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Reise nach Elayaden

Lehrjahre sind keine Herrenjahre
von

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Willen- und seelenlos

Der Winter war vorüber und allmählich begann auch die Natur wieder zu neuem Leben zu erwachen. Der trostlose Wald, dessen Bäume ohne ihre Blätter, wie Skellette ihrer selbst wirkten, begann langsam wieder zu erblühen. Man konnte Knospen und die ersten kleinen Blättchen ausmachen. Auch die Fichten und Tannen erhielten ein kräftigeres Grün zurück und der Boden, der nur noch vereinzelte Fleckchen weißen Schnees aufwies, brachte die ersten Sprösslinge an Farnen, Sträuchern und jungen Setzlingen hervor. Die Luft war nicht mehr so schneidend kalt und ein angenehmer frischer Duft schwang in ihr mit. Auch das tierische Leben kehrte nun nach und nach zurück. Man konnte wieder vermehrt das Gezwitscher, der paarungswilligen Vögel vernehmen. Hasen, Eichhörnchen und andere kleine Waldbewohner durch den Forst huschen sehen und wenn man sich ganz ruhig verhielt, sogar hier und da ein Reh oder einen Fuchs erspähen. Auch die Sonne hatte wieder deutlich an Kraft gewonnen und so ließ es sich Smith nicht nehmen, sich für einen kurzen Moment in das frische Gras am Rande des Waldes zu legen und die ersten Strahlen des Frühjahrs willkommen zu heißen. In seiner Welt hatte er das Bewusstsein für die Natur niemals so wahrgenommen. Dazu musste er erst nach Elayaden kommen. Er begrüßte den Frühling aus ganzem Herzen. Anders als früher. Er fühlte sich hier mehr wie ein Teil der Umwelt, als er es jemals auf der Erde konnte.

Seine Finger fuhren durch das saftige, taugetränkte Gras. Er sog den Wind mit all seinen Aromen genüsslich in seine Lugen und lauschte den Klängen, die das neue Leben ankündigte, mit einer Seelenruhe.
 

Die Welt konnte so schön sein, wenn man sich nur einen Augenblick Zeit nahm und sie auf sich wirken ließ. Doch so schön sie auch war, gab es ebenso viele Probleme auf ihr. Noch immer quälten Smith die Erinnerungen an die Ereignisse im Dorf. Es erschloss sich ihm einfach nicht, wie die Menschen so mit den Humunkuli umgehen konnten und er war entschlossener denn je, dass er etwas daran ändern wollte.

Zu aller erst, hatte er Quintus verkündet, dass sie nicht wieder in das Dorf zurückkehren und nur aus dem Schoß der Natur leben würden. Zwar wusste das Goldauge nicht, ob er nur nicht mehr zurück wollte, um der Tatsache auszuweichen, dass er nichts ändern konnte oder weil er so seinen Lehrmeister vor den schändlichen Blicken und Beleidigungen abschirmen konnte. Ein Stich in seinem Innersten, offenbarte ihm natürlich, dass er das Problem erst einmal ausblenden wollte und deshalb verachtete er sich selbst ein wenig. Jedoch war ihm auch bewusst, dass er einen Plan brauchte, bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte. Dazu war es unabdingbar, dass sie die Ausbildung beendeten und er beim Prinzen und seinen Beratern vorsprechen konnte. Er musste zudem viele Informationen über Humunkuli und deren Meister beschaffen und verarbeiten, um letztlich etwas für diese sehr menschlichen Kreaturen tun zu können.
 

Natürlich hatte Quintus keinen Einwände erhoben. Es war ja schließlich nur seine Pflicht ein Auge auf Smith zu haben und dessen Ausbildung und Unversehrtheit zu garantieren. Und so waren sie nicht wieder ins Dorf zurückgekehrt.

