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Athelas

von

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Vermutlich war es eine gute Sache, dass er kein Limit von einer Stunde für einen Ausflug hatte. Denn er hatte bereits mindestens 30 Minuten damit verbracht, in der Apotheke zu entscheiden, was für eine Medizin er holen sollte, bevor er sich für eine einfache Schachtel Paracetamol entschieden hatte. Die nächsten 30 Minuten gingen dabei drauf, dass er zurück zu dem Soba-Restaurant ging. Er kaufte heißes Soba zum Mitnehmen. Dann fand er sich selbst vor der Tür zu Kandas Wohnung wieder, ein Apartment in Holborn, und starrte auf ebendiese. Entweder warf der Laden wirklich viel Profit ab, dass er in einer solch teuren Wohngegend leben konnte oder er kam von einer wirklich reichen Familie. Lavi war sich unschlüssig, was wohl wahrscheinlicher war.
 

Er trat von einem Bein auf den anderen und prüfte die Adresse 3 Mal, bevor er endlich auf die Türklingel der Wohnung drückte. Als nach 5 Minuten niemand reagiert hatte, versuchte er es erneut. Nach dem 3. Mal zählte er eine Minute runter, bevor er aufgab. Das war der Moment, in dem die Tür abrupt geöffnet wurde. Lavi hätte beinahe das heiße Soba fallen lassen, als er den Floristen im Türrahmen lehnen sah, seine langen, tintenschwarzen Haare fielen offen seinen Rücken hinunter.
 

„Warum bist du hier?“, murmelte Kanda, die Stimme leicht heiser, sein Gesichtsausdruck benommen.
 

Die Gesichtsfarbe des Floristen war auch viel bleicher, als normal, doch was Lavi direkt ins Auge fiel, waren die schwarzen Linien, die sich von der linken Schulter bis zu seiner Brust zogen, dort wo sie in das armlose Oberteil verschwanden, das der andere trug.
 

„Allen hat mir gesagt, dass du krank bist“, begann Lavi.
 

„Und?“
 

„Und da wollte ich dir etwas zu Essen vorbeibringen. Und Medizin.“
 

Kanda starrte ihn einen Moment länger an, bevor er die Hand wieder auf die Türe legte, um diese zu schließen. „Ich brauche es nicht.“
 

„Es ist angenehm, etwas… Warte!“, rief Lavi und griff zur Tür, ehe sie sich schloss. „Es ist Soba. Du hast bisher nichts gegessen, richtig?“
 

„Ich möchte es nicht“, wiederholte Kanda, seine Augen schlossen sich kurz, während die Finger am Rand der Tür hinunterrutschten.
 

Lavi machte besorgt einen Schritt nach vorne, doch etwas Weiches rieb gegen seine Knöchel, was den Rothaarigen zusammenfahren ließ. Eine schwarze Katze quäkte und rieb ihren Kopf erneut gegen sein Bein.
 

Lavi lächelte überrascht. „Hey, kleiner Freund.“
 

„Che“, machte Kanda genervt.
 

Mit dem linken Fuß schob er die Katze zurück in die Wohnung und stupste sie sanft hinter sich.
 

„Wie heißt sie?“, fragte Lavi neugierig.
 

„Hat keinen Namen“.
 

„… Meinst du das ernst?“
 

„Ja.“
 

Der Rothaarige blickte den anderen irritiert an, doch wandelte es sich schnell in Sorge, nachdem Kanda die Tür fester umfasst hatte und seine Augen wieder zukniff.
 

„Du siehst nicht gesund aus“, Lavi streckte einen Arm aus, um ihn zu stützen, doch Kanda schob seine Hand weg.
 

„Mir geht’s gut.“
 

„Du solltest dich hinsetzen“, sagte Lavi.
 

„Und wessen Schuld ist das?“
 

„Tut mir leid“, sagte er kleinlaut. „Ich war besorgt. Hier“, er hielt ihm die Plastiktüten hin, doch Kanda schnaubte.
 

„Dummer Hase. Ich möchte es nicht.“
 

Doch trotz seiner Worte, taumelte er, bei dem Versuch einen Schritt zurückzumachen, etwas. Lavi beeilte sich, um ihn zu stützen.
 

„Du solltest… Du solltest dich etwas ausruhen“, sagte er und richtete Kanda vorsichtig auf. „Uh…“, sein Blick glitt ins Innere, als die Tür etwas aufging, und blieb auf Stühle, die um einen Esstisch standen, hängen. „Setz dich dorthin.“
 

„Ich kann alleine gehen“, schnaubte Kanda und machte sich von Lavis Griff los.
 

Der Florist ging ins Innere des Hauses und Lavi stand nun in der Tür. Er blickte nach vorne und zurück, zwischen Tür und dem Schwarzhaarigen hin und her. Er entschied, die Tür hinter sich zu schließen. Hastig schlüpfte er aus seinen Schuhen, bevor er die Tüten vor Kanda auf den Tisch stellte, der sich mit geschlossenen Augen die Schläfen rieb. Die schwarze Katze zog ihre Kreise um Lavis Beine, während er sich die Jacke auszog und danach die Suppe und die Medizin auspackte. Er blickte zu dem eingeschalteten Notebook und einem Stift, die auf dem Tisch standen. Er realisierte, dass es eine Auflistung von Blumenbestellungen war. Arbeitete er etwa? In diesem Zustand?
 

„Bist du sicher, dass es dir gut geht, Yu?“
 

„Ich habe gesagt, dass du mich so nicht nennen sollst“, murmelte er, öffnete dabei noch nicht einmal seine Augen und massierte seine Schläfen heftiger.
 

Lavi blickte ihn an. „Wenn du mich ‚Hase‘ nennst, nenne ich dich bei deinem Vornamen.“
 

„Che.“
 

Der Rothaarige schob die Suppe vor Kanda. „Iss was.“
 

„Ich möchte es nicht“, wiederholte Kanda und blickte ihn diesmal finster an. „Ich bin nicht hungrig.“
 

„Und trotzdem musst du etwas runterbekommen“, beharrte er. „Trink nur einen Schluck“, er kam näher und legte sanft eine Hand auf die Stirn des anderen, bevor dieser reagieren konnte. „Scheiße, du bist heiß.“
 

Dann weiteten sich seine Augen. „I-ich meine, du fühlst dich heiß an. Du brennst“, korrigierte er und versuchte zu vermeiden, dass er hochrot anlief. „Wie hoch ist dein Fieber?“
 

„Weiß ich nicht“, antwortete Kanda müde.
 

„Du hast kein Thermometer?“
 

„Nein.“
 

Lavi presste die Lippen aufeinander. „Hast du ein sauberes Handtuch? Oder so etwas?“
 

Er nahm sich Zeit, sich im Apartment umzuschauen. Es war sauber und es lagen keine Klamotten herum, anders als bei ihm. Es war ein Apartment mit einem Schlafzimmer, dessen Tür geschlossen war. Der Fernseher stand mit der Couch in der einen Ecke, dahinter lag das Esszimmer, welches in die Küche mündete. Er betrat den Raum und suchte zögernd die Schränke ab, in der Hoffnung, Tücher zu finden, die er nutzen konnte. Als er etwas Brauchbares gefunden hatte, befeuchtete er es in der Spüle und faltete es sorgsam in ein Rechteck. Als er zum Tisch zurückkam, hatte Kanda immer noch nichts gegessen.
 

„Trink die Suppe, Yu.“
 

„Also schön“, grummelte der Florist. „Warum bist du immer noch hier?“
 

„Ich gehe“, versprach Lavi. „Wenn du etwas gegessen und geruht hast. Du solltest überhaupt nicht arbeiten, was denkst du dir dabei?“
 

„Ich kann nicht schlafen, also wo verdammt noch Mal ist das Problem?“
 

„Wegen deinen Kopfschmerzen?“
 

„Was glaubst du, was der verschissene Grund dafür ist?“
 

Lavi grinste leicht und stellte sich hinter den anderen. Sanft nahm er Kandas Haare zur Seite und platzierte das feuchte Tuch in Kandas Nacken, hielt es fest, als Kanda zusammenzuckte.
 

„Was zum T…“
 

„Du musst dich abkühlen“, erklärte Lavi ihm, dabei rieb er langsam das Tuch gegen den Nacken.
 

Es war ein wenig alarmierend, dass sich das Tuch in weniger als einer Minute aufwärmte. Daher wiederholte er den Vorgang schnell. Kanda lehnte sich nach ein paar Runden mit dem Kopf in seine Handfläche, während sein Ellbogen auf dem Tisch ruhte.
 

„Yu, trink etwas von der Suppe“, forderte der Rotschopf ihn auf. Ganz langsam hob Kanda den Deckel des Behälters und nahm einen Schluck.
 

Zögernd legte Lavi eine Hand auf Kandas Nacken und, als der andere sich nicht regte, begann er sanft sie zu massieren. Dabei suchte er den Punkt, der Kandas Kopfschmerz lindern würde. Dieser grunzte, als er ihn gefunden hatte, nahm aber einen weiteren Schluck von der Suppe. Der Rotschopf arbeitete still weiter, während der Florist trank. Nachdem er die halbe Schüssel geleert hatte, lehnte er sich zurück, offensichtlich an dem Rest nicht mehr interessiert.
 

„Besser?“
 

Kanda grunzte.
 

„Glaubst du, dass du jetzt schlafen kannst?“
 

„Nein.“
 

„Ok. Wie wäre es mit Fernsehgucken?“
 

„Was denn?“
 

„Ich weiß es nicht“, Lavi zuckte mit den Achseln. „Hast du irgendwelche Filme?“
 

„Nein.“
 

„Nun ja, du hast einen Fernseher. Geh rüber zur Couch, da sollte es bequemer sein.“
 

Es benötigte noch ein wenig Drängen seitens Lavi, bis der Florist widerwillig aufstand und sich auf die Couch fallen ließ. Lavi vermutete, dass Kanda nur zugestimmt hatte, weil es viel bequemer auf dem weicheren Sofa war. Er verschwand schnell in die Küche, um das Tuch noch einmal zu befeuchten und legte es diesmal, nachdem er zurückgekehrt war, auf Kandas Stirn. Der Schwarzhaarige versuchte, ihn wegzuschieben, doch Lavi war unnachgiebig und es war offensichtlich, dass das Fieber dem anderen nicht viel Ausdauer ließ, um wirklich zu protestieren.
 

„Wolltest du nicht gehen?“
 

„Nachdem du dich ausgeruht hast“, erinnerte Lavi. „Such dir einfach das Programm aus. Na los.“
 

Der Florist schnaubte und schaltete durch die Sender, bis er endlich etwas gefunden hatte. Lavi schaute hinüber und merkte, dass Kanda ziemlich unfokussiert war, die Augen nicht so aufmerksam, wie sonst. Das Tuch wärmte sich schnell auf, sodass Lavi es neu faltete.
 

„Che. Hör auf, dich zu bewegen“, grummelte Kanda und diesmal seufzte Lavi, richtete seine Aufmerksamkeit dann aber dem Fernseher zu.
 

Irgendwie endete es damit, dass sie irgendeinen Thai-Horror-Film schauten. Lavi wusste nicht, ob Kanda das absichtlich ausgewählt hatte oder es einfach das am wenigsten langweilige Programm war. Doch innerhalb von 10 Minuten saß Lavi halb eingerollt auf dem Sofa und war voll drin.
 

„Sie wird sterben“, sagte Kanda plötzlich, als eine Frau auf der Bildfläche auftauchte und zögernd eine verlassene Toilette betrat.
 

Die gruselige Musik wurde lauter und lauter, als das die Frau zu den Waschbecken trat und neugierig in den eigenartigen Nebel im Spiegel schaute. Dann wurde Dunst schwarz und etwas bewegte sich darin… Lavi hätte sich beinahe die Zunge abgebissen, als etwas in seinen Schoß sprang. Kanda blickte hinüber und schien vollkommen unbeeindruckt, als würde es ihm nichts ausmachen, dass diese unförmige Kreatur über die Fließen der Toilette im Fernseher krabbeln oder, dass Lavi das wohl peinlichste Quietschen jemals entfuhr.
 

Es war Kandas Katze, die über seine Oberschenkel kletterte, sich dann mehrmals um sich selbst drehte, bis sie sich in Lavis Schoß legte. Der Rothaarige legte den Kopf zurück, versuchte sich immer noch vom Schock zu erholen. Abwesend kraulte er der Katze das Ohr, während sein Blick wieder zu dem Fernseher glitt. Eine Stunde, 4 Herzinfarkte und die Erkenntnis, dass er die Nacht nicht in der Lage wäre, zu schlafen, später, rollte der Abspann über den Bildschirm. Er gähnte herzhaft und fragte sich, wie spät es nun schon war.
 

„Yu, gib mir mal die Fernbedienung, wenn…“, begann er, doch als er hinüberblickte, sah er, dass Kandas Augen geschlossen waren und sein Kopf auf der Lehne ruhte. „Yu?“, er stupste ihn sanft, doch bekam keine Antwort, außer leise Atemgeräusche.
 

Gut. Es war ja auch an der Zeit, dass Kanda etwas zur Ruhe kam, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie jemand bei einem solchen Film einschlafen konnte. Lavi blickte sich kurz um und fragte sich, was er machen sollte. Kanda aufwecken? Doch er wollte ihn nicht stören, nicht, wenn er so tief schlief. Unbehaglich pflückte er die Katze aus seinem Schoß, die sich in seinem Griff zu winden begann. Er setze sie wieder auf der Couch ab, nahm das Tuch und wusch es noch einmal aus. Als er wieder kam, verharrte er kurz auf der Stelle, bevor er sich auf den Boden kniete. Er hielt Kanda an den Schultern, während er ihn langsam und behutsam in eine liegende Position brachte.
 

Kanda war viel schwerer, als er dachte, doch er war irgendwann erfolgreich, auch wenn Kandas Haare wie ein Vorhang vor dessen Gesicht fielen. Er bewegte Kanda so viel, wie es ging, ohne dass er aufwachte, korrigierte die Position, bis es bequem aussah und strich dann die Haare aus seinem Gesicht. Dann legte er das kühle Tuch auf Kandas Stirn, presste es mit seiner Handfläche auf die Haut darunter, während er still den anderen anblickte.
 

Während er schlief war sein Gesicht frei von jeder Emotion. Er hatte niemals die Möglichkeit gehabt, ihn länger von Nahem anzuschauen. Seine feinen Gesichtszüge, die langen Wimpern, die vollen Lippen.
 

Lavis Brust zog sich zusammen. Gott, er war wunderschön.
 

Er lehnte sich weit genug vor, um den sanften Atem zu spüren. Sein Blick glitt zu dem leicht geöffneten Mund und bevor er wusste, was er tat, legte er seine Lippen auf seine. Er vergrub seine Hände in das Sofa, als er die Augen schloss und seine Lippen fester auf seinen Mund presste, so nahe, dass die Zungenspitze Kanda schmecken konnte. Er war warm. Und so weich.
 

Etwas streifte sein Knie und er zog sich mit geweiteten Augen sofort zurück. Er atmete langsam aus, als er bemerkte, dass sich Kandas Katze an seinem Bein rieb. Dann erstarrte er.
 

Er leckte sich einmal über die Lippen und sein Blick glitt schnell zu Kanda zurück, der immer noch fest schlief. Er hat gerade… er hat gerade… Er leckte wieder über seine Lippen und riss seinen Blick von dem Schlafenden. Scheiße, er hatte gerade Kanda geküsst. Und er konnte einfach nicht bleiben, denn er wollte es wieder tun. Das war verdammt noch Mal lächerlich. Panisch versuchte er sich aufzurichten, doch stolperte beinahe in den Fernseher hinter ihm.
 

Oh Scheiße, oh Scheiße. Er musste gehen. Sofort.
 

Kandas Katze mauzte, als er sich beeilte, um zur Eingangstür zu gelangen. Er sprang in die Schuhe. Doch bemerkte dann, dass seine Jacke immer noch über einen Stuhl im Esszimmer hing. Also zog er sie wieder aus, um sie zu holen. Die Katze saß da und beobachtete, wie er wieder an seinen Schuhen herumfummelte. Dann miaute sie lauter, als er sie endlich an hatte.
 

Lavi wollte zum Türgriff greifen, doch hielt in der Bewegung. Er beugte sich hinunter, um den Kopf der Katze noch einmal zu streichen.
 

„Sag es nicht Yu, ok?“, lächelte er schwach und floh dann aus der Wohnung.



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