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All of our Flaws

Vi/Cait
von

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Kapitel 4: Gezielte Sprengungen

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Kapitel 4: Gezielte Sprengungen
 

„Wenn du mir helfen würdest, die Berichte auszufüllen, würde das hier wesentlich schneller gehen“, versuchte Caitlyn zum gefühlt zehnten Mal Vi mit Argumenten dazu zu bringen, ihr zu helfen. Diese jedoch lehnte sich nur in ihrem Stuhl zurück, wippte mit dem Fuß und rauchte eine Zigarette – schon wieder. „Wenn ich den Mist ausfülle, bist du doch eh nicht zufrieden damit, wie ich es mache. Also kannst du‘s auch gleich selbst machen“, antwortete Vi mit einem Grinsen auf den Lippen.
 

„Das weißt du nicht. Du hast noch niemals Berichte für mich ausgefüllt. Vielleicht wäre ich ja auch zufrieden damit“, antwortete Caitlyn und blätterte mit gerunzelter Stirn um. Sie war zwar eigentlich nicht zu Diskussionen aufgelegt, doch nach einigen Monaten gemeinsamer Arbeit mit Vi ging es ihr langsam auf die Nerven, dass der leidige Papierkram immer an ihr hängen blieb und ihre Partnerin ihr dabei sogar süffisant zusah.
 

„Dann gehen wir das Risiko lieber gar nicht erst ein“, gab Vi schlagfertig zurück und beugte sich vor: „Außerdem mag ich es, dir beim Arbeiten zuzusehen. Mit hochkonzentriertem Gesicht und mit deiner Brille auf der Nase siehst du aus wie `ne Professorin.“ Sie hob die Hand und stupste mit einem Finger ihrer Hextechhandschuhe gegen Caitlyns Brille – eine Lesebrille, die sie nur beim Bearbeiten von Akten und Lesen von Büchern trug. Caitlyn war immer wieder erstaunt, über wie viel Fingerspitzengefühl Vi trotz der klobigen Handschuhe verfügte. Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt und war darum nicht zurückgezuckt, doch anfangs war sie sehr vorsichtig gewesen, wenn Vi ihre Handschuhe trug. Mittlerweile wusste sie, dass sie für Vi wie eine zweite Haut war und sie ihre Kraft genau einschätzen konnte, sodass sie sich keine Sorgen mehr machen musste, dass sie versehentlich etwas kaputt machte oder jemanden verletzte.

Caitlyns Augenbraue hob sich und sie blickte Vi unschlüssig an: „Du bist einfach nur faul, das ist alles.“
 

Vi‘s Gesichtsausdruck veränderte sich ein wenig und nahm eine Nuance an, die Caitlyn nur selten darin sah und die andere gar nicht bemerkten. Sie selbst hatte erst in den letzten zwei Wochen, seit sie Vi unten beim Schlafen in den Räumlichkeiten der Wache erwischt hatte, damit angefangen, sie zu sehen. Irgendetwas war ihr unangenehm und brachte ihre sonst so perfekte gut gelaunte Maske zum Bröckeln. Sie hatte wohl gerade etwas Unangenehmes angesprochen.

Doch gleich im nächsten Moment winkte Vi ab: „Ich bin nicht faul, nur pragmatisch. Wenn ich Akten machen würde, müsste ich jedes Mal meine Handschuhe ausziehen. Und wenn dann ein Notfall reinkommt, dauert‘s wieder ewig, bis ich einsatzbereit bin. Ich denke nur an die armen Bürger von Piltover.“
 

Und schon war der kurze Moment wieder weg, in denen Caitlyn geglaubt hatte, etwas in Vi‘s Augen aufblitzen zu sehen. Schon war sie wieder die Alte. Eigentlich gut so, immerhin sollte man sich bei der Arbeit keine Schwäche erlauben. Dennoch… Sie konnte nicht umhin, sich zu wünschen, dass Vi ihr mehr vertrauen würde.

