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Last Desire 11

von

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Wie soll es weitergehen?

Es war später Abend, als Liam und die anderen zurückkehrten und sogleich, als sie wieder da waren, merkte man sofort, dass etwas passiert sein musste. Liam stand neben der Spur und auch Dathan sah nicht gerade gut aus. Sheol und Ezra hatten sich längst schlafen gelegt und auch Nastasja war fast auf dem Sofa eingenickt, nachdem sie noch selbst an einer Möglichkeit geforscht hatte, um Elion zu helfen. Müde rieb sie sich die Augen, als sie die Ankömmlinge bemerkte und fragte sofort „Wo ward ihr denn so lange? Ich dachte schon, ihr würdet gar nicht mehr zurückkommen.“ Frederica kam schließlich hinzu, nachdem sie sich um Elion gekümmert hatte und sah ebenfalls, was los war. Sie erfuhren von der Auseinandersetzung mit Eva und was sie von Samajim erfahren hatten. Zu hören, dass Liam in seinem Leben vor seiner Amnesie ein gefährlicher Massenmörder war, der selbst vor Kindern nicht Halt gemacht hatte, schockierte selbst Frederica und Nastasja und sie blieben erst einmal sprachlos. Insbesondere als Dathan erzählte, dass er Elohims Sohn sei, der gemeinsame Sache mit den Alpha-Proxys machte. Wirklich alle Fragen wurden soweit beantwortet, bis Frederica schließlich feststellte „Aber wir kennen immer noch nicht die Identität des Alpha-Proxys.“ „Samajim meinte, es wäre noch zu früh. Wir haben uns entschlossen, mit ihm zusammenzuarbeiten, weil er offenbar einen Weg kennt, wie wir Jeremiel retten und Elohim aufhalten können. Eva ihrerseits will ganz alleine gegen Elohim kämpfen und ist dabei, ihr Leben zu opfern. Und das wollen wir ebenfalls verhindern.“

„Ach ja… was das betrifft…“, begann Frederica zögerlich und senkte den Blick. „Sie war vor einer Weile hier und bat mich darum, euch daran zu hindern, weiter nach Jeremiel und dem Alpha-Proxy zu suchen. Sie sagte, dass ihr nur dabei draufgehen werdet, weil das alles eine Falle ist.“ Zu ihrer Überraschung reagierte Liam gar nicht gereizt darauf oder wirkte sonst in irgendeiner Art und Weise wütend und das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Was war nur mit ihm geschehen, dass er gar nicht wütend war, dass Eva so etwas verlangte? Zur Sicherheit fragte sie nach und war umso erstaunter, als er sagte „Es gibt da einige Dinge, über die ich nachdenken muss und die Eva und mich betreffen.“ Und das klang irgendwie ganz deutlich danach, als spiele er ernsthaft mit dem Gedanken, seine Dauerfehde mit ihr zu beenden. Und das sah ihm überhaupt nicht ähnlich und machte sie vollkommen sprachlos. „Wie meinst du das?“

„Eva hat mir damals das Leben gerettet, obwohl ich ein brutaler Massenmörder war und Hochverrat begangen habe. Sie hat Ajin Gamur über 400 Jahre lang gedient, um ihre Familie zurückholen zu können und sie bürgt bis heute noch für mich. Ohne sie wäre ich hingerichtet worden und wäre auch nicht derjenige, der ich jetzt bin. Ich habe einfach eingesehen, dass ich viele Dinge ernsthaft überdenken muss. Insbesondere, was meine Konflikte mit Eva betrifft.“ Das hieß also, er war dabei, den Streit endgültig beizulegen? Das waren ja ganz neue Töne von ihm. Nachdem sie die restlichen Informationen ausgetauscht hatten, fragte Frederica direkt „Und was sollen wir nun machen? Ich kann Eva nicht verraten. Ich habe ihr versprochen, euch daran zu hindern, nach Jeremiel und dem Alpha-Proxy zu suchen und ich halte meine Versprechen.“

