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9 mm - Blut und Schweiß

von

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7

Das Lächeln auf Christophs Lippen wirkte beinah freundlich. Woran dachte er? Was sollte Jens von einem Mann wie ihm halten?

Durch die reine Erwähnung der Serie war die Frage nach diesem Dariusz abgerückt. Wie sollte Jens nun ansetzen, um nicht das letzte bisschen Sicherheit und Bedrohlichkeit zu verlieren? Verdammt auch!

Er ließ die Waffe sinken und legte sie zwischen seinen Beinen auf der Sitzfläche ab, behielt aber beide Hände griffbereit darüber verschränkt; zum Schutz. Was immer Christoph machen konnte und wollte, Jens war bereit zu reagieren.

Während die Sonne langsam aufging und ihnen immer wieder in die Augen stach, schwiegen sie beide. Christoph musste seine defensive Haltung bemerkt haben, sagte aber nichts dazu.

Er fuhr ruhig gegen den zunehmenden Verkehr an.

Langsam wurde es wärmer im Führerhaus. Jens‘ Hals fühlte sich trocken an, seine Zunge klebte wieder am Gaumen. Zugleich rieben die Hautschüppchen unter seinen Snakebites. Trinken wollte er dennoch nicht. Dafür hätte er beide Hände gebraucht. Die Chance, dass ihm Christoph die Waffe wegnahm, wollte Jens ihm nicht geben.

Durch die riesige Windschutzscheibe fiel das Sonnenlicht ungefiltert ein. Die Blenden reichten in keiner Weise. Christoph schien es gewohnt zu sein. Als sie die Abfahrt Denkendorf passiert hatten, gabelte sich die Autobahn nach einer Seite in einer lang gezogenen Ostkurve und stieg an.

Instinktiv überschattete Jens seine Augen.

„Gibst du mir bitte mal die Sonnenbrille?“, fragte Christoph, als sei seit ihrem Aufbruch vom Rasthof nichts geschehen.

Irritiert blinzelte Jens. „Was?“ Er starrte Christoph an, der mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen auf die Autobahn starrte. Mehrere PKWs und ein Reisebus überholten ihn. Vor ihm kroch ein Tanklaster den bewaldeten Berg hinauf. Christoph war zu schnell und die mittlere Spur zu voll mit Fahrzeugen. Er musste abbremsen. Die Geräusche von Motor und Bremsanlage hörten sich eigenartig konträr an; sonores Brummen und zischendes Stottern. Das Führerhaus neigte sich nach vorn. Jens wurde hart in den Gurt geworfen und ins Polster gedrückt. Sein Rucksack kippte um und die Wasserflasche fiel. Instinktiv griff er nach – und verlor die Pistole aus der Hand. Erschrocken sog Jens die Luft ein. Glücklicherweise blieb sie auf seinem Rucksack liegen, außerhalb von Christophs Reichweite. Mit einem Seitenblick bemerkte er, dass sich in dessen steinerner Miene noch immer keine Gefühlsregung zeigt. Aber Christoph schien auch nicht bemerkt zu haben, dass Jens kurzzeitig keine Waffe mehr in der Hand hielt. Rasch sammelte er sie ein und umklammerte den Griff.

Mit unbewegtem Gesicht stierte Christoph auf den Tanklaster, der entsetzlich nah zu sein schien. Der Abstand zu dem silbernen Wagen betrug nicht mehr als einen halben Meter, wenn überhaupt. Wahrscheinlich war alle Farbe aus Jens‘ Zügen gewichen, er wusste es nicht, aber die prickelnde Kälte unter seiner Haut nahm zu und wurde zu lähmendem Schrecken. Er versuchte jedes Geräusch zu unterdrücken, als er trocken schluckte.

Der Verkehr lief weiter. Nun kroch Christoph genauso langsam wie der Tankzug. An ihnen zogen Bäume und Felsen vorüber, zugleich fiel auf der Beifahrerseite die Strecke – jenseits der Leitplanke – tief ab. Mühsam rang Jens nach Luft.

„Du bist nicht halb so tough wie du versuchst mir weis zu machen, Jens.“ Christophs Stimme klang nüchtern und sehr rau.

Hitze zuckte mit den Worten durch Jens‘ Kopf. Was sollte das denn wieder? Bevor Jens reagieren konnte, fügte Christoph an: „Du bist kein berechnender Mensch. Mich würde interessieren, wie du in die Situation gekommen bist.“

Wie? Glaubte er nicht an das, was im Radio gesagt wurde?

Nein, das musste ein Trick sein. Dieser Mann interessierte sich doch nicht für das Schicksal anderer Leuten.

Jens kniff die Augen zusammen. „Ich war’s nicht.“ Er versuchte so kalt wie möglich zu klingen. Es misslang. Seine Stimme schwankte. Aus irgendeinem Grund wollte er, dass Christoph ihm glaubte.

„Du hast sicher schon einigen Mist gebaut. Würde mich nicht wundern, wenn du vorbestraft wärst, aber ich würde auf Diebstähle tippen, Vandalismus, gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei oder linke Demos, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemand umbringen würdest, nur weil er schwul oder bei der Polizei ist.“

Irgendwie traf jedes Wort zu. Jens seufzte und starrte auf die Pistole in seiner Hand. Er nickte. Plötzlich fühlte er sich unendlich müde. Er hatte keine Kraft mehr. Die Nacht, die beiden Toten, das Blut, das schließlich auf seiner Haut getrocknet war und einen harten Panzer aus seinem Shirt gemacht hatte, das langsame Sterben und die Brutalität an Marco, das gellende Keifen der Frau, der peitschende Knall … all das wog mehr, als Jens aushalten konnte. Er musste Ruhe finden, irgendwie, auch wenn er keinem außer Till wirklich vertraute, aber von dem wusste er nicht mal, wo er gerade abhing. Wäre sein Bruder doch hier.

„Ich habe Marco in einer kleinen Schwulenkneipe aufgerissen …“



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