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OneShot - Nie zu spät

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Nie zu spät

OneShot 09 - Nie zu spat
 

Seit den frühen Morgenstunden saß er auf dem Boden seines Zimmers. Hatte den Kopf schief gelegt, das Haar durcheinander und verwuschelt, noch mit letzten müden Zügen in den Augen, während er vor sich ins Leere starrte. Nachdenklich kräuselte sich seine Stirn und in einem Anflug kindlicher Naivität beugte er sich nach vorn, streckte seine Arme aus und zog etwas kuschelig Weiches unter seinem Bett hervor, zusammen mit ein paar kleinen Wollmäusen. Er schob sie einfach unbeachtet beiseite und setzte sich wieder ordentlich im Schneidersitz auf die Holzdielen - gegenüber positionierte er seinen alten Freund aus einsamen Kindernächten. Zuletzt hatte er ihn kurz vor seinen Chuninprüfungen neben sich liegen gehabt - natürlich um der Nervosität entgegenzuwirken. Es hat nur bedingt funktioniert.
 

Heute jedoch würde er ihm anderweitig nützlich sein. Irgendwie jedenfalls. So richtig durchringen konnte sich Obito noch nicht. Auf dem braunen Fell seines treuen Gefährten setzte sich eine schwarze Stoffweste ab, die hinten den aufgemalten Uchiha-Fächer zeigte. Damals, zu seinem fünften Geburtstag, war er ihm einfach zu neu und vielleicht auch ein wenig zu unpersönlich. Also hatte Obito voller Tatendrang und künstlerischer Freiheit nach Pinsel und Farbe gegriffen und seinen Freund zu einem echten Familienmitglied gemacht. Der leicht schiefe Fächer glänzte in den ersten zaghaften Sonnenstrahlen des Tages und je länger er hier untätig saß, desto näher rückte sein Trainingstermin. Vermutlich stand Kakashi schon auf dem Platz. Und Rin ... Rin.
 

Obito schluckte, schob dezent seine Unterlippe vor und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Verdammt, so schwer konnte das doch nicht sein! Es ging doch nur um eine kleine Geste. Eine kleine, vollkommen menschliche Geste, nicht mehr und nicht weniger - zumindest fürs Erste. Denn wenn er an Rin dachte, spürte ganz deutlich wie aufgeregt und nervös er wurde. Manchmal schlug sein Herz sogar wilde Purzelbäume, wenn er Rin lächeln sah.
 

"Okay! Ich mach das jetzt einfach!", sagte er entschlossen zu dem braunen Teddybären vor sich und griff mit beiden Händen zu, packte ihn und zog ihn zu sich. Schnell und kompromisslos, nicht wirklich sanft aber für den Anfang schon mal gar nicht so schlecht. Flauschiges Fell drückte sich an seine Brust, während sich seine Fingerspitzen tief in den weichen Körper gruben. Er spürte die Watte und lockerte instinktiv seinen festen Griff. Sowas ausgerechnet mit einem Kuscheltier zu üben, war vielleicht nicht besonders praktisch. Immerhin konnte er sich dazu nicht äußern. War es jetzt zu fest? Oder zu locker? War es vielleicht zu freundschaftlich oder doch zu aufdringlich?
 


 

"Ach maaaann, was mach ich denn jetzt?", stöhnte Obito und schubste verzweifelt seinen Bären zur Seite. Wie konnte etwas so einfaches nur so unglaublich schwer sein? Es war zum Verrücktwerden. Er fand einfach keine richtige Möglichkeit, wie er diesen Akt der Zuneigung so locker und lässig wie möglich über die Bühne bringen konnte. Wenn es schon nicht an seinem geliebten Teddybären funktionierte, wie sollte es denn dann erst bei Rin gehen? Er ahnte eine Katastrophe, aber viel länger herausschieben wollte er das auch nicht mehr. Vielleicht war es das Beste, wenn er sich einfach auf sein Bauchgefühl verlassen würde?
 