„Mag sein“, sagte L und hatte sich schon was überlegt. „Aber dein Versprechen galt weder für die beiden Proxy-Schwestern, noch für Elohim.“ Ja, das stimmte auch wieder. Eva hatte darüber nichts gesagt, also geriet sie auch nicht in einen Gewissenskonflikt. So könnte sie den anderen tatsächlich helfen, ohne dabei ihr Versprechen zu brechen. „Ja, so könnte es klappen. Und was genau sollen wir jetzt tun?“ „Samajim sagte, wir sollten Elion aus dem Keller holen und mit seiner Hilfe die Proxy-Schwestern aufspüren. Und… er sagte auch, wir sollen Ezra mitnehmen.“ Die Reaktion fiel nicht gerade positiv aus. Insbesondere nicht bei Nastasja, die ihre Jungs wie eine Löwin verteidigte. Zu hören, dass L und die anderen tatsächlich vorhatten, Elion trotz der bestehenden Gefahr mitzunehmen und dann auch noch Ezra mit reinzuziehen, war für sie absolut daneben und sofort sagte sie auch „Das könnt ihr doch nicht allen Ernstes vorhaben. Wir haben die Frequenz noch gar nicht entschlüsselt und obwohl ihr genau wisst, dass Elion machtlos gegen die Alphas ist, wollt ihr ihn mitnehmen? Ihr seid verrückt.“

„Mum“, sagte L beschwichtigend. „Dieser Samajim sagte, dass es funktionieren wird, wenn wir auf Elions Willensstärke vertrauen. Er hat schon ein Mal gegen diesen Elohim gekämpft und weiß, wie wir vorgehen müssen. Und eine bessere Alternative haben wir leider im Moment nicht und auch wenn mir der Gedanke auch nicht ganz behagt, dass wir so ein hohes Risiko eingehen, so scheint Samajim ein mächtiger Verbündeter zu sein. Welche Gründe sollte er haben, uns in den Rücken zu fallen? Elohim will alle Unvergänglichen auslöschen und Samajim würde davon ebenfalls betroffen sein. Er kennt Elohims Ziel und hat alles bereits in Planung. Strategisch ist es sinnvoll, wenn wir zuerst die Proxys in Gewahrsam nehmen und durch sie herausfinden, wo wir den Alpha-Proxy finden können und wo sich Jeremiel aufhält. Problematisch ist, dass nicht nur Eva und Samajim, sondern auch der Alpha-Proxy weiß, wie er seine Präsenz verbergen kann, sodass selbst Liam ihn nicht aufspüren kann.“ Ja, das stimmte auch wieder und so blieb ihnen tatsächlich kaum eine andere Alternative, als Samajims Plan zuzustimmen und einfach darauf zu vertrauen, dass sie es auf diese Weise schaffen konnten, Jeremiel zu finden. „Na hoffentlich kommt Eva nicht dazwischen und bringt alles durcheinander.“

„Selbst das hat Samajim längst einkalkuliert und er meinte, dass Eva sehr berechenbar sei und es deshalb ein leichtes für ihn sei, ihre nächsten Schritte vorherzusehen. Wir müssen uns einfach nur an das halten, was er uns als Hinweis zukommen lässt und Stück für Stück den richtigen Weg finden. Solange wir uns darum kümmern und die großen Alten keinen Handlungsbedarf sehen, besteht noch Hoffnung, dass diese Welt heil aus der Sache rauskommt. Ansonsten wird es zu einem Krieg kommen.“

„Der’mo“, sagte Nastasja und zustimmend nickte Liam, die anderen verstanden leider nicht, was sie sagte. „Also dann bleibt uns kaum eine Wahl. Wir müssen das Risiko eingehen und Elion mitnehmen. Und Ezra auch. Trotzdem gefällt mir das überhaupt nicht.“

„Mach dir keine Sorgen“, sagte Liam und sah entschlossen aus. Seine dunkle Ausstrahlung hatte er längst wiedergewonnen. „Ich werde nicht zulassen, dass euch etwas passiert und wenn dieser Samajim uns hintergehen sollte, werde ich ihn töten, ganz gleich, wie mächtig er ist. Es ist mir egal, wie stark oder gefährlich die großen Alten sind. Wer jene bedroht, die unter meinem persönlichen Schutz stehen, der wird sein blaues Wunder erleben. Und wenn ich mich mit Ajin Gamur persönlich anlegen muss…“
 

