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Via Inquisitoris - Cum tacent clamant

von

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Epilog


 

S

arah bemerkte erst den zweiten Anruf auf ihrem Handy, so tief war sie in ihrer Grübelei versunken. Immerhin waren Mura, oder besser, David Delacroix und Loyra vermutlich inzwischen schon wieder fast in New York. Aber hatte sie richtig gehandelt? Immerhin war George und wohl auch der ihr bis dato unbekannte „Bruder“ Muras bereit gewesen sich um das Pärchen zu kümmern, ja, auch Loyra die notwendigen Hilfen zu gewähren. Aber, wie hätte Wombat in solch einem Fall entschieden? Auch die verstörte Frau laufen lassen, wenngleich unter Aufsicht, oder hätte er sie getötet?

Nun, es war falsch sich diese Frage überhaupt zu stellen, erkannte sie dann. Es gab mit gutem Grund immer nur einen Kadash. Sie musste allein entscheiden. Es war sowieso schon eine große Hilfe gewesen, was ihr der uralte Australier an Werkzeugen und Bannkreisen mitgegeben hatte. Dass er sich nach all der langen Zeit zurückziehen wollte, war nur verständlich.

Sie griff zum Telefon, als ihr endlich der Anruf bewusst wurde, und hörte das Aufatmen. „Oh, halle Danile. Ich war völlig weggetreten.“

„Ich fing gerade an mir Sorgen zu machen“, gestand der FBI-Agent. „Sie müssen wirklich verschlafen haben. Kommen Sie her?“

„Ja, natürlich. Oh du je.“ Sie sah auf die Uhr. Es war zehn. Sie hatte zwar Nachtarbeit geleistet, aber dennoch war es unverzeihlich so sehr Nachzudenken und zu Meditieren, dass man die notwendigsten Regeln der Zusammenarbeit mit Menschen vergaß. Um die Lage etwas zu retten lächelte sie. „Dabei habe ich nicht einmal eine dieser Schlaftabletten genommen.“

„Sie waren wohl ebenso übermüdet wie wir alle. Schön, wenn man schlafen kann. Also, bis dann, ich hoffe, es gibt dann Neues“

„Bis gleich.“

Die Inquisitorin eilte ins Bad, zog sich hastig um und bürstete sich die blonden Haare. Frühstücken musste sie nicht und so saß sie schon zwanzig Minuten später im Taxi und vierzig Minuten später im Besprechungsraum.

 

Matho lächelte sie an und erhob sich, um ihr eine Tasse Kaffee hinzustellen. „Es ist immer schön, wenn man bei Kollegen auch menschliche Schwächen feststellt. Man kommt sich nicht so einzig vor.“

„Danke.“ Sie machte sich nichts aus Kaffee, Tee war, wenn schon, eher das Getränk ihrer Kindheit, aber da gab es die Regel der Unauffälligkeit. „Ich hoffe Sie haben ebenfalls geschlafen.“

„Ja. Ich wunderte mich schon, als ich Sie nicht beim Frühstück sah, aber erst als Daniel Sie nicht erreichte machte ich mir doch etwas ...Sorgen. - Ich hoffe, dass wir weiterkommen. Die Leute hier haben durchgearbeitet, als gestern Abend noch Miss Morris anrief.“

„Berryl Morris.“ Sarah klang – und war – verwundert. Hatte die sie doch gesehen und sich beschweren wollen?

„Sie hat zufällig in der Straße, in der sie wohnt, in einem vorbeifahrenden Auto eine Frau gesehen, die sie für Marianne d´Anjou hielt. Natürlich war sie sich nicht sicher. Es war bereits dunkel und sie hat sie Jahre nicht gesehen, aber sie fand es doch nach unserem Gespräch mit ihr lebensecht genug, um das FBI zu informieren.“

„Nummer 36 auf der Todesliste zu sein gefiel ihr wohl nicht.“ Daniel McGraw war hereingekommen. „Guten Morgen, Sarah. Ich ließ die Fahndung nach dem Auto rausgeben. Immerhin eine ungewöhnliche Farbe. - Sie haben es gefunden und Marianne d´Anjou gleich dazu. Sie wird gerade in die Gerichtsmedizin gebracht.“

Die Inquisitorin hofft erstaunt genug auszusehen. „Gerichtsmedizin. Dann ist sie tot.“

„Ja, ohne äußere Verletzungen. Sie befand sich in einem Nationalpark, am Wasser. Eine zweite Person scheint dort gewesen zu sein, die Fußabdrücke werden untersucht.“

Ach du liebe Güte! Sarah war in diesem Moment nur froh, dass sei sich umgezogen hatte und auch ihre Schuhe gewechselt hatte. Menschen waren einfach nicht mehr die tumben Bauern für die sie noch immer so viele Vampire hielten. „Berryl Morris kommt als auch nur mögliche Täterin nicht in Betracht, sie war in ihrem Haus mit ihrem Lebensgefährten. Sie besitzen eine Alarmanlage, die mit der Polizei verbunden ist und die gesamte Nacht an war. Unmöglich hinauszugehen ohne Alarm auszulösen. Überdies wäre es selten dämlich das FBI zu informieren, dass man jemanden gesehen hat, den man anschließend umbringt, wenn sonst niemand auf die Idee kam, dass die dort gewesen war.“

„Ich war auch da, es scheint eine lebhafte Nacht bei Mss Morris gewesen zu sein.“ Sarah war gerade die Erkenntnis gekommen, dass der Taxifahrer wohl plaudern würde und baute vor. „Ich bin mit dem Taxi dorthin gefahren, weil ich sehen wollte, wie Miss Morris lebt.“ Sie warf einen Blick zu dem „Tracker“. Matho nickte etwas. Kannte er das? „Ich hatte da dieses Vorurteil: Voodoo, grisgris, Zombie und so weiter und hatte irgendwie eine heruntergekommene Gegend erwartet. So war ich überrascht, dass sie doch eher so wohnt, wie es einer Unternehmensberaterin ziemt. Falls Sie wissen, was ich meine. Und ich war froh, mein Vorurteil überprüft zu haben.“

„Das erklärt natürlich auch Ihre Müdigkeit“, schloss Daniel unverzüglich, wenngleich falsch. „Aber Marianne haben Sie nicht gesehen?“

„Äh, wenn Sie mir das Auto beschreiben?“

„Natürlich, ja. Orangerot, Chevrolet Caprice, Baujahr 1991.“

„Orangerot, das erkennt man natürlich in der Dämmerung nicht.“ Nun ja, als Vampir schon, aber das sollte sie besser nicht erwähnen. „Und, wenn ich das so ausdrücken darf, die amerikanischen Autos sehen mir alle ziemlich gleich aus. Aber ich denke, die Straße war da recht leer. Ich sah eigentlich kein Auto, doch eines, aber da achtete ich nicht darauf. Ich würde sagen, ziemlich groß und ziemlich amerikanisch. Rot oder orange, ja, wenn ich so nachdenken, aber Zeugenaussagen sind dann leider oft ja ungenau.“

„Und falsch.“ Matho legte den Kopf schräg. „Daniel hat Sie schon mit dem orangerot beeinflusst und Sie überlegen jetzt ob das Auto, das Sie sahen, orange oder rot war. War es nicht grün?“

Sarah musste lachen. „Ja, vermutlich. Ich las einmal, dass drei Zeugen ein Auto bei einem Unfall in drei verschiedenen Farben beschrieben.“

Daniel nickte, nur zu vertraut mit Zeugen. „Deswegen warte ich auf die Gerichtsmedizin. Das ist unverfälscht. Was natürlich auch bedeutet, dass eure Arbeit hier abgeschlossen ist. Ich kann euch jedoch sagen, wie das ausging, wenn wir wissen, was mit Marianne d´Anjou passiert ist.“

Das würde das FBI hoffentlich nie erfahren, dachte der Kadash prompt.

Dr. Philipps rechte sich etwas. „Klingt gut. Sarah, was machen Sie dann?“

Sie war überrascht. „Ich fliege nach London und werde dann nach Südengland in das Haus meines Vaters gehen, ein wenig entspannen.“ Lord John hatte ihr geschrieben, dass er in Bibliotheken recherchieren wollte, aber nicht gesagt was. So würde sie zuhause allein sein. Gut diesmal.

„In das Schloss Ihres Vaters, oder?“ korrigierte Daniel sofort.

Sie lächelte. „Nun ja. Manor, eher, ein Herrenhaus. Es ist elisabethanisch, da wurde es renoviert. Zugegeben, seit den 80gern des letzten Jahrhunderts hat es auch Strom und Ölheizung. Aber es ist relativ klein, kein Schloss wie der Buckingham Palace. Die Buxtons hatten nie viel Land.“

„Klingt entspannend“, sagte Matho. „Aber, worauf ich hinauswollte, Sarah: hätten Sie Lust mit mir nach Arizona zu gehen, für ein paar Tage? Ich habe da einige nette Canyon an denen man entspannen kann. Und meditieren. Vielleicht könnten wir voneinander lernen, ehe der nächste Auftrag uns ruft.“

Er wusste es, dachte sie in jäher Panik, ehe sie sich damit beruhigte, dass er es nicht wissen konnte. Es sah wohl eher nur die Berufsbelastung, das hatte er ja schon einmal gesagt. „Ja, das klingt gut. Und Meditation hält den eigenen Kopf frei.“

 

So fand sich die Inquisitorin zu Beginn der Abenddämmerung an einem steinigen Abhang in Arizona wieder. Etwas war da, dachte sie, sie konnte Bannkreise spüren. Ein zurückgezogener Vampir?

Matho bückte sich und legte einen Stein Türkis auf den Boden. Da er ihren Blick bemerkte, erklärte er: „Nach unseren Sagen lebt ein uraltes Wesen auf diesem Berg, dem man sich nicht nähern sollte, ohne ein Geschenk mit zu bringen. Ich halte das immer so und mir ist nie etwas passiert. Sie lächeln nicht über diese Vorstellung, Sarah?“

„Nein. Hier ist etwas, das kann ich auch spüren.“

Er nickte zufrieden, fast glücklich sich nicht geirrt zu haben.. „Darum nahm ich Sie mit her. Sie sind nicht der normale Europäer. Sie besitzen mehr spirituelle Fähigkeiten als Ihnen bewusst ist.- Kommen Sie, gehen wir dort hoch. Oben meditieren wir – und dann werden Sie bestimmt den schönsten Sonnenaufgang Ihres Lebens sehen. Dazu - kenne Sie die chinesische Kunst des Tai Chi?“

„Ja, wenn auch nur aus dem Fernsehen.“ Als sie sich tatsächlich einmal mit Thomas zusammengesetzt hatte.

„Dann zeige ich Ihnen einige Übungen. Im ersten Licht des Tages ist das hervorragend um den Geist frei zu bekommen. Kann ich nur empfehlen.“

 

So sah die aufgehende Sonne, als sie die roten Felsen eines Canyons in Arizona berührte, einen Menschen und einen Vampir gemeinsam einen seltsamen Tanz aufführen – und in ihren Augen lag das gleiche Leuchten.

 

 
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sanguisdeci
2016-09-05T22:13:38+00:00 06.09.2016 00:13
Eine wundervolle Geschichte!

Nachdem ich durch einen Zufall auf diese stieß und hinein las, habe ich nun tagelang alle Geschichten der Via Inquisitoris artig chronologisch durchgeschmökert. Eine Serie, die mir sehr zusagt :D

Du hast dir wunderbar Gedanken gemacht, wie die Gesellschaft der Vampire aufgebaut ist und dies absolut schlüssig in die Gegenwart eingebunden. Mein Kompliment, ich fand keine einzige Szene, wo ich nicht zum Schluss dachte "das passt".
Ebenso entwickeln sich die Charaktere und es gelingt dir hervorragend, einen übergreifenden Handlungsbogen einzubauen, der ganz wunderbar in das Gesamtwerk hineinpasst und doch nicht in den einzelnen Geschichten störend erscheint.
Ich hoffe, dir fallen noch viele solcher Krimis ein. Ich werde sie mit Spannung erwarten und lesen :)
Antwort von:  Hotepneith
06.09.2016 07:41
Vielen Dank für das Lob. Und ja, ich habe mir im Vorfeld viele Gedanken gemacht, warum es das "Volk" überhaupt gibt, wie sie entstanden sein können, wie sie warum sind und leben, udndes schaffen, dass selbst heute die Menschen sie nicht entdecken.
Es mag mit einer neuen Geschichte allerdings noch etwas dauern - zum einen, weil die Storyline tragfähig sein soll, zum zweiten, weil ich zumeist doch nur abgeschlossene Geschichten hochlade. Aber vielleicht findet sich eine Kurzgeschichte....


hotep


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