„Du bist nie um eine Ausrede verlegen“, tadelte sie Vi, jedoch mit mildem Tonfall. Sie hatte nicht wirklich erwartet, mit ihrer Predigt etwas zu erreichen, hatte sie eigentlich nur gerügt, damit Vi sich nicht zu unbeobachtet und unkontrolliert fühlte.
 

„So bin ich eben, denke immer einen Schritt voraus“, gab Vi grinsend zurück und angelte sich einen Donut aus der noch offenen Schachtel, die auf dem Schreibtisch stand.

Caitlyn sehnte den Tag herbei, an dem sie ihr eigenes Büro wieder für sich alleine haben würde, andererseits würde es ihr sicherlich auch beinahe ein wenig… einsam vorkommen.
 

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Der Sheriff sah erst wieder von den Akten auf, als es an der Tür klopfte. Es war Everett, der eine Nachricht der Streife überbrachte, die auf den Straßen im Künstlerviertel unterwegs gewesen war. Caitlyn schlug die Aktenmappe zu, schulterte ihre Waffe, nickte Vi zu und war bereit, sich den Tatort anzusehen.
 

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„Bist du sicher, dass du weißt, wie man dieses… Gefährt richtig bedient?“, fragte Caitlyn etwas besorgt, als sie hinter Vi auf dem Motorrad Platz nahm.

„Ja klar, Cupcake. Is‘ gar nich so schwer, Heimerdinger hat mir alles erklärt“, antwortete Vi und streichelte begeistert den Rumpf ihrer neuen Maschine, mit der sie heute zum ersten Mal auf einen Einsatz fahren würde. Natürlich bestand immer die Möglichkeit, dass dem schicken Teil etwas passierte, doch Vi war nicht gewillt, ihr geliebtes, neues Stück nur herumstehen und Staub fangen zu lassen. Lieber nahm sie es mit auf die Verbrecherjagd mit. Sie drückte die Handfläche ihres Hextechhandschuhs auf den Kristall, der auf dem Rumpf angebracht war und aktivierte damit den Hextechmotor des Motorrades, der wie auf einen Schlüssel nur auf die maschinelle Codierung ihres Handschuhs reagierte – etwas absolut Wundervolles, so konnte man ihr die Mühle nicht stehlen. Sie spürte, wie Caitlyn hinter ihr etwas zusammenzuckte, als die Maschine zischte und ihre Ventile justierte. Die Kristalle begannen zu leuchten und den Motor mit Energie zu speisen und schon waren sie abfahrtbereit. „Halt dich gut fest“, rief Vi und nahm den Lenker fest in den Griff ihrer Handschuhe.
 

„Und wo?“, fragte Caitlyn – berechtigterweise, wie Vi einfiel. Sie hatte keine Griffe für Mitfahrer anbringen lassen. Nun, dann musste es anders gehen.

„An mir“, antwortete sie und deutete an, dass Caitlyn die Arme um sie legen sollte. Caitlyn würde das bestimmt… wie sagte sie immer… ach ja. Sie würde es unschicklich nennen. Vi musste breit grinsen, als Caitlyn schließlich die Arme um ihre Taille legte. Fast bedauerte Vi, dass sie eine Rüstung trug und die Berührungen des Sheriffs so kaum spüren konnte, doch mit der Metallpanzerung war es nun mal einfach sicherer auf Einsätzen.

„Es kann los gehen“, meinte Caitlyn schließlich, eng an Vi‘s Rücken geschmiegt und offensichtlich ein wenig unsicher, was die Sicherheit dieses Gefährts anging. Doch Vi war hochmotiviert, sie vom Gegenteil zu überzeugen.
 

Sie ließ den Motor kurz jaulen und beschleunigte dann aus dem Stand. Mit einem langgezogenen Zischen der Ventile und einem lauten Reifenquietschen reihte sich Vi‘s Motorrad in den Verkehr ein. Da sie jedoch nicht allzu viel von Verkehrsregeln hielt – und außerdem mussten sie ja so schnell wie möglich auf einen Tatort – schaltete sie die eigens dafür vorgesehene Warnsirene ein und schlängelte sich durch den Verkehr von Piltover, umfuhr einige der Hextechkutschen der Reichen und der noch handgesteuerten Droschken der nicht ganz so Reichen und bog in die nächste Straße ein.
 