Im Herbst stellte die Nahrungsversorgung kein großes Problem dar. Doch als der Winter immer näher rückte und die Tiere in wärmere Gefilde davonzogen oder sich für ihre Winterruhe vorbereiteten, wurde das Jagdangebot knapper. Zum Glück hatten die beiden begonnen Pilze und andere essbare Pflanzen zu sammeln und zu lagern, so gut es in der Wildnis eben ging. Der Mangel an Fleisch wurde, je weiter der Winter voranschritt aber zu einem Problem. Smith und Quintus waren schließlich Tag und Nacht der schneidenden, erbarmungslosen Kälte, sowie Wind und Wetter ausgeliefert, weshalb sie dementsprechend genug Nahrung zu sich nehmen mussten, um nicht zu erfrieren. Oft wanderten sie tagelang durch den Wald und kontrollierten ihre aufgestellten Fallen oder suchten nach Wild, dass es zu erlegen wert war. Gelegentlich geriet ein kleiner Waldbewohner in eine der Jagdfallen und noch seltener erlegten sie ein Beutetier.
 

Zwar konnte Smith mittels seiner Energiemagie Lebenskraft aus der Umgebung ziehen, doch wusste er, dass er dies nicht übertreiben sollte. Denn nahm er zu viel Kraft seiner Umwelt auf, lief diese Gefahr zu verenden. Zudem half diese Methode Quintus nicht weiter. Denn auch Humunkuli mussten essen. Sie mochten vielleicht magisch erschaffen worden sein, waren aber den selben Zwängen unterworfen wie die Menschen. Wenn sie nicht aßen und schliefen, war dies genauso gefährlich für sie wie für ihre Herren. Deshalb hielt es Smith so, dass er mit seinem Lehrmeister hungerte und fror.
 

Irgendwann, Smith konnte nicht sagen, wie weit der Winter bereits vorangeschritten war, zogen die beiden näher an den Waldrand. In der Hoffnung Beute auf den Feldern machen zu können oder dort zumindest noch irgendetwas nahrhaftes zu finden. Leider bot auch die Welt außerhalb des Waldes einen trostlosen Anblick. Der Schnee hatte sich wie ein weißer Umhang über das Land gelegt und begrub dieses, teilweise meterhoch, unter seinen fröstelnden Massen. Soweit das Auge reichte gab es nur weiß für sie zu sehen. Auch die wenigen Bäume, die auf dem Feld standen waren dunkle Gerippe und nur in weiter Ferne machte Smith Rauchschwaden aus, die wohl aus dem Dorf zu kommen schienen, in dem sie damals ihre Vorräte aufgestockt hatten.

Für einen Moment war der junge Jäger versucht gewesen seinen Vorsatz zu brechen und sich mit Proviant einzudecken und wenn möglich ein oder zwei Tage im Gasthof zu verbringen, um der beißenden Kälte, die ihre Körper befiel und zunehmend gefühlloser machte, zu wärmen. Doch dann schüttelte er den Kopf und schalte sich selbst einen Narren. Wie konnte er nur so etwas denken? War er so schwach, dass er seine Entschlüsse brach, wenn die Dinge einmal nicht zu seinen Gunsten standen? Nein, so war er nicht. Er würde nicht dorthin zurückkriechen und jenen etwas abkaufen, die so diabolisch mit anderen Wesen umgingen. Eher würde er hier im Schnee sterben, als dort noch einmal einen Fuß hinzusetzen.
 

Ziellos wanderten sie am Rande des Waldes, in die entgegengesetzte Richtung, weiter und ernährten sich von den spärlichen Resten an Pilzen und Kräutern, die sie noch besaßen. Smith war bewusst, dass sie bald auch ihren letzten Proviant verbraucht haben würden und ein Wunder geschehen mussten, wenn sie nicht verhungern wollten.

Neben seiner eigenen zunehmenden Kraftlosigkeit und der schwindenden Wahrnehmung, sowie dem beißenden Hungergefühl, stellte er erschrocken fest, dass Quintus immer blasser und schmäler wurde. Zwar beklagte dieser sich nicht oder ließ sonst irgendwas verlauten, doch wurde Smith mehr und mehr bewusst, dass er schwerer an den Folgen der mangelnden Ernährung zu leiden hatte, als er selbst und dass sein Ende wesentlich schneller gekommen sein würde.