Ein Seufzen, das schwer und unsicher klang, schlich sich über seine Lippen, ehe er sich aufrichtete und tatsächlich noch ein paar provisorische Umarmungen an seinem Bären übte, bevor er sich viel zu spät auf den Weg zum Trainingsgelände machte. Der Teddy blieb mit hängendem Köpfchen allein vor dem Bett sitzend zurück, in scheinbar wartender Pose. Vielleicht würde es Obito ja dieses Mal schaffen über seinen eigenen Schatten zu springen...
 

"Oh Gott, Kakashi bringt mich um", rief er gehetzt durch den Wald, als er durch vereinzelt auftauchenden Lücken in den Baumwipfeln erkannte, wie hoch die Sonne bereits stand. Wenn er sich nicht irrte, musste es bereits Mittag sein.
 

"Er bringt mich um. Er bringt mich mit Sicherheit um!" Seine Füße stolperten über Baumwurzeln, rutschten über feuchtes Laub, irgendwo in der Ferne zwitscherten Vögel und Obito schreckte sie alle auf, als er punktgenau auf einen Ast sprang, der in der Luft wippend schon Sekunden später wieder zurückblieb.
 

"Bin ich zu ..."
 

"Spät, ja", ergänzte Kakashi schroff, als er endlich schwer atmend und völlig fertig ankam. Die Arme stützte er auf seine Knie, versuchte das Stechen in den Seiten ganz ruhig wegzuatmen, während er mit breitem, entschuldigendem Lächeln aufsah. Kakashi stand mit verschränkten Armen vor ihm. Und Rin kaum wenige Meter dahinter. Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Lippen, das viel eher seine Aufmerksamkeit erhaschte als der verachtende, tadelnde Blick Kakashis.
 

"Tut mir leid aber da war dieser kleine Fuchs am Stadttor, der hatte sich eindeutig verlaufen, deshalb musste ich ihn zurück zu seiner Familie bringen", meinte Obito überzeugt und grinste Rin entgegen, die es mit einem leichten Schmunzeln erwiderte. Kakashi jedoch schnaubte nur abfällig.
 

"Red keinen Unsinn, Füchse sind doch viel zu scheu um..."
 

"Was weißt du denn schon..."
 

"Jedenfalls weiß ich mehr als du!"
 

"Jetzt hört schon auf", warf Rin schlichtend ein. Sie führte ihre Hände beruhigend zwischen die beiden aufgebrachten Jungen und schob sie auseinander. Bei dieser sanften Berührung verspürte Obito mehr als jemals zuvor das drängende Bedürfnis endlich sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Warum auch nicht? Wann war denn überhaupt ein geeigneter Zeitpunkt für Umarmungen? Tat man sowas nicht ohnehin ständig? Zur Begrüßung. Zum Abschied. Sogar hin und wieder zwischendurch.
 

Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sich ihr gegenüber wiederfand und seine Mundwinkel zuckten nervös. Gut, das war alles andere als leicht. Jetzt, wo die Nähe da war, hingen seine Arme nur unbewegt an ihm herunter, zu schwer und zu inaktiv. Und überhaupt, wie sollte er das denn jetzt ohne die richtigen Worte anstellen? Dahingegen war das Üben mit dem Teddybären ja noch ein Kinderspiel gewesen.
 

Er lachte verlegen, beuge sich allerdings trotzdem nach vorne und dachte einfach nicht nach, als er irgendwie zumindest seinen rechten Arm anheben konnte. In seltsamer Pose verharrte er in der Luft, schwebend und zitternd - sein Herzschlag pulsierte rasend und gerade als er einen Schritt nach vorn trat, den kleinen Haufen Mut zusammenkratzte, der in seinem Bauch kribbelte, platze Kakashis Stimme vernichtend dazwischen.
 

"Lasst uns endlich anfangen, Rin ... Obito", rief er und lief auf die Mitte der Waldlichtung zu. Und Rin entzog sich ihm in der Folge eines einzigen Augenschlages, was dazu führte, dass Obito ungeschickt und erschrocken ins Leere stolperte, statt in eine liebevolle Umarmung mit Rin. Feuchtes Gras kitzelte seine Nasenspitze und Obito stöhnte leidvoll auf. Das ... kam unerwartet. Hoffentlich hatte Rin nichts bemerkt. Doch gerade als er sich vorsichtig umsehen wollte, traf er überrascht auf eine zierliche, ausgestreckte Hand, die in Erwartung vor ihm schwebte - ihn geradezu einlud sie anzunehmen.
 

