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Die Wölfe 6 ~Die Söhne des Paten~

von

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~Familiendrama~

Das ist ja mal wieder so typisch: Natürlich ist ihr Mann nicht gekommen, um den Tag mit ihr und den Kindern am Strand zu verbringen. Dafür ist er, wie so oft, zu beschäftigt. Sie sollte mal ein ernstes Wort mit ihrem Vater sprechen, er spannt ihren Mann viel zu sehr in seine Geschäfte ein. Judy seufzt und sieht über das weite Meer in die Ferne. Ihre Hände wandern zu ihrem runden Bauch, der weit von ihrem Körper absteht. Sie stützt ihn und schaut liebevoll an sich hinab. Eine kleine Beule tritt hervor und da, gleich noch eine zweite. Sie lächelt verkrampft. Heute ist das Kind in ihrem Bauch besonders wild, schon den ganzen Morgen wird sie getreten und geboxt.

„Ganz der Papa", murmelt sie wehmütig, „Der kann auch keinen Moment still sitzen."
 

Eine Kinderhand zieht ihr am Rockzipfel, ein Junge mit leuchten blauen Augen und blonder Wuschelmähne, sieht sie brummig an.

„Lass uns heim gehen, er kommt eh nicht mehr, es ist sinnlos, noch länger zu warten. Es war ohne ihn sowieso viel schöner", meint er.

„Rede nicht so von deinem Vater", schimpft sie, und bemüht sich vergebens darum, ernst zu klingen. Eigentlich hat ihr Sohn ja recht, manchmal ist es ohne ihren Mann tatsächlich schöner, dann gibt es weniger Streit und ihr Sohn ist ausgelassener. Trotzdem ist es schade. Ein Tag, nur mit ihrer Familie und ohne den strengen Großvater, wäre schön gewesen. Es ist Sonntag, warum kann ihr Vater seinen Schwiegersohn nicht einmal heute in Ruhe lassen? Wieder kommt ihr ein Seufzer über die Lippen. Wahrscheinlich muss sie sich einfach damit abfinden. Immerhin wohnen sie endlich wieder zusammen und die letzten Wochen waren wirklich schön gewesen. Wenigstens am Abend, hat sie ihren Mann nun ganz für sich allein. Nach so vielen Jahren, bringen sie die Kinder wieder gemeinsam ins Bett und wenn die kleinen Zwerge endlich eingeschlafen sind, kommt er mit ins Schlafzimmer, um nach ihr und dem Baby zu schauen. Dann legt er seinen Kopf auf ihren Bauch und lauscht. Wenn er nur nicht immer mit dem Baby kleine Löcher hinein boxen würde. Sie verzieht das Gesicht schmerzhaft. Das fühlt sich unangenehm an, aber er hat seine Freude daran und sie ihre, ihm dabei zuzusehen. Er kann so süß sein und im nächsten Moment, steht sie mit den Kindern wieder allein da.
 

Sie sieht sich nach ihrer Tochter um:

Die Achtjährige sitzt in den Wellen und sucht den Sand mit ihren Fingern ab. Sie hat schon ihre ganzen Taschen voll Muscheln und fischt gerade wieder eine neue aus dem Meer. Ihre langen, schwarzen Haare kleben ihr in Strähnen im Gesicht, ihr weißes Kleid ist über und über mit braunen Sandflecken beschmutzt. Den weißen, weiten Sommerhut hat das Mädchen am Strand zurück gelassen. Judy bückt sich schwerfällig danach. Es kostet sie enorm viel Kraft, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Der kleine Junge an ihrer Seite bückt sich, er hebt den Hut auf und reicht ihn ihr. Dankbar nickt sie ihm zu. Ein Glück hat sie ihn, was würde sie nur ohne Rene tun? Der Junge hilft ihr, wo er nur kann und das ganz ohne zu murren, ganz anders, als ihr geliebter Ehegatte. Beim Gedanken an ihn, muss sie unwillkürlich brummen.

Es wird wirklich Zeit, dass das Baby auf die Welt kommt und sie wieder ohne Hilfe auskommt. So langsam ist jeder Schritt, mit dem viel zu großen Bauch, eine einzige Qual. Noch ganze acht Wochen muss sie sich damit herumplagen, dabei muss sie noch froh sein, dass es dieses mal keine Zwillinge sind. Während ihrer ersten Schwangerschaft, hat sie um diese Zeit schon im Bett liegen bleiben müssen.

„Amy! Komm raus, mein Schatz und trockne dich ab! Wir wollen nach Hause“, ruft sie ihrer Tochter zu. Das Mädchen schaut auf und blickt in ihre Richtung. Die Mutter winkt sie zu sich, doch das Kind kann sich nur schwer von dem Spiel trennen. Noch einmal verschwinden ihre kleinen Finger im nassen Sand und fischen zwei neue Muschel daraus hervor. Stolz steckt sie sie in die Taschen ihres Kleides. Als sie aufsteht, hängen es tief an ihr hinab. Während sie angelaufen kommt, klackert und gurgelt es in ihrem Kleid. Die vollen Taschen wippen vor und zurück und schlagen ihr gegen die dünnen Beinchen.

Rene empfängt seine Zwillingsschwester mit einem großen Handtuch und legt es ihr um den nassen Körper. Die Lippen des Mädchens sind bereits blau und ihre Finger ganz schrumpelig. Sie war viel zu lange im kalten Wasser. Es wird wirklich Zeit, dass sie nach Hause gehen und sie sich am warmen Kamin aufwärmen kann. Der Butler wird ihnen einen heißen Tee zubereiten und ein Stück Kuchen, ist nach dem langen Tag am Strand, auch nicht zu verachten. Welche Torte er wohl heute gebacken hat?

Gemeinsam mit ihrem Sohn trocknet Judy ihre nasse Tochter ab und reicht ihr ein frisches Kleidchen. Das mit den Muscheln nimmt sie behutsam an sich und wickelt es sicher im Handtuch ein. Mit dem Bündel unter dem Arm, wartet sie geduldig darauf, das sich Amy umzieht. Das Mädchen reicht ihr die nassen Sachen und setzt sich den Sommerhut auf den Kopf. Als sie fertig ist, nickt sie und verlangt die Hand der Mutter. Judy ergreift die kalten Finger. Während ihr Sohn den mitgebrachten Korb holt und ihnen nacheilt, macht sie sich auf den beschwerlichen Heimweg.

Nach gut einer halben Stunde Fußmarsch, erreichen sie endlich das Villenviertel, in dem sie zu Hause sind. Den Fußweg flankieren große Obstbäume, die mit ihrem grünen Blätterdach angenehmen Schatten spenden. Links von ihnen verläuft eine lange Rasenfläche und begleitet sie, wie ein ausgelegter Teppich. Zwischen den saftig, grünen Halmen strecken sich Gänseblümchen der Sonne entgegen. Amy löst sich von der Hand ihrer Mutter und wirft sich mit den Knien voran in die weiche Wiese. Laut glucksend vor Freude, pflückt sie die Blumen, eine nach der anderen. Akribisch genau grast sie die ganze Wiese danach ab und lässt keine noch so kleine zurück. Das frische weiße Kleid bekommt zwei grüne Flecke auf Höhe ihrer Knie und je länger sie herumrobbt um so mehr braune kommen dazu. Judy schüttelt wehmütig den Kopf. Sinnlos dem Kind etwas hübsches anzuziehen. Wieder einmal wird sie Amys Sonntagskleid wegschmeißen und ihr ein neues kaufen müssen. Diese Flecken bekommt nicht mal ihre Haushälterin heraus.

Mit einem großen Strauß in den Händen, kommt das Mädchen von der Wiese gelaufen. Ihre Rehaugen schauen vergnügt und stolz.

„Du bist unmöglich Amy! Sieh dich mal an, wie du jetzt ausschaust! Das schöne Kleid“, schimpft ihr Bruder. Das Kind verzieht den Mund zu einer Schnute und streckt dem Jungen die Zunge heraus, dann stolziert sie an ihm vorbei, wie die feine Dame aus gutem Hause, die sie eigentlich sein sollte. Fröhlich reicht sie die gepflückten Blumen ihrer Mutter. Judy lächelt und streckt die Hand aus, um den Strauß entgegen zu nehmen, als sie auf der Straße lautes Motorengeheul aufschreckt. Reifen rauschen auf den Pflastersteinen auf sie zu. Ein Polizeiauto rast an ihnen vorbei. Die Mutter verfolgt den Wagen mit den Augen und erhascht einen kurzen Blick auf dessen Rückbank. Diese blonden Haare, diese Statur. Enrico? Ihr Mann! Nein! Sie sieht dem Auto zu, wie es in der Ferne verschwindet. Auch Amy und Rene sehen dem Fahrzeug nach.

„War das eben Vater?“, will ihr Sohn wissen. Ihre Tochter tritt einen Schritt auf die Straße, um dem Wagen länger nachschauen zu können. Wieder rauschen Reifen über die Steine, ein weiter Streifenwagen rast auf sie zu. Judy packt den Arm der Tochter und zieht sie zurück. Das Kind lässt den Strauß fallen und stolpert in die Arme der Mutter. An ihrer Stelle werden die Blumen überfahren. Judy schaut auch in dieses Auto. Der junge Mann auf der Rückbank kommt ihr ebenfalls bekannt vor. Ist das nicht der beste Freund ihres Gatten? Was ist denn hier los? Die junge Mutter schaut in die Straße, aus der die Polizeiautos gekommen sind. Der Weg führt geradewegs zu ihnen nach Hause. Sie schluckt schwer und greift die Hand ihrer Tochter. Fest nimmt sie die kleinen Finger und läuft los. So schnell sie mit ihrem großen Bauch kann, rennt sie die wenigen Meter, die sie vom Anwesen des Großvaters trennen. Das Kind an ihrer Hand hasstet ihr nach und auch Rene folgt seiner Mutter. Er überholt sie beide und läuft voraus, doch als er das große Tor erreicht, hält er abrupt an. Seine Augen weiten sich, sein Mund öffnet sich entsetzt. Judy durchfährt der Hauch einer dunklen Vorahnung und lässt sie erschaudern. Sie bemüht sich schneller zu laufen, um den Knaben einzuholen. Als sie ihn erreicht, bleibt auch sie stehen. Ihr erster Blick wird von einem Krankenwagen eingefangen, der mitten auf dem Kiesweg steht, der zum Anwesen hinaufführt. Eine Trage wird gerade hinein geschoben. Der alte Mann, der darauf liegt, stöhnt vor Schmerzen. Seine Kleidung, sein Gesicht alles an ihm ist blutverschmiert. Das ist Jester, ihr treuer Oberbutler.

Die junge Mutter hält den Atem an und hebt die Hand vor den Mund. Das Bündel mit dem Kleid und den Muscheln lässt sie fallen, klirrend landet es auf dem Bürgersteig.

„Scotch! Brandy!“, quietscht ihre Tochter. Sie reißt sich von ihr los. Erschrocken sieht Judy zu, wie sie auf dem Kiesweg davon läuft. Ihr Bruder eilt ihr nach. Sie laufen zwei Dobermännern entgegen, die auf halbem Wege zum Anwesen im Gras liegen, die Pfoten weit von sich gestreckt. Sie rühren sich nicht. Rote Flüssigkeit läuft ihnen aus den Mäulern. Einem der beiden Wachhunde fehlt das rechte Auge. Die Kinder erreichen die Tiere. Amy kniet sich zu der Hündin hinab, sie nimmt ihren schweren Kopf in ihre kleinen Hände und legt ihn auf ihrem Schoß ab. Sanft streichelt sie ihr über den Kopf, mit dem Gesicht legt sie sich in das glatte Fell.

Amys Hände und ihr auch ihr weißes Kleid, bald ist das Kind von Kopf bis Fuß mit dem Blut des Hundes beschmiert. Ihr Bruder versucht sie von den Tieren wegzuziehen, doch sie stößt ihn immer wieder von sich.

Judy betrachtet die Szene, wie in einem Film, alles zieht an ihr vorüber, während sie nur tatenlos dastehen kann. Langsam, Schritt für Schritt, tastet sie sich in das Grundstück. Sie geht bis zum Krankenwagen und spät auf die Trage und die Männer im Inneren, die sich um den verletzten Butler kümmern. Der alte Mann wendet seinen Blick ihr zu. Die trüben Augen werden für einen Moment klar und sein Blick eindringlich.

„Sag ihnen, dass er es nicht war!“, keucht er. Judy schüttelt verständnislos mit dem Kopf.

Die Männer im Inneren des Wagens beugen sich über den Butler, einer versorgt seine Wunden, der andere schließt die Türen des Fahrzeuges. Kaum einen Moment später setzt sich der Krankenwagen in Bewegung. Er beschleunigt und verschwindet aus ihrem Blickfeld. Judy sieht ihm noch lange nach.

„Wer hat was nicht getan?“, flüstert sie, als ein schwarzer Wagen, die Einfahrt hinaufgefahren kommen. Er ist nach hinten hin ungewöhnlich breit. Die Scheiben auf der langen Rückbank sind mit weißem Stoff verhangen. Das ist ja ein Leichenwagen. Judy überschlägt schnell, wer neben dem Butler noch alles im Haus war: Da waren doch nur ihr Mann und ihr Vater.

Wie automatisiert beginnt die junge Mutter zu laufen, den Kiesweg hinauf, bis zum Anwesen. Als sie die Steintreppe erreicht, die zur Villa hinauf führt, kommen ihr zwei junge Männer entgegen. Sie halten von beiden Seite eine Trage und schleppen sie ins Freie. Über ihr liegt ein weißes Tuch und darunter bilden sich die Umrisse einer Person. Judy mach den Männern Platz. Als sie die Stufen hinab steigen, rutscht eine Hand von der Trage und unter dem Tuch hervor. Um den Ringfinger liegt ein goldener Ehering, der Ring ihres Vaters, den er seit dem Tod der Mutter nicht abgenommen hat. Judy stürzt der Trage nach, stellt sich den Männern in den Weg und zwingt sie anzuhalten.

„Vater!“, keucht sie atemlos und zieht das Tuch von der Trage.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Scorbion1984
2016-01-31T14:06:58+00:00 31.01.2016 15:06
Schlimm das sie das mitansehen mussten ! Hoffe es geht ihnen soweit gut !
Antwort von:  Enrico
01.02.2016 12:24
Da gebe ich dir recht, aber ich fand es auch mal sehr interessant, die ganzen Ereignisse aus der Sicht der Familie zu zeigen und da Enrico im Krankenhaus eh gerade ausfällt^^.


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