Sie spürte, wie Caitlyn ihr Gesicht an ihren Rücken drückte und sich fest an sie presste, wohl auf den prophezeiten Unfall wartend. Das fühlte sich zwar gut an – das musste Vi zugeben – trotzdem war es unangebracht. Sie kannte sich mit Maschinen aus, sie würde sicher keinen Unfall bauen. Nach ein paar hundert Metern wurde der eiserne Griff lockerer und schließlich blickte Caitlyn ihr sogar über die Schulter. Scheinbar fasste der Sheriff langsam Vertrauen zu ihr. Und prompt, Vi hatte es nicht anders erwartet, begann Caitlyn sie wegen ihres Fahrstils zu tadeln und ihren Weg zu korrigieren.
 

Der Weg zum Tatort dauerte nicht allzu lang. Nur wenige Minuten später parkte Vi das Motorrad auf einem Bordstein, deaktivierte die Hextechmaschinerie und stieg ab. Caitlyn glitt hinter ihr elegant vom Sitz, rückte ihren Hut und ihre Waffe zurecht und musterte die Umgebung. Vi folgte ihrem Blick. Die Straße bot ein Bild der Zerstörung. Mehrere Gebäude waren zum Teil oder ganz eingestürzt, mitten auf dem Gehweg lag das Ziffernblatt einer nahen, großen Turmuhr, natürlich zerbrochen und in seine Einzelteile zerlegt. Und überall auf der Straße verteilt lagen zwischen den Trümmern die Überreste der Roboter, die sie als Patroille in den reicheren Vierteln einsetzten, alle durch Waffengewalt zerstört oder sogar gesprengt, offenbar schon vor ein paar Stunden wie die nur noch leicht schwelenden Überreste verschiedener Feuersbrünste zeigten. Caitlyn legte ihre Waffe an und machte sich daran, die Gegend zu sichern, Vi besah sich die Überreste der Gebäude. Vor einer halb umgefallenen Mauer, die nur noch von dem ausgebrannten Wracks einer Kutsche oben gehalten wurde, blieb sie stehen.
 

Scheinbar hatte der Übeltäter sich dort verewigt. ‚Hier kommt Jinx‘ stand mit pinken, krakeligen Buchstaben darauf gesprayt. Vi kniff die Augen zusammen und musterte die Buchstaben genauer. „Hey, Cupcake. Schau dir das mal an“, rief sie Caitlyn herbei, die von einem Schutthaufen hinuntersprang, von dem aus sie Ausschau gehalten hatte, und zu ihr hinüberkam. „Hier kommt Jinx?“, fragte Caitlyn, als sie den Schriftzug gelesen hatte. „Jinx? Kommt dir der Name bekannt vor?“
 

Vi zuckte mit den Achseln: „Nein, eigentlich nicht. Dir?“

Caitlyn schüttelte den Kopf: „Nein. Muss ein neues Gesicht in der Szene sein. Und er oder sie hat ein ziemliches Chaos angestellt, von den Sachschäden mal abgesehen.“

„Ist jemand verletzt worden?“, erkundigte Vi sich. Immerhin hatten Mitglieder der Wache von Piltover den Tatort schon vor einer Stunde gesichert, bevor ihnen Bescheid gegeben wurde.

„Scheinbar glücklicherweise nicht“, antwortete Caitlyn und zeichnete den Schriftzug ordentlich in ihr Notizbuch ab. „Als die erste Explosion auf der Straße losging, haben sich die meisten Bewohner in Sicherheit gebracht. Einer berichtete, dass er ein irres Lachen gehört habe, wohl von einem Mädchen. Wir haben es wohl also mit mindestens einer jungen Frau zu tun.“ Caitlyn klappte ihr Notizbuch zu und steckte es wieder in ihre Tasche. „Hast du eine Idee, wie wir mit den Ermittlungen anfangen sollen?“
 

Caitlyn hatte in den vergangenen Wochen vermehrt damit angefangen, Vi in Polizeiarbeit zu schulen und ihr beizubringen, wie man regelkonform vorging.