"Nun komm schon", drängte sie ihn sanft, mit einem fortwährend süßen Lächeln auf den Lippen, das Obito verlegen und sprachlos zugleich machte. Er senkte den Blick, griff blind nach ihrer Hand und rappelte sich mit ihrer zuvorkommenden Hilfe wieder auf.
 

"Danke", nuschelte er undeutlich und verwaschen, sodass er glaubte, Rin hätte es nicht gehört, doch irgendwas verriet ihm, dass er sich irrte. Vielleicht lag es an dem sanften, kurzen Druck, den ihre Hand auf seine ausübte oder das verspielte Lachen, das ihre Lippen für einen kurzen Moment verließ. Es war schön, einprägend und ... schön.
 

Obito folgte Rin - noch ganz verträumt und fasziniert, bis ihn Kakashi unsanft wieder auf den Boden der Realität zwang. Mit einem harten, gnadenlosem Training, das seiner Meinung nach ausgerechnet heute definitiv länger andauerte, als es ohnehin oft der Fall war.
 

Gefühlte Stunden später lehnte er sitzend und sichtlich geschafft an einem Baumstamm. Keuchend und mit Schmerzen am ganzen Körper, weil er keiner Attacke richtig ausweichen konnte. Sein blöder Kopf war nicht frei. Immer wieder schwirrten seine Gedanken zu Rin und zwangsläufig auch zu dieser, für ihn mittlerweile unglaublich wichtigen Umarmung, die ihre Freundschaft auf eine andere Ebene befördern sollte. Auf eine tiefere Ebene voller Verbundenheit und Vertrauen. Genau das wünschte er sich und vielleicht noch ein wenig mehr - zu gegebener Zeit.
 

"Obito, wir gehen, kommst du nicht mit?" Rin hatte sich über ihn gebeugt. Ihre Haare fielen dabei nach vorn und umspielten federleicht ihr zufrieden strahlendes Gesicht.
 

"Ja", nickte er ihr zu und stand auf. Seine linke Seite schmerzte, dort wo ihn Kakashi gleich mehrmals hintereinander hart getroffen hatte, doch das war nicht wirklich wichtig. Ihr Teamkamerad hatte sich bereits schon einige Meter von ihnen entfernt, als Obito neuen Mut fasste und Rin aufhielt.
 

"Rin, warte mal ... ich wollte dir ...", sagte er und druckste ungewohnt schüchtern herum. Wie genau sollte er das denn jetzt formulieren? In seinem Kopf herrschte gähnende Leere und gleichzeitig drohte er vor der plötzlich hereinbrechenden Flut an Gedanken überzulaufen.
 

"Ich weiß es doch schon", flüsterte sie sanft zurück und raubte Obito mit nur einem Wimpernschlag auch den letzten, wirren Gedanken. Ihre friedliche Wärme, ihr angenehm lieblicher Duft umhüllte ihn und ihre Arme lagen ganz sanft und berührend um seinen Körper, dass er irritiert in die Umarmung lächelte, ehe er sie zögerlich und mit leichter Verspätung erwiderte. So einfach war das also …
 

"Danke ... Rin."



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  NadiraUchiha
2016-09-04T17:56:32+00:00 04.09.2016 19:56
Hihihi süß *~* Wie Obito die ganze Zeit an Rin denkt.. ^^
"Es war schön, einprägend und ... schön" Das war am niedlichsten :)
Dein Schreibstil ist toll und es hat mir mega Spaß gemacht diese FF zu lesen ^^
LG ;)
Nadira
Antwort von:  Anyi
04.09.2016 21:18
Hey, das ist lieb, danke ^^
Freut mich sehr, wenn es dir gefallen hat <3

LG Anyi
Von:  LizudemAm
2016-08-05T20:46:33+00:00 05.08.2016 22:46
Joa find ich gut.
Antwort von:  Anyi
06.08.2016 10:22
Danke ^^


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