Da es spät war, beschlossen sie, sich erst einmal schlafen zu legen und morgen damit zu beginnen, die Proxys zu suchen. L und Beyond hatten von Dathan das alte Schlafzimmer als Nachtlager bekommen, Liam schlief nur äußerst selten und brauchte deshalb keinen Schlafplatz und der Rest hatte sich in der Villa verteilt. Die beiden lagen nun da und sahen einander nachdenklich an. Dann aber strich Beyond über L’s Wange und betrachtete seine dunklen Augen. „L, glaubst du, dass es so glatt gehen wird, wie dieser Samajim gesagt hat?“ „Das weiß ich nicht“, gab L zu und wirkte recht bedrückt. „Aber ich hoffe es. Allein schon, weil ich mir Sorgen um die anderen mache. Um unsere Familie. Es war nicht gerade hilfreich zu hören, wie das alles angefangen hat und dieses Kapitel mit Liam beschäftigt mich auch. Ich mache mir zudem ernsthaft Sorgen um meinen Bruder. Wenn es wirklich stimmt und Elohim will seinen Körper übernehmen, dann heißt das, dass Jeremiel für immer aufhören wird zu existieren. Dann wird es zu spät sein, um ihn zu retten.“ „Das glaube ich nicht“, sagte Beyond schließlich und nahm L’s Hand und hielt sie fest. „Deine Mutter hat doch das Serum hergestellt, mit dem sie Elion hat retten können, genauso wie Sheol. Vielleicht funktioniert es dann ja auch bei Jeremiel, wenn dieser Elohim in seinem Körper ist. Noch dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben. Zwar traue ich diesem Samajim nicht so wirklich, aber er scheint sich sehr sicher zu sein, dass es einen Weg gibt, um Jeremiel zu retten. Und wir haben schon so viel geschafft, da werden wir auch ganz sicher deinen Bruder zurückholen können.“

„Schon verrückt“, murmelte L und sah in Beyonds rot leuchtende Shinigami-Augen. „Am Anfang wolltest du ihn am liebsten loswerden und ihm den Hals umdrehen. Und jetzt…“

„Na er gehört doch zur Familie und er ist auch echt in Ordnung. Okay, er kann manchmal ganz schön hinterhältig sein…“

„Aber auch nur deshalb, weil du ihn provozierst. Da brauchst du dich nicht wundern, wenn es dafür direkt eine Retourkutsche gibt.“

„Wie dem auch sei“, seufzte Beyond und sah erst danach aus, als würde er schmollen, aber dem war doch nicht so. „Ich finde deinen Bruder echt in Ordnung und ich weiß ja, wie nah ihr euch inzwischen steht. Immerhin ist er ja inzwischen auch schon ein echt guter Detektiv und macht seine Arbeit gut. Und er weiß sich auch ganz gut durchzusetzen und vor allem dir klar zu machen, dass du sein jüngerer Bruder bist. Er lässt sich ja auch nicht die Butter vom Brot nehmen und auch wenn er aussieht, als käme er unmöglich allein zurecht, hat er sich ja echt gut gemacht. Vor allem lässt er sich nicht so einfach reinreden. Insbesondere nicht in seine Beziehung.“

„Streu noch Salz in die Wunde“, brummte L und sah deutlich verstimmt aus. Wahrscheinlich war er jetzt noch weniger begeistert als ohnehin schon, dass Jeremiel mit Liam zusammen war. Vor allem, weil dieser früher ein gefährlicher Massenmörder war. Das war eine ganz andere Liga als Beyond! Und dass er sich da eben Sorgen machte, war ja auch verständlich. Vielleicht ist das ja einer von Evas Charakterzügen, dachte sich Beyond als er sich zurückerinnerte, wie besorgt L manchmal um seine Familie war. Insbesondere, wenn es um deren Umfeld ging. Immerhin ist er ja ihre menschliche Wiedergeburt und Eva selbst sorgt sich ja auch ständig um ihre Familie. Sonst hätte er nicht noch versucht, Nastasjas noch sehr frische Beziehung mit Dathan auszureden. Schließlich stand L auf und sagte bloß „Ich muss noch kurz was mit meiner Mutter wegen morgen besprechen“, dann verließ er das Zimmer. Beyond zuckte nur gleichgültig mit den Achseln und legte sich dann hin. Kurz darauf kam aber L wieder zurück und sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. Als der Serienmörder das sah, runzelte er verwundert die Stirn und fragte „Was ist denn mit dir los?“ „…frag nicht…“ Das war die einzige Antwort, die der Detektiv von sich gab und legte sich dann ins Bett, wobei er nicht eine Sekunde lang diesen Blick verlor. Nun war der BB-Mörder natürlich neugierig geworden und fragte „Nun sag schon, was ist los?“ „Schwarz…“, sagte der Detektiv tonlos und klang immer noch, als wäre er komplett neben der Spur. „Sie hat schwarz getragen…“ So langsam kam Beyond dahinter, was L so verstört hatte und konnte nicht anders als zu lachen, wobei er ihm auf die Schulter klopfte und sich dann an ihn herankuschelte. „Jetzt stell dich mal nicht so an. Du bist schon 26 Jahre alt. Hey, ich hab meine Eltern im Bett gesehen, als ich erst fünf war. Und da haben sie mir auch nichts schöngeredet, sondern mir gleich die jugendfreie Version erzählt.“ Trotzdem war für L der Rest des Abends endgültig gelaufen. Und ihm graute vor dem nächsten Morgen, wenn er seiner Mutter gegenüberstand. Hoffentlich riss sie ihm nicht noch den Kopf ab… „Hey L“, flüsterte Beyond und stupste ihn an. „Sie es doch mal positiv. So schlecht sieht deine Mutter doch gar nicht aus.“

