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von
Koautor:  Dan

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Prolog

Man sagte, Ard Skellig sei nicht nur die größte, sondern auch die höchste Insel der Skellige-Inseln. Und daher auch ihr Name. ‚Ard‘, das hieß in der alten Sprache so viel wie ‚Berg‘ oder ‚Spitze‘ und in der Tat sah die imposante Festung des hier herrschenden Jarls so aus, als würde sie am blauen Himmel kratzen. Recht idyllisch lag sie da, hoch eingebettet zwischen massiven Felsen und dichten Wäldern, mit im Wind flatternden Bannern und Wachposten, die von hier aus nicht größer erschienen als Ameisen. Die Seemöwen schrien, ein paar Fischer warfen ihre Angelruten schnalzend aus, irgendwo zog ein beleibter Mann seinen schnaubenden, sturen Packesel über einen knarrenden Steg.

Abgesehen davon stank der Hafen von Kaer Trolde nach Fisch und Scheiße. Wahrscheinlich kippten die rauen Menschen, die hier lebten, all ihren Unrat ins Meer. Anna entkam ein verhaltenes Stöhnen, als sie die braunen Augen überfordert niederschlug und von Deck des Schiffes wankte, auf dem sie viel zu viel Zeit verbracht hatte. Die Handelsfähre - deren Kapitän Anna mit einem Beutelchen voller Münzen bestochen hatte, um mitsegeln zu dürfen - hatte Tage gebraucht, um von Cintra nach Ard Skellig überzusetzen. Es war der armen Kurzhaarigen vorgekommen wie eine halbe Ewigkeit; eine quälende Endlosigkeit, in der man nicht wusste, ob man sich über die frisch gestrichene Reling übergeben oder schlafen sollte, um so wenig als möglich von der verdammten, permanent schaukelnden Reise mitzubekommen. Zu allem Überfluss war die Fähre, die vor allem Handelswaren wie Getreide, Öl und Salz transportiert hatte, in zwei ungnädige Stürme geraten. Oh, ja, beim Unterkleid der Melitele! Drei Matrosen waren während der Unwetter von den salzigen Wellen verschluckt worden und ein halbes Dutzend unvertäuter Lagerkisten waren von Deck geweht worden, als wögen sie nicht mehr als kleine Schächtelchen. Anna hatte schon geglaubt, das Schiff würde an der steilen Küste des Inselarchipels zerschellen wie ein mickriges Holzspielzeug, das von einem dummen Blag gegen einen Stein gedonnert wurde. Doch aus unerfindlichen Gründen hatte man es lebend bis in den großen Hafen geschafft; wenngleich auch nicht ganz unbeschadet... wenn man es denn so nennen konnte.

Die Reisende, die nicht mehr bei sich trug, als sie am Körper hatte – ihre Kleidung, ein Bastardschwert, einen Langdolch und einen spärlich befüllten Rucksack – war beachtlich blass um die Nase, als sie ihre flachen Stiefelsohlen endlich, ENDLICH, auf festen Boden setzte. Ihre Beine waren wackelig und ihre kalten, feuchten Hände zitterten noch immer. Oh, wie sie diese beschissenen Schiffsfahrten hasste! Nach wie vor fühlte sich ihr Magen an, als hinge er ihr in den butterweichen Knien. Und noch immer lag ihr ein säuerlicher Geschmack nach Erbrochenen auf der Zunge, denn, nun ja, es war nicht lange her, dass sie den Kopf röchelnd und wüst fluchend in einen der dreckigen Kübel unter Deck der ‚Gloria‘ gesteckt hatte. Gloria, so wusste Anna, war der Name der Frau des Kapitäns des besagten Schiffes. Und genau deswegen hieß auch die Fähre dieses sentimentalen Idiots so.

Aber wie auch immer…

Anna atmete einmal tief durch und straffte die schmalen Schultern. Sie versuchte ihren flauen Magen zu ignorieren, der sich schon wieder zu verdrehen drohte, und sie ließ den Blick ziellos suchend schweifen.

Skellige. Noch nie war die 20-Jährige hier gewesen, hatte die letzten beiden Jahre damit zugebracht durch die Nördlichen Königreiche zu ziehen. Sie war viel gereist, hatte gekämpft, gelernt, geforscht. Und vor allem hatte sie gesucht. Gefunden, das hatte sie aber noch nicht und das frustrierte sie nicht zu knapp. Nur ihr sturer Schädel war es, der sie bis dato davon abgehalten hatte aufzugeben und ihre Pläne schimpfend hinzuwerfen. Nur die eiserne Verbissenheit der wagemutigen Vagabundin war es, die sie davon abhielt zurück nach Kaedwen zu gehen.

