Zum Inhalt der Seite

Er liebt mich, er liebt mich nicht 2

[Secret Love]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Als Takeda und Hirakawa zur Seikô Gakuen zurückkehrten, war die Sonne bereits hinter den fernen Berggipfeln verschwunden und die Luft hatte sich merklich abgekühlt. Es war eben trotz allem immer noch Ende März. Ein kalter Wind pfiff über den Campus und brachte die Blätter der Bäume zum Flüstern. Takeda fröstelte und schob die Hände in die Hosentaschen seiner Jeans.

„Ich kanns kaum abwarten, endlich ins Warme zu kommen“, sagte er mehr zu sich selbst als an Hirakawa gewandt, der ganz nahe bei ihm ging. Wie beiläufig streiften sich ihre Schultern. Die Berührung ließ Takeda erschaudern.

„Du zitterst ja.“

Hirakawas schelmischen Tonfall war ganz deutlich anzuhören, dass er genau wusste, was der Grund dafür war.

„Blödmann“, murmelte Takeda, ohne aufzublicken. Doch aus dem Augenwinkel konnte er sehen, dass Hirakawa lächelte.

Doch die traute Zweisamkeit sollte nicht von langer Dauer sein. Vor dem Eingang von Wohnheimblock C trafen sie unverhofft auf Hinata, der, den Kopf in die Hände gestützt, auf den steinernen Stufen saß und auf irgendetwas zu warten schien.

„Was machst du hier draußen?“, fragte Hirakawa in seinem üblichen geschäftlichen Tonfall. Es war eine offizielle Frage, die er als Wohnheimsprecher stellte, keine Frage unter Freunden. Takeda erstaunte es immer wieder, wie gut es Hirakawa verstand, beinahe übergangslos zwischen den verschiedenen Haltungen hin und her zu wechseln.

„Ach, ja... Naja“, begann Hinata zögerlich und kratze sich am Hinterkopf. „Sakana ist noch nicht da und ich habe meinen Schlüssel vergessen“, gestand er schließlich.

Als habe er von Hinatas Antwort keine Notiz genommen, trat Hirakawa an ihm vorbei und schloss die Tür zum Wohnheim auf. Erst nachdem er eingetreten war, wandte er sich noch einmal zu seinem Trainingspartner um: „Du kannst solange mit auf mein Zimmer kommen und dort warten.“

Hinata stand die Überraschung deutlich ins Gesicht geschrieben: „Ich will dir keine Umstände machen.“

„Es macht keine Umstände“, gab Hirakawa schlicht zurück und nahm Hinata so jede Möglichkeit, die Einladung höflich abzulehnen.

„Ach so. Ja, na dann... Danke“, antwortete er etwas unsicher und folgte Hirakawa dann ins Treppenhaus.

„Ich komme auch mit.“

Hinata wandte sich überrascht zu Takeda um. Offensichtlich hatte er ihm so viel Kühnheit nicht zugetraut.

„Von mir aus“, tönte es von der Spitze der kleinen Gruppe her.

Nun fuhr Hinatas Kopf nicht minder überrascht zu Hirakawa herum. Takeda konnte beinahe sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Wahrscheinlich hatten sie beide gerade sein Weltbild zerstört. Bei diesem Gedanken musste Takeda unwillkürlich glucksen. Vielleicht hatte so eine heimliche Beziehung auch ihre guten Seiten. In diesem Augenblick jedenfalls fühlte es sich wie ein Abenteuer an, wie ein Geheimnis, das sie beide untrennbar miteinander verband und aus der Welt um sie her herauslöste. Ihr eigenes, kleines Universum.

Als die Hirakawa, Takeda und Hinata an der ersten Etage vorbei kamen und ihren Aufstieg in den dritten Stock fortsetzten, erhaschte Takeda einen kurzen Blick auf seine geschlossene Zimmertür. Plötzlich fragte er sich, wieso er sich eigentlich so spontan dazu entschlossen hatte, mit auf Hirakawas Zimmer zu kommen. War es, weil er Hinata und Hirakawa nicht allein an einem so privaten Ort wissen wollte? Oder nicht viel eher, weil er es hinauszögern wollte, in sein eigenes Zimmer zurückkehren und Kimura begegnen zu müssen?

Doch noch ehe Takeda diesen Gedanken zu Ende führen konnte, waren sie auch schon in der dritten Etage angelangt und Hirakawa schloss die Tür zu seinem Zimmer auf.