„Halt die Klappe…“

„Und wie steht’s mit Dathan? Hatte er denn tatsächlich so eine Modelfigur?“

„Halt endlich die Klappe und hör auf, es nur noch schlimmer zu machen.“

„Kopfkino?“ L sagte nichts dazu, drehte sich nur um und klatschte Beyond das Kissen ins Gesicht. Diese eine Frage ließ er unbeantwortet aber so wie der Serienmörder aus den Reaktionen schließen konnte, musste dieser Dathan schon ganz ansehnlich sein. „Tja, deine Mutter hat eben Geschmack.“ Und zur Strafe für diesen Kommentar durfte er in dieser Nacht auf der Couch schlafen.
 

Am nächsten Morgen wurden sie von Frederica geweckt, die gerade dabei war, das Frühstück zu machen. Liam hatte sich zurückgezogen, um ungestört mit seinen Leuten telefonieren zu können. Sheol war schon längst auf den Beinen und machte etwas Frühsport, wobei er von Nastasja begleitet wurde, die sich ebenfalls fit halten wollte. Dathan ging Frederica ein wenig zur Hand und unterhielt sich ein wenig mit ihr, während L und Beyond schon mal Platz nahmen und versuchten, irgendwie wach zu werden, denn das ganze Durcheinander hatte ihnen schon eine schlaflose Nacht bereitet. Und als sich auch noch Dathan schließlich dazusetzte, da verging L der Appetit und er wurde wieder ganz bleich im Gesicht. Beyond konnte sich natürlich den Spaß nicht nehmen und musste beide in Verlegenheit bringen, indem er ganz unverblümt fragte „Na, seid ihr euch inzwischen näher gekommen, du und Nastasja?“ Dathan sah fast genauso geschockt aus wie L, lief rot im Gesicht an und senkte beschämt den Blick, während L erst einen Moment lang erstarrt war, dann aber aufstand und Beyond eins mit der Zeitung überbriet. Schließlich kam Frederica und setzte sich dazu, kurz darauf kam auch Liam, der inzwischen Elion aus dem Keller geholt hatte. Dieser wirkte ziemlich nervös und verstand auch nicht wirklich, warum er denn jetzt wieder rausgeholt wurde, obwohl Rumiko noch nicht fertig mit der Arbeit war. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann wäre er lieber freiwillig im Keller geblieben, weil er große Angst davor hatte, dass er die anderen gefährden könnte. Insbesondere als Ezra als Spätaufsteher dazu kam, wollte er aufstehen und wieder in den sicheren Keller flüchten, doch da hielt Liam ihn am Arm fest und sagte mit ruhiger und tiefer Stimme, die fast schon drohend klang „Du bleibst hier!“ und daraufhin traute sich der Proxy auch nicht mehr, irgendwelche Widerworte zu geben. Dennoch wirkte er am Tisch ziemlich verkrampft. Und Dathan genauso. Schließlich stieß Beyond seinen Sitznachbarn an und flüsterte „Ich kann mir nicht helfen, aber die beiden könnten Brüder sein, so wie die wirken.“ Und da konnte selbst L in dem Moment nicht widersprechen. Wenig später kamen Nastasja und Sheol vom Joggen zurück und setzten sich dazu. Der Rothaarige belud seinen Teller, als müsste er eine ganze Kompanie versorgen und genauso aß er auch. Es blieb nicht unbemerkt, dass Nastasja Dathan immer wieder unauffällige Blicke zuwarf, während dieser immer wieder sehr verlegen zur Seite blickte. Er war einfach zu schüchtern, um ihrem Blick nach der gestrigen Nacht standzuhalten. Schließlich fragte Frederica „Also wie wollen wir heute vorgehen?“ Und damit kamen sie auch endlich auf das Wichtigste zu sprechen, nämlich ihrem Plan, die Proxys zu konfrontieren und sie in Gewahrsam zu nehmen. „Wir müssen uns gut überlegen, wer mitkommt. Denn wenn zu viele mitgehen, verlieren wir die Übersicht und dann könnte es außer Kontrolle geraten.“ Dem konnten L und die anderen nur zustimmen. „Wir müssen die Kräfte gut verteilen, denn es kann gut sein, dass der Alpha-Proxy versuchen könnte, jene anzugreifen, die nicht mitgehen. Also Elion und Ezra sind auf jeden Fall mit von der Partie. Liam ist unsere stärkste Figur im Spiel und kommt ebenfalls mit.“