Vi seufzte. „Wir schauen, was wir noch an Spuren finden, halten das alles fest und geben das, was interessant sein könnte ins Labor.“

„Gut“, antwortete Caitlyn und blickte sich um. „Dann legen wir los. Wir haben viel zu tun.“
 

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Zwei Wochen später waren sie mit ihren Ermittlungen um den Fall ‚Jinx‘ noch immer nicht weiter. Die Spuren waren ins Nichts verlaufen. Das Einzige, was sie herausgefunden hatten, war, dass die Zielperson wohl türkisblaue Haare hatte, nicht besonders groß war und ein ziemlich hohes, irres Lachen hatte. Und besonders gerne mit Sprengstoff und großen Waffen hantierte.

Caitlyn war frustriert. Sie hasste es, wenn wichtige Fälle – und diesen ordnete sie als einen solchen ein – keine Fortschritte machten. Noch immer hoffte sie, dass es sich bei den Angriffen auf die Roboter der Wache um einen Einzelfall handeln und Jinx nicht noch einmal zuschlagen würde, doch innerlich wusste sie, dass dem nicht so sein würde. Der Schriftzug war eine Ankündigung gewesen, der sicherlich noch viel mehr folgen würde.
 

Und sie sollte Recht behalten. Am späten Nachmittag dieses regnerischen Tages, kurz vor Feierabend, erhielt Caitlyn eine Nachricht, die ihr sonst so glattes Gesicht in sorgenvolle Falten legte. Vi blickte von dem kleinen Tisch auf, der inzwischen im Büro stand und an dem sie gerade damit beschäftigt gewesen war, an einem neuen Modul ihrer Handschuhe herumzuschrauben und musterte Caitlyn genau. Ihr sonst so kühler Gesichtsausdruck zeigte Zeichen von Ärger und… Sorge. „Alles ok, Cupcake?“, fragte sie ruhig und ohne die übliche Spur von Belustigung in der Stimme.

Caitlyn blickte von dem Schriftstück auf, das sie in der Hand hielt und erwiderte Vi‘s Blick ernst. „Sie haben die Hextechakademie meiner Mutter gesprengt“, antwortete sie knapp.

„Scheiße“, zischte Vi. „Geht‘s ihr gut?“ Sie legte das feinmechanische Werkzeug weg und schraubte den Verschluss des Druckluftgenerators zu, dessen Farbe sich von grün zu blau wechselte und kam zu Caitlyns Schreibtisch hinüber.
 

„Sie ist unverletzt, wenn du das meinst“, antwortete Caitlyn und knallte das Stück Papier mit einer energischen Geste ihrer Hand auf den Tisch. „Dafür wird sie bezahlen“, fauchte sie dann.

„Sie? Meinst du, es war… diese Jinx?“, fragte Vi und musterte Caitlyn fast ein wenig unsicher. Man sah sie selten außer sich, da sie normalerweise die personifizierte Selbstkontrolle war, doch scheinbar ging es bei Familienangelegenheiten mit ihr durch – das war wohl verständlich, wenn man Familie hatte, um die man sich sorgen konnte. Vi konnte das zwar nicht nachvollziehen, aber versuchte dennoch, es sich vorzustellen.
 

„Ja, sie war es. Sie hat wieder ihre Signatur hinterlassen. Meine Mutter ist außer sich. Alles zerstört. Teure Apparaturen, jahrelange Forschungsprojekte, Aufzeichnungen, alles verloren. Und als wäre das noch nicht genug, ist das Gebäude selbst eingestürzt“, antwortete Caitlyn und schulterte ihre Waffe mit einem Gesichtsausdruck, als wolle sie jetzt jemanden erschießen gehen – egal wen.

