratzte sich am Haaransatz.

„Ja, ich dich auch.“

„NICHT SO!“

Samt Stuhl rückte Taiga nach hinten. Er schluckte krampfig.

„Ich liebe dich wie Liebhaber einander lieben! Ich will mit dir... schlafen. Also... du... du weißt, was ich meine. F... f... ficken... … …“

Sie wurden gleichzeitig feuerrot. Tetsuya stand das besser als Taiga, nichtsdestotrotz waren beide zu beschämt, einander in die Augen zu sehen. Stille breitete sich zwischen ihnen aus, bis Taiga ein vollkommen ehrliches und für seine Verhältnisse durchaus brillantes: „Oh“ von sich gab. Tetsuyas Stirn krachte auf die Tischkante.

„Mir reichts. Du bist zu dumm für Andeutungen. Jetzt werde ich zu härteren Mitteln greifen.“

„Hey!“, versuchte Taiga sich zu beschweren. Aber er wusste, dass es sinnlos war, als Tetsuya den Kopf hob. In seinen Augen stand der gleiche Kampfeswille wie auf dem Basketballcourt.

„... Okay …“

„Gut.“

„Ja...“

„Jetzt nehm dir dein Frühstück. Wir wollten heute eine neue Badezimmerlampe kaufen.“

„Jetzt wo du es sagst...“

„Idiot.“

Taiga stopfte sich eine komplette Toastbrotscheibe in den Mund und versuchte zu ersticken. Innerlich hörte er Tatsuya, der ihn auslachte. Sehen tat er vor seinem inneren Auge aber Tetsuya, der nackt aus der Dusche kam. Es hatte plötzlich eine ganz neue Bedeutung.

Alles hatte eine neue Bedeutung und als er Tetsuyas sanftes Gesicht mit der strengen Miene sah, spürte er eine dezente Aufregung. Nach Jahren weg von Sport und Job hatte Tetsuya plötzlich beschlossen, dasjenige zu werden, das ihm eine Gänsehaut verursachte.

Taiga war wirklich neugierig, was die Zukunft ihnen bringen würde.



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