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Momente

Next Level?
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Momente

St. Petersburg!

Vertrauter Lärm einer großen Stadt.

Nicht mehr die Ruhe eines Onsens in einer hübschen, kleinen , japanischen Ortschaft.

Ich atme tief ein und starre auf dem Bett liegend aus meinem Fenster.

Die kalte, russische Nacht ist sternenklar und trotz des Straßenlichts seh ich ein paar einzelne Sterne funkeln, sich trotzig dem schmutzig gelben Laternenlicht entgegen werfend.

Sie erinnern mich an Yūri.

Strahlend, trotzig und unerreichbar fern.

Ich strecke die Hand gen Himmel und sehe an meinem Finger den Ring blitzen.

Der magische Moment in Barcelona kommt mir wieder in den Sinn, die leisen Worte vor der hell erleuchteten Kathedrale, das Gefühl, dass es nur uns zwei gab.

Noch heute bereue ich, dass ich nicht all meine Zurückhaltung über Bord geworfen und Yūri einfach geküsst habe. Ich hätte mich langsam zu ihm beugen sollen, ihm tief in die Augen blicken und selbige dann schließen, während ich meine Lippen auf seine gedrückt hätte.

Danach hätte ich in sein rot angelaufenes Gesicht geblickt, hätte mir ein Lächeln nicht verkneifen können und hätte ihm dann die drei Worte gesagt, die schon viel zu lange unausgesprochen zwischen uns hängen. Ich weiß genau, er wäre noch viel röter angelaufen, wahrscheinlich bis zu den Ohrenspitzen, hätte sich bis zu seiner Nase im Schal vergraben und mich mit seinen wunderschönen, großen Augen ungläubig angesehen.

So oft ich die Szene auch in meinem Kopf herum wälze, es ändert nichts daran, dass ich es nicht getan habe.

Ein Seufzen rinnt über meine Lippen, bevor ich sie auf den Ring drücke. Mein allabendliches Ritual bei dem ich mir selbst das Versprechen gebe: Morgen!
 

Mein Wecker klingelt wie immer 6 Uhr morgens und ich erhebe mich gähnend aus dem Bett.

Ich hab gut geschlafen und meine Laune verrät mir, dass ich wohl, mal wieder, von Yūri geträumt habe. Erinnern kann ich mich nicht wirklich, aber mein Gefühl sagt mir, dass es einfach so gewesen sein muss.

Schnell schlüpfe ich in meine Trainingssachen und verlasse auch schon die noch dunkle Wohnung.

Makkachin hat es sich, mal wieder, in Yūris Zimmer bequem gemacht und so muss ich, mal wieder, alleine joggen. Doch wie sollte ich ihm einen Vorwurf machen, könnte ich in Yūris Bett schlafen, würde mir das Aufstehen wohl auch um einiges schwerer fallen.

Eine gute Stunde später bin ich zurück in der Wohnung und werde von Licht und dem Geruch von frischen Brötchen empfangen. Es ist ein bisschen schwieriger hier an die Zutaten für ein japanisches Frühstück zu gelangen, ein russischen Frühstück lässt einen zwar einen sibirischen Winter überstehen, doch danach müssten wir beide noch mindestens zwei Stunden joggen und daher haben wir uns auf europäisch geeinigt. Brötchen, ein bisschen Aufstrich und manchmal etwas Müsli. Damit können wir beide gut leben.

„Guten Morgen, Yūri!“ rufe ich fröhlich in die Wohnung.

Makkachins Bellen begrüßt mich als erstes, dann kommt er angerannt und springt an mir hoch. Ich streichle ihm kurz über den Kopf und geh dann zwei Schritte weiter in die Wohnung um in die Küche zu gelangen.

„Hallo Viktor!“ Yūri stellt gerade die Teller auf den Tisch und sieht lächelnd zu mir auf.

Ich lächele zurück und erinnere mich an meinen Vorsatz von gestern Nacht.

