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Chroniken der Schatten

Respekt muss man sich verdienen
von

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Die andere Welt

Kapitel 05

 

 

Auszug aus dem Kompendium der Verdammnis Band 27: Rituale , Nummer 200 - magische Verbindungen
 

...

Zuerst muss gesagt werden, dass dieses Ritual meist eine Begleiterscheinung ist und nicht erzwungen werden kann. Weiter muss gesagt werden, das bei magischen Verbindungen zwischen drei Arten unterschieden wird: Körper, Seele und Herz.

...

 

 

Abwartend blickte Kira zu Dodge. Seit 10 Minuten saß er auf dieser Mülltonne und schwieg. Dabei wollte er doch reden.

„Was ist jetzt?“, fordere Kira ungeduldig. Langsam wurde es dunkel und kalt.

„Ich weiß nicht, wie oder besser wo ich anfangen soll“, gab Dodge leise zu.

„Am Anfang und schnell, ich will hier nicht erfrieren“, murmelte Kira genervt. Es hätte sie stutzig machen sollen, dass Dodge nervös wirkte.

„Warum trägst du keine Jacke?“, fragte Dodge leise. Dankbar für den kleinen Aufschub.

„Seine Schuld, jetzt lenk nicht ab“, ließ Kira sich nicht beirren.

„Ok, also von Anfang an. Vor langer, langer Zeit explodierte ein großer Asteroid im All und schuf…“

„Alter, im ernst? Du erinnerst dich an das Massaker in der 73sten?“, mischte sich Dusk ein.

„Ja, alles deutete auf einen Engel namens Alicia Rogan hin“, bestätigte Kira.

„Ich glaube nicht, dass sie es war“, flüsterte Dodge leise. Verwundert starrte Kira ihn an. Es war damals sein Fall gewesen und auch wenn er aufgedeckt hatte, wer es war, so galt der Engel als verschwunden. Wenn Dodge jetzt aber behauptete, dass er von ihrer Unschuld überzeugt war, musste es einen Grund dafür geben. Und sie hätte es mitbekommen, wenn neue Beweise aufgetaucht wären. Das konnte nur eins bedeuten, er hatte sie gefunden und erwartete, dass sie dabei half, den Engel verschwinden zu lassen.

„Bist du wahnsinnig? Das ist Hochverrat!“, fauchte Kira ernst.

„Ich schwöre dir, sie war es nicht! Ihr will jemand etwas anhängen“, beharrte Dodge eisern.

„Und du wusstest davon? Kein wunder, dass dir niemand geheime Informationen anvertraut. Ich lasse mich da garantiert nicht reinziehen“, ereiferte Kira und stürmte an Dusk vorbei.

„Sie werden mich hinrichten und das wahre Monster laufen lassen. Joyce haben sie deinen Verstand schon so vergiftet?“, rief eine zitternde Frauenstimme Kira hinterher. Erschrocken blieb die junge Frau stehen. Niemand nannte sie Joyce und das lag nicht nur daran, dass nur eine Handvoll Leute ihren zweiten Vornamen kannten. Ungläubig drehte sie sich um und erstarrte. Mitten in der dreckigen Gasse stand Alicia Rogan. Neben Dodge und Dusk wirkte die Frau klein und unheimlich zerbrechlich. Sie war so erschreckend dünn, dass sie es auch schon vor drei Wochen, als die Tat gesehen war, gewesen sein musste. Langsam schritt sie auf den jungen Engel zu und blieb direkt vor ihr stehen. Kira konnte die Angst in ihren Augen sehen und doch wirkten diese Augen so vertraut.

„Woher kennen Sie meinen Namen?“, fragte sie betont leise. Sie wollte nicht schreien und musste erst einmal ihre Gedanken ordnen.

„Du hast es wirklich vergessen? Ich beneide dich darum. Aber um auf deine Frage zu antworten: Du hast ihn mir selbst gesagt“, erklärte Alicia und strahlte dabei eine solche Ruhe aus, dass Kira nicht glaubte, dass diese Frau überhaupt etwas töten konnte.