Schon bald wurde ihm auch bewusst warum. Der Humunkulus aß kaum noch etwas vom Proviant, damit sein Schützling bei Kräften bleiben konnte. Er stellte also sein eigenes Wohl hintan. Smith war fassungslos und stellte ihn daraufhin zur Rede, weil er nicht dulden konnte und wollte, dass sich der Humunkulus für ihn aufgab. Als er diesen jedoch darauf ansprach, entgegnete dieser gewohnt kühl, dass dies zu seinem Auftrag zähle und es von äußerster Wichtigkeit sei, dass es dem Helden gut ginge. Sein eigenes Leben sei nichts wert und wenn er sterben würde, so hätte er alles getan, um Smiths Unversehrtheit zu gewährleisten. Da war es also wieder. Dieses ungeheure Thema, dass Humunkuli nichts wert seien, dass das Wohl der Menschen auf einer höheren Ebene stand, als das ihre.

Eine bleierne Schwere hatte Smith daraufhin befallen, die noch dazu an seiner geistigen Kraft zehrte. Er wollte nicht, dass Quintus für ihn sterben würde, doch er wusste genau, dass dieser davon nicht hören wollte oder es einfach ignorierte. Er würde seinem Auftrag folgen, egal was sein Schüler sagte. Schließlich hatte sein Meister befohlen, dass er seine Order ausführte. Daran gab es nichts zu rütteln. Und wenn es ihm das Leben kostete, so würde er dennoch diesem Pfad folgen. Schließlich gab es keinen Anderen, den es zu beschreiten galt.
 

Smith wurde klar, dass er handeln musste, wenn er das Leben seines Meisters und Seines nicht riskieren wollte und so schlich er, eines nachts, als er die Nachtwache übernommen hatte, davon. In jener Nacht herrschte Vollmond und der Himmel war sternenklar. Tausende leuchtender Punkte leuchteten auf das weiße Land. Der Blick in das Sternenmeer war unbeschreiblich. Auf Elayaden konnte man weitaus mehr Gestirne erspähen, als auf Erden. Überhaupt schien hier alles wesentlich weiter und der Begriff Unendlichkeit wurde ein Stück greifbarer für Smith. Auch das Umland, das in den fahlen Schein des Mondes getaucht wurde, funkelte wundersam dank des Schnees. Es war jedoch keine Zeit geblieben, um sich an der Schönheit der Nacht zu ergötzen. Stattdessen eilte der junge Held so schnell es die Schneemassen erlaubten durch das Gelände. Er nutzte seine Magie, um Energien zu filtern und hoffte so, auf Beute zu stoßen. Mittlerweile war er sehr geübt im Umgang mit seinen Kräften und konnte großes Terrain nach anderen Lebensformen abtasten. Er war nun schon weit vom Lager entfernt, konnte Quintus kaum noch wahrnehmen, da spürte er eine Vielzahl an Lebewesen. Sie waren klein und ihr Kraftfluss war zurückgeschraubt, aber es waren definitiv sehr sehr viele Wesen auf einem relativ kleinen Fleck. Eilig stapfte er durch den Schnee, bis er schließlich vor einem zugefrorenen See zum Stehen gekommen war. Erschöpft war er auf die Knie gefallen und seine Hände ruhten auf dem gefrorenen Gewässer. Die klirrende Kälte, die dieser von seinen Handflächen in den restlichen Körper flutete, weckte seinen entkräfteten Geist. Sofort breitete er seine Kraft über den See aus. Er spürte hunderte, wenn nicht sogar tausende Fische, die tief am Untergrund den Beginn des Frühlings abwarteten. Ein gewaltiger Stein fiel ihm vom Herzen, als er sich bewusst wurde, dass sie nicht mehr hungern mussten. Sie würden ihr Lager einfach am Ufer des Sees aufschlagen und von den Fischen leben. Bevor Smith zu Quintus zurückkehrte, entzog er einigen der Tiere ihre Lebensenergie, um sich selbst zu stärken, dann machte er sich eilig auf den Rückweg. Am nächsten Morgen offenbarte er seinem Lehrer seinen Fund und sie machten sich unverzüglich auf zum See.
 

Gierig schlugen sie Löcher ins Eis und banden ihre letzten Vorräte an Schnüre, die sie dem See übergaben und nach und nach konnten sie einen Fisch nach dem Anderen an Land befördern. Ihren ersten Tag am See verbrachten sie nur damit, sich zu stärken. Danach holten sie nur noch, was sie zum überleben brauchten daraus und die Ausbildung konnte endlich weitergeführt werden, auch wenn Quintus der Meinung war, dass Smith nichts mehr lernen musste. Alles weitere, so sagte er, würde die Erfahrung bringen.
 