Es ist nicht schwer, ich trete einfach zu ihm, bis sich unsere Körper berühren, fahre mit meiner Hand in sein Haar, beuge mich zu ihm, ignoriere die nervösen kleinen Laute, die er von sich gibt und drücke meine Lippen auf seine. Er wird danach knallrot anlaufen, vielleicht ein bisschen stottern und verlegen gestikulieren, bevor ich ihn mit den drei magischen Worten zum Schweigen bringe.

„Komm, setz dich!“, fordert mich Yūri auf und die Gelegenheit ist verstrichen. Schon wieder.
 

Ich räume den Tisch ab, während sich Yūri und Makkachin zum Joggen bereit machen.

„Bis in einer Stunde an der Halle“, winkt mir Yūri noch zu, dann bin ich allein in der Wohnung.

Mein Blick schweift umher und bleibt an all den Kleinigkeiten hängen, die verraten, dass ich nun nicht mehr allein hier wohne.

Die halb geöffnete Tür vom Gästezimmer, das jetzt Yūri gehört, eine seiner Jacken an der Garderobe, die zweite Tasse auf dem noch halb gedeckten Frühstückstisch, eine Packung japanischer Hundekekse für Makkachin auf dem Schuhregal.

Wenn ich allein hier bin, kann ich es manchmal nicht recht glauben, dass Yūri und ich schon fast zwei Monate zusammen wohnen. Klar, in Japan haben wir das auch, aber hier sind es nur wir beide, nur Yūri und ich.

Ich schnaube leise.

Nur Yuri und ich und das Training. Die Weltmeisterschaft ist nur noch wenige Tage entfernt und seid wir beide zusammen nach St. Petersburg gekommen sind, gibt es eigentlich nur Training. Morgens joggen, warmmachen, dann zwei Stunden auf die Eisbahn, Mittagessen, Ballett und Choreographietraining, dann wieder aufs Eis bis zum Abend, noch etwas essen und dann auch schon ins Bett.

Yūri ist so ehrgeizig, will alles perfekt machen und ich hab ein bisschen die Befürchtung, die fünf geforderten Weltmeistertitel könnten ihm nicht genug sein.

In Gedanken den heutigen Trainingsplan durchgehend räume ich den Tisch fertig ab und nehme mir dann meinen Mantel von der Garderobe.

Vielleicht haben wir heute Abend ein bisschen Zeit, können zusammen einen Film schauen und dann ist da vielleicht der Moment auf den ich schon so lange warte.

Wenn ich mich nicht wieder selbst sabotiere, denn in Momenten, in denen ich Yūri einfach die Hände auf die Wangen legen sollte, ihn an mich ziehen und ihn küssen sollte, bis seine Wangen unter meinen Fingern vor Hitze brennen, schießt mir so ein Schwall von möglichen Abläufen durch den Kopf, dass sie einfach vorüberziehen.

Der passende Moment verstreicht. Immer wieder!
 

Es ist fast 20Uhr als wir endlich die Wohnung betreten, nur noch vier Tage bis Boston, übermorgen reisen wir schon ab. Yūri hat heute kein Ende gefunden und zum Schluss musste ihn ihn fast von der Eisfläche schleifen.

Auch jetzt noch ist ihm ein Rest Unzufriedenheit anzusehen, sein Mund ist leicht schmollend verzogen, ihm jetzt zu sagen, wie süß er so aussieht, wäre wohl nicht angebracht.

Stattdessen überlege ich mir wie es wäre ihn einfach an den Schultern zu packen, gegen die Wand neben der Wohnungstür zu drücken und nur den Bruchteil einer Sekunde zu warten, bevor er überrascht zu mir aufsieht, um ihn dann zu küssen. Mich erst von ihm zu lösen, wenn seine Hände sich fest in den Stoff meines Mantels gekrallt haben und er den Kuss erwidert hat.

Das Rumpeln achtlos hingeworfener Schuhe reißt mich aus meinen Gedanken und ich sehe nur noch, wie Yūri gefolgt von Makkachin in der Küche verschwindet.

