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Corpse Battle

Ein Shikamaru Nara-Krimi (zum Miträtseln)
von

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Vivisection/Video

Mit nur einem Genin an seiner Seite wurde Shikamaru schließlich klar, dass es an ihm lag, die Initiative zu ergreifen. Er wünschte sich ins Bett zurück, als er zu Reis-Anji sagte: „Lauf in den dritten Stock. Hol Temari und Konoe-san. Die Kammern auf der rechten Seite.“

Anji sah ihn mit ernstem Blick an, blies sich eine Strähne rotbraunen Haars aus dem Gesicht und stürmte los.

„Was ist denn los?“, erklang eine gedämpfte Stimme. Aus irgendeinem Grund ließ sie Shikamaru zusammenzucken. Sie kam direkt aus dem Zimmer, vor dessen Tür Macho-Manjos Leiche lag. Ein Geräusch kam vom Türknauf, dann versuchte jemand zu öffnen, aber der Tote blockierte die Tür. Die getrockneten Blutflecken auf dem Holz wirkten plötzlich wie ein mächtiges Siegel auf Shikamaru …

„Warten Sie!“, rief er. „Bleiben Sie drin.“

„Wer hat da eben geschrien?“ Die Stimme klang trotz allem ruhig.

„Iwamoto-san? Sind Sie das?“

Kurzes Schweigen. „Ja. Was zum Teufel ist geschehen?“

Also war das das Zimmer des Senseis von Rokken dem Felsenschieber. Gut zu wissen. Shikamaru erinnerte sich, dass hier im zweiten Stock die Prüflinge und ihre Lehrer ihre Kammern hatten.

Weiter vorne in dem Gang wurden Türen geöffnet, Schritte und Stimmen kamen näher. Anjis Schrei hatte Wellen geschlagen. Shikamaru wünschte sich, er wäre still geblieben.

Die Ninjas aus dem Wasserfall-Reich waren als Erstes hier. Der übercoole Sasaro blieb in einigen Schritten Entfernung stehen und vergaß sogar, auf dem zu kauen, was auch immer er gerade im Mund hatte. Kyoko, seine stille Teamkameradin, stockte noch weiter hinten im Schritt und ihre Augen weiteten sich.

„Oh.“ Das war alles, was das ansonsten gar nicht so wortkarge Genie Sasaro von sich gab. „Ist er …“

„Geht bitte wieder in euer Zimmer zurück“, sagte Shikamaru schließlich betont ruhig. Alles in Ordnung, hätte er fast hinzugefügt. Mendokusai, gar nichts ist in Ordnung!

Endlich kamen auch von der anderen Seite huschende Schritte, ein roter Blitz leuchtete auf, der sich als Konoes Haarschopf entpuppte. Die Prüferin war noch im Schlafmantel und trug ihr Haar offen, was ungewöhnlich aussah. Shikamaru hatte sich eigentlich an den Anblick ihrer Jonin-Weste und ihres Zopfes gewöhnt.

Ohne ein Wort ging sie neben Manjo in die Knie. „Wo ist Anji?“, fragte Shikamaru.

„Er sucht nach Temari-san. Sie war nicht in ihrem Zimmer, also ist er in die Kantine gelaufen.“ Konoe untersuchte fachkundig die Leiche. Neben ihr hatte sich das Blut mit dem Sake aus Manjos Flasche vermischt, die auch auf dem Boden lag.

Ein unangenehmes Ziehen tauchte in Shikamarus Magen auf – so unangenehm es noch werden konnte, wenn man bereits vor dem Frühstück einem Toten begegnet. Temari, die nicht auf ihrem Zimmer war … Wer sagte denn, dass Macho-Manjo das einzige Opfer war …?

„Nichts mehr zu machen“, riss ihn Konoe kopfschüttelnd aus seinen Grübeleien.

„Dachte ich mir“, murmelte er und bemerkte, dass die Wasserfall-Genin nicht nur immer noch auf dem Flur herumstanden, sondern dass sie Gesellschaft bekommen hatten.

„Woah.“ Drescher-Takkis blonde Mähne war vom Schlaf zerzaust. Ihre Augen glitzerten schon wieder. „Was habt ihr gemacht?“

Wir haben gar nichts gemacht“, sah sich Shikamaru verpflichtet sie aufzuklären. „Geh wieder in dein Zimmer. Bitte.“

Hinter Takki humpelte ihr Sensei einbeinig durch den Gang, weil er eben ungeschickt versuchte, sich den zweiten Schuh anzuziehen. Er stürzte beinahe, als er die Leiche sah. „Aber, aber was …“

„Nigishima-sensei, bitte nehmen Sie Ihre Schülerin und gehen Sie“, drängte Konoe. „Wir haben hier alles im Griff. Das hier betrifft nur Sunagakure.“

Nigishima zögerte, dann verhärtete sich seine Miene. „Das sehe ich aber anders“, sagte er. „Ich, ich bin hergekommen mit der Sorge im Hinterkopf, dass meine Schüler bei ihren Prüfungen getötet werden könnten. So was kommt ja leider vor. Aber, aber dass außerhalb der Prüfungen ein Prüfer … ich meine, er, er ist doch tot, oder?“

„Kann mir endlich jemand verraten, was hier los ist?“, ertönte wieder Iwamotos Stimme hinter der Tür. Sie klang genervt.

Konoe nickte Shikamaru zu. „Geht in Ordnung. Hilf mir.“

Unglücklich packte er Macho-Manjos Füße und half ihr, ihn von der Tür fortzuwälzen. Tote waren erstaunlich schwer. Als sie damit fertig waren und Iwamoto-sensei ebenfalls einen harten Blick auf die Leiche geworfen hatte, rauschten endlich auch Temari, Gaara und Anji mit betroffenen Gesichtern heran.

„Was kannst du über ihn sagen?“, fragte Gaara sofort Konoe.

Diese zuckte mit den Schultern. „Normalerweise untersuche ich Lebende. Aber die Leichenstarre ist noch nicht komplett eingetreten. Die Temperatur in Betracht gezogen, denke ich, dass er seit ein paar Stunden tot ist.“ Shikamaru erinnerte sich, dass Konoe noch gestern mit Manjo geflirtet hatte. Falls sie sein Tod traf, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie war eine mustergültige Kunoichi.

„Das, das ist ja entsetzlich!“, rief der tollpatschige Nigishima-sensei. „Dann läuft hier doch ein Mörder herum!“ Als ob das nicht längst klar gewesen wäre …

Gaara ging nun selbst neben Manjo in die Hocke und betrachtete ihn mit ernstem Gesicht. „Wir besprechen uns in meinem Büro“, sagte er leise.

„Sie haben den Kazekage gehört“, sagte Iwamoto kühl zu Nigishima-sensei und den Genin. „Bringen Sie die Genin in ihre Zimmer. Das Reich des Windes wird sich um diese Sache annehmen.“

„Sonst geht es Ihnen gut, ja?“, gab der sogenannte Weiße Blitz zurück. „Wir, wir haben ein Recht darauf zu erfahren, was hier vor sich geht!“

Iwamoto-sensei sah ihn aus schmalen Augen an. Shikamaru fiel auf, dass sie vollständig angezogen war, obwohl man sie aus dem Schlaf gerissen haben musste. Andererseits hatte sie ja auch einige Zeit gehabt, sich umzuziehen.

„Nein, das geht in Ordnung“, sagte Konoe plötzlich. „Er sollte auch dabei sein.“ Dabei warf sie Gaara einen schwer zu deutenden Blick zu, der daraufhin nickte.

Konoe holte eine Trage aus irgendeiner staubigen Abstellkammer. Shikamaru schickte sich an ihr zu helfen, die Leiche abzutransportieren, aber Iwamoto-sensei nahm ihm die Trage fast gewaltsam aus der Hand. Etwas verwirrt trottete er hinter ihnen her, fing aber einen Blick von Temari auf, die schweigend den Kopf schüttelte. Die Hand mit einem Tuch bedeckt, trug sie die Sake-Flasche mit. Der dunkelhäutige Nigishima schärfte Takki ein, in ihr Zimmer zurückzugehen und brav zu sein. Igawa der Quecksilberninja fehlte, wie Shikamaru erst jetzt bemerkte. Die anderen Genin verscheuchte der Blitz-Sensei mit Gesten, als wären sie lästige Krähen.

Die Prüfer und Lehrer brachten den Toten in einen Raum neben jenem Büro, in dem Shikamaru und die anderen erst gestern über ihre Prüflinge geredet hatten. Nun versammelten sie sich, um ein viel ernsteres Thema zu besprechen. Als sie an dem Rundtisch Platz nahmen, war die Luft so dick, dass man sie mit dem Messer hätte schneiden können.

„Also?“, eröffnete Gaara tonlos das Gespräch.

„Ich möchte ihn später noch einmal untersuchen“, sagte Konoe in ihrem typischen Singsang und strich sich ihr Haar glatt, „aber nach dem, was ich erkennen konnte, ist er durch ein Ninjutsu getötet worden. Ich konnte kein spezielles Element ausmachen; es war reines, wenn auch konzentriertes Chakra. So etwas Ähnliches wie ein Chakra-Skalpell, wie es Iryonin verwenden.“

„Also beherrscht der Täter medizinische Jutsus?“ Selbst im Sitzen sah Iwamoto-sensei fürchterlich groß aus. Ihr kurzes, dunkles Haar verstärkte den Effekt noch.

„Nicht unbedingt. So eine Art … nennen wir es Chakraspeer. Das könnte so ziemlich jeder erlernen. Allerdings bräuchte man viel Chakra dazu, und eine unglaublich gute Chakrakontrolle. Der Täter hat Manjos Herz mit einem einzigen Versuch getroffen und es regelrecht pulverisiert. Es ist eine Jonin-Level-Technik, oder mindestens eine hohe Chunin-Technik.“

Shikamaru tauschte einen bezeichnenden Blick mit Temari und wusste, dass sie dasselbe dachte wie er. „Ich schätze mal, die Suna-nin haben festgestellt, dass der Turm leer war, ehe die dritte Prüfung losgegangen ist?“, fragte er.

„Wir haben die üblichen Vorsichtsmaßnahmen für eine multinationale Veranstaltung getroffen“, bestätigte Gaara.

Dann bedeutete das nichts weniger, als dass der Mörder hier in diesem Raum war. Alle übrigen Ninjas in dem Turm waren lediglich Genin. Die Luft schien noch einmal dicker zu werden.

„Machen wir uns nichts vor. Wir wissen doch längst, wer es war“, sagte Iwamoto-sensei, die Shikamaru von Minute zu Minute mehr wie eine strenge Lehrerin vorkam, die ihre unwissenden Schüler am liebsten mit der Gerte schlagen würde. Der arme Rokken.

Dann traf ihn ihr anklagender Blick, und sie wurde ihm noch unsympathischer. Denselben Blick schoss sie auch in Nigishimas Richtung ab.

„Hä?“, machte der Blitz-Jonin. „Ich? Oder, oder was soll das jetzt heißen?“

„Es ist doch sehr zweckdienlich, dass bei den Chunin-Prüfungen so viele Ninjas aus verschiedenen Ländern zusammenkommen. Da kann man schon mal alte Feindschaften aufwärmen, oder den Gegner ausspionieren … oder ihm schaden, indem man seine Shinobi ausschaltet.“ Iwamoto sprach ohne jede Emotion. Shikamaru hätte sie nicht für so kalt gehalten.

Mendokusai“, seufzte er. „Jetzt werde ich also verdächtigt?“ Er machte sich nicht wirklich darüber Sorgen. Die Anschuldigung war haltlos, und er hatte – hoffentlich – bei Gaara und Temari einen Stein im Brett.

Nigishima der Weiße Blitz wurde jedoch tatsächlich weiß im Gesicht. „Ich, der Mörder von diesem … wie hieß er überhaupt? Das, das ist doch lächerlich!“

„Kazekage-sama, was sagen Sie dazu?“, fragte Iwamoto, ohne Nigishima aus den Augen zu lassen.

Gaara sagte vorerst gar nichts, also übernahm Shikamaru das. „Wir hätten von allen am wenigstens Grund, Manjo zu ermorden. Was war er denn überhaupt, ein Chunin? Jonin?“

„Jonin“, steuerte Konoe bei. „Aber erst seit ein paar Wochen.“

„Also ein Emporkömmling noch dazu. Hören Sie, Iwamoto-san. Nigishima-san und ich haben ihn erst gestern kennen gelernt. Er ist keine so wichtige Persönlichkeit, von der man vorhersagen könnte, dass sie auf jeden Fall bei den Chunin-Prüfungen dabei wäre. Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir ihn wirklich kennen? Abgesehen davon ist Konoha mit Suna verbündet, wie hier alle wissen. Und das Reich der Blitze … Der letzte Krieg ist lange her. Ich bezweifle, dass Manjo alt genug war, um von einem Shinobi aus Kumogakure für damals gehasst zu werden.“

„Genau, genau!“, rief Nigishima eifrig und deutete aufgeregt mit dem Finger auf Iwamoto-sensei. Die strenge Lehrerin zuckte mit keiner Wimper, noch verzog sie eine Miene. „Außerdem, außerdem sind Sie ja wohl die Hauptverdächtige! Vor wessen Tür lag denn die Leiche?“

„Nein, das ist auch falsch“, seufzte Shikamaru und handelte sich einen verwirrten Blick von dem Blitz-Ninja ein, der ihn wohl schon als uneingeschränkten Verbündeten gewähnt hatte. „Erinnert euch bitte alle, wo genau Manjo lag. Iwamoto-sans Tür war vollkommen von ihm blockiert. Sie hätte ihn unmöglich töten, dann die Leiche vor ihre Tür legen und hinterher in ihr Zimmer gehen können. Und wenn sie ein Tauschjutsu benutzt hätte, wäre irgendetwas in dem Gang zurückgeblieben – ein Holzstück oder was auch immer.“

Nigishima ließ sich auf seinem Stuhl zurückfallen und verschränkte die Arme. „Sie, sie hätte ihn durchs Schlüsselloch mit ihrem Chakra töten können, oder?“, grummelte er.

„Kaum“, sagte Konoe. „Erstens ist das Schlüsselloch für ein Jutsu dieser Größenordnung zu klein. Zweitens hätte es das Opfer regelrecht weggefegt.“

„Es war eher umgekehrt“, sagte Shikamaru. „Aus welcher Richtung kam der Angriff vermutlich, Konoe-san?“

„Ich bin nicht hundertprozentig sicher, aber ich würde sagen, von vorne.“

„Dann hat er seinem Mörder noch in die Augen gesehen!“, rief Nigishima, als wäre das von großer Bedeutung.

„Auf dem Holz der Tür waren Blutflecken“, führte Shikamaru seine Überlegungen weiter aus. „Wahrscheinlich hat Manjo seinen Mörder gesehen, ja. Er hat der Tür gerade den Rücken zugewandt, als der Mörder ihn mit dem Jutsu angriff. Das muss ihn – laut Konoe-sans Aussage von gerade eben – gegen die Tür geschleudert haben. Wenn der Täter ihm das Chakra in die Brust gerammt hat, wie man jemandem ein Schwert hineinrammt, macht es Sinn, dass er dann direkt an der Tür hinuntergerutscht ist und sie damit blockiert hat, und so kommt auch das Blut auf die Tür.“

„Und schon ist der Tathergang geklärt“, sagte Temari mit einem leichten Grinsen. „Wer ihn nicht kennt, darf ich vorstellen? Die Denkmaschine aus Konoha.“

„Temari und ich sind Manjo gestern Nacht im Korridor begegnet. Er kam gerade von Konoe-san – ist das richtig?“, fragte Shikamaru die Kunoichi.

„Ich … ja“, murmelte sie etwas peinlich berührt. „Als ich in der Nacht in mein Zimmer gegangen bin, war er schon dort und hat auf mich gewartet. Wir haben geredet … und er wollte Sake mit mir trinken. Ich habe abgelehnt, also hat er allein … Als er zu betrunken wurde, habe ich ihn aus meiner Kammer geworfen.“

Shikamaru nickte. „Das passt mit dem zusammen, was er selbst erzählt hat. Anschließend hat er zu uns gesagt, es gäbe noch andere schöne Frauen, die mit ihm trinken würden – oder so ähnlich.“

Alle sahen nun Iwamoto an, die wieder keine Regung auf ihrem strengen Gesicht erscheinen ließ. „Ja, er hat bei mir geklopft“, sagte sie. „Und meinen Namen gerufen. Ich mag es nicht, wenn man mich aus dem Schlaf klopft, also habe ich ihn ignoriert. Irgendwann hat er aufgehört.“

„Dann ist der Mord passiert, kurz nachdem er an uns vorbei und zu Iwamoto-sans Zimmertür gegangen ist“, murmelte Temari.

„Und das letzte Klopfen, das Sie gehört haben, war wohl etwas lauter“, sagte Shikamaru. „Das war nämlich sein Körper, der gegen die Tür geprallt ist.“ Iwamoto zuckte nur mit den Schultern.

„Wo waren die anderen zu der fraglichen Zeit?“, wollte Temari wissen. „Shikamaru und ich waren entweder im Erdgeschoss unterwegs oder schon wieder auf unseren Zimmern.“

„Ich bin schlafen gegangen, nachdem Manjo-san weg war“, berichtete Konoe.

Die Blicke aller richteten sich auf Nigishima aus dem Blitz-Reich. „Was?“, empörte er sich. „Verdächtigen Sie mich schon wieder?“

„Nein“, seufzte Shikamaru. „Wir wollen nur Ihr Alibi wissen.“

Nigishima zog hörbar die Nase hoch. „Ich, ich habe mit Igawa-kun ein Brettspiel gespielt, in meinem Zimmer, bis nach drei Uhr. Das machen wir oft, um seinen Verstand zu schärfen.“

„Shougi?“, erkundigte sich Shikamaru interessiert.

„Nein, ein eigens von mir kreiertes Strategiespiel.“

„Ach so. Und Ihrer anderen Schülerin war indessen langweilig, nehme ich an?“

„Takki?“ Nigishima blinzelte ihn an. „Wieso?“

„Ach, nichts“, winkte Shikamaru ab.

Nun war nur noch Gaara übrig. „Ich habe in meinem Büro bis spät in die Nacht hinein die Berichte der letzten Tage gelesen“, sagte er, und keiner hakte nach.

„Igawa-kun ist ein fragwürdiger Zeuge für ein Alibi. Und niemand sagt, dass der Mord vor drei Uhr stattgefunden hat“, stellte Iwamoto-sensei fest.

Der Weiße Blitz funkelte sie böse an. „Darf ich nun zu meinen Schülern zurück?“, fragte er bissig. „Ich, ich mache mir Sorgen um sie. Immerhin läuft hier ja ein Mörder frei herum.“

„Es ist nicht nötig, sich zu sorgen“, sagte Temari. „Jeder, der als Mörder infrage kommt, befindet sich in diesem Raum.“

„Was?“ Nigishima starrte sie entgeistert an. Konnte es sein, dass er es bisher als Einziger nicht verstanden hatte? Seine Lippen bewegten sich, als ob er stumm etwas durchrechnete. „Du, du liebe Güte … Sie haben recht!“ Er stand ruckartig auf, schien etwas sagen zu wollen, und fragte dann: „Was geschieht denn nun eigentlich mit dem Finale?“

„Das wird verschoben“, sagte Gaara, „bis wir den Mörder gefunden haben. Ich will keinen weiteren Mord riskieren, während wir alle abgelenkt sind.“

„Ich werde die Leiche noch einmal untersuchen. Und seine Sake-Flasche“, erklärte Konoe.

„Eines steht jedenfalls fest“, sagte Temari düster. „Solange dieser Sandsturm wütet, kommt hier niemand weg. In die Wüste hinauszugehen, wäre momentan Selbstmord. Der Täter kann unmöglich fliehen.“

„Vielleicht will er das gar nicht“, sagte Konoe plötzlich. „Kazekage, dürfte ich vorschlagen, dass …“

„Nein“, unterbrach sie Gaara schroff. „Das gehört hier nicht her, Konoe-san.“

„Aber Gaara …“, sagte nun auch Temari, doch er schüttelte nur den Kopf.

„Hä? Was? Was haben Sie?“ Nigishima sah verwirrt von einem zum anderen. Shikamaru hatte eine vage Idee, worum es ging.

„Ich finde, es ist ein Fehler, die Genin von vornherein als Täter auszuschließen“, sagte Iwamoto-sensei plötzlich. Auch wenn sie besserwisserisch klang, schien doch etwas hinter ihrer Aussage zu stecken, etwas Lauerndes. „Vergessen wir nicht Manjos Ruf.“

„Seinen Ruf? Den eines Machos?“, fragte Shikamaru verwirrt und handelte sich einen finsteren Blick von Temari ein, als hätte er eben ein Geheimnis ausgeplaudert.

Iwamoto schüttelte den Kopf. „Er war nicht gerade ein Unschuldslamm. Ich wüsste da jemanden mit einem Motiv. Im Grunde muss der Gedanke schon jedem Suna-nin hier gekommen sein.“

„Das ist über ein Jahr her“, sagte Konoe.

„Das ist keine lange Zeit.“

„Aber er hatte keine Wahl! Es war nicht seine Schuld!“

Iwamoto bedachte sie mit einem Blick, der die Wüste in eine Tundra verwandeln könnte. „Er hatte die Wahl. Und es war Absicht und er hat es mit vollem Bewusstsein getan. Egal, wie sehr er dich bezirzt hat, vergiss nicht die Fakten.“

Konoe presste die Lippen aufeinander und schwieg. Rote Flecken waren ihren Hals hochgekrochen.

„Kann mich mal jemand aufklären?“, fragte Shikamaru und massierte sich die Nasenwurzel.

„Manjo hatte ein kleines Vorstrafenregister“, sagte Temari säuerlich. „Er ist … Naja, sagen wir, er wäre eigentlich schon früher zum Jonin ernannt worden, wenn diese eine Sache nicht gewesen wäre. Ein Skandal … könnte man sagen. Oder eher, eine Bluttat.“

Sie schwieg, und Gaara fuhr fort, kühl und sachlich: „Manjo hatte als Chunin eine Mission in einem anderen Land. Seine Teamkameraden waren verletzt, und er musste sie in Sicherheit bringen. Dabei hat er ein kleines Dorf, bewohnt von Nicht-Ninjas, terrorisiert. Er hat drei Männer getötet und vier weitere verletzt. Die übrigen hat er gezwungen, seine Kameraden zu behandeln und sie mit Nahrung und Wasser zu versorgen. Zwei Tage lang hat er die Dörfler bedroht und dabei keine Minute geschlafen – laut eigener Aussage. Für die Rückreise ins Reich der Winde hat er noch eine Geisel mitgenommen, die er erst an der Grenze hat laufen lassen. Als wir später nachgeforscht haben, haben wir erfahren, dass seine Kameraden nicht so schwer verletzt gewesen wären, dass sie nicht schon früher und aus eigener Kraft hätten heimkehren können.“

„Manjo war schon immer ein schlechter Verlierer“, sagte Temari. „Als seine Kameraden von fremden Ninjas verletzt wurden, ging ihm das gegen sein Ego. Er hat das Dorf schikaniert, einfach weil er zornig war und Dampf ablassen wollte.“

„Verstehe“, murmelte Shikamaru. „Er hat also in einem fremden Land randaliert – und in welchem?“

„Im Reich der Reisfelder“, sagte Iwamoto. „Ich denke, nun verstehst du.“

Shikamaru dachte an Reis-Anji und verstand.

„Was? Aber, aber das ist doch unmöglich“, sagte Nigishima. „Dieser Anji-kun ist nur ein Genin. Und er ist aus der Prüfung längst ausgeschieden.“

„Nur aus dem Turnier“, erinnerte ihn Shikamaru. „Nicht aus der Prüfung.“

„Es wäre nicht das erste Mal, dass sich fremde Ninjas, die eigentlich schon einen viel höheren Rang innehaben, als Genin bei einer Chunin-Prüfung einschleichen“, sagte Iwamoto-sensei ungerührt. „Man denke nur an die Prüfung damals in Konoha.“

„Moment! Das ist doch alles weit hergeholt!“, sagte Nigishima-sensei. „Selbst, selbst wenn einer der Genin ihn umgebracht haben sollte – er war doch betrunken, oder, oder hab ich das falsch verstanden? Einen betrunkenen Jonin kann man schneller töten als einen, einen nüchternen!“

„Sie vergessen, dass es eine Jonin-Technik war, durch die er gestorben ist“, sagte Konoe. „Betrunken oder nicht, ein gewöhnlicher Genin hätte dieses Jutsu nicht ausführen können.“

„Es gibt dieses Jahr wirklich viele Ausnahmetalente“, stellte Temari fest und blätterte die Dokumente durch, die sie dabei hatte. Offenbar hatte sie sie die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt, seit sie in die Kantine gegangen war. „Takki aus dem Reich der Blitze, genannt Drescher-Takki. Bereits ausgeschieden, aber ihre Taijutsu-Künste können sich mit den damaligen von Rock Lee, Gaaras Gegner beim Chunin-Examen in Konoha, messen. Und sie beherrscht zusätzlich Ninjutsu. Igawa der Quecksilber-Ninja, der uns gestern ein Glanzstück geliefert hat und danach nicht mal richtig außer Atem war. Sasaro, der gemeinhin als Genie gilt. Anji aus dem Reich der Reisfelder ist immerhin älter als die anderen Teilnehmer, genau genommen könnte er auch ein getarnter Chunin sein. Und Rokken der Felsenschieber, der mit vierzehn schon meisterhaft ein Element beherrscht.“

Iwamoto-senseis Augen waren schmal wie Schlitze geworden, als sie ihren Schüler erwähnte. Einmal mehr hatte ihr Gesicht etwas von einer verkniffenen Akademie-Lehrerin. „Ist es plötzlich etwas Schlechtes, wenn unsere Shinobi Talent haben? Außerdem kenne ich Rokken, seit er zum Genin wurde. Er kann keine Jonin-Techniken anwenden.“

„Wir müssen in diesem Fall wohl oder übel auch die Senseis verdächtigen“, meinte Konoe unbehaglich und zuckte zusammen, als Iwamoto-sensei kräftig auf den Tisch schlug. Aber irgendwie sah dieses Zucken pflichtschuldig aus.

„Jetzt mach aber mal einen Punkt! Ich und Rokken, als feige Mörder? Kazekage, wir haben mit unserem Team viele Missionen zum Wohl von Sunagakure erledigt!“

„Das, das heißt aber nicht, dass ihr diesen Manjo gemocht haben müsst“, warf Nigishima-sensei ein, und er zuckte richtig zusammen, als ihr funkensprühender Blick ihn traf.

„Uns zu streiten führt zu nichts“, sagte Gaara. „Im schlimmsten Fall kann man auch annehmen, dass ein Genin sich selbst Jonin-Techniken beigebracht hat, ohne dass sein Sensei davon wusste.“

Niemand glaubte das, das war deutlich in ihren Gesichtern zu lesen. Aber es widersprach auch niemand, als der Kazekage versuchte, die Wogen zu glätten.

„Kazekage-sama, ich muss darauf bestehen, dass Sie sich vorsehen“, sagte Iwamoto-sensei plötzlich.

„Ich habe gesagt, dass das nicht hierher gehört“, erwiderte er kühl.

„Doch. Ich bin der Meinung, dass es alle hier am Tisch hören sollten.“ Iwamoto war unverfroren genug, ihrem Kazekage zu widersprechen. Mumm hatte die Frau. „Chunin-Prüfungen sind, wie ich unserem verehrten Sensei aus dem Blitz-Reich gegenüber schon festgestellt habe, vor allem eins: Anlässe, zu denen sich allerlei wichtige Leute aus verschiedenen Ländern treffen. Das schreit geradezu nach Komplotten und allen möglichen Untaten. Die Prüfung in Konoha wurde zu einem erbitterten Machtkampf, bei dem der Sandaime Hokage sein Leben verlor.“ Gaaras und Sunagakures Beteiligung an jenem Kampf überging sie diskret. „Die letzte Prüfung im Reich des Windes wurde ebenfalls zum Anlass für eine revolutionäre Untergrundbewegung, einen Putschversuch zu wagen. Wir können nicht ausschließen, dass es auch dieses Mal jemand auf das Leben des Kazekage abgesehen hat.“

„Gaara ist heute von allen im Wind-Reich akzeptiert!“, wiederholte Temari energisch das, was sie gestern beim Abendessen gesagt hatte.

„Vielleicht. Ich bin weiterhin der Meinung, die Bedrohung kommt von außerhalb.“ Wieder funkelte Iwamoto-sensei Shikamaru und Nigishima streng an.

„Mir reicht’s“, knurrte der Blitz-Jonin und stand auf. „Ich muss mir das nicht länger anhören. Kann ich gehen? Ich will bei meinen Genin sein, wenn, wenn nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden kann, dass der Mörder in diesem Raum ist.“

„Gehen Sie ruhig.“ Gaara nickte ihm zu und Nigishima marschierte trotzig aus dem Raum. Dann ruhte der stoische Blick des Kazekage plötzlich auf Shikamaru, in dessen Magen sich ein flaues Gefühl ausbreitete, wie jedesmal, wenn er etwas durch und durch Ärgerliches auf sich zukommen sah. „Shikamaru. In diesem Turm befindet sich ein Mörder, der einen meiner Shinobi auf dem Gewissen hat. Wir werden mit der Prüfung erst fortfahren, wenn die Sache geklärt ist. Du bist einer der hellsten Köpfe hier, und du hast oft genug bewiesen, dass Sunagakure dir vertrauen kann.“

„Und deswegen soll ich den Mord aufklären?“, seufzte er. „Mendokusai.

„Kazekage-sama, ich muss widersprechen“, sagte Iwamoto-sensei. „Er ist kein Ninja aus unserem Dorf. Er ist nicht vertrauens…“

„Darum wird Temari ihn unterstützen, um sicherzustellen, dass die Interessen unseres Dorfes gewahrt bleiben“, unterbrach Gaara sie und blickte in die Runde. „Das hat schon einmal gut funktioniert. Ist jeder damit einverstanden?“

Die Frage war lächerlich. Außer Iwamoto-sensei war nur mehr Konoe im Raum, die natürlich nichts dagegen hatte, und Shikamaru hatte das Gefühl, dass die Frage gar nicht an ihn selbst gerichtet war.

Temari stieß ihm mit einem höhnischen Grinsen den Ellbogen in die Rippen. „Du fandest die Prüfungen doch ohnehin langweilig.“

„Hab ich nie gesagt.“

„Keine Sorge. Die Denkmaschine und ich finden den Kerl, der das getan hat“, sagte sie, und ein neuer Seufzer entrang sich Shikamarus Kehle.

 

Es war trotz allem unangenehm zu wissen, dass er mit einem Mörder und Hochstapler gemeinsam aß. Beim Frühstück in der Kantine waren alle zwölf lebenden Personen, die sich zurzeit im Wüstenturm aufhielten, zugegen. Die eine Hälfte der Genin schnatterte aufgeregt, während die andere schwieg. Reis-Anji saß wieder etwas abseits der Gruppe, Drescher-Takki und Sasaro diskutierten angeregt über den Mord, und Igawa der Quecksilberninja streute hin und wieder eine Bemerkung ein. Die schweigsame Kyoko beteiligte sich mit keinem Wort daran, und auch Rokken der Felsenschieber war ziemlich still.

Shikamaru ertappte sich dabei, bei den Genin nach Verhaltensänderungen Ausschau zu halten, die darauf schließen ließen, dass sie etwas Ungeheuerliches wie einen Mord begangen hatten. Aber sie wirkten wie gestern auf ihn. Logisch, schalt er sich. Wenn einer von ihnen tatsächlich einen viel höheren Ninja-Rang innehatte, würde er sich durch so etwas kaum verraten.

In Gaaras Namen bat Temari nach dem Essen um Aufmerksamkeit und legte allen Anwesenden die Lage dar, sodass die Spekulationen ein Ende hatten. Sie sagte zwar nicht viel mehr, als dass Macho-Manjo durch ein Jutsu ermordet worden war und sich jeder von ihnen zu Shikamarus und ihrer Verfügung halten solle, aber die Stimmung war hinterher tatsächlich gedrückt.

Konoe verließ die Kantine als Erstes, um die Leiche noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Shikamaru und Temari würden alles Wissenswerte über die Genin zusammentragen, um ausschließen zu können, dass einer von ihnen der Mörder war. Dazu gehörten Kampfdokumentationen und Aufzeichnungen der zweiten Prüfung. Im Büro sammelten sie alle Papiere ein, die sie zu brauchen glaubten, und sahen dann noch eine Tür weiter bei Konoe vorbei. „Etwas Neues?“, fragte Temari.

Die Iryonin schüttelte den Kopf. „Wir haben die Leiche einfach zu spät gefunden. Sonst hätte ich vielleicht einen Chakraabgleich machen können, aber so … Fingerabdrücke habe ich auch keine Besonderen auf seiner Kleidung gefunden.“

„Nicht mal deine eigenen?“, fragte Temari und in ihren Augen glitzerte es plötzlich verschlagen.

Die rothaarige Kunoichi kniff nur die Lippen zusammen und erwiderte nichts darauf. „Die Sake-Flasche ist allerdings interessant.“ Sie wies auf einen Tisch, auf dem inmitten eines Waldes aus medizinischen Gerätschaften die tönerne Flasche stand. „Darauf sind Manjos Fingerabdrücke, meine – ich hab sie abgewehrt, als er mir die Flasche in die Hand drücken wollte –, und die von jemand anderem.“

„Vom Mörder?“, fragte Shikamaru.

„Keine Ahnung. Wir sollten die Fingerabdrücke von allen anderen damit vergleichen.“

„Aber wieso sollte Manjos Mörder seine Fingerabdrücke auf der Flasche hinterlassen?“

„Ich habe eine leise Ahnung, wem sie gehören könnten“, meinte Temari. „Ist diese Person aus dem Schneider, wenn ich feststelle, dass sie viel zu kindisch ist, um ein Jonin zu sein?“

Shikamaru hob die Augenbrauen. „Wen meinst du?“

„Konoe-san, bitte sag uns, wenn du auf etwas Neues stößt“, bat Temari nur und schloss nach Konoes Gruß die Tür.

Eigentlich wollten sie in den Schulungsraum im dritten Stock gehen, wo es einen Fernseher für das Abspielen der Überwachungsvideos gab, aber Temari machte sich mit forschen Schritten auf den Weg zu den Quartieren der Genin. Shikamaru folgte ihr. An der Tür zum Zimmer der Blitz-Genin klopfte sie, wartete keine Antwort ab, sondern marschierte geradewegs hinein.

Drescher-Takki und Quecksilber-Igawa hatten Besuch. Takki saß mit Sasaro auf dem Boden und spielte ein Brettspiel; offenbar das, von dem Nigishima erzählt hatte. Igawa lag auf seinem Bett und las ein Buch. Alle drei blickten überrascht auf. „Hey“, beschwerte sich Sasaro. „Was ist mit Privatsphäre und so?“

„Da hab ich euch gleich alle drei, sehr schön“, sagte Temari. „Wer von euch hat mit der Sake-Flasche rumgespielt?“

„Was für eine Sake-Flasche?“, fragte Takki.

„Stell dich nicht dümmer, als du bist. Du weißt genau, wovon ich rede.“ Temaris schien den Youngstern gegenüber wenig Geduld aufbringen zu können. Ihre Stimme klang so bedrohlich, dass selbst Shikamaru eine Gänsehaut bekam.

„Hey, schon gut, es war meine Idee“, sagte Sasaro plötzlich und hob abwehrend die Hände.

„Also hast du sie angefasst? Wir finden es sowieso raus.“

„Nö. Aber ich hab die Wette vorgeschlagen.“

„Was für eine Wette?“, fragte Temari scharf.

Takki seufzte genervt. „Er hat gemeint, ich würde mich nicht trauen, die Flasche zu klauen. Zufrieden?“

„Nein, wir sind nicht zufrieden. Wann hast du sie geklaut? Und von wo?“

„Na, aus diesem Untersuchungsraum! Wo die olle Prüferin mit den roten Haaren jetzt an der Leiche rumschnippelt!“

„Und Konoe-san hat dich nicht gesehen?“

„Ich bin eine Kunoichi aus Kumogakure“, erklärte Takki breit grinsend.

„Stehlen Kunoichis aus Kumogakure leere Flaschen, oder was?“

Das Grinsen des Mädchens erlosch. „Ich hab sie geholt, als ihr alle im Büro daneben wart. Dann hab ich sie hierher gebracht. Wir haben sie angesehen, und, tja … Dann hab ich sie wieder zurückgestellt, kurz bevor ihr mit eurer Besprechung fertig wart.“

„Ist ja schließlich nur ‘ne Flasche“, meinte Sasaro, und Shikamaru war nicht sicher, was genau er damit zu argumentieren hoffte.

„Und die Leiche, hast du die auch angefasst?“, fragte Temari mit eisigem Blick.

Drescher-Takki verzog das Gesicht. „Nie im Leben. Die ist schon so lange tot, das ist eklig.“ Sasaro lachte leise.

Temaris Lippen waren nur ein dünner Strich. Sie stieß eine Verwünschung aus, die nicht einmal Shikamaru richtig hören konnte. „In Zukunft lasst ihr die Finger von solchen Sachen.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt. Auf dem Weg hinaus streifte ihr Blick Igawa, der das Gespräch interessiert verfolgt hatte. „Und du bist mir für deine Kameradin verantwortlich!“

Shikamaru sah noch, wie Takki Temari die Zunge rausstreckte, wohlgemerkt, als diese ihr den Rücken zuwandte. Er seufzte leise, folgte der Suna-Kunoichi aus dem Zimmer und wäre fast gegen die Tür gelaufen, als sie diese wütend zuschlug.

„Und ich dachte schon, du verdächtigst Iwamoto-sensei“, meinte Shikamaru, als er Temari am Flur einzuholen versuchte.

„Wieso?“

„Weil es doch etwas gegeben hat, mit dem sie sich nach dem Mord per Jutsu hätte tauschen können. Die Flasche lag bei Manjo.“

Temari blieb stehen. „Meinst du etwa …?“

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Iwamoto-sensei hätte Manjo die Flasche abnehmen, sie in ihrem Zimmer drapieren, ihn vor ihrer Tür ermorden und dann die Plätze mit der Flasche tauschen müssen. Wenn sie schon so nahe an ihn rangekommen ist, hätte sie ihn nicht mit einer derart wuchtigen Technik töten müssen, die die Jonin im Turm unter Verdacht bringt. Und außerdem …“

„Außerdem ist sie zu patriotisch für so etwas?“, vermutete Temari.

„Du sagst es.“ Shikamaru seufzte. „Ich hab selten jemanden erlebt, dem die Ninjas aus dem eigenen Dorf so heilig sind.“

 

Auf dem Bildschirm im Schulungsraum im dritten Stock spielten sie die Überwachungsbänder ab. Es gab keine Kameras im Turm, dafür waren etliche in der Wüste installiert. Die Genin hatten in der zweiten Prüfung viel zu kämpfen gehabt. Wenn sie etwas über ungewöhnliche – oder ungewöhnlich starke – Fähigkeiten herausfinden wollten, dann mithilfe dieser Videos.

Gemeinsam mit Temari sah Shikamaru sich jedes einzelne Band im Schnelldurchlauf an, gerade so, dass sie noch erkennen konnten, was vor sich ging. Andernfalls würden sie hier ewig sitzen; die Prüfung hatte fast drei Tage gedauert. Irgendein Prüfer hatte die Bänder beschriftet und die Szenen, in denen nichts passierte, bereits herausgeschnitten. Dennoch war es ein ordentlicher Haufen Videomaterial.

Zu Rokken fanden sie als Erstes etwas. Der Felsenschieber und sein Team hatten sich wie erwartet durch die Wüste gekämpft. So gewöhnlich Rokken aussah, so gewöhnlich waren sie an ihre zweite Schriftrolle gekommen – indem sie einem Team aus Konoha eine Falle gestellt und sie im Kampf besiegt hatten. Wohlgemerkt auf felsigem Boden, was Rokken sehr zugutegekommen war. Die drei Genin waren letztlich alle in den Turm gekommen, allerdings waren die anderen zwei schon im ersten Durchgang gegen Sasaro und Reis-Anji ausgeschieden und zurück nach Sunagakure gegangen, ehe der Sturm wieder eingesetzt hatte. Wenn er sich das Band so anschaute, wunderte es Shikamaru nicht mehr, dass Sasaro und Anji geradezu irrwitzig leichtes Spiel mit ihnen gehabt hatten. Der Einzige aus dem Team, der tatsächlich etwas draufhatte, war Rokken.

Das Team aus dem Reich des Wasserfalls verhielt sich auch nicht besonders aufschlussreich. Sasaro hatte seinem Ruf als Genie alle Ehre gemacht und äußerst bravourös eine Schriftrolle erbeutet. Danach schien das Team dazu übergegangen zu sein, andere Teams zu eliminieren, um in der letzten Prüfung leichteres Spiel zu haben. Shikamaru erinnerte sich, wie sie insgesamt sechs Schriftrollen beim Turmeingang vorgelegt hatten und Sasaro lässig gefragt hatte, ob das wohl reiche.

Von der schweigsamen Kyoko sah man auch, dass sie eine gute Kunoichi war, und die dritte in ihrem Bunde war auch nicht übel. Kurz bevor der Sandsturm einsetzte, wurde die Aufnahme interessant: Da standen sich nämlich plötzlich Sasaros und Igawas Team auf einer dünenverzierten Ebene gegenüber. Vielleicht würden sie nun gar nicht beide im Finale sein, wenn sie diesen Kampf vernünftig hätten austragen können. Wie sich Shikamaru erinnert hatte, glühten Drescher-Takkis Augen vor Kampfeseifer, und sie, Igawa und ihr Kamerad warfen sich den Wasserfall-Genin entgegen. Man sah noch undeutlich, wie Igawa sein Quecksilber einsetzte – damals hatte er noch deutlich mehr davon als bei seinem Halbfinalkampf –, dann war der Sandsturm so schlimm geworden, dass die Kameras ausgefallen waren.

Was danach geschehen war, darüber konnten sie nur Vermutungen anstellen und sich auf die Aussagen der Beteiligten verlassen. Die Genin waren auseinandergegangen, ohne den Kampf zu beenden, aber Sasaros und Kyokos Kameradin war offenbar schwer verletzt und von ihrem Sensei direkt in der Wüste abgeholt worden. Sasaro und Kyoko waren somit zu zweit und ohne ihre Lehrerin im Turm erschienen. Igawas und Takkis Kamerad war ebenfalls verwundet worden. Im Turm angekommen, hatte er gemeint, die dritte Prüfung nicht antreten zu können. Nigishima-sensei hatte ihn persönlich nach Sunagakure zurückbegleitet.

„Er war wirklich schnell dabei, oder?“, fragte Temari, als sie den Vorfall in Gedanken durchgingen.

„Er wird der Weiße Blitz genannt. Natürlich ist er schnell.“

„Aber er wird kaum durch diesen Sturm kommen, oder?“

„Befürchtest du, dass er abhauen will?“, fragte Shikamaru belustigt. „Er hat seinen Schüler durch die Wüste gebracht, als der Sturm wieder abgeflaut ist, und war zurück, ehe er erneut begonnen hat.“

Damit hatte Nigishima-sensei die dritte Prüfung erst erreicht, als der zweite Durchgang begonnen hatte. Von Drescher-Takkis und Igawas Kampf hatte er nur den Schluss mitbekommen, und das schien ihn mehr gekränkt zu haben als die beiden. „Er kümmert sich rührend um seine Genin“, stellte Shikamaru fest. „Wenn ich an Iwamoto-sensei denke … Die Frau drillt Rokken sicher in jeder freien Minute.“

„Was dich natürlich an den Rand der Verzweiflung treiben würde“, stichelte Temari.

Er zog es vor, nicht zu antworten, und legte das nächste Band ein. Diesmal fanden sie etwas zu Reis-Anji. Er und sein Team schlugen sich ebenfalls wacker durch etliche Bedrohungen, unter anderem Riesenskorpione. Sie brauchten recht lange, um eine zweite Schriftrolle zu ergattern, nur um festzustellen, dass es die falsche war. Dann brach auch auf diesen Bändern der Sturm los, und irgendwann war Anji vor dem Turm aufgetaucht, allein, mit zwei verschiedenen Schriftrollen. Was in der Zwischenzeit passiert war, versank unter tonnenweise Sand, aber laut ihm waren sie inmitten des Sturms auf die Blitz-Genin gestoßen, und selbst diese Naturgewalt hatte Drescher-Takki nicht daran gehindert, einem von Anjis Teamkollegen so gut wie jeden Knochen im Leib zu zertrümmern. Irgendwie hatten sie ihnen jedoch ihre Rollen gelassen.

Anjis Freunde hatten in einer Felshöhle Unterschlupf gesucht; er war, als der Älteste, zum Turm gelaufen. Dort hatte er seinen Sensei verständigt, der nach dem Sturm losgezogen war, um die anderen beiden zu suchen und den Verletzten zu versorgen. Seitdem waren sie nicht mehr aufgetaucht, also waren sie wohl ebenfalls nach Sunagakure zurückgegangen. Anji hatte die dritte Prüfung alleine bestreiten müssen.

Als sie noch weitere Videos zuende geschaut hatten, lehnte sich Shikamaru zurück, verschränkte die Arme im Nacken und seufzte ausgiebig. „Dieser Sturm nervt.“

„Offenbar hat sich dort noch so einiges abgespielt, während die Kameras tot waren“, stimmte ihm Temari zu.

„Das ist unser Problem.“ Er lehnte sich wieder nach vorn und betrachtete finster den Bildschirm. „Keine Ahnung, warum, aber ich habe das Gefühl, dass da draußen irgendwas passiert ist, was wir wissen sollten, um diesen Mordfall zu lösen.“

 

Es war kurz vor Mittag, als sie den Fernseher endgültig abschalteten. Shikamaru sehnte sich nach etwas, um seine Müdigkeit damit abzutöten. Der Turm hatte Vorräte für einige Tage, aber der Tee, den sie in Sunagakure brauten, hatte in etwa die Farbe von Sand und schmeckte auch so. „Ich kann nicht richtig denken, wenn ich müde bin“, beschwerte er sich, als er und Temari zur Kantine im ersten Stock gingen.

„Du bist ständig müde“, gab sie humorlos zurück.

In der zweiten Etage des Rundturms schlug ihnen – wieder einmal – Radau entgegen. Temari seufzte. „Können die nicht ein Mal ruhig sein?“

„Du musst sie verstehen. Ein Mord ist direkt vor ihrer Nase geschehen, außerhalb der Prüfungen, wo sie eigentlich auch mal abschalten müssten. Und sie sind noch unerfahrene Shinobi. Bis auf Rokken sind sie auch alle nicht von hier. Ich glaube, ich wäre da auch etwas überdreht.“

„Wie verständnisvoll du doch bist“, meinte sie spöttisch. „Dass du selbst mal überdreht sein könntest, ist mir neu.“

„War ja auch nur hypothetisch gemeint.“

„Klar.“

Wieder zerriss ein spitzer Schrei die paar Sekunden Ruhe, die eben herrschten, dicht gefolgt von einem erbosten, weiblichen: „Ich bring dich um!

Shikamaru und Temari warfen einander einen raschen Blick zu. Dann liefen sie gleichzeitig los.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Schon wieder so ein langes Kapitel O.o Das nächste wird kürzer, versprochen. Hoffe, es hat euch soweit gefallen :) Ich habe versucht, in dieser FF mehr Dynamik zwischen den einzelnen "Verdächtigen" einzubauen - sollte im nächsten Kapitel auch mehr herauskommen. Bis dann! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Stef_Luthien
2017-08-13T14:39:12+00:00 13.08.2017 16:39
Heyho, ich bin ziemlich spät dran die neuen Kapitel zu lesen, aber ich denke mal besser jetzt als nie.
Es hieß ja einer habe vei den Videoaufnahmem bereits alles weggeschnitten, wo nichts passiert ist. Was ist wenn die Person mit dem Mörder zusammen arbeitet und der Mörder wirklich einer der Genin ist? Die Person hätte dann ebenfalls Szenen wegschneiden können, in denen einer der Genin durch eine herausragende Tat auffallen könnte oder? :)
Oder nachher ist es wie in CBM, hatte da nicht jmd etwas in der Leiche versiegelt oder sich selbst für eine kurte Zeit in die Leiche verwandelt? Ich habs wie man merkt nicht mehr ganz im Kopf. Vllt liege ich auch ganz falsch.^^'
Von:  EL-CK
2017-07-20T11:21:40+00:00 20.07.2017 13:21
ein tolles Kapitel....
jetzt geht es aber auch so richtig rund - nicht dass es vorher ruhig war ;)
Antwort von:  UrrSharrador
28.07.2017 16:12
... und nochmal ... Ich wechsle gleich hierher und sag nochmal danke. Ich hab ja mal wieder einiges aufzuholen :D
Von:  Majaaaa
2017-07-19T17:00:18+00:00 19.07.2017 19:00
Also entweder Takki oder Iwamoto schreien so🤔. Aber wen sie umbringen wollen. Ich habe keine Ahnung. Auch das zweite Kapitel gefällt mir super. Wie in einem richtigen Krimi, weiß man nicht wer der Täter sein könnte. Im Prinzip könnte es jeder sein. Obwohl ich gemerkt habe, dass Kyoko iwie oft vergessen wird🤔. Vllt hat sie iwas mit dem Mord zu tun.
Super Kapitel. Mach weiter so
Antwort von:  UrrSharrador
28.07.2017 16:14
Danke für deinen Kommi! Ja, eine von den beiden war es, die geschrien hat ;)
Ein interessanter Gedankengang - Kyoko ist so unscheinbar, dass sie schon wieder verdächtig ist^^


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