Ein Glück, dass der Winter endlich vorbei ist, dachte Smith nur, als er sich gähnend aus dem Gras erhob. Es war eine sehr schwere Zeit gewesen, aber sie hatten sie überstanden. Er wusste nicht genau wie, aber sie hatten es geschafft. Schnell schulterte er die vier Rebhühner, die er vor seiner Rast, im Wald, erbeutet hatte und machte sich auf den Weg zurück ins Lager am See. Noch einmal ließ er den Blick über die saftigen Wiesen schweifen, die hier und da die ersten Frühlingsblumen aus dem Boden sprießen ließen. Die auch sogleich von Bienen und anderen Insekten besucht und in fleißiger Arbeit bestäubt wurden. Am Himmel tanzten Vögel in waghalsigen Manövern vor sich hin und versuchten potenziellen Weibchen zu imponieren oder sich eines der Insekten zu schnappen. Weiße Wölkchen wurden vom Frühlingswind über das Blau des Horizonts gejagt und in einiger Entfernung glitzerte der See, der Quintus und ihm das Leben gerettet hatte. Gemütlichen Schrittes wanderte auf diesen zu und war sich sicher, dass sein Lehrer froh sein würde, wenn er nun auch endlich wieder einmal etwas anderes, als Fisch essen konnte.
 

Es war noch ein gutes Stück zurück zu seinem Lehrmeister und doch fühlte er fremdartige Energien in der Nähe ihres Unterschlupfs. Dort waren offensichtlich Menschen, fünf Stück, wenn er sich nicht irrte. Ihre Kraft bäumte sich in einem steten Strom auf und ab, wie Wellen, die gegen das Ufer schlugen. Im krassen Kontrast verhielt sich die seltsame Lebenskraft Quintus. Sie flackerte. Sie war schwächer als gewohnt, zwar nicht bedrohlich schwächer, aber merklich. Ein ungutes Gefühl breitete sich in Smith aus. Sofort sprintete er los. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt und er presste seine Kiefer unangenehm aufeinander. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er hasste sich selbst dafür, dass er Quintus allein zurückgelassen hatte. Er hätte sich doch denken könne, dass irgendwann jemand hier auftauchen würde.

Wenn sie ihm auch nur ein Haar gekrümmt haben. Dann werden sie dafür bezahlen, schoss es ihn durch seinen Geist.

Durch seine harte Ausbildung war Smith ein schneller und geschickter Läufer geworden und erreichte das Lager ohne große Anstrengung. Was er dort erblickte ließ seinen Atem stocken. Es war fast wie er vermutet hatte. Man hatte ihr Lager verwüstet. Das Zelt war in den See geworfen worden. Das Feuer ausgetreten, die Fische, die darauf gebraten hatten, wüst verteilt und tatsächlich traten fünf Männer auf den Humukulus ein, der wehrlos am Boden lag. Sie lachten dabei und beschimpften und bespuckten ihn. Einer stand sogar nur da und öffnete seine Hose. Ganz offensichtlich wollte er Quintus anpinkeln und zu seinem Entsetzen erkannte Smith diesen Kerl. Es war der selbe alte Kerl, der damals seine eigene Humunkulusdienerin ähnlich misshandelt hatte. Smith kämpfte mit einer Woge unbändigen Hasses, auf diese Typen und es gelang ihm nur schwer sich zusammenzureißen. Mit einer schnellen Handbewegung befreite er eine Energiewelle, die den Alten in den See schleuderte, ehe er Quintus dermaßen demütigen konnte.
 

Kreischend war der Glatzkopf von der Welle erfasst und weit in das kalte Nass geschleudert worden. Erschrocken blickten die übrigen Vier auf den Humukulus, da sie vermuteten, dass er sich zur Wehr gesetzt haben könnte. Noch ehe sie sich jedoch der wahren Gefahr gewahr wurden, ergriff Smith zischend das Wort:

„Was fällt euch ein, unser Lager zu zerstören und meinen Lehrmeister zu misshandeln? Ist es üblich sich zu fünft auf einen einzigen zu stürzen? Noch dazu wenn er keine Gegenwehr leistet? Ich sollte euch eine Lektion erteilen, die ihr nie vergessen werdet!“

Die Flamme des Zorns in Smith verlangte nach Vergeltung, sie wollte genährt werden. Wollte, dass er jeden einzelnen von ihnen das selbe spüren ließ, was Quintus nun spüren musste. Das Goldauge fühlte sich, als würde er unter Strom stehen, als er gegen den Drang ankämpfte zu tun, was das innere Verlangen ihm auftrug. Stattdessen schritt er langsam auf seinen Gefährten zu und besah sich seine Verletzungen, woraufhin die vier Männer panisch zurückwichen.