Chance Nummer fünfzig, nein, dreiundsechzig, nein... ach, ich sollte aufgegeben zu zählen. Nachdem ich Schuhe und Mantel abgelegt habe, folge ich Yūri.
 

Beim Essen bin ich es der redet, absolute Belanglosigkeiten, aber die Stille gefällt mir nicht.

„Wollen wir heute Abend vielleicht einen Film sehen, Yūri? Ein bisschen Ablenkung von dem ganzen Training?“, frage ich lächelnd, doch der Blick, der mich über den Rand der großen Brille trifft ist vernichtend. Was hab ich erwartet? Mein süßer, ernster, ehrgeiziger Yūri.

Da kommt mir eine Idee.

„Ich hab heute Aufnahmen von deinem Training gemacht. Wollen wir uns die vielleicht zusammen ansehen und deine Fehler analysieren?“, frage ich und da schauen mich die großen, braunen Augen plötzlich ganz strahlend an.

Ein energisches Nicken und schon beginnt Yūri den Tisch abzuräumen.

Keine zehn Minuten später sitzen wir dicht nebeneinander auf der Couch und ich suche nach den Aufnahmen in meinem Handy.

Yūri lehnt sich gegen meinen Arm und ich genieße es, sehr, so sehr, dass ich mich arg auf die Videosuche konzentrieren muss. Ich starte das erste, doch meine Gedanken sind nicht bei dem gezeigten vierfachen Rittberger. In meinem Kopf sehe ich gerade, wie ich meinen Arm um Yūris Schultern lege, meine Hand seine Wange streichelt und ihn mit sanftem Druck dazu bringt mich anzusehen. Seine Augen werden immer größer und größer, die Brille rutscht ihm halb von der Nase und ehe er völlig perplex auch nur ein Wort sagen kann, verschließe ich seine Lippen mit meinen.

Es wäre so einfach, ich müsste nur den Arm heben und...

„WAS? Nein!“ Noch ehe ich mich überhaupt bewegt habe, wird mir das Handy aus der Hand gerissen und Yūri rückt auf der Couch nach vorn um dem Display noch näher zu sein.

So viel zu meinem schönen Plan.

„Viktor, sieh dir das an!“ Yūri startet das Video erneut und hält es mir genau vor die Nase. Im ersten Moment hänge ich immer noch meiner Enttäuschung nach, doch dann wird mir bewusst, was ich da sehe und der Trainer in mir ist wieder wach.

Den Rest des Abends verbringen wir ernsthaft diskutierend, die Aufnahmen immer wieder ansehend, sind Trainer und Läufer bis wir irgendwann todmüde ins Bett fallen - jeder in sein eigenes - und ich nach dem Kuss des Rings und einem erneuten 'Morgen!' auf der Stelle einschlafe.
 

Am nächsten Tag ist so viel zu tun, dass Yūri morgens allein zum Training geht, während ich alles für unsere Reise nach Boston vorbereite und den Hundesitter instruiere. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass Makkachin genau weiß, dass wir ihn die nächsten Tage allein lassen und dementsprechend gibt er sich die größte Mühe mich zu sabotieren. Anders erklärt es sich nicht, dass er die ganze Zeit Sachen aus den gepackten Koffern stibitzt und urplötzlich keines seiner Kommandos mehr zu verstehen scheint. So verbringe ich allein zehn Minuten damit ihm nachzujagen um eine von Yūris Socken zurück zu bekommen, die danach dann aber nicht im Koffer, sondern in der Wäsche landet, Hundesabber sei dank.

Erst am Nachmittag schaffe ich es in die Eishalle.

Kaum betrete ich den Raum mit der Eisfläche, da steht auch schon Yurio vor mir und begrüßt mich wie immer schlecht gelaunt und mit der Liebenswürdigkeit eines unausgeschlafenen Müllwagenfahrers.

„Ganz schön spät, hattest wohl keine Lust dir das Elend anzutun, was dein Schweinchen da auf dem Eis fabriziert“, fährt er mich an und ich kann mir nur mit Mühe ein breites Grinsen verkneifen. Süß, wie ein fauchendes Kätzchen.