„Cupcake, ganz ruhig“, versuchte Vi, sie ein wenig herunterzubringen, jedoch mit dem völlig gegenteiligen Effekt.
 

„Ich soll RUHIG sein?“, fauchte Caitlyn. „Das hier war nicht nur ein Angriff auf eines der zahlreichen Institute von Piltover. Nein. Das war ein Angriff gegen die Familie Chapman. Ein Angriff gegen MICH, Vi! Diese Jinx legt sich mit mir direkt an. Sie fordert mich heraus. Sie lacht mich aus. Sie versucht, meine Familie zu ruinieren und mich dabei als unfähig und lächerlich dastehen zu lassen.“
 

Einen solchen Ausbruch hatte Vi noch nie erlebt und war einen Moment lang unsicher, wie sie reagieren sollte. Schließlich jedoch trat sie vor und legte Caitlyn beruhigend eine Hand auf die Schulter und da sie gerade mechanisch gearbeitet hatte, handelte es sich diesmal sogar um ihre blanke Hand. „Wir kriegen sie“, sagte sie mit fester Stimme und blickte Caitlyn direkt in die Augen. „Ich versprech‘s dir.“

Caitlyn stutzte einen Moment, wohl überrascht von Vi‘s plötzlicher Ernsthaftigkeit, dann erwiderte sie den Blick ebenso fest. „Das werden wir.“

„Zieh deine Handschuhe an, wir sehen uns die Reste von Mutters Institut an“, wies Caitlyn sie an und Vi nickte. „Besser ist‘s.“
 

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Etwa eine halbe Stunde später, kurz nach Einsetzen der Abenddämmerung, waren sie vor Ort. Einst war das Institut einmal ein prächtiges, modernes Gebäude mit hohen Türmen, fantastisch ausgestatteten Laboren, exzellent bestückten Bibliotheken und ästhetischer Architektur gewesen, nun war es eine schwelende Ruine, in pinker und türkiser Farbe mit gesprayten Sprüchen verschandelt. Kein Stein stand mehr auf den anderen. Die offensichtlich von ‚Jinx‘ hinterlassenen Spuren wurden von Caitlyns Mitarbeitern, die das Gelände gesichert hatten, bereits penibel abgezeichnet, während der Sheriff selbst mit ihrem Partner direkt auf eines der Zelte zuhielt, die aufgebaut worden waren, um dem wenigen, was man aus den Trümmern hatte retten können, Obdach zu bieten.
 

Caitlyn schob die Zeltplane beiseite und trat ein. Das Innere des Zeltes war ein Chaos aus Kisten, Pergamentrollen, einem Wirrwar aus Büchern, Hextechgerätschaften und anderen kleinen und großen Dingen, die man hatte retten können. Sofort fiel ihr Blick auf ihre Mutter, die voller Schmutz und Ruß war, aber darunter dieselbe elegante, schöne Frau, die sie immer war, mit geradem Kreuz und ungebrochenem Stolz. Sie hatte dieselbe Haarfarbe wie sie – ein schönes, dunkles Braun, obwohl sich durch die zu einem strengen Dutt gedrehten Haare ein paar graue Strähnen zogen. Eine Brille saß auf der schmalen Nase und die müden Augen sahen von den Papieren auf, in denen Caitlyns Mutter vertieft gewesen war, als sie hereingekommen waren. „Caitlyn, Liebes“, sagte Mrs. Chapman mit gezwungen ruhiger Stimme und legte die Papiere beiseite. „Da bist du ja.“
 

Caitlyn nickte: „Ich bin sofort gekommen, als ich davon hörte. Wie ist das Ganze passiert?“

Mrs Chapman bot ihnen beiden einige Hocker an, auf die sie sich setzen konnten. Caitlyn nahm Platz, doch Vi zog es vor zu stehen, genau genommen neben der ‚Tür‘. Ihr Blick schweifte über die Ruinen, doch sie hörte mit halbem Ohr dem Gespräch zwischen Caitlyn und ihrer Mutter zu.