„Dathan sollten wir auch mitnehmen.“

„Wir?“ fragte L und sah Beyond mit einem verdächtigen Blick an. „Du bleibst dieses Mal hier. Nachdem du bei den letzten Aktionen fast draufgegangen wärst, hätte ich es lieber, wenn du hier bleibst.“

„Das kann doch nicht dein Ernst sein, L. Ich bin kein Kleinkind und ich weiß mich auf jeden Fall besser zu wehren als du. Und als wir gegen Elion und den Knirps gekämpft haben, da ist mir ja auch nichts passiert.“

„Und was war das noch letztens, als du leichtsinnig einfach losgerannt bist, obwohl Schüsse zu hören waren? Nein, ich will einfach nicht, dass du schon wieder in Lebensgefahr gerätst. Es reicht, wenn wir auf Ezra aufpassen müssen.“

„Du kannst mich doch nicht mit dem Kleinen vergleichen.“ „Hey! Ich bin nicht klein, ich wachse noch!“ Eine Diskussion entstand und wäre beinahe im Streit ausgeartet, doch da ging ganz überraschend Liam dazwischen und was er sagte, machte sogar L sprachlos, denn er ergriff tatsächlich Partei für ihn. „Beyond, L liegt es einfach am Herzen, dass dir nichts passiert. Du an seiner Stelle würdest doch auch wollen, dass er lieber in Sicherheit wäre, wenn er schon so oft in Lebensgefahr geraten wäre so wie du. Also respektiere seinen Wunsch auch mal.“ Wahrscheinlich konnte er ihn deshalb so gut verstehen, weil es ihm mit Jeremiel genauso ging. Und da selbst Beyond es nicht so wirklich wagte, sich mit dem Mafiaboss anzulegen (denn er hatte zwar keine Angst, aber dennoch sehr großen Respekt vor ihm), gab er mit vielem Murren klein bei. Als Sheol hörte, dass er auch da bleiben musste, war er mehr als sauer und rief „Hey, wieso darf ich denn nicht mitgehen und dafür Ezra? Das ist unfair, ich bin wesentlich älter als er.“

„Das hat damit nichts zu tun“, erklärte L. „Er muss aus strategischen Gründen mitkommen. Das gehört zu Samajims Plan.“

„Dann will ich auch mit!“

„Nein. Es reicht schon, wenn wir auf Ezra aufpassen müssen. Ganz zu schweigen davon, dass du nicht viel ausrichten kannst. Ich habe mir das so vorgestellt: Frederica und Liam kommen mit uns, da sie kräftemäßig mit den Proxys mithalten können. Da Dathan noch nicht über die nötige Kampferfahrung verfügt und eventuell ein Risiko besteht, dass er als Elohims Sohn in ihr Visier geraten könnte, wird er zusammen mit Mum, Beyond und Sheol hier bleiben.“ Damit war es entschieden und alle zeigten sich einverstanden. Nur Beyond und Sheol waren verstimmt, Elion hielt die Aktion immer noch nicht für eine gute Idee und ihn plagte immer noch die Angst, dass Ezra seinetwegen verletzt werden könnte. Doch Ezra selbst schien da nicht ganz so viel Sorgen zu haben. Entweder hatte er verdammt großes Vertrauen in Elion und die anderen, oder er war sich noch nicht so wirklich der Gefahr bewusst, in die er sich begab. Nach dem Frühstück machten sie sich bereit und trafen die letzten Vorbereitungen. Dathan, der immer noch sehr nachdenklich gestimmt war, zog sich in sein Zimmer zurück, setzte sich auf sein Bett und betrachtete das Schwert, welches er von Lacie bekommen hatte. Schließlich öffnete sich die Tür und Nastasja kam herein. „Was ist los? Ist irgendetwas wegen letzter Nacht? Wenn es um L geht, dann mach dir mal keine Gedanken. Der Junge muss noch erst mal erwachsen werden, was manche Dinge betrifft.“