„Dir auch einen schönen, guten Tag, Yurio!“, grinse ich breit und geh einfach an ihm vorbei.

Sein Gefluche begleitet mich noch bis zur Bande.

Ich muss nicht lange suchen, meine Augen finden Yūri sofort. Elegant zieht er seine Runden und übt was wir gestern Abend noch besprochen haben. So gewissenhaft.

Als hätte er meinen Blick auf sich gespürt, beendet er seine Figur formvollendet und dreht sich dann zu mir. Ein Lächeln tritt auf sein Gesicht und er kommt übers Eis zu mir gefahren. Immer näher.

Seine Hände legen sich zwischen meine auf die Bande als er vor mir hält.

„Hallo Viktor!“

Ich müsste meine Hand nur in seinen Nacken legen, ihm tief in die Augen sehen, bis sich darin die Erkenntnis breit macht, was ich gleich tun werde und noch ehe seine Wangen wirklich rot werden können, würde ich ihn schon küssen. Meine Lippen auf seinen, die unter dem Kuss langsam wieder warm werden.

„Ich denke, ich hab das Problem bei der Schrittfolge jetzt im Griff“, lächelt mich Yūri an und augenblicklich ist Trainer Viktor wieder da.

„Zeig mal“, fordere ich ihn auf und schon entschwindet Yūri wieder meiner Reichweite, ebenso wie der Moment.
 

An diesem Abend ist Yūri vernünftig und verlässt freiwillig mit mir die Eishalle.

Zum Abendessen gibt es nicht viel, wir sind beide ziemlich aufgeregt und haben wenig Appetit.

„Also in Boston würde ich schon gern eine Goldmedaille küssen, ob ich danach wohl Yurio frage?“, stichle ich ein bisschen.

Ein freches Funkeln tritt in Yūris Augen, doch er schüttelt nur den Kopf und lächelt dann. Zu gern wüsste ich, woran er gerade denkt.

Ob er sich wohl auch ausgemalt hat, wie es wäre, jetzt einfach den Stuhl ein wenig nach hinten zu schieben, sich über den Tisch zu beugen und ganz ohne Vorwarnung einen Kuss zu stehlen?

Noch ehe ich über die Durchführbarkeit meines Plans genauer nachdenken kann, wendet sich Yūri von mir ab.

„Makkachin? Was hast du denn da?“, fragt er irritiert und als ich seinem Blick folge, sehe ich meinen lieben Hund stolz mit meinem Reisepass in der Schnauze an uns vorbeilaufen.

Yūris Lachen begleitet mich bei meiner Jagd durch die Wohnung.
 

„Gute Nacht, Viktor!“, lächelte mich Yūri an, als ich aus dem Bad trete.

„Schlaf schön, Yūri“, kann ich gerade noch erwidern, bevor die Tür ins Schloss fällt.

Kurz kann ich nicht anders als die geschlossene Tür anzustarren und mir vorzustellen, wie ich einfach hinüber gehen, sie mit Schwung öffne und den dahinter stehenden, völlig perplexen Yūri in meine Arme ziehe und ihn küsse.

Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare und schüttele den Kopf.

Blödsinn! Morgen geht es los zur Weltmeisterschaft, Yūri braucht seinen Schlaf, außerdem sehe ich aus dem Augenwinkel, wie sich Etwas großes, flauschiges und braunes in mein Schlafzimmer zu stehlen versucht.

Seufzend wende ich mich von der Tür ab und folge dem kleptomanischen Hund.

„Makkachin, AUS!“
 

Kurz nach acht sitzen wir schon im Flieger. Man sieht Yūri an, dass er nicht gut geschlafen hat, aber auch ich hab weniger Schlaf als üblich bekommen, da sich mein liebenswertes Haustier daran erinnert hat, dass wir viel zu wenig Zeit miteinander verbringen und das unbedingt bis spät in die Nacht nachholen wollte.

Ich beuge mich zu Yūri bis meine Haare seine Wange streifen.