„Vor drei Stunden ging unser Alarm los. Du weißt, der Schadstoffalarm, den wir dazu benutzen, das Gebäude zu evakuieren, wenn gefährliche Gase austreten. Kurz nachdem die meisten unserer Mitarbeiter das Gebäude verlassen hatten, wurden einige wohl im Vorhinein angebrachte Sprengstoffe gezündet, die die wichtigsten Labore und die statisch wichtigsten Punkte des Gebäudes als Ziel hatten und dafür sorgten, dass alles einstürtze. Vier unserer Mitarbeiter, die zurückblieben, um mit Gasmasken nach dem Leck zu suchen, wurden dabei von Trümmern erschlagen oder von den Explosionen… getötet.“ Sie seufzte und nahm ihre Brille ab, um sie an ihrem schmutzigen Laborkittel zu putzen. „Niemand hatte es kommen sehen.“
 

Caitlyn nickte: „Wie auch. Das war ein feiger Angriff.“

„Weißt du, wer es getan hat, Liebes?“, fragte Mrs. Chapman mit leicht zusammengekniffenen Augen, ein Gesichtsausdruck, den Vi von Caitlyn nur allzu gut kannte.

„Ja, Mutter“, antwortete diese knapp. „Eine Verbrecherin, über die wir bislang leider nicht allzu viel wissen. Aber sei versichert, wir werden sie finden und verhaften.“

Vi‘s Blick glitt über ein grob an die Wand gespraytes Bild von einem Totenkopf in Pink mit ein paar Patronenhülsen nebendran. Irgendetwas daran kam ihr… bekannt vor, auch wenn sie nicht genau wusste, woher. War sie bei ihren zahlreichen Razzien vielleicht mal über eines dieser Bilder gestolpert? Jinx, Jinx, Jinx… Sie durchstöberte angestreng ihr Gehirn. Irgendwo in ihr bewegte diese Name etwas, aber sie wusste nicht genau, was. Sie hatte ihn schon einmal gehört. Vielleicht auf der Straße oder in einer Bar im Elendsviertel aufgeschnappt.
 

„Das will ich hoffen, Liebes. Wir werden hier noch eine Weile damit beschäftigt sein, die Aufräumarbeiten zu beaufsichtigen“, meinte Mrs. Chapman nun und seufzte erneut leise, während sie ihre Brille wieder aufsetzte.

„Hast du Vater schon unterrichtet?“, fragte Caitlyn und zog erneut ihr Notizbuch heraus, um ein paar Details festzuhalten.

„Natürlich. Er ist noch in einer Sitzung, aber er wird so bald er kann hierher kommen“, antwortete Caitlyns Mutter und musterte ihre Tochter genau. „Warum fragst du?“

„Aus welchem Grund auch immer diese Sprengung ausgeführt wurde. Sie hatten es auf unsere Familie abgesehen, Mutter. Bitte richte Vater aus, dass er besonders vorsichtig sein soll und vielleicht eine oder zwei Wachen mehr mitnehmen soll, wenn er ausgeht. Und du solltest dasselbe tun. Bis wir wissen, was diese… Jinx will, müssen wir vorsichtig sein.“
 

Vi dachte nach. Caitlyn hatte vermutlich Recht. Der erste Anschlag war auf die Roboter der Wache gewesen, der zweite auf ein Institut von Caitlyns Mutter. Die Verbindung zwischen den beiden Zielen war Caitlyn. Das gefiel ihr nicht – ganz und gar nicht. Sie ballte ihre Hände in den Handschuhen zu Fäusten und ließ ihren Blick über Caitlyn gleiten, die elegant und mit überschlagenen Beinen auf der Kiste saß. Sie war schön, auch wenn ihr Gesicht momentan trotz größter Mühen ruhig zu bleiben, Besorgnis zeigte. Im Gegensatz zu Vi war Caitlyns Gestalt schmaler und regelrecht… fragil.
 