„Nein, es ist diese andere Sache. Ich meine… ich bin Elohims Sohn. Ich bin der Sohn jenes Mannes, der für all das hier verantwortlich ist. Irgendwie fühl ich mich mitschuldig für das Ganze.“ Als die Russin das hörte, legte sie einen Arm um ihn und sprach ein kleines Machtwort. „Jetzt hör mal gut zu. Es gibt da eine großartige Weisheit, die Liam immer in solchen Momenten anwendet: es kommt nicht darauf an, wer oder was du bist oder woher du kommst. Es zählen einzig und allein die Entscheidungen, die du triffst. Und du kannst nichts dafür, was dein Vater getan hat, also solltest du dir auch keine Vorwürfe machen, oder dich in irgendeiner Art und Weise mitverantwortlich fühlen für die Dinge, die passiert sind.“ Doch er wirkte trotzdem sehr unglücklich und senkte den Kopf. „Ich würde so gerne verstehen, warum er das alles tut und wieso er auch noch die Menschen mit reinziehen will. Sein Hass sollte doch allein denen gelten, die ihn umbringen wollten. Und nun liegt es auch an mir, ihn aufzuhalten.“ Dass die ganze Situation für ihn nicht einfach war, konnte Nastasja gut verstehen. Immerhin würde es wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass Dathan seinen Vater schlimmstenfalls töten musste. Schließlich aber fiel ihr Blick auf das Schwert und die transparente Klinge, die aussah wie Glas. „Es heißt doch, dass die Waffen der Unvergänglichen eine Einheit mit ihnen bilden und ihr Selbst widerspiegeln. Ich glaube, dass du, Elion und dein Vater euch in gewisser Hinsicht vielleicht nicht mal so verschieden seid. Denn was euch verbindet, das ist ein Herz aus Glas.“

„Wie meinst du das?“

„Nun, ihr tragt eure Gefühle offen nach außen, ohne etwas zu verbergen. Man kann leicht in eure Herzen hineinschauen und euch verstehen. Ihr seid empfindsam und auf der einen Seite stark, aber auf der anderen Seite sehr fragile Wesen. Ein Herz aus Glas ist schnell zu durchschauen und es ist in gewisser Hinsicht rein. Frei von Bosheit und negativen Gedanken wie Neid, Habsucht oder Machthunger. Aber… ein Herz wie Glas kann leider auch sehr schnell zerbrechen. Viel schneller sogar als ein normales Herz. Und wahrscheinlich ist das mit deinem Vater passiert. Etwas hat sein Herz endgültig gebrochen und was von ihm übrig blieb, waren Scherben, die nichts als Schmerz verursachen. Menschen oder Unvergängliche mit einem solchen Herzen haben einen wunderbaren Charakter und auch du darfst darauf stolz sein. Aber wer kein starkes Herz besitzt, der kann irgendwann nichts mehr fühlen als Schmerz. Vielleicht musst du deinen Vater ja nicht töten. Du hast es schon geschafft, Elion, Ezra und Frederica zu helfen und ihnen neue Kraft zu geben. Vielleicht kannst du deinem Vater helfen, ohne dass noch mehr Blut vergossen wird.“ Ja, dachte Dathan und nickte schweigend. Vielleicht findet sich ein Weg, ohne dass ich meinen Vater wirklich töten muss. Wenn er wirklich mal so gutherzig und sanftmütig war, dann steckt vielleicht noch irgendetwas Gutes in ihm. Schließlich legte Dathan das Schwert beiseite und ergriff Nastasjas Hand, wobei er aber schüchtern den Blick abwandte. „Nastasja, ich… ich weiß nicht, ob das mit uns gut gehen kann. Ich meine… ich bin…“