„Bis zum Zwischenstopp in Zürich ist es nicht viel mehr als eine Stunde, aber willst du ein bisschen schlafen?“, frage ich fürsorglich und von mir selbst überrascht, ohne irgendwelche kleinen Tagträume.

Yūri hebt den Kopf und sieht mich aus großen Augen an.

Okay, da sind die Tagträume.

Es wäre so leicht mich jetzt einfach die wenigen Zentimeter zu ihm zu beugen und seine Lippen nur ganz leicht mit meinen zu streifen. Ihm leise ein „Träum süß“ zuzuraunen und dann ganz unbeteiligt den Kopf zum Flugzeugfenster drehen.

„Danke“, raunt statt mir Yūri und sieht mich noch für den Bruchteil einer Sekunde an, ehe er die Augen schließt, noch ein bisschen näher zu mir rutscht und seinen Kopf gegen meine Schulter sinken lässt.

Reue über den entgangenen Moment will nicht wirklich in mir aufkommen, dazu ist diese Situation zu schön. Und noch schöner wird es, als Yūri genau das gleiche nach dem Zwischenstopp wieder tut. Ich hatte definitiv schon unangenehmere Flüge.
 

Wir landen.

Ich wecke Yūri sanft und als er mich mit seinem verschlafenen Gesicht und der halb von der Nase hängenden Brille ansieht, kann ich nur breit grinsen. So süß.

„Gut geschlafen?“, frage ich leise und er nickt nur. Rückt die Brille gerade und lächelt leicht zurück.

Ich streiche Yūri kurz eine widerspenstige Strähne hinters Ohr und mein Lächeln wird weicher.

Meine Hand wandert langsam auf seine Schulter und unsere Nasenspitzen berühren sich fast.

Ich müsste jetzt nur noch die Augen schließen und...

„Wollt ihr hier festwachsen, ihr Penner?“, reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken.

Überrascht sehe ich auf und in Yurios so liebenswertes, angewidert blickendes Gesicht.

„Jetzt macht schon, ich hab nicht ewig Zeit“, murrt er und verschränkt die Arme.

„Hat da jemand Angst vor der großen, neuen Stadt?“, frage ich ihn neckend, aber das hat er auch verdient. Mir einfach so meinen Moment zu versauen.

Ein Schnauben ist die einzige Antwort, die ich bekomme.

Da bleibt uns wohl nichts übrig, gemeinsam verlassen wir den Flieger.
 

Der Ablauf des restlichen Tages ist typische Turnierroutine und daher ist mal wieder nur Trainer Viktor gefragt. Unter den strengen Augen der anderen Trainer, vor allem Jakov, komme ich meinen Pflichten aufs Genaueste nach. Ich kümmere mich um alles organisatorische, damit sich Yūri darauf konzentrieren kann, sich mit dem Eis vertraut zu machen und ein Gefühl dafür zu bekommen.

Der Tag vergeht schneller als gedacht und schon sitzen wir abends im Hotelrestaurant. Natürlich sind wir nicht unbemerkt geblieben und so sitzen bald Chris und Phichit bei uns am Tisch. Yurio und Otabek, die sich wirklich gut zu verstehen scheinen, sitzen ein paar Tische entfernt. Ich kann einfach nicht widerstehen ihnen immer mal wieder zuzuwinken, vor allem weil Yurio dann jedes Mal knallrot anläuft und noch ein bisschen lauter schimpft als üblich.

„Lass die beiden doch...“, meint Yūri nach dem dritten Winken leise neben mir und ich wende mich zu ihm. Unsere Blicke treffen sich und für einen Augenblick ist es, als wären wir allein im Raum.

Ich will etwas flapsiges erwidern, will dass auch Yūri ein bisschen rot um die Nase wird, doch bevor ich auch nur den Mund öffnen kann, senkt er noch etwas den Kopf und sieht mich dann über seine Brille hinweg an. „...schließlich bist du nur für mich hier“, beendet Yūri seinen Satz flüsternd und ich blinzle überrascht. Mein Kopf ist schlagartig leer, weiß nicht mal mehr, was ich sagen wollte.