Der Humunkulus hatte eine aufgeplatzte Lippe und einige Blutergüsse im Gesicht. Als Smith ihn genauer untersuchte, stellte er noch einige blaue Flecke am Oberkörper, sowie Prellungen einiger Rippen fest.

„Geht es dir gut?“, fragte er besorgt, woraufhin Quintus ihn nur fragend durch seine leeren braunen Augen anblickte und nickte.

Als Smith sicher war, dass sein Lehrmeister, den Umständen entsprechend, unversehrt war, erhob er sich und wandte sich zu den Männern, die dabei waren, dem Alten aus dem See zu helfen.
 

Dieser schlurfte patschnass und fröstelnd auf Smith zu. Das Gesicht des Alten war hochrot und eine Zornesader zeichnete sich deutlich auf seiner Stirn ab. Er war noch fetter geworden, als beim letzten Mal und roch wieder stark nach Alkohol.

„Du! Du warst das!“, keifte er und hämmerte mit seinem Zeigefinger gegen Smiths Brust.

Dieser betrachtete das alte Ekel nur durch zusammengekniffene Augen und zischte durch zusammengepresste Zähne:

„Ganz recht. Ich war das. Ihr könnt froh sein, dass ich euch nicht wesentlich schlimmeres habe spüren lassen. Wie könnt Ihr es wagen, meinen Freund zu attackieren?“

Verwirrt glotzte der Alte von Smith zu Quintus. Es dauerte einen Moment, dann erkannte er die beiden wohl wieder und hielt sich gellend den Bauch.

„Ihr seid das. Der Verrückte, der sich von einem Humunkulus herumschubsen lässt und meint, dass sie so sind wie wir.“

Das Scheusal lachte beherzt und auch die Anderen stimmten daraufhin mit ein. Smith musste alle Vernunft aufbringen, dem Widerling nicht ins Gesicht zu schlagen, ballte aber drohend seine Faust.

Er hasst den Alten, wollte ihm bezahlen lassen. Für damals und für heute. Er hatte es verdient und doch, so wusste Smith, durfte er sich nicht auf dessen Stufe herablassen.
 

„Ganz Recht. Ich bin es. Und Ihr seid der abartige, alte Sack, der sich an Wehrlosen vergreift“, konterte Smith trocken und knirschte mit den Zähnen.

Nun war es der Fremde, der die Fäuste ballte und das Goldauge schlug. Dieses bemerkte sofort, dass seine Lippe aufgeplatzt war und kämpfte gegen den Drang an, ihn zu verprügeln. Stattdessen spuckte er dem Alten ins Gesicht. Ein leicht rötliches Rinnsal lief nun an seiner Wange hinab und er wollte erneut zuschlagen, da packte ihn Smith jedoch blitzartig am Hals. Sofort versuchten die anderen Vier auf den jungen Jäger zustürmen, da erhob dieser abermals das Wort.

„Keinen Schritt näher oder das fette Schwein stirbt!“

Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen schloss er die Hand enger um den Hals des Anderen, der auf keuchte und krampfhaft versuchte, dem Griff des Jüngern zu entgehen. Mit beiden Armen kämpfte er gegen die Hand an, die ihm die Luft abschnürte. Dabei traten seine geröteten Augen erschreckend aus dem Kopf und Smith kam nicht umhin ihn noch mehr zu verabscheuen. Auch seine Kameraden hielten inne und beobachteten entsetzt das Geschehen.

„Ihr werdet in euer Dorf zurückkehren und nie wieder kommen oder uns belästigen. Solltet ihr es dennoch wagen, euch hier blicken zu lassen, dann werdet ihr es bereuen“, drohte Smith und rückte mit seinem Gesicht dicht an das den Alten. Dieser japste, wie ein Fisch an Land und röchelte:

„Der See gehört zu unserem Dorf. Die Fische gehören uns. Wenn hier jemand verschwindet, dann ihr!“

Das Goldauge wusste nicht, ob was es von der Dummheit des Dicken halten sollte und so entzog er ihm langsam einen Teil seiner Energie, die ihn mit zusätzlicher Kraft versorgte und seinen Körper nach mehr verlangen ließ.