Der Ausdruck der Frau in Männerkleidung wurde hart, als sie an ihr Zuhause dachte, an Kaer Morhen. Warum genau, das-... nun ja. Es gab vielerlei Gründe und nicht alle davon waren negativ. Und dennoch mutete ihre Miene an wie aus Stein, als sie an Balthar, Vadim und Jaromir dachte. An ihre ‚Familie‘. Also natürlich waren die genannten Drei nicht ihre leibliche Familie. Nein. Sie waren besser. Diese drei Hexer der Wolfsschule – oder auch ‚Deppen‘, wie die vorlaute Anna sie oftmals neckend bezeichnet hatte – waren ihr lieber als ihre wahren Eltern, die sie früh fort gegeben hatten und ihr später nicht einmal mehr in die Augen hatten sehen können. Die eigenbrötlerischen Männer waren ihre Freunde und Mentoren – besonders Balthar, der sie stets behandelt hatte, als sei Anna sein eigenes Kind. Die Frau konnte sich an keinen Tag erinnern, an dem es nicht so gewesen war. Der Mann mit dem silbernen Wolfsmedaillon hatte sie durch das Gesetz der Überraschung 'gewonnen', als Preis dafür, dass er ihrem leiblichen Vater, einem heruntergekommenen novigrader Fischer, das erbärmliche Leben gerettet hatte. Ein Dutzend fauchender Ertrunkener hatte Balthar erschlagen und den blutig gebissenen Fischersmann sicher nach Hause gebracht, in der Hoffnung irgendwelche Dinge von Wert zu erhalten. Hexer waren eben so. Doch stattdessen hatte er es mit einem ganz anderen Kaliber von Belohnung zu tun bekommen: Einem Kind. Und er hatte jenes dann auch großgezogen, so gut er hatte können. Dies innerhalb der Mauern der Festung der Wolfsschule, einer Zunft der verschrienen Hexer. Man hatte Anna trainiert, unterrichtet, ihr vielerlei beigebracht und sie behandelt wie einen Jungen, den man für das raue Leben eines magiewirkenden Mutanten vorbereitete. Denn an anderweitigen Optionen hatte es schließlich gefehlt. Hexersleute waren Krieger, Trankmischer, und Monsterjäger, keine Klosterschwestern oder Ammen, die kleine Mädchen zu braven und gelehrten Frauen erzogen. Und die burschikose Anna war heilfroh darüber. Ihr Leben in Kaer Morhen war ab und an sehr hart gewesen, doch bis in das Erwachsenenalter hatte sie es geliebt. Das, obwohl sie es stets stark bedauert hatte, dass sie nicht so sein konnte wie ihre katzenäugigen Kumpanen, die allesamt die Kräuterprobe hinter sich gebracht hatten, um echte Hexer zu werden. Vadim, Balthar und Jaromir hatten ebenso in den Kinderschuhen trainiert, waren früh abgehärtet worden und ihnen war am Ende eine alchemistische Behandlung zuteil geworden, die ihre Körper hatte mutieren lassen. Stärker waren die Männer geworden, schneller, besser. Etwas, das nicht funktionierte, wenn man eine Frau war, denn die Kräuterprobe war in dem Fall ein Todesurteil. Leider. Es ärgerte Anna; es hatte sie schon immer zornig gemacht, wenn ihr Ziehvater sie dahingehend belehrt hatte. Und es hatte sie in Kaedwen auch immer mies gelaunt gestimmt, weil man sie in gewisser Weise und viel zu oft mit Samthandschuhen angefasst hatte. Doch abgesehen davon-

Ach...

Diese Zeiten waren vorbei. Mit ihrem plötzlichen und unangekündigten Verschwinden vor zwei Jahren hatte sich die impulsive Anna dagegen entschieden weiterhin in der Obhut der Wölfe zu bleiben und in Kaer Morhen behandelt zu werden wie ein rohes Ei. Mit ihrer ‚Flucht‘ aus dem Nest hatte sich die starrköpfige Kämpferin für ein einsames Leben und das Reisen entschieden, dafür, dass sie ihre dreiköpfige Familie vielleicht nie wieder sehen würde.

Nie wieder? Ja, vielleicht. Und genau dieser vagen Annahme wegen verrutschte die Miene der jungen Frau in diesem Moment, wurde zu einer starren Maske aus Eis.

Hatte sie einen Fehler gemacht? Sie wusste es nicht.



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