Doch noch ehe ich meinen Wortschatz wieder gefunden habe, steht Yūri auf, verabschiedet sich von den anderen und verlässt das Restaurant, seine Ohrenspitzen verräterisch rot schimmernd.

Ich lasse ihm ein bisschen Zeit und folge ihm etwas später hoch zu unserem Zimmer.

Als ich den Raum betrete, liegt Yūri schon mit dem Rücken zu mir als kleiner Ball unter seiner Decke und tut so, als schliefe er.

Was würde er wohl für ein Gesicht machen, wenn ich mich zu ihm auf Bett setzte, ihm die Decke vom Kopf ziehen und ihm leise „Schlaf schön“ ins Ohr flüstern würde.

Wie groß würden mich seine Augen anschauen?

Wie viel Panik würde sich darin spiegeln, wenn ich mich dann auch noch zu ihm hinunterbeugen würde um ihn zu küssen?

Ich atme einmal tief durch und geh dann ins Bad. Yūri soll schlafen, die nächsten Tage werden anstrengend und aufregend.
 

Als ich am nächsten Morgen erwache ist Yūri schon auf.

Hochkonzentriert starrt er aus dem Fenster, die Kopfhörer in den Ohren. Ich drehe mich im Bett zu ihm um und betrachte sein Profil. Ich bin immer wieder beeindruckt, was für eine Entwicklung er bisher genommen hat und kann es kaum erwarten, zu sehen, was er noch alles schaffen kann.

Zu gern würde ich jetzt einfach aufstehen, mich hinter ihn setzen und ihn an mich ziehen, während ich einen Kuss in seinen Nacken hauche. Als hätte Yūri meine unlauteren Gedanken gespürt, dreht er sich zu mir um und lächelt.

„Guten Morgen, Viktor.“

„Guten Morgen“, lächele ich nur zurück und stehe dann auf.

Auch dieser Tag ist wieder vollgestopft und ich habe mir fest vorgenommen, Yūri noch mit einer kleinen Sightseeing-Tour nach dem Training abzulenken.
 

Nach einer eher ausgiebigen als kleinen Tour durch die Stadt und etlichen Fotos mit den hiesigen Sehenswürdigkeiten, haben wir in einem gemütlichen Restaurant zu Abend gegessen. Diesmal ganz ungestört von allen anderen und doch drehten sich alle Gespräche nur um das morgige Kurzprogramm.

Zurück im Hotel geht Yūri nach einer ausgiebigen Dusche fast augenblicklich ins Bett. Ich lasse mir ein bisschen mehr Zeit und daher bemerke ich auch recht schnell, wie er sich immer wieder von einer Seite auf die andere wälzt. Die Aufregung und all seine Gedanken lassen ihn nicht schlafen.

Ich zögere nicht lange, schnappe mir mein Handy und die Kopfhörer und setze mich zu Yuri aufs Bett. Schnell finde ich im Musikmenü genau die richtigen Dateien.

„Yūri?“, rufe ich ihn sanft beim Namen und sofort erscheint ein wuscheliger Haarschopf gefolgt von zwei großen, braunen Augen unter der Decke.

„Entschuldige...“, murmelt er leise, doch ich lächle ihn nur an.

„Schon gut. Ich glaube, ich hab hier etwas was dir hilft.“ Mit diesen Worten verbinde ich Handy und Kopfhörer, bevor ich die Enden Yūri hinhalte.

Ein bisschen irritiert schiebt er sich die kleinen Endstücke in die Ohren und sieht mich dann erwartungsvoll an.

Mit einer Handbewegung starte ich die ausgewählte Musik und schlagartig macht sich die Erkenntnis in Yūris Gesicht breit.

„Viktor, das sind...“, beginnt er und ich nicke nur zur Antwort.

„Schlaf gut, Yūri“, wünsche ich ihm leise und beuge mich dann noch einmal zu ihm vor.

Meine Lippen berühren die weichen Haare und spüren die Wärme von Yūris Haut darunter.

„Gute Nacht“, flüstere ich und als ich mich wieder etwas von ihm entferne, da hat er die Augen entspannt geschlossen und lauscht der Musik.

Doch statt mich dem Gedanken hinzugeben, wie einfach es wäre meine Hände jetzt neben seinem Kopf abzustützen, mich zu ihm herunter zu beugen und die leicht geöffneten Lippen zu küssen, steh ich auf und lege mich selbst ins Bett.

Wieder küsse ich den Ring an meinem Finger und wünsche mir so sehr, dass kalte Metall durch Yūri s warme Lippen ersetzen zu können.

Morgen!
 

Der Tag des Kurzprogramms beginnt mit einem Training am Morgen, bevor es um 13Uhr mit den Läufen weiter geht.

Yūri ist die ganze Zeit hochkonzentriert, seit er mir kurz nach dem Aufstehen verlegen mein Handy zurück gegeben hatte. Als ich ihn fragte, ob es ihm denn wenigstens ein wenig beim gut schlafen geholfen habe, war er bis zu den Ohrenspitzen rot angelaufen und hatte nur hastig genickt. Ich bin nicht ganz schlau aus seiner Reaktion geworden, doch er war so niedlich dabei, dass ich es einfach hinnahm.

Und nun stehen wir in den Katakomben des Eisstadions und hören das Publikum applaudieren.

Yūri ist Startnummer 25, nicht optimal, aber immer noch besser als als erster aufs Eis zu gehen.

Inzwischen haben 20 Läufer ihr Kurzprogramm gezeigt, Yurio führt bisher mit 106,15 Punkten, gefolgt von Chris, Seung-gil und überraschenderweise Georgi. Aber auch Phichit, Otabek und J.J. sind schon sicher unter den besten 24 und somit für die Kür qualifiziert.

Nummer 24 - Guang Hong Ji wird angekündigt und ich trete zu Yūri.

Er sieht zu mir auf und zieht sich gleichzeitig die Kopfhörer aus den Ohren. Ich nicke ihm nur zu und er erwidert das Nicken.

Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zur Eisfläche und kurz vorm Zugang stoppe ich ihn.

Ich greife nach seiner Hand und küsse seinen Ring.

Unsere Blicke treffen sich und statt des kleinen Stücks Metall würde ich zu gern Yūris Lippen küssen. Seine Hand, die immer noch an meiner liegt, hätte ich einfach an mich gezogen, sie direkt über meinem Herzen ruhen lassen, damit er dessen schnellen Schlag wahrnehmen kann, während ich mich immer weiter zu ihm beuge. Ich würde ihn küssen, Mut machend und liebevoll.

Ich würde, doch ich tue es nicht, stattdessen gebe ich seine Hand wieder frei.

„Hol mir Gold!“, flüstere ich ihm zu, bevor ich ihn in eine feste Umarmung ziehe.

Als der Jubel in der Halle ausbricht, trennen wir uns.

Yūri tritt als erster zurück und geht weiter Richtung Halle.

Ich betrachte seinen Rücken, während der Stadionsprecher ihn als nächsten Läufer ankündigt und ich meinen Ring an die Lippen drücke.

„Du schaffst das!“, flüstere ich dem Stück goldenen Metalls zu, als Yūri die Eisfläche betritt.
 

„Yuri Plisetsky ! 298,90 Punkte!“, schallt es durch die Halle und das Publikum tobt. „Platz 2!“

Ich reiße die Arme in die Luft und jubele. 2,03 Punkte weniger.

„Heißt das... heißt das...?“, stottert Yūri neben mir und ich strahle ihn nur an, bevor ich ihn in eine feste Umarmung ziehe.

„Herzlichen Glückwunsch, Yūri!“, flüstere ich und da wird es auch schon vom Stadionsprecher verkündet: „Damit bleibt Yūri Katsuki mit insgesamt 300,93 Punkten aus Kurzprogramm und Kür auf Platz 1. Der neue Weltmeister heißt Yūri Katsuki!“ Tosender Beifall von den Rängen, während Yūri immer noch fassungslos vor sich hinmurmelt.

„Heißt das...?“
 

Es ist ein bisschen wie beim Grand Prix Finale, nur das diesmal Yūri ganz oben steht und fast ein bisschen schüchtern lächelnd seine Goldmedaille in die Höhe hält.

Ich bin unglaublich stolz und wieder wird mir klar, dass es das einzig Richtige war, Yūris Trainer zu bleiben.

Die drei Sieger drehen noch ihre Ehrenrunde vorbei an Fotografen und Fans, Yūri vorn weg, Yurio leicht angenervt hinterher. Sehr gut, dass wird ihn fürs nächste Mal nur noch mehr motivieren.
 

Nach einer halben Stunde sind dann genügend Fotos geschossen, die Sieger genug bejubelt und Yūri findet mich nach kurzem Suchen an der Bande.

Strahlend kommt er auf mich zugefahren und hebt die Medaille in die Höhe.

„Willst du immer noch Yurios?“, fragt er frech und ich lache nur.

„Na gut, heute gebe ich mich mit deiner zufrieden“, lächele ich versonnen.

Yūri steht vor mir, nur die Bande trennt uns voneinander und er sieht ein bisschen unsicher zu mir auf.

„Willst du sie immer noch küssen?“, fragt er verlegen.

Mein Grinsen wird breiter und ich nicke, erst die Medaille und dann dich, denke ich mir.

„Schließ die Augen“, fordert Yūri. Ich bin ein bisschen irritiert von der Aufforderung, komme ihr aber dennoch nach, auch wenn ich mir etwas albern vorkomme.

Da stehe ich also, mit geschlossenen Augen, an der Bande einer Eisbahn und warte darauf ein Stück kaltes Metall an die Lippen gelegt zu bekommen.

Doch was da plötzlich meine Lippen berührt ist weder kalt noch metallisch.

Überrascht reiße ich die Augen auf und blicke direkt in Yūris. Sein Blick ist unsicher, verlegen und fast ein bisschen ängstlich.

„Ich... also...“, beginnt er leise zu stottern, während sich die Röte in seinem Gesicht ausbreitet, doch ich kann nur lächeln. Mein süßer Yūri.

„Weiß du, es gibt eine Sache, die ich noch viel lieber küssen würde als deine Goldmedaille“, gebe ich mir endlich einen Ruck. Wenn dies nicht der perfekte Moment ist, dann kommt er niemals.

Yūri sieht mich überrascht an, doch in seinen Augen keimt die Erkenntnis.

„Welche?“

Ich lege meine Hände an seine Wangen und streiche zärtlich darüber, während ich meine Stirn an seine lege und ihm tief in die großen, braunen Augen sehe.

„Dich, Yūri!“, flüstere ich nur noch wenige Zentimeter von seinen Lippen entfernt und füge ebenso leise hinzu: „Ich liebe dich!“ bevor ich mein allabendliches Versprechen einlöse und Yūri endlich küsse.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Hinata_Shouyou
2016-12-31T03:32:17+00:00 31.12.2016 04:32
aww knuffig
freue mich auf mehr
Antwort von:  Sakiko_Seihikaru
31.12.2016 10:14
Danke schön!
Zu dieser Geschichte wird es wohl keine Fortsetzung geben, aber sicher ist es nicht die letzte Fanfic, die ich zu dieser Serie schreibe ^^
Von:  das_Diddy
2016-12-31T00:14:00+00:00 31.12.2016 01:14
Awwwww.....irgendwann zwischendrin möchte man Viktor ne schelle verpassen, damit er endlich aus seinen Tagträumen aufwacht und mal den Arsch hochkriegt, aber das Ende versöhnt einen schließlich. ♥ sehr schön.
Antwort von:  Sakiko_Seihikaru
31.12.2016 10:13
Aber es sind ja nicht nur Tagträume, auch die Umstände und alle anderen XD
Aber freut, dass du mit dem Ende zufrieden bist ^^


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