Takeda war nicht mehr hier gewesen, seit Hirakawa ihn voriges Jahr unter dem Deckmantel einer offiziellen Besprechung hierher bestellt und Takeda dabei die Spieluhr aus ihrer gemeinsamen Kindheit ganz oben auf dem prallgefüllten Bücherregal entdeckt hatte. Viele Erinnerungen hafteten an diesem Raum...

Takeda war sich sicher, dass Hirakawa im Laufe seiner Schulzeit nicht viele Mitschüler in sein Zimmer eingeladen hatte. Dass er Hinata dieses Privileg zugestand, zeigte, wie sehr er ihn mochte. Auch wenn er es nicht offen zeigte.

„Fühlt euch wie zu Hause“, riss Hirakawas Stimme Takeda aus seinen Gedanken.

Ein prüfender Blick verriet ihm, dass der einzige Stuhl im Raum noch immer an Hirakawas Schreibtisch stand und so ließ er sich einfach vor dem Bett auf dem Boden nieder. Hinata folgte seinem Beispiel, während sich Hirakawa seinen Schreibtischstuhl zu ihnen heran zog. Es wirklich war eine komische Runde.

„Wann wollte Sakana denn wieder da sein?“, fragte Takeda Hinata, um das entstandene Schweigen zu brechen.

Dieser zuckte nur die Achseln: „Ich weiß gar nicht, wo er hingegangen ist.“

„Das Zimmerangebot steht noch: Du ziehst bei mir ein und Sakana bekommt dafür Kimura.“

Hinata lachte und Hirakawa zog die Augenbrauen zusammen, woraufhin Takeda ihm zugewandt hinzufügte: „Das war nur Spaß.“

„Hirakawa versteht keinen Spaß“, setzte Hinata in neckischem Tonfall nach.

Nun war es Takeda, der Hinata so viel Kühnheit nicht zugetraut hatte.

Er warf Hirakawa einen Seitenblick zu, doch der verzog keine Miene. Die Atmosphäre war völlig entspannt – und Takeda hatte das Gefühl, dass Hirakawa das in vollen Zügen genoss. Eigentlich war es gar nicht so schwer, ihn zu verstehen – wenn man ihn erst einmal durchschaut hatte. Und plötzlich fragte sich Takeda, ob das Hinata wohl auch gelungen war. Als er in das Gesicht des neuen Oberschülers blickte, musste er die Frage mit ja beantworten, auch wenn er es sich nicht gern eingestand. Vielleicht waren er und Hirakawa doch nicht so allein in ihrer kleinen Welt, wie er gedacht hatte.

„Hast du dir eigentlich schon überlegt, in welchen Club du eintreten willst?“, fragte Hinata an Takeda gewandt.

„Noch nicht. Eigentlich kann ich nichts besonders gut. Das ist mein Problem“, gestand Takeda.

Ehe Hinata antworten konnte, fuhr Hirakawa dazwischen: „Du willst aus dem Kendô-Club austreten?“

Erst jetzt wurde Takeda schmerzlich bewusst, dass er mit Hirakawa noch gar nicht über dieses Thema gesprochen hatte. Er würde zu Beginn des neuen Schuljahrs offiziell zum Clubvorsitzenden ernannt werden – Takeda wäre es ihm schuldig gewesen. Und dass Hinata bereits davon gewusst hatte, machte die Sache auch nicht besser. Was musste Hirakawa jetzt nur von ihm denken?

Takeda suchte Hirakawas Blick, doch er konnte nichts von seinen Augen ablesen. Sie waren völlig ausdruckslos – und das traf Takeda härter als alles, was er darin hätte entdecken können.

„Ich habe mich noch nicht entschieden“, sagte Takeda rasch.

Das entsprach zumindest teilweise der Wahrheit.

Hirakawa antwortete nicht. Er starrte ihn nur weiter unverwandt an und Takedas Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Er ließ sich alle möglichen Entschuldigungen durch den Kopf gehen, doch es gab nichts, was er hätte sagen können, um es wieder gut zu machen.

So schwiegen sie eine ganze Weile, bis sich schließlich Hinata zu Wort meldete: „Ich glaube, ich habe gerade die Haustür gehört. Vielleicht ist Sakana inzwischen wieder zurück. Am besten geh ich mal nachsehen.“

Damit erhob er sich und deutete in Richtung Hirakawa eine leichte Verbeugung an: „Danke, dass ich hier auf ihn warten konnte.“

„Moment, ich komme mit“, sagte Takeda schnell und folgte Hinata aus dem Raum. Er warf noch einen letzten Blick auf Hirakawa zurück, den leblosen Ausdruck in seinen Augen, dann zog er die Tür hinter sich zu.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück