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Am seidenen Faden

Der Jubiläumskrimi Lord Sesshoumarus
von

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Die Aussage Neigis


 

D

er alte Heiler hörte seiner Schülerin vor den Ohren des Erbprinzen sehr aufmerksam zu, ehe er sagte: „Ich kann das Problem meines Kollegen Minoru sehr gut nachvollziehen, Euer Lordschaft. Es gibt einige Pflanzen, die bei Berührung auf die menschliche Haut wirksam sind. Geht der Betroffene dann in die Sonne, entstehen Bilder von Verbrennungen. Sicher sieht manches eindeutig aus, aber im Großen und Ganzen würde ich vorschlagen, dass es sich um eine phototoxische Reaktion, wie der Fachbegriff heißt, gehandelt hat, die von einer Pflanze ausgelöst wurde. Wenn es allerdings nur die Drei betroffen hat … Hm. Zu dem Essen: Es wäre natürlich möglich, dass das Opfer tatsächlich vergiftet wurde, aber soweit ich sehe, dürfte das schwer sein. - Oh. Darf ich meine Bücher zu Rate ziehen, Euer Lordschaft? Ich glaube, ich habe einen Einfall.“ Sesshoumaru würde kaum verneinen, aber ohne Erlaubnis aufzustehen wäre bestimmt schmerzhaft. Da Seine Lordschaft nur ein wenig nickte, erhob sich der Heiler und erklärte: „Ich glaube mich zu erinnern, dass ich einmal etwas von einem Unfall mit Drosseln gelesen habe. Wie hieß das nur? Sakura, wie nannte der Koch diese Drosseln?“

„Wacholderdrosseln, mein Lehrer“, erwiderte sie sofort.

„Wacholder, ja. Der hat Beeren und die Vögel fressen sie. Ah, ja.“ Der Heiler trat an die hintere Wand seiner Hütte, wo sich sorgfältig aufgerollt unzählige Papierbögen in Bambusregalen befanden – Hort des Wissens Neigis – und begann einzelne Rollen herauszuziehen und aufzurollen.

 

Das konnte dauern, dachte Seine Eisigkeit grimmig. Leider war der überaus gründliche Neigi seine einzige Hoffnung herauszufinden, was im Weberschloss passiert war. Zufall, Absicht, Unfall oder Mord. Sonst würde er nicht nur vor Fürst Takaeda wie ein unfähiger Angeber dastehen, sondern, viel schlimmer, auch vor seinem verehrten Vater. Der Inu no Taishou würde doch annehmen, dass er nur nach einem Vorwand gesucht hatte, um seinen Pflichten als Regent zu entkommen. Und das hätte unter Garantie eine mehr als leidige Reaktion zur Folge. Er entsann sich nur zu gut einiger lästigen Fälle, die ihm als derartige Strafaktionen aufgehalst worden waren. Am Schlimmsten hatte er es wohl mit der Steuerprüfung bei Kano erwischt gehabt, die sich nur zu rasch als Mordermittlung erwiesen hatte. Kano samt Familie … kaum je war jemand dermaßen auf seinen Nerven förmlich herumgetrampelt, und hatte das Ganze auch noch überlebt. Schön und gut. Vater hatte ja sehen wollen, ob er sich beherrschen könne, und ihn als Belohnung mit auf die Jagd nach Feuerratten genommen. Das war immerhin erfreulich, nun, weitaus mehr als das, gewesen. Wie lange suchte dieser Heiler denn noch herum?

 

Neigi bemerkte den bohrenden Blick förmlich im Kreuz, aber es half nichts, er musste genau suchen. Wenn der Erbprinz aufgrund eines Fehlers seinerseits einen Fall nicht lösen konnte oder auch falsch löste – nun, selbst der mächtige Hundefürst konnte ihn nicht mehr lebendig machen, wenn sein Sohn ihn zuvor aus Zorn in der Luft zerrissen hatte. Denn es war vollkommen klar, dass Lord Sesshoumaru im Fall der Fälle, nämlich einer Blamage seinerseits, nach einem Schuldigen nicht nur suchen würde. Leider, dachte der alte Dämon, hatte es eben außer seinen Eltern nie jemanden gegeben, der ihm Einhalt gebieten konnte, oder an dem er sich reiben konnte. Ein Bruder wäre vielleicht nicht schlecht gewesen. Nun, dazu war es mit Sicherheit zu spät, wenn man die getrennt lebenden Eltern so betrachtete. Ah, Wacholderdrosseln. Er nahm das Blatt und überflog es eilig, las sich dann fest.

„Neigi.“

In seinem Namen lag eine klare Mahnung. So blickte er auf. „Lord Sesshoumaru, ich denke, ich habe die Lösung für das Essen. Hier wurde mir in einem Brief von einem Unfall durch Wacholderdrosseln berichtet, bei dem ein Mensch starb.“

Das klang schon mal interessant. „Weiter.“

„Diese Drosseln suchen im Herbst nach Beeren und fressen sie. Wenn sie dabei außer Wacholder auch Maulbeeren oder die Früchte des Seidelbastes fressen, geschieht ihnen nichts. Es ist aber mindestens ein Fall bekannt geworden, in dem ein Mensch diese Drossel dann selbst gegessen hatte und dadurch sich eine Vergiftung mit Seidelbast zuzog. Das Gift lagerte sich wohl im Fleisch ab. Hat nicht auch in Eurem Fall das Opfer deutlich mehr gegessen als die anderen Zwei?“

Das stimmte. Aber … „Die Drosseln werden gezüchtet, sie fliegen nicht frei.“

„Womöglich hat ein Wärter dann die falschen Beeren verfüttert? Es wäre jedenfalls möglich. Außerdem könnte es auch sein, dass nur eine einzige Drossel zufällig eben die Beeren fraß oder damit gefüttert wurde, die der Tote dann verspeiste. Überdies möchte ich Euer Lordschaft darauf aufmerksam machen, dass Seidelbast, wie eben auch andere Pflanzen, wie der Riesenbärenklau, derartige Hautreaktionen wie bei dem Badeunfall hervorrufen kann.“

Dann war das Ganze ja unnütz. Er stand dann immer noch ratlos herum. Moment. Zwei Mal die gleiche Pflanze – es wurde immer wahrscheinlicher, dass die Zwischenfälle irgendwie zusammenhingen. Zuerst ein Unfall und dann lernte ein Mörder daraus? Kam so auf diesen Seidelbast? Zwei Mal ein Anschlag auf Tsuyoshi? Aber wo lag ein Motiv? Hätte der versucht Shigeru umzubringen, wäre das alles viel wahrscheinlicher. In diesem Fall wäre das Erbe Masaos der Auslöser. Und so? War Shigeru hinter Hitomi her? Wieso eigentlich hatte der potentielle Erbe ins Kloster geschickt werden sollen und hatte Tsuyoshi in der Weberei gelernt? Warum war das Opfer verheiratet worden und der Erbe nicht? Nein, ermahnte er sich. Nicht das Motiv suchen. Das WIE.

Wer konnte wann wissen, wer in welcher Reihenfolge in das Bad ging? Wer konnte wissen, dass ausgerechnet Tsuyoshi die Vögel vorschlug und dann etwas an ihrem Futter manipulieren? Und, und vor allem, wie gelang es, ausgerechnet den oder die vergifteten Drosseln Tsuyoshi unterzuschieben – nicht einmal der doch mehr als angeschlagene Masao hatte irgendwelche Symptome gezeigt? War es doch ein Unfall? Zufall? Sechs Drosseln und das Opfer hatte drei davon gegessen, ja, sie sich gewünscht. War es das? Tod durch eigene Gier? Nur zu menschlich, eben?

Er durfte nicht versagen, zumindest das herausfinden.

So drehte sich Seine Lordschaft um. „Sakura.“ Da sie eilig aufsprang, packte er sie wie gewohnt, um mit ihr in das Weberschloss zurückzukehren.

Neigi schüttelte erst den Kopf, als er sicher war, der Hundeprinz bekäme es nicht mehr mit. Seine Schülerin musste ganz schön etwas durchmachen. Er sollte ihr die nächsten Tage frei geben.

 

Zurück im Schloss der Takaedas wartete Seine Eisigkeit nicht bis Sakura sich aufgerichtet hatte. „Geh nochmals in die Küche. Wer wusste, wann und wie die Drosseln zubereitet werden?“

Er selbst wandte sich ab, um den momentan aktiven Hausherrn, Shigeru, zu befragen. War das lästig! Aber Vater kam heute Abend zurück und bis dahin sollte er das hier geklärt haben, wollte er nicht herausfinden wie weit die legendäre Phantasie eines genialen Heerführers ging - und eine empfindliche Strafe erhalten.

Lord Shigeru empfing seinen hochgestellten Gast ein wenig süß-sauer lächelnd. „Was kann ich für Euer Lordschaft und meinen Onkel, den mächtigen Fürsten Takaeda, tun?“

Falls das Ironie gewesen sein sollte, so war sie verschwendet, denn Sesshoumaru blieb nicht nur stehen, sondern antwortete knapp: „Als sich Tsuyoshi diese Drosseln wünschte – gabt Ihr den Befehl sie zuzubereiten?“

„Äh, nein. Das tat wohl Hotaru. Onkel Masao, ich meine, Lord Masao, ist der Hausherr, und auch, wenn ich augenblicklich der Kanzleichef bin, so gibt Hotaru doch solche Anweisungen weiter. In der Kanzlei wird dann der Brief geschrieben an die Wärter, oder wie man das nennt, dass sie die Vögel abliefern sollen. Natürlich geht das dann über die fürstliche Kanzlei.“

„Wisst Ihr, wo die Vögel aufgezogen werden?“

„Ja, natürlich. Weiter oben, im sogenannten oberen Garten des fürstlichen Schlosses, praktisch bereits im Bergwald. Dort liegt ein förmlicher Zoo an Vögeln und Geflügel. Man kann auch recht nett Spazierengehen. Die Betreuer übernachten dort auch und sind stets für die Vögel da. Sie sind eine kostbare Delikatesse. Ich meine, die Vögel, im Allgemeinen und diese Drosseln im Besonderen.“

„War es nicht verwunderlich, dass Tsuyoshi sie sich wünschte, obwohl er doch wusste, dass Lord Masao und Ihr dem Fleisch eher abgeneigt seid?“

Shigeru schwang seinen Kopf und suchte nach Worten. „Ich habe mich wahrlich bemüht mit Tsuyoshi auszukommen, Lord Sesshoumaru. Aber er hatte immer … seinen eigenen Kopf. Ich erwähnte im familiären Gespräch die Drosseln – er wollte sie essen. Einfach, weil sie eine Spezialität und teuer sind. Ich fürchte, er wollte gern demonstrieren, aus welcher Familie er abstammte.“

Klang, als sei da jemand ganz nach seiner Mutter geraten. „Es waren sechs Wacholderdrosseln.“

„Ja, er aß drei, Onkel und ich je eine. Nun ja, teilweise, da dann ja der … Zwischenfall passierte.“

„Ihr glaubt, dass Hitomi ihn vergiftet hat.“

„Sie ist im Gefängnis, ja.“

Das war keine Antwort, aber nun gut. „Wie wurden denn diese Drosseln verteilt? Sie lagen auf einer Platte?“

„Ja. Rund um das Gemüse. - Ich weiß nicht, worauf Ihr hinauswollt, aber, äh, ja, ich drehte die Platte und schob sie Hotaru zu, damit der etwas für Onkel, Lord Masao, nehmen konnte. Der zerschnitt es dann und ich nahm mir auch eine, ehe ich die Platte zu Tsuyoshi drehte. Der nahm sich auch eine.“

Unmöglich, dachte Seine Eisigkeit resignierend. Das war alles einfach nicht möglich. Doch Zufall? Er musste dringend nachdenken, noch einmal die Zeiten überdenken – und Sakuras Bericht abwarten.

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Seine Lordschaft steckt in der Sackgasse - und, wenn Papa zurück kehrt bald in Schwierigkeiten.
Wie konnten die Zwischenfälle nur passieren? Zufall, Unfall, Mord? Oder war alles doch ganz anders?

Das nächste Kapitel bringt: Die Aussage der Küchenmagd
Es wird allerdings erst am Samstag Abend oder eher Sonntag online kommen.

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Kerstin-san
2020-05-16T15:35:21+00:00 16.05.2020 17:35
Hallo,
 
beruhigend, dass Sesshoumaru aktuell auch noch mehr Fragen als Antworten hat. Da fühl ich mich gerade nicht allzu dumm^^
 
Also geplant, dass man einem Vogel die falschen Beeren unterschob halte ich für nahezu unmöglich. Entweder Zufall, dass einer was falsches aß und dann ausgerechnet der Tote diesen Vogel verspeiste oder alle Vögel hatten es - ob beabsichtigt vom Täter oder rein zufällig, weil da was falsches wächst (dann dürfen sich die Wächter aber was anhören) und die Menge, die man isst, ist entscheidend und deshalb gab es nur einen Toten.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von: abgemeldet
2017-01-28T13:37:52+00:00 28.01.2017 14:37
Habe keine Idee, bewundere aber Beweisführung und Tempo der Informationen. ^^ Sesshoumarus Gedanken machen Spaß. Den Bruder, den ihm Neigi gönnt, die Feuerratten ... wenn das jemand wüsste, was da kommt!
Antwort von:  Hotepneith
28.01.2017 15:31
Danke für den Kommentar.

Nun ja, ich streu immer gern Anspielungen in die Story ein. Es ist ja noch eine Zeit in der Sesshoumaru um die 15, 16 ist - da liegt ein Bruder oder auch Halbbruder in undenkbarer Ferne, zumal seine Eltern ja getrennt leben.

hotep
Von: abgemeldet
2017-01-28T13:36:27+00:00 28.01.2017 14:36
Ich habe die Theorie, dass die Handtücher einzeln zugewiesen werden konnten und der Seidelbast drübergerieben war. Eine Dame reibt nicht das Gesicht, passt zu Lady Bara.
Das Gemüse konnte den Seidelbast neutralisieren! Masao aß davon mehr, weil er Fleisch nicht mochte. Shigeru ebenfalls, weil Täter. Tsuyoshi wollte die Delikatesse.
Motiv: Er lastet es ihm an, vom Kloster fortgeholt zu sein!
Antwort von:  Hotepneith
28.01.2017 15:29
Danke für den Kommentar.

Und ja, irgendetwas lief zwischen Shigeru und Tsuyoshi, was der alte Masao mitbekam, man erinnere sich nur an den Blick bei Lord Sesshoumarus Besuch. Nur, was? Bei dem Badeunfall kamen Tsuyoshi, Hitomi und Bara zu Schaden, aber nur am Körper, nicht am Kopf ... Gift läge natürlich nahe.

hotep
Von: abgemeldet
2017-01-28T13:32:27+00:00 28.01.2017 14:32
Die Wärter sollten wissen, wie das Futter für Drosseln aussieht. Wenn die Tiere jemand heimlich fütterte ... oder in der Nähe die Giftpflanze ist und die Menschen das nicht wissen, ist ein Versehen drin?
Das glaub ich bloß nicht. Ich hab die Theorie, Shigeru hat Tsuyoshi satt gehabt und wollte die beiden loswerden. Dabei hat er Hotarus Rolle ausgenutzt, der die Nase von der Vollzeitpflege voll hat!

Lorky ^_^
Antwort von:  Hotepneith
28.01.2017 15:26
Danke für den Kommentar.
Nun ja, die Wärter wissen sicher, wie Futter für die Wacholderdrosseln aussehen sollte. Interessant ist ja nur Neigis Hinweis, dass eine Drossel NICHT am Seidelbast stirbt, und man es darum sehr wohl für harmlos halten kann.

hotep
Von:  Amart
2017-01-28T13:27:40+00:00 28.01.2017 14:27
Knifflig. Konnte man dank des Gemüses sehen, welche Drossel wo lag? Welche die war, die Seidelbast bekommen hatte?
Ein anderer Plan: Das ist eine List um Hitomis Tod vorzutäuschen, aber die weiß nichts vom Glück und hält das für ernst.
Woran starb Hotarus Frau bloß? Hatte die etwas mit dem Falschen und Hotaru wollte sich rächen?

Es ist alles möglich ...
Der Vater sollte dazu kommen zur Lösung. :-)
Antwort von:  Hotepneith
28.01.2017 15:25
Damke für den Komment
Ja, Papa kommt - aber ob der Sohn derart begeistert davon sein wird?
Und ja, das Gemüse war in der Mitte aufgetürmt, darum herum lagen die Drosseln, als Dekoration und Angebot zugleich.

hotep


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