Panisch begann der Alte daraufhin zu strampeln und zu quieken. In seinen Augen stand das blanke Entsetzen und es roch plötzlich nach Urin. Der Glatzkopf, hatte sich offensichtlich vor Angst eingepinkelt. Es bereitete dem Jäger Genugtuung, den Widerling so zu demütigen und am liebsten hätte er ihm noch mehr Energie geraubt, doch er musste sich im Zaum halten. Er war kein Monster und wollte auch nicht zu einem werden. Deshalb beugte Smith sich grinsend an das Ohr des Anderen und flüsterte:

„Wenn ihr wieder hierherkommt, werde ich dir deine ganze Lebenskraft nehmen und es nicht nur bei diesem bisschen belassen. Haben wir uns verstanden?“

Dann ließ er vom Alten ab, der sofort zitternd zu Boden sackte und ging auf Quintus zu. Noch einmal wandte der junge Held sich an die Fünf, die ihn panisch ansahen.

„Geht. Jetzt!“, bluffte er sie an und schleuderte ihnen eine schwache Energiewelle entgegen. Schreiend flohen die Männer und die Wut in Smith flaute allmählich ab.
 

Smith setzte sich neben Quintus, der das Szenario schweigend mit verfolgt hatte.

„Warum hast du dich nicht gewehrt?“, wollte er schlicht von seinem Lehrmeister wissen.

„Es ist mir nicht erlaubt meine Hand gegen Unschuldige zu erheben“, erklärte er trocken und blickte starr vor sich hin.

„Sie waren nicht unschuldig. Sie haben die angegriffen, hätten dich möglicherweise getötet!“, fuhr Smith ihn an. „Jedem ist er erlaubt, sein Leben zu schützen verstehst du?“

Nun fasste der Humunkulus Smith in seinen Blick. Missverständnis war in den braunen Augen zu erkennen.

„Ich hatte keinen Befehl mich zu wehren. Es ist mir untersagt, in Friedenszeiten, meine Hand gegen einen Menschen zu erheben. Es ist unbedeutend, wie sehr sie mir zusetzen. Wir dürfen keine Menschen verletzen, wenn wir nicht die ausdrückliche Order erhalten. Widersetzen wir uns, werden wir eliminiert.“

Wütend sprang Smith auf und entließ schreiend eine Energieattacke über den See, die eine gewaltige Welle entfachte. Diese stumpfen Aussagen hatte er allmählich leid. Es konnte doch nicht sein, dass man alles nur wegen eines Befehls tat. Es konnte nicht sein, dass man sich selbst nicht schützen wollte. War den Humunkuli ihr Leben denn gar nichts wert? Der junge Held raufte sich die Haare und wandte sich erneut an Quintus. Vor diesem ging er in die Knie, atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen, denn diese Diskussion wühlte ihn schon wieder viel zu sehr auf und legte dem anderen die Hände auf die Schultern. Dabei fixierten seine goldenen Augen die Braunen Quintus.

„Es ist mir egal, wie deine Befehle aussehen. Aber du bist mein Lehrmeister, mein Freund. Wir haben einiges miteinander durchgestanden und ich kann und will nicht zulassen, dass dir etwas zustößt. Ich werde dich verteidigen, wie ich jeden anderen, der mir am Herzen liegt beschütze und darum bitte ich dich, schätze dein Leben. Es wurde dir geschenkt und du solltest es so führen können, wie du möchtest. Wenn dich jemand angreift wehre dich. Beschütze was dir wichtig ist und missachte Befehle, die dir nicht gefallen.“
 

Der Humunkulus weitete verwirrt seine Irden und analysierte den Anderen unschlüssig. Vermutlich überforderte ihn all das Gesagte und er würde erneut argumentieren, dass dies nicht möglich sei.

„Freund?“, wiederholte er aber nur leise und blickte dann konfus in die Umgebung.

„Ja du bist mein Freund“, bekräftigte Smith.