„Eine ganz liebenswerte Person“, ergänzte Nastasja und ließ ihn auch nicht mehr zu Wort kommen. „Es spielt für mich keine Rolle, ob du ein Mensch bist oder nicht. Elion ist auch kein vollwertiger Mensch und ich liebe ihn nicht weniger als meinen Sohn wie meine beiden leiblichen Söhne. Jetzt hör gut zu: ich liebe dich so wie du bist und daran wird auch die Tatsache nichts ändern, dass du kein Mensch bist, oder was für eine Person dein Vater ist. Das sagt nichts über deinen Charakter aus.“

„Ja aber… was habe ich denn schon für einen Charakter? Ich gerate schon ins Stottern, wenn ich angesprochen werde, ich kann nicht sonderlich gut mit Menschen umgehen, weil ich eben verdammt schüchtern und unsicher bin, ich habe kaum Selbstvertrauen und viel bieten kann ich dir und deiner Familie auch nicht.“

„Als ob es mir darauf ankommt“, erklärte die Russin mit deutlichem Ton in der Stimme. „Ich bin doch auch nicht gerade die absolute Traumfrau. Ich arbeite viel, ich fluche auf Russisch wie ein Bierkutscher, ich betreibe zig Kampfsportarten und habe bereits mit 10 Jahren Männer auf die Matte geschickt, die 20 Jahre älter waren als ich. Wer mich nicht gerade als durchgeknallt bezeichnet, der läuft vor mir weg, weil er nicht mit meinem russisch-italienischen Temperament zurecht. Als Russin bin ich herzlich, aber ich sage immer direkt, was mir auf dem Herzen liegt. Damit bin ich aufgewachsen. Und als Italienerin werde ich schnell heißblütig, aufbrausend und vor allem laut. Manchmal bin ich wirklich eine Zumutung für andere, das gebe ich offen zu. Aber was mich eben so fasziniert, das sind Leute, die selbst dann noch diese Ruhe ausstrahlen und durch die ich mich irgendwie wieder einkriegen kann. Wie du aussiehst, ist mir egal. Ich hätte dich auch mit den Brandnarben geliebt und es spielt für mich keine Rolle, ob du nun für mich sorgen kannst, oder nicht. Ich bin emanzipiert genug, um auf eigenen Füßen zu stehen. Aber ich brauche einfach jemanden, der es schafft, mein ruhiger Fels in der Brandung zu bleiben, wenn mein Temperament wieder so hohe Wellen schlägt. Deshalb habe ich mich für dich entschieden. Und was deine Schüchternheit oder deine Vergangenheit betrifft: Mne do lampochki!“ Dathan schmunzelte, als er das hörte. „Du hast schon ein sehr… buntes Vokabular, oder?“

„Sag bloß du verstehst, was ich sage.“

„Nun, wenn du gerade eben das ist mir scheißegal gesagt hast, dann ja.“

„Oh Mann…“, murmelte Nastasja und ließ den Kopf hängen. „Dann sollte ich wohl in Zukunft mehr auf meine Wortwahl achten, oder?“

„Musst du nicht“, beruhigte er sie mit einem schüchternen Lächeln. „Irgendwie finde ich es ganz süß, wenn du fluchst.“ Nun war Nastasja absolut perplex. Selbst Henry hatte so etwas nie gesagt. Aber andererseits machte sie das auch wirklich froh, dass Dathan nicht schlecht von ihr dachte, wenn sie in ihrer Muttersprache Wörter benutzte, die besser zensiert werden sollten. Und dafür gab sie ihm einen liebevollen Kuss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  San-Jul
2015-02-10T15:14:59+00:00 10.02.2015 16:14
Ohhh, das war echt eine tolle Liebeserklärung von beiden <3
Von:  pri_fairy
2015-01-16T22:10:41+00:00 16.01.2015 23:10
Tolles Kapitel :)
Wie süß Nastasja und Dathan sind :)
L tut mir trotzdem etwas leid :D für Beyond war das natürlich gefundenes Fressen :D
Von: abgemeldet
2015-01-16T15:46:44+00:00 16.01.2015 16:46
Ein großartiges Kapitel^^
Jetzt geht es langsam los *freu*


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