„Kannte ich Sie früher gut?“, fragte Kira und spürte einen Kloß in ihrem Hals. Zum ersten Mal seit Jahren könnte sie etwas über ihre Vergangenheit erfahren.

„Du hast mich immer in Schutz genommen, aber geredet hast du damals kaum“, erklärte Alicia leise und ihre Augen verrieten deutlich die Trauer und den Schmerz. Seufzend schloss Kira die Augen und drehte sich um. Sie verstand, warum Dodge glaube, dass diese Frau unschuldig war, aber es war ein zu großes Risiko.

„Ich verstehe und was ich sehe, lässt auch mich an ihrer Schuld zweifeln, aber ich werde nicht versuchen hier ein Portal zu erschaffen.“

„Aber…“, begann Alicia leise.

„Wenn du es nicht hier versuchen willst, wo dann?“, warf Dusk ein. Ihm war genau wie Dodge die Wortwahl aufgefallen.

„Der Tabbelbaum!“, murmelte Dodge und zog Kira in eine grobe Umarmung. „Blue, du bist ein Goldstück, ich könnte dich Küssen“, brummte er erleichtert.

„Warte damit noch bis das Tor steht und dann tu mir den Gefallen und küsse Dusk“, keuchte sie erstickt.

„Vergiss es, ich habe mich nicht einmal von meiner Ex-Frau küssen lassen“, warf Dusk sofort ein.

„Du warst verheiratet?“, riefen Dodge und Kira im Chor.

„Ist eine Weile her. Seit ich bei den Schatten bin, rede ich nicht mehr mit meiner Frau und da eine Ehe alle 100 erneuert werden muss, ist sie seit einer Weile meine Ex-Frau“, erklärte Dusk schulterzuckend.

„Wie lange bist du dabei? Ich meine ich bin seit 200 Jahren aktives Mitglied der Schatten und da hattest du deinen Ruf schon“, murrte Dodge und stellte Kira auf den Boden.

„Ach ich weiß nicht ob es 400 oder schon 500 Jahre sind“ Fassungslos starrte Kira Dusk an. Kein Wunder, dass er so mächtig war. Die wenigsten Schatten wurden so alt. Dodge war ja schon ein alter Hase. Für gewöhnlich hielten sich die meisten Schatten nicht mehr als 100 Jahre im Außendienst, bevor sie getötet wurden und die wenigen Ausnahmen die es gab, waren Legenden.

„Scheiße! Wie alt genau bist du eigentlich?“, stammelte Kira perplex. Eine Antwort bekam sie nicht, dafür aber ein breites Grinsen, bevor sich Dusk umdrehte und aus der Gasse schlenderte.

„Können wir dann gehen?“, drängelte Dodge und schob Kira Dusk hinterher.

„Wo gehen wir jetzt hin?“, fragte Alicia ängstlich, als Dodge im vorbeigehen nach ihrem Handgelenk griff.

„Ich schätze zu mir“, lachte Kira und ging drei Schritte schneller, um zu Dusk aufzuschließen. „Du hast nicht auf meine Frage geantwortet“, setzte Kira erneut an.

„Das werde ich auch nicht“, erklärte Dusk trocken.

„Ich will es aber wissen“, schnurrte Kira. Für einen Moment war sie selbst überrascht, es war sonst nicht ihre Art derartig neugierig zu sein, aber Dusk war eine derartige Erscheinung, dass sie ihn nur verstehen wollte.

„Wie wäre es mit einem Deal. Solltest du jemals in meinem Bett landen, bekommst du einen Lebenslauf von mir“, erklärte Dusk mitfunkelnden Augen und einem derart dreckigem Grinsen, dass Kira perplex stehen blieb. Das letzte was sie wollte, war auch nur daran zu denken, was dieser Mann in seinem Bett alles anstellte. Keuchend hielt sie sich eine Hand gegen den Magen. Hatte sie nicht vor knapp zwei Stunden noch in seinem Bett gelegen.

„Besserer Vorschlag, träum weiter“, keuchte Kira und konzentrierte sich auf ihre Atmung.