Wie Vi sie kannte, würde sie die nächsten Wochen noch mehr arbeiten wollen als sowieso schon. Sie würde sicherlich noch weniger schlafen und noch mehr Kaffee trinken. Also war es an ihr, auf sie achtzugeben. Und das würde sie sehr ernst nehmen. Sie war ihre Partnerin und sie wollte nicht, dass Caitlyn etwas geschah. Sie würde sie beschützen, mit Fäusten vor ihren Feinden und wenn es sein musste auch mit Worten vor ihrer eigenen Arbeitswut.
 

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Es dauerte noch drei Stunden, bis sie schließlich den Tatort verließen. Es war lange nach Feierabend, als Vi Caitlyn endlich dazu hatte bringen können, es für heute gut sein zu lassen und nach Hause zu gehen. „Den Bericht kannste auch noch morgen schreiben, Cupcake. Du gehörst ins Bett“, meinte sie beinahe streng. „Komm, ich fahr dich direkt heim. Wo wohnste denn?“

Caitlyn musterte Vi kurz mit einem schwer zu deutenden Blick: „Wenn ich dir das verrate, musst du mir schwören, es niemals jemandem weiterzugeben.“
 

„Warum das?“, fragte Vi mit hochgezogener Augenbraue und ungläubigem Blick.

Caitlyn nahm schon einmal ihren Platz auf dem Motorrad ein – inzwischen hatte sie sich gewöhnt, mit dem halsbrecherischen Ding mitzufahren. „Weil ich für Verbrecher eine der meistbegehrten Zielpersonen von ganz Valoran bin, Vi. Es gibt sehr, sehr viele Leute, die mich gerne tot sehen würden – oder schlimmeres. Mein Wohnort ist nur sehr wenigen bekannt und so möchte ich es auch in Zukunft halten.“
 

Kurz hielt Vi inne und biss sich auf die Innenseite ihrer Unterlippe. Dann nickte sie: „Ich werd‘s mit ins Grab nehmen“, versicherte sie Caitlyn schließlich ernst. Diese nickte: „Ich weiß. Ich wollte es nur… klarstellen.“ Dann nannte sie ihr die Adresse, schlang die Arme um Vi‘s Taille und ließ sich von ihr heimbringen. Dabei legte sie ihr Gesicht an Vi‘s vertrauten, starken Rücken und war froh, dass sie – zumindest für den Moment – noch nicht alleine war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach etwas längerer Zeit endlich mal wieder ein neues Kapitel. Ich hatte zuviel zu tun, um früher dazu zu kommen ,tut mir Leid >.< Ich versuche, mir für das nächste nicht zu viel Zeit zu lassen.

Endlich ist Jinx mal aufgetaucht und bringt ein paar Probleme in die Sache. :D

Hoffe, es hat euch gefallen.
Greetings,
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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Shenpai
2017-05-14T10:18:14+00:00 14.05.2017 12:18
Diese Fanfiction ist sehr gut geschrieben und gefällt mir sehr. Ich freue mich schon auf weitere Kapitel.
Antwort von:  Leilan
14.05.2017 15:31
Danke dir für deinen netten Kommentar :) Freut mich, dass dir die FF gefällt.
Von:  Darkdragon83
2017-05-14T08:30:55+00:00 14.05.2017 10:30
Hey,
ich hatte auch so viel zu tun, dass ich jetzt erst zum lesen gekommen bin.
Ein sehr schönes Kapitel.
Ich mutmaße mal, Vi hat gute Gründe außer reinen Unwillen, keine Berichte zu schreiben^^ ich bin gespannt ;)

Ich hoffe du findest die Zeit bald weiter zu schreiben und ich die Zeit, es dann auch zeitnah zu lesen, ich will unbedingt wissen wie es weiter geht! (vor allem natürlich mit den Beiden )
Antwort von:  Leilan
14.05.2017 15:31
Schön, dass du Zeit gefunden hast, ich freu mich immer über deine Kommentare :)


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