Quintus löste sich aus ihrer Haltung und wanderte auf den See zu. Seine leeren Augen schweiften weit in die Ferne, als würde er über etwas nachdenken, dann fuhr er herum und entgegnete:

„Humunkuli haben keine Freunde. Unser Leben hat keinen Wert und wenn wir uns gegen unsere Befehle aufbäumen, uns menschlich verhalten, werden wir getötet. Wir sind keine Menschen, wir sind Marionetten. Ich kann deine Worte nicht annehmen, noch deine Wünsche respektieren.“

Nun trat Smith langsam auf Quintus zu. Sein Blick verriet nicht, ob er akzeptieren konnte, was er soeben gesagt bekommen hatte, oder ihn verprügeln wollte. Umso verstörender war die Reaktion, die er anstatt zeigte. Er schloss Quintus in eine enge Umarmung und drückte ihn fest an sich.

„Ob du willst oder nicht, ich werde zu dir halten. Werde dafür kämpfen, dass du verstehst, was ich dir sagen will. Ihr Humunkuli seid genauso wertvoll, wie wir Menschen und wenn dich jemand töten will, muss er erst an mir vorbei.“
 

Mit diesen Worten ließ er von seinem Lehrmeister ab und machte sich daran, das Lager wieder aufzubauen und ließ einen äußerst aufgewühlten Humunkulus zurück, der ihm verwirrt nachsah und zu begreifen versuchte was hier vor sich ging.

Was soll ich nur tun? Hilf mir Quatrus!, dachte Quintus bei sich und versuchte einen alten Schmerz aus vergangener Zeit zu unterdrücken. Niemals hatte er damit gerechnet, dass irgendjemand eine Wunde aufreißen konnte, die er so lange zu unterdrücken geschafft hatte. Er hatte sich mit dem Leben abgefunden, dass er führte, auch wenn sie ihm damals auch lehren wollte, die Grenzen ihrer Existenz zu durchbrechen.

Wieso erinnerte er sich wieder an sie und wieso hatte Smith eine ähnliche Einstellung wie sie. Konnte es möglich sein? Konnten Humunkuli tatsächlich den Menschen ebenbürtig sein? Waren sie nicht dazu bestimmt nur zu dienen? Hatten sie das Recht ihr Leben selbst zu bestimmen?

Nein, nein, nein. Wir müssen tun, was man uns sagt. Wir müssen einfach. Wenn wir es nicht tun, dann. Dann töten sie uns. Wir müssen ihren Hass ertragen, müssen uns für sie aufopfern. Nicht fühlen, nicht denken nur handeln. Ansonsten bezahlen wir mit dem Leben. Mit unserem Leben. Und ich will nicht sterben. Nicht sterben....Quatrus.

Es war beängstigend, wie hilflos sich Quintus auf einmal fühlte. Er durfte sich nicht von den Worten des Helden blenden lassen. Sie nicht in sein Herz und seinen Verstand einnisten lassen.

Er wusste zu gut, was geschah, wenn sich ein Humunkulus dem Licht der Hoffnung hingab und anfing Gefühle zu entwickeln. Er wusste es und kannte auch den Preis. Es war schrecklich und doch, war da etwas in seinem Innern, dass ihn aufforderte an Smith zu glauben.

“Genieße das Leben. Lache, weine, sei wütend. Hilf denen die dir wichtig sind. Nur so ist das Leben lebenswert. Wir leben alle nur einmal, lass uns das Beste daraus machen. Verschwende es nicht nur an Befehle.“

Waren das nicht ihre letzten Worte gewesen? Sollte er nun wirklich auf Smith vertrauen und ihrem Wunsch endlich gerecht werden?


Nachwort zu diesem Kapitel:
So hier ist das nächste Kapitel und bald kommt die Fanfiction, die einen Teil von Quintus Vergangenheit etwas näher beleuchten wird. Komplett anzeigen

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Von: abgemeldet
2016-06-05T08:38:07+00:00 05.06.2016 10:38
Hey Leute,
ich wollte nur Bescheid geben, dass der One Shot fertiggestellt und hochgeladen ist. Zu finden ist er in der One Shot Sammlung zu Reise nach Elayaden.
Ach und das nächste Kapital wird vermutlich nächstes oder übernächstes Wochenende erscheinen ;)

Gruß Phaeton


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