 

Es dauerte länger als gewöhnlich, bis Kira vor ihrer Wohnung stand, weil sie dank Alicia darauf achten mussten, dass sie niemand sah. Als Kira eine Stunde später endlich die Tür zu ihrer Wohnung schloss, war sie überrascht, dass es nicht Luna war, die sie begrüßte.

„Wo zum Teufel warst du? Oh mein Gott, sag mir, dass ich nicht sehe, was ich sehe“, keuchte Felicity und tastete blind nach dem Telefon.

„Sie ist unschuldig. Wir gehen ist Wohnzimmer“, murmelte Kira und nahm ihrer Freundin das Telefon ab.

„Ich habe mir Sorgen gemacht, du bist einfach verschwunden!“, fuhr Felicity Kira an.

„Ich bin Ohnmächtig geworden, liegt an dem Schwert, das ich Dusk gegeben habe“, erklärte Kira und strich Luna über den Kopf.

„Fein, erklärt mir jetzt einer, wieso keiner die gesuchte Todeskandidatin festnehmen will?“, wetterte Felicity aufgebracht weiter.

„Sie ist unschuldig. Kann sie dir selber sagen. Wo habe ich nur die Kreide“, murmelte Kira und durchstöberte ihre Schubladen Abwartend drehte sich Felicity zu den Jungs und dem verängstigtem Engel. Sie wollte eine Erklärung und hoffte für die drei, dass es eine Gute war. Kira hingegen hatte ihre Kreide gefunden und begann unter Lunas wachsamen Blick das Ritual vorzubereiten. Sorgfältig zeichnete Kira den Ritualkreis auf den Boden. Anschließend stellte sie Kerzen auf und verstreute ein paar Blätter des Tabbelbaums. „Ich wär dann so weit“, meldete sich Kira und trat in die ehemalige Garderobe.

„Das ist Wahnsinn“, flüsterte Felicity leise. Mittlerweile war auch sie auf dem neusten Stand.

„Es ist ein Versuch. Alicia ist zum Tode verurteilt und es ist völlig egal wie sehr wir von ihrer Unschuld überzeugt sind, selbst wenn wir dem Tribunal den wahren Täter präsentieren würden. Sie würden sie hinrichten“, erklärte Kira ruhig.

„Warum bist du dir da so sicher?“, fragte Felicity trocken.

„Ich wurde 10 Jahre lang von Gideon Kreyberg aufgezogen, ich kenne jedes einzelne Mitglied des Tribunals und nur eine einzige Person würde auch nur zuhören“, schnaubte Kira ärgerlich.

„Scheiße, was passiert hier gerade? Da draußen läuft ein Monster durch die Gegend, das wahllos Leute tötet, es gibt mindestens einen Verräter bei den Schatten und das Tribunal ist derart in seinen Ansichten festgefahren, dass es eine Unschuldige töten würde“, jammerte Felicity und ließ sich erschöpft gegen die Wand fallen.

„Es hat begonnen“, murmelte Dusk so leise, dass Kira nicht sicher war, ob er tatsächlich etwas gesagt hatte.

„Lasst es uns hinter uns bringen“, mischte sich nun auch Dodge ein.

„Gut, ich erkläre jetzt wie es laufen wird. Wenn ich das Portal wirklich öffnen kann, wird es solange offen bleiben, bis ich wieder hier bin. Also werde ich mitkommen müssen. Dusk, du und Dodge ihr werdet mich und Alicia begleiten. Ich will nicht, dass etwas Unvorhergesehenes passiert. Dodge du wirst einen sicheren Ort für Alicia finden und Dusk wird mir helfen das Portal zu bewachen. Flis, du bleibst hier und stellst sicher, dass es keine ungebeten Besucher gibt. Luna wird auf dich aufpassen“, erklärte Kira ernst und beugte sich über den Band des Kompendiums.

„Glaubst du, dass du es schaffst?“, fragte Dodge skeptisch.

„Ich glaube es! Blue ist ein Rätsel und da sie sich an ihre Vergangenheit nicht erinnert, würde es mich nicht wundern“, erklärte Felicity ruhig.

„Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden, also fangen wir an. Oh, eine Sache muss ich noch wissen. Kannst du mir irgendetwas aus meiner Vergangenheit sagen?“, wand sich Kira an Alicia.

„Ich habe dich immer in einem Kellerraum getroffen, keine Fenster und außer dir trugen alle Masken. Du hast nie Namen genannt und ich habe keine Ahnung in welcher Sprache du dich mit denen Unterhalten hast“, erklärte Alicia betrübt.

„Du sagtest ich hätte dich beschützt. Wovor?“

„Informationen! Die Typen wollten Informationen, manchmal habe ich Vorahnungen und das wollten die nutzen. Du hast dafür gesorgt, dass sie mich nicht zu Tode gefoltert haben.“ Es war ein trauriges Lächeln zu dem sich Alicia aufraffen konnte und Kira wünschte sich wirklich, sie hätte mehr erfahren.

 

Zögerlich griff Kira nach dem Messer. Den Kreis für das Portal zu ziehen oder ihn zu sichern, war der einfache Teil des Rituals. Jetzt kam der knifflige Teil. Mit geschlossenen Augen zog die junge Frau die Klinge über ihre Handfläche. Der Schmerz war schneidend und hallte prickelnd nach. Abwesend verfolgte Kira wie das Blut von ihrer Handfläche auf den Fußboden tropfte. Langsam zog sie einen verschlungenen Kreis aus Blut. Sie spürte die Magie im Raum anschwellen. Es schien zu funktionieren. Jetzt durfte Kira nur nicht die Konzentration verlieren. Langsam schritt sie auf die erste von fünf Kerzen zu, um sie mit ihrem Blut zu löschen. Systematisch löschte sie auch die anderen vier Kerzen und beobachtete anschließend den feinen weißen Wirbel, der sich in der Mitte des Kreidekreises bildete.

„Es sollte mich nicht wundern“, murmelte Felicity erstaunt.

„Ich weiß was du meinst. Ich bin auch immer wieder erstaunt“, bestätigte Kira leise. „Bevor wir gehen, ziehe ich mir eine Jacke an“, meinte Kira noch kurz und verschwand nach oben.

 

In ihrem Schlafzimmer fiel Kiras Blick in den Spiegel, sie sah furchtbar aus. Seufzend zog Kira das Dünne Hemd aus und das ausgeleierte T-Shirt darunter gleich mit. Ganz tief unten im Schrank, hatte die junge Frau noch das letzte Geburtstagsgeschenk von Core. Skeptisch betrachtete Kira das enge mattglitzernde Top und zog es an. Zusammen mit einer engen Röhren-Jeans, der teuren Lederjacke, Fingerlosen Lederhandschuhen und ihren Bikerboots sah Kira eine völlig andere Frau im Spiegel. Ein mattes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es war perfekt, denn für das was sie vorhatte, musste sie früher oder später bluffen und so sah sie zumindest mehr nach Ärger aus, als in ihren alten ausgeleierten Klamotten. Mit einer geübten Handbewegung umrandete sie ihre Augen mit Kajal und zog ihre Lippen mit einem dunklen Lippenstift nach. Langsam ging sie zu den anderen zurück.

„Wow, ich hätte nie gedacht, dass du das mal tragen würdest“, bemerkte Felicity anerkennend.

„Tja, eines musst du zugeben, es macht mehr Eindruck als die zerrissenen Jeans und die überdimensionalen Sweatshirts, auf die ich so stehe“, lachte Kira.

„Es steht dir auch besser“, flüsterte Felicity, als wäre es ein Staatsgeheimnis. Kopfschüttelnd wand sich Kira an die beiden Jungs.

„Können wir los?“, forderte Kira und trat näher an das Portal heran.

 

Es war ein komisches Gefühl durch das Portal zu gehen. Als würde man durch weiße Zuckerwatte oder dichten Nebel gehen, kam es Kira in den Sinn und nach einer Minute war alles vorbei. Plötzlich standen die vier in Mitten tanzender Körper und um sie herum ließen donnernde Bässe den Raum vibrieren. Blitzende Neonlichter zuckten durch den Raum im Takt zu den Bässen. Es würde schwierig werden, diese Massen vom Portal fernzuhalten. Sie hatte nicht einmal mehr eine Ahnung, wo Dusk war und der Stand bis eben noch neben ihr. Es war mitten im Lied oder auch schon im Nächsten als die donnernde Musik von einer schrillen Sirene durchbrochen wurde. Auf einmal brach die Hölle los. Die Leute fingen an zu kreischen und flüchteten in Richtung des Ausgangs. Dusk drängte Kira, Alicia und Dodge an eine der Wände.

„Dodge nutz die Gelegenheit um sie hier herauszuschaffen. Kira und ich bleiben in der Nähe des Clubs“, kommandierte Dusk und griff nach Kiras Hand. „Es gibt doch bestimmt einen Hinterausgang.“

„Was hast du vor?“, fragte Kira verwundert und blickte Dodge nach, der Alicia durch die Menge zum Ausgang schob.

„Nun, jemand hat den Feueralarm ausgelöst und wir brauchen eine glaubhafte Ausrede, warum wir das nicht mitbekommen haben“, grinste Dusk breit und stieß die Tür zur alten Seitengasse auf. Es war eine Tür, die man nur von innen öffnen konnte und so schob Kira ein kleines Holzstück so in den Türrahmen, das sie nicht komplett schließen würde. In ihrer Welt hatte sie eine schwere Kommode vor die Tür geschoben und ein altes Bild darüber gehängt.

„Warum habe ich das Gefühl, dass mir deine Idee nicht gefallen wird“, murmelte Kira und schaute in den Himmel. Es nieselte und am liebsten wäre sie wieder hineingegangen. Missmutig ließ sie sich gegen die Wand sinken, nachdem sie eine Stelle gefunden hatte, an der sich noch niemand erleichtert hatte. Lässig stützte Dusk sich an der Wand neben ihrem Kopf ab.

„Nun, wenn du Glück hast, gehen sie nicht durch den Club“, lachte Dusk trocken.

„Du kannst sie schon hören, nicht war“, stellte Kira nüchtern fest, als er ihrem Gesicht immer näher kam. Beiläufig stellte er sein Schwert neben die Mülltonnen an der Wand. Vom Club aus, würde man es nicht sehen können, aber er konnte es dennoch mit Leichtigkeit erreichen.

„Wenn du eine bessere Idee hast, solltest du es jetzt sagen“, flüsterte Dusk dunkel und zog Kira näher zu sich.

„Nein, aber wenn du übertreibst, werde ich dich mit deinem Schwert kastrieren“, erklärte Kira und versuchte beiläufig den Kloß in ihrem Hals herunter zu schlucken. Es war eine Weile her, dass sie einen Mann geküsst hatte und wenn man es genau betrachtete, war Dusk viel mehr eine Naturgewalt. Außerdem war da noch eine Aussage, dass er nicht einmal seine Ex-Frau geküsst hatte und sie wusste ganz und gar nicht, was sie von dieser Tatsache halten sollte.

„Es muss doch überzeugend wirken“, erklärte Dusk ernst. Im Club konnte Kira jetzt auch die Security spüren, die sich auf sie zu bewegten. Als sie rausgegangen waren hatte Dusk die Tür absichtlich mit einem Stein offen stehen lassen. Man würde sie also finden und das Holzstück, würde dafür sorgen, dass sie auch wieder in hinein kamen. Seufzend schloss Kira die Augen und legte ihre Hände um seinen Hals. Zum ersten Mal seit Jahren war sie froh, dass sie nicht im Außeneinsatz war.

„Passiert das öfters?“, fragte Kira atemlos. Ein kurzes Lächeln zuckte über Dusk Gesicht. Kurz schüttelte er den Kopf, dann lagen seine Lippen auf ihren. Es ging schnell und Dusk hielt sich nicht mit Höflichkeiten auf. Hart drückte er Kira gegen die Wand hob die junge Frau auf seine Hüfte. Überrascht stieß Kira die Luft aus ihren Lungen. Dieser Kuss raubte ihr den Atem und vernebelte ihren Verstand. Eisern klammerte sie sich an die Tatsache, dass es nur Show war. Aber eine boshafte Stimme, die verdächtig nach Cornelia klang, erinnerte Kira säuselnd, dass man gewisse Dinge nicht vortäuschen konnte. Kira schmeckte die Magie und Macht auf seinen Lippen. Alt, schwer und süß. Aber das deutlichste Zeichen, dass dieser Kuss nur halb so professionell war, wie er sein sollte, war die harte Beule, die sich gegen seine Hose drückte. Unweigerlich dachte Kira daran, dass er nur diese Hose trug und krallte ihre Hände in seine verwuschelten Haare. Es kam ihr vor, als würde sie schon seit Stunden mit Dusk in dieser Gasse stehen, dabei konnte es nicht mehr als eine Minute sein. Grob schob Dusk eine Hand unter ihr Shirt. Am liebsten hätte sie ihn von sich geschoben, doch das durfte sie nicht. Es musste echt wirken.

„Hey, ihr da, es wurde Feueralarm ausgelöst. Ihr müsst verschwinden“, donnerte ein muskelbepackter Security Officer. Dusk ließ sich von dieser Warnung nicht stören, und ließ seinen Mund zu Kiras Hals gleiten. Spielerisch biss er hinein und deutete einen Stoß mit seiner Hüfte an. Grob vergrub Kira ihre Fingernägel in seinem Hals, um ihm zu zeigen, dass er zu weit ging.

„Oh ja, nicht aufhören, Baby.“, stöhnte Kira verzückt. Ihre eigene Stimme klang hohl, billig und ganz und gar nicht nach ihr, aber das sollte sie auch nicht. Dusk schob ihr Shirt noch ein Stückchen höher und ihre Fingernägel gruben sich noch ein Stück tiefer in seine Haut.

„Hören Sie, es gab einen Feueralarm. Wir müssen das Gelände evakuieren“, versuchte es der Officer noch ein Mal.

„Ich will, dass du meinen Namen stöhnst. Immer und immer wieder.“, brummte Dusk rau und deutete weitere Stöße an. Langsam zog Kira ihre Fingernägel über seinen Hals und hinterließ lange blutige Kratzer. Wenn er nicht bald aufhörte, würde sie schreien.

„Gott, dann halt nicht“, schnaubte der Sicherheitsbeamte frustriert und schob den Stein, der die Tür offen hielt zur Seite. Krackend fiel die Tür und Dusk setzte Kira auf den Boden. Wortlos rammte ihm die junge Frau ihr Knie in seine Mitte und trat ein paar Schritte in die Gasse.

„Hatte ich nicht gesagt, du solltest es nicht übertreiben“, fauchte Kira aufgebracht.

„Du hasstest auch gesagt du kastrierst mich mit meinem Schwert, nicht mit deinem Knie“, keuchte Dusk schmerzhaft.

„Übrigens Gratulation.“

„Wieso?“, murmelte Dusk und griff nach seinem Schwert. Irgendwie war ihm wohler, wenn er diese Unterhaltung bewaffnet weiterführte.

„Tja, ich nehme an, dass du nicht mit einer Dauerlatte schon durch halb Visuneo gelaufen bist. Also ich kann mich auch irren, aber einen Ständer in weniger als 20 Sekunden, das ist eine Leistung“, lachte Kira sarkastisch und funkelte ihn böse an.

„Das war nicht geplant“, verteidigte sich Dusk.

„Ganz ehrlich, wenn du es geplant hättest, wärst du der erste Mann der das kann. Für gewöhnlich rennt Man(n) nicht durch die Straßen und sagt sich: oh es ist Dienstag halb eins, ich glaub ich werde JETZT geil“, zeterte Kira.

„Hör zu, für gewöhnlich habe ich eine sehr viel höhere Schmerzgrenze. Aber was da passiert ist, kann ich nicht erklären und ich gebe zu, vielleicht habe ich mich hinreißen lassen“, murmelte Dusk ehrlich und fuhr sich über die Haare.

„Was hat er angestellt?“, fragte Dodge und schlenderte in die Gasse.

„Nichts, ist Alicia in Sicherheit?“, wechselte Kira das Thema. Das letzte, was sie wollte war diese Unterhaltung mit Dusk und Dodge weiterzuführen.

„Ja, die Polizei denkt, dass sie ihr Gedächtnis verloren hat und wird sich um sie kümmern. Können wir los?“

„Ich denke schon“, gab Dusk zu und öffnete die Tür. Wenn er noch Schmerzen hatte, so ließ er es sich nicht anmerken. Der Club wirkte gespenstisch. Die Musik und die blinkenden Lichter wirkten nun deplatziert. Das Portal war von dieser Seite kaum zu sehen. Nur ein leichter Nebel, der sich in den tanzenden Lichtern brach. Dodge war der erste, der wieder durch das Portal ging. Kira wusste, dass sie als letzte gehen musste, dennoch griff sie nach Dusks Ärmel.

„Hast du… ach vergiss es.“, begann Kira und unterbrach sich selbst. Es war eine dumme Idee und wenn sie ehrlich war, tat es nichts zur Sache. Warum sie überhaupt davon Anfangen musste, wusste sie nicht.

„Nein, noch nie.“, antwortete Dusk und trat durch das Portal. Er hätte Lügen können und wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn er es getan hätte. Sie mussten einen Verräter finden, dafür musste er sich konzentrieren. Trotzdem wollte er Kira nicht anlügen und für sich selbst hatte er beschlossen, herauszufinden, was da genau in dieser Gasse geschehen war. Er hatte es gespürt, so deutlich wie noch nie. Die Magie, alt und mächtiger als alles, was er je gespürt hatte und sie ging von ihr aus.

 

Auszug aus dem Kompendium der Verdammnis Band 27: Rituale , Nummer 200 - magische Verbindungen
 

...

Herz:

Allgemeines:  Im Gegensatz zu den beiden anderen Ritualen, kann man das eigene Herz zwar an eine andere Person binden, tut dies jedoch immer unbewusst. Wenn das Herz an eine Person gebunden ist werden Körper und Seele automatisch folgen. Dieses Ritual betrifft beide Parteien gleichermaßen und im Gegensatz zu den anderen Beiden Verbindungen hält diese Ewig.

...

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja... ich glaube es ist am besten, wenn ich mich zum Schluss des Kapitels nicht äußern werde. Nicht nur Dusk hat sich hinreißen lassen, aber so viel sei verraten, Kiras Frage ist nur halb so verwerflich, wie man glaubt.

Im nächsten Kapitel kommt dann ein bisschen mehr Drama und eine kleine Explosion.
Bis dahin

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lazoo
2016-03-12T18:00:44+00:00 12.03.2016 19:00
Wie auch schon die ersten Kapitel hat auch dieses mir wieder sehr zugesagt. Mehr und mehr gefällt mir die Geschichte, die du aufbaust und es macht durch die gut gesetzten Cliffhanger auch wirklich immer wieder Lust auf mehr. Allerdings gibt es nach wie vor ein paar Fehler, die nicht sein müssten, weswegen ich fragen wollte, ob du bereits einen Beta-Leser hast. WEnn nicht, biete ich mich gerne dafür an ;)
Im allgemeinen halten sich die Fehler aber in Grenzen und stören den Lesefluss nicht sonderlich.

Jetzt muss ich aber noch etwas anderes loswerden.
Etwa eine Stunde zuvor habe ich eine Romantik-FF gelesen, in der anderthalb Seiten für eine Masturbations-Szene benutzt wurde, wohlgemerkt mit sehr explizitem Content. Aufgrund der krampfhaft verklemmten Art des Autors/der Autoren, war sie aber weniger heiß als einfach nur peinlich.
Dann lese ich diese Kussszene und muss sagen, dass diese in wenigen Zeilen hundertmal besser geschrieben wurde. Sie war straffer organisiert und besser auf dem Punkt gebracht. Hier hat man tatsächlich eine gewisse Erotik herauslesen können, etwas, das viele unterschätzen. Also dafür